Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Hamburg vom 16.02.2023 - 6 K 239/21 = SIS 23 07 91 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Kläger zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) betrieb im Jahr 2020 (Streitjahr) in
Schleswig-Holstein ein Fitnessstudio. Die Laufzeit einer
Mitgliedschaft in seinem Fitnessstudio betrug je nach Vereinbarung
12 oder 24 Monate. Der Kläger wurde vertraglich
ermächtigt, die monatlich zu entrichtenden Beiträge der
Mitglieder mittels Lastschrift einzuziehen. Der Beitrag wurde
jeweils im Voraus fällig und per SEPA-Lastschrift zum
Monatsersten eingezogen. Die Mitglieder waren zur
„gemeinschaftlichen Mitbenutzung sämtlicher
Einrichtungen der Räume des …“
berechtigt.
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Das Fitnessstudio des Klägers war
aufgrund der Landesverordnung über Maßnahmen zur
Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus
SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein (im Folgenden: Landesverordnung)
in der Zeit vom 17.03.2020 bis zum 17.05.2020 geschlossen. Der
Kläger teilte seinen Mitgliedern in einem Aushang vor Ort dazu
unter anderem mit, dass der Zeitraum, in dem in seinem
Fitnessstudio nicht trainiert werden könne, neben
vielfältiger Alternativangebote am Ende der Mitgliedschaft
beitragsfrei ersetzt werde. In den sozialen Medien wies der
Kläger als „wichtige
Corona-Mitteilung“ außerdem auf seine
tägliche Telefon-Hotline, die gratis Online-Live-Kurse und den
kostenlosen 3D-Körperscan hin. Er teilte darüber hinaus
mit, dass jeder Schließungsmonat ersetzt werde und seine
Mitglieder „3 Gratis-Monate, 3 x 1 Gratis-Monat zum
Verschenken, 1 x Personal-Training“ erhielten.
Die in diesem Rahmen vom Kläger angebotenen Online-Live-Kurse
waren öffentlich zugänglich, so dass nicht nur
Mitglieder, sondern auch Nichtmitglieder daran teilnehmen konnten.
Nur wenige der rund 800 Mitglieder verlangten die vom Kläger
eingezogenen Mitgliedsbeiträge, die auf die Zeit der
behördlich angeordneten Schließung des Fitnessstudios
entfielen, per Rücklastschrift zurück; 761 Mitglieder,
von denen 85 die Zeitgutschriften beziehungsweise Bonus-Monate
tatsächlich in Anspruch nahmen, zahlten den Mitgliedsbeitrag
weiter.
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In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen
erklärte der Kläger für den Monat April 2020 keine
und für den Monat Mai 2020 anteilig keine Umsätze und
kündigte zugleich an, die Umsatzsteuer-Voranmeldung für
den Monat März 2020 zu berichtigen. Es seien während der
behördlich angeordneten Schließzeit keine Leistungen an
die Mitglieder erbracht worden. Der Kläger rechnete für
die Monate März und Mai 2020 die Schließzeiten anteilig
taggenau als umsatzlos aus den eingegangenen
Mitgliedsbeiträgen heraus.
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Nach einer Außenprüfung vertrat
der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) die
Ansicht, dass die Umsätze steuerbar seien. Den Mitgliedern
gegenüber sei die Zusage erteilt worden, dass eine
Beitragsfortzahlung zu einer Zeitgutschrift führe. Zwischen
der jeweiligen Zahlung und der in Aussicht gestellten Leistung
bestehe ein innerer Zusammenhang, der einen Leistungsaustausch
begründe. Die nicht belegte, möglicherweise bestehende
Absicht der Mitglieder, das Fitnessstudio finanziell
unterstützen zu wollen, werde durch die angekündigte
Leistung überlagert.
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Das FA erhöhte - den
Prüfungsfeststellungen folgend - mit Bescheiden vom 28.07.2021
die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate März,
April und Mai 2020 um insgesamt … EUR. Die hiergegen
eingelegten Einsprüche wies das FA als unbegründet
zurück (Einspruchsentscheidung vom 26.11.2021). Es nahm an,
die Zahlungen der Mitgliedsbeiträge seien im Rahmen eines
umsatzsteuerbaren Leistungsaustausches erfolgt. Selbst wenn der
Kläger gegenüber den Mitgliedern seines Fitnessstudios
keine Leistung erbracht hätte, seien die vereinnahmten
Entgelte jedenfalls Anzahlungen für steuerpflichtige
Leistungen. Erst die Rückgewähr des Entgelts berechtige
nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zur
Minderung der Bemessungsgrundlage.
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Der Kläger reichte am 28.12.2022 eine
Umsatzsteuer-Jahressteuererklärung ein, in der die streitigen
Mitgliedsbeiträge nicht enthalten waren und der das FA
zustimmte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht
(FG) am 16.02.2023 übergab das FA dem Kläger einen
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Streitjahr vom
selben Tag, in dem es demgegenüber die Beträge als
Entgelte für steuerpflichtige Umsätze erfasst
hatte.
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Das FG gab der Klage, die auf die Aufhebung
des vorgenannten Umsatzsteuer-Änderungsbescheids gerichtet
war, mit seinem in EFG 2023, 867 = SIS 23 07 91
veröffentlichten Urteil vom 16.02.2023 - 6 K 239/21 teilweise
statt. Es änderte den angefochtenen
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid dahingehend, dass die
Umsatzsteuer für das Streitjahr um … EUR auf …
EUR herabgesetzt wurde. Im Übrigen wies es die Klage ab. In
verfahrensrechtlicher Hinsicht ging das FG davon aus, dass der in
der mündlichen Verhandlung dem Kläger übergebene
Änderungsbescheid wirksam sei. In der Sache nahm das FG an, es
fehle für den gesamten Schließungszeitraum (17.03.2020
bis 17.05.2020) an dem für die Umsatzsteuerbarkeit
erforderlichen Leistungsaustausch. Dem Kläger sei die
Leistungserbringung in dieser Zeit unmöglich gewesen. Die
Ersatzleistungen hätten nach Art und Umfang die geschuldete
Leistung nicht ersetzen können. Hinsichtlich der Bonus-Monate
könne schon kein Vertragsschluss angenommen werden, weil
Schweigen keine Willenserklärung sei. Die Weiterzahlung der
Mitgliedsbeiträge könne nicht als konkludente
Annahmehandlung angesehen werden, weil insoweit nach dem objektiven
Empfängerhorizont kein eindeutiger Rechtsbindungswille
erkennbar gewesen sei. Zahlungen aus Solidarität,
Bequemlichkeit oder aufgrund eines Rechtsirrtums seien nicht
steuerbar. Ferner liege hinsichtlich der Monate April und Mai 2020
auch keine Anzahlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4
UStG vor, da jeweils im Zeitpunkt der Zahlung zum Monatsersten
festgestanden habe, dass die Leistungserbringung unmöglich
sei. Hingegen handele es sich bei der Zahlung der
Mitgliedsbeiträge Anfang März 2020 um eine Anzahlung.
Demgemäß saldierte das FG im Hinblick auf den
streitgegenständlichen Umsatzsteuer-Jahresbescheid die aus
seiner Sicht auf die Anzahlung für den gesamten Monat
März 2020 entfallende Umsatzsteuer mit derjenigen, die aus
seiner Sicht zu Unrecht aufgrund der Mitgliedsbeiträge
für die Zeit vom 17.05.2020 bis zum 31.05.2020 in dem Bescheid
erfasst war.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Es macht im Wesentlichen geltend,
dass die Mitglieder ihre Beiträge für die Monate der
behördlich angeordneten Schließung vom Kläger
hätten in der Annahme einziehen lassen, dass ihre
Vertragslaufzeit verlängert werde. Sie hätten bei der
Einziehung der Beiträge davon ausgehen dürfen, dass ein
Anspruch auf Zeitgutschrift allein durch die Beitragsfortzahlung
bestehe. Die Mitgliedsbeiträge seien steuerbare
Vorauszahlungen auf noch zu erbringende Teilleistungen, deren
Bemessungsgrundlage nur unter der Voraussetzung der
Rückzahlung geändert werden könne.
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Das FA beantragt,
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die Vorentscheidung aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision des FA als unbegründet
zurückzuweisen.
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Er tritt der Revision entgegen und bringt
dazu unter anderem vor, die für die Verschiebung des
Leistungszeitraums erforderliche vertragliche Änderung sei
abgesehen von den 85 Mitgliedern, die während der
Schließzeit ihre Beiträge gezahlt und von der
Zeitgutschrift Gebrauch gemacht hätten, mangels
Angebotsannahme nicht erfolgt. Die Mitglieder hätten über
die bloße Duldung der Abbuchung hinaus keine Tätigkeit
entfaltet, die als Betätigung eines Annahmewillens hätte
gewertet werden können. Eine Geldzahlung allein, auch wenn sie
im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses erfolgt sei,
löse keine Steuerbarkeit aus. Hierzu müsse eine Lieferung
ausgeführt oder eine Dienstleistung erbracht werden. Die
Leistungserbringung und nicht die Entgeltentrichtung unterliege der
Besteuerung. Keine Dienstleistung gegen Entgelt liege vor, wenn der
Unternehmer zwar eine Zahlung erhalte, diese aber von dem Zahlenden
nicht für einen verbrauchsfähigen Vorteil, sondern aus
anderen Gründen entrichtet werde. Insoweit fehle es an dem
für die Umsatzsteuerbarkeit erforderlichen Leistungsaustausch.
Die Erbringung der vereinbarten Leistung, die wegen Zeitablaufs
nicht mehr nachholbar sei, sei zivilrechtlich aufgrund der
hoheitlich angeordneten Schließung des Fitnessstudios
unmöglich gewesen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Der Senat entscheidet nach
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in
der Sache selbst und weist die Klage insgesamt als unbegründet
ab.
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Ein umsatzsteuerrechtlicher Leistungsaustausch
folgt im Streitfall aus dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen
der im Rahmen eines bestehenden Rechtsverhältnisses
angebotenen Leistung und der entrichteten Gegenleistung. Das FG hat
zu Unrecht angenommen, die Wertung des Zivilrechts entspreche auch
der unionsrechtlichen Betrachtungsweise im Umsatzsteuerrecht.
Entgegen der Auffassung des FG sind daher die während der
behördlich angeordneten Schließzeit für die Monate
April und Mai 2020 vereinnahmten Mitgliedsbeiträge ebenfalls
Entgelte (Anzahlungen) für steuerbare und steuerpflichtige
Teilleistungen. Die Sache ist spruchreif.
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1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das
FG zutreffend angenommen, dass der
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Streitjahr vom
16.02.2023 dem Kläger wirksam bekanntgegeben worden ist. Die
Form der Bekanntgabe eines Steuerbescheids liegt grundsätzlich
im Ermessen der zuständigen Finanzbehörde. Diese kann
daher auch andere als die in § 122 der Abgabenordnung (AO)
geregelten Formen der Bekanntgabe wählen, zum Beispiel durch
Übergabe im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem
FG. Der Änderungsbescheid vom 16.02.2023 hat den
Umsatzsteuer-Jahresbescheid, der nach § 168 Satz 2 i.V.m. Satz
1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, ersetzt und
ist gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des
Verfahrens geworden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19.07.2011 - XI R
21/10, BFHE 235, 14, BStBl II 2012, 434 = SIS 11 36 18, Rz 19 ff.;
vom 17.03.2022 - XI R 39/19, BFHE 275, 526, BStBl II 2023, 295 =
SIS 22 12 52).
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2. Zu Unrecht hat das FG allerdings
angenommen, dass die von den Kunden gezahlten Beträge kein
Entgelt für eine steuerbare Leistung seien. Die
Vorentscheidung ist daher aufzuheben.
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a) Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2
UStG alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der
leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem
anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung
erhält oder erhalten soll, einschließlich der
unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze
zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der
für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Dies
beruht unionsrechtlich auf Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des
Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL). Der Wert der Gegenleistung ist auch unter
Berücksichtigung der Perspektive des Leistenden zu ermitteln
(BFH-Urteil vom 10.12.2020 - V R 34/18, BFHE 272, 167, BStBl II
2021, 576 = SIS 21 07 70, Rz 38).
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des
EuGH und des BFH setzt eine „Leistung gegen
Entgelt“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1
Satz 1 UStG und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL einen
unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer (steuerbaren) Leistung
und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen
Gegenleistung voraus (vgl. u.a. EuGH-Urteile Tolsma vom 03.03.1994
- C-16/93, EU:C:1994:80 = SIS 94 14 34, Rz 13 und 14; Gemeente
Borsele vom 12.05.2016 - C-520/14, EU:C:2016:334 = SIS 16 09 60, Rz
24; Lajver vom 02.06.2016 - C-263/15, EU:C:2016:392 = SIS 16 11 87,
Rz 26; BFH-Urteile vom 30.08.2017 - XI R 37/14, BFHE 259, 175,
BStBl II 2019, 336 = SIS 17 18 92, Rz 19; vom 02.08.2018 - V R
21/16, BFHE 262, 548, BStBl II 2019, 339 = SIS 18 18 63, Rz 22,
m.w.N.).
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bb) Der unmittelbare Zusammenhang beruht
regelmäßig auf dem
„Rechtsverhältnis“, das heißt
den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistendem und
Leistungsempfänger (vgl. z.B. EuGH-Urteile Bally vom
25.05.1993 - C-18/92, EU:C:1993:212 = SIS 93 15 31; Tolsma vom
03.03.1994 - C-16/93, EU:C:1994:80 = SIS 94 14 34, Rz 14; Elida
Gibbs vom 24.10.1996 - C-317/94, EU:C:1996:400 = SIS 97 04 27;
BFH-Urteil vom 24.02.2021 - XI R 15/19, BFHE 272, 252, BStBl II
2021, 729 = SIS 21 10 52, Rz 17, m.w.N.).
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b) Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die Umsätze aus Lieferungen und
sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt
im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unionsrechtlich beruht
dies auf Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL. Ein steuerbarer Umsatz
liegt dabei vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem
Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in
dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei
die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen
Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte
Leistung bildet (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 05.08.2010 - V R 54/09, BFHE 231, 289, BStBl II
2011, 191 = SIS 10 39 04, Rz 12; vom 22.04.2015 - XI R 10/14, BFHE
250, 268, BStBl II 2015, 862 = SIS 15 18 60, Rz 18; vom 22.02.2017
- XI R 17/15, BFHE 257, 169, BStBl II 2017, 812 = SIS 17 06 22, Rz
22; vom 11.12.2019 - XI R 13/18, BFHE 268, 262, BStBl II 2020, 296
= SIS 20 03 40, Rz 17 f.; vom 08.05.2024 - XI R 16/20, BStBl II
2024, 662 = SIS 24 12 11, Rz 26). Der Leistungsempfänger muss
identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem
Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt
(vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2005 - V R 34/03, BFHE 211, 59, BStBl
II 2007, 66 = SIS 05 42 06, unter II.1.; vom 29.10.2008 - XI R
76/07, BFH/NV 2009, 795 = SIS 09 12 85, unter II.2.a; vom
15.04.2015 - V R 46/13, BFHE 250, 253, BStBl II 2015, 947 = SIS 15 18 88, Rz 39; vom 14.01.2016 - V R 63/14, BFHE 253, 279, BStBl II
2016, 360 = SIS 16 04 63, Rz 14; vom 06.04.2016 - V R 12/15, BFHE
253, 475, BStBl II 2017, 188 = SIS 16 14 53, Rz 26; vom 22.02.2017
- XI R 17/15, BFHE 257, 169, BStBl II 2017, 812 = SIS 17 06 22, Rz
22; vom 08.05.2024 - XI R 16/20, BStBl II 2024, 662 = SIS 24 12 11,
Rz 26).
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aa) Entscheidend dafür, ob eine Zahlung
„für die Leistung“ beziehungsweise
„für die Umsätze“ gewährt
wird beziehungsweise der Leistende sie hierfür erhält,
ist nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH, dass zwischen
Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht
(vgl. EuGH-Urteile Tolsma vom 03.03.1994 - C-16/93, EU:C:1994:80 =
SIS 94 14 34, Rz 13 f.; SAWP vom 18.01.2017 - C-37/16, EU:C:2017:22
= SIS 17 00 20, Rz 25 f.; BFH-Urteile vom 16.10.2013 - XI R 39/12,
BFHE 243, 77, BStBl II 2014, 1024 = SIS 13 31 04, Rz 32; vom
15.04.2015 - V R 46/13, BFHE 250, 253, BStBl II 2015, 947 = SIS 15 18 88, Rz 39; vom 22.02.2017 - XI R 17/15, BFHE 257, 169, BStBl II
2017, 812 = SIS 17 06 22, Rz 26; vom 31.05.2017 - XI R 2/14, BFHE
258, 191, BStBl II 2017, 1024 = SIS 17 14 27; vom 08.05.2024 - XI R
16/20, BStBl II 2024, 662 = SIS 24 12 11, Rz 29).
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bb) Es bestimmt sich in erster Linie nach dem
der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, ob eine
Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung
verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer
Gegenleistung (Zahlung) richtet (vgl. EuGH-Urteil Kennemer Golf vom
21.03.2002 - C-174/00, EU:C:2002:200 = SIS 02 07 71, Rz 39;
BFH-Urteile vom 18.12.2008 - V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl II
2009, 749 = SIS 09 19 44, unter II.3.a ee; vom 30.06.2010 - XI R
22/08, BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084 = SIS 10 33 10, Rz 13;
vom 30.06.2022 - V R 36/20, BFHE 277, 508 = SIS 22 19 42, Rz 24;
jeweils m.w.N.). Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen
Vertrags, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden
oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer
Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls
der leistende Vertragspartner Unternehmer ist (vgl. BFH-Urteile vom
18.12.2008 - V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl II 2009, 749 = SIS 09 19 44, unter II.3.a ee; vom 16.01.2014 - V R 22/13, BFH/NV 2014,
736 = SIS 14 11 15, Rz 21; vom 13.12.2017 - XI R 3/16, BFHE 261,
84, BStBl II 2018, 727 = SIS 18 04 97, Rz 35; vom 10.04.2019 - XI R
4/17, BFHE 264, 382, BStBl II 2019, 635 = SIS 19 10 06, Rz 17).
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cc) Ob die Voraussetzungen für einen
Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach
zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom
Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen
Maßstäben zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile vom 16.01.2014
- V R 22/13, BFH/NV 2014, 736 = SIS 14 11 15, Rz 22; vom 21.12.2016
- XI R 27/14, BFHE 257, 154, BStBl II 2021, 779 = SIS 17 06 23, Rz
29; vom 10.04.2019 - XI R 4/17, BFHE 264, 382, BStBl II 2019, 635 =
SIS 19 10 06, Rz 18; jeweils m.w.N.). Es stellt eine
unionsrechtliche, unabhängig von der Beurteilung nach
nationalem Recht zu entscheidende Frage dar, ob die Zahlung eines
Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von
Dienstleistungen erfolgt (vgl. EuGH-Urteil Meo - Serviços de
Comunicações e Multimédia vom 22.11.2018 -
C-295/17, EU:C:2018:942 = SIS 18 18 95, Rz 68 f.; BFH-Urteile vom
21.12.2016 - XI R 27/14, BFHE 257, 154, BStBl II 2021, 779 = SIS 17 06 23, Rz 29; jeweils m.w.N.). Auf die Frage, ob nach deutschem
Zivilrecht objektive (oder subjektive) Unmöglichkeit der
ursprünglich geschuldeten Leistung vorliegt, kommt es deshalb
nicht an (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16.01.2014 - V R 22/13, BFH/NV
2014, 736 = SIS 14 11 15, Rz 22, m.w.N.).
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dd) Eine Geldzahlung ohne eine
ausgeführte Lieferung oder eine erbrachte Dienstleistung
allein löst jedoch noch keine Steuerpflicht beim
Empfänger aus, auch wenn dieser ein Steuerpflichtiger sein
sollte (vgl. EuGH-Urteil BUPA Hospitals und Goldsborough
Developments vom 21.02.2006 - C-419/02, EU:C:2006:122 = SIS 06 14 59, Rz 50; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom
07.06.2018 - C-295/17, EU:C:2018:413, Rz 33). Die
Leistungserbringung und nicht die Entgeltentrichtung unterliegt der
Besteuerung (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.2011 - V R 36/09, BFHE 235,
507, BStBl II 2012, 365 = SIS 11 39 42, Rz 28). Keine
Dienstleistung gegen Entgelt liegt vor, wenn das Unternehmen zwar
eine Zahlung erhält, dieses Geld aber von dem Zahlenden nicht
für einen verbrauchbaren Vorteil aufgrund eines
Rechtsverhältnisses, sondern aus persönlichen Motiven
gezahlt wird (vgl. EuGH-Urteil Tolsma vom 03.03.1994 - C-16/93,
EU:C:1994:80 = SIS 94 14 34, Rz 17; Schlussanträge der
Generalanwältin Kokott vom 07.06.2018 - C-295/17,
EU:C:2018:413, Rz 35; EuGH-Urteil Meo - Serviços de
Comunicações e Multimédia vom 22.11.2018 -
C-295/17, EU:C:2018:942 = SIS 18 18 95).
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c) Wird das Entgelt für Lieferungen oder
sonstige Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ganz
oder teilweise vereinnahmt, bevor die Leistung oder die
Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht insoweit die
Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG mit Ablauf
des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt
vereinnahmt worden ist.
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Diese Regelung beruht auf Art. 65 MwStSystRL
(vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.11.2022 - XI R 11/21, BFHE 279, 283,
BStBl II 2023, 424 = SIS 23 02 25, Rz 28). Das Entstehen des
Steueranspruchs nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG
(Art. 65 MwStSystRL) erfordert, dass alle maßgeblichen
Elemente des Steuertatbestands, das heißt der künftigen
Lieferung oder der künftigen Dienstleistung, bereits bekannt
und somit die Gegenstände oder die Dienstleistungen zum
Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind (vgl. EuGH-Urteile BUPA
Hospitals und Goldsborough Developments vom 21.02.2006 - C-419/02,
EU:C:2006:122 = SIS 06 14 59, Rz 48; Lebara vom 03.05.2012 -
C-520/10, EU:C:2012:264 = SIS 12 11 64, Rz 26; Kollroß und
Wirtl vom 31.05.2018 - C-660/16 und C-661/16, EU:C:2018:372 = SIS 18 08 10, Rz 40; BFH-Urteile vom 15.09.2011 - V R 36/09, BFHE 235,
507, BStBl II 2012, 365 = SIS 11 39 42, Rz 16; vom 29.11.2022 - XI
R 11/21, BFHE 279, 283, BStBl II 2023, 424 = SIS 23 02 25, Rz
29).
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26
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d) Teilleistungen liegen gemäß
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG vor, wenn für
bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt
gesondert vereinbart wird.
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aa) Die nationale Regelung für
Teilleistungen beruht auf Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 01.02.2022 - V R 37/21 (V R 16/19), BFHE 275, 460,
BStBl II 2022, 860 = SIS 22 08 93, Rz 23). Art. 64 Abs. 1
MwStSystRL erfasst unter anderem Dienstleistungen, die „zu
aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass
[geben]“, das heißt Leistungen mit
kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter (vgl. EuGH-Urteil
X-Beteiligungsgesellschaft vom 28.10.2021 - C-324/20, EU:C:2021:880
= SIS 21 17 43, Rz 45), die in den Zeiträumen erbracht werden,
auf die sich die hierfür erfolgenden Zahlungen beziehen (vgl.
EuGH-Urteil X-Beteiligungsgesellschaft vom 28.10.2021 - C-324/20,
EU:C:2021:880, EU:C:2021:880 = SIS 21 17 43, Rz 38).
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bb) Dem entspricht der nationale Begriff der
Teilleistung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG
zumindest im Regelfall, da es sich bei der wirtschaftlich teilbaren
Leistung um eine Leistung mit einem „kontinuierlichen oder
wiederkehrenden Charakter“ handelt, wie sie im
Rahmen von Dauerschuldverhältnissen erbracht wird (vgl.
BFH-Urteile vom 01.02.2022 - V R 37/21 (V R 16/19), BFHE 275, 460,
BStBl II 2022, 860 = SIS 22 08 93, Rz 26; vom 28.09.2022 - XI R
28/20, BFHE 278, 355, BStBl II 2023, 598 = SIS 23 03 42, Rz
22).
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e) Nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG gilt
§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG sinngemäß, wenn für
eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt
entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung aber nicht
ausgeführt wurde.
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aa) Dies beruht auf Art. 65, 90 und 193
MwStSystRL (vgl. EuGH-Urteil FIRIN vom 13.03.2014 - C-107/13,
EU:C:2014:151 = SIS 14 10 42, Rz 56 sowie Schlussanträge der
Generalanwältin Kokott in der Rechtssache FIRIN vom 19.12.2013
- C-107/13, EU:C:2013:872, Rz 43). Was die in Art. 90 MwStSystRL
verwendeten Begriffe der Annullierung, der
Rückgängigmachung und der Auflösung betrifft, so
finden diese drei Fallgestaltungen in der Mehrheit der
Sprachfassungen der in Rede stehenden Bestimmung Erwähnung,
während andere nur zwei Fallgestaltungen erwähnen (vgl.
EuGH-Urteil Lombard Ingatlan Lízing vom 12.10.2017 -
C-404/16, EU:C:2017:759 = SIS 17 18 54, Rz 22). Die Verwendung der
Begriffe der Annullierung, der Rückgängigmachung und der
Auflösung ist mit dem Bestreben zu erklären, sowohl die
Fälle der rückwirkenden Auflösung (ex tunc) als auch
die Fälle der Auflösung mit Wirkung für die Zukunft
(ex nunc) zu erfassen; aber auch die Sprachfassungen mit nur zwei
Fallgruppen stehen einer solchen Auslegung nicht entgegen, da sie
sich auf die rückwirkende Beendigung eines Vertrags oder auf
das Scheitern eines Geschäfts beziehen (vgl. EuGH-Urteil
Lombard Ingatlan Lízing vom 12.10.2017 - C-404/16,
EU:C:2017:759 = SIS 17 18 54, Rz 23 und 24). Eine
nachträgliche Änderung der vertraglichen Beziehungen ist
nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung (vgl.
bereits EuGH-Urteil Freemans vom 29.05.2001 - C-86/99,
EU:C:2001:291 = SIS 01 08 78, Rz 33).
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bb) Die Minderung der Bemessungsgrundlage
gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 UStG, Art.
90 MwStSystRL tritt nicht schon dann ein, wenn die vereinbarte
Leistung tatsächlich nicht erbracht wird und deshalb ein
Rückzahlungsanspruch des Zahlenden besteht, sondern erst dann,
wenn das bereits gezahlte Entgelt tatsächlich
zurückgezahlt worden ist (vgl. EuGH-Urteil FIRIN vom
13.03.2014 - C-107/13, EU:C:2014:151 = SIS 14 10 42, Rz 56, m.w.N.;
BFH-Urteile vom 19.07.2007 - V R 11/05, BFHE 219, 220, BStBl II
2007, 966 = SIS 07 37 84; vom 18.09.2008 - V R 56/06, BFHE 222,
162, BStBl II 2009, 250 = SIS 08 44 49; vom 02.09.2010 - V R 34/09,
BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991 = SIS 10 40 53; vom 05.12.2018 -
XI R 44/14, BFHE 263, 359 = SIS 18 22 44, Rz 70, m.w.N.; vom
17.07.2019 - V R 9/19 (V R 29/15), BFHE 265, 565 = SIS 19 14 01, Rz
31). Der Umstand, dass der Zahlende aufgrund der Unmöglichkeit
der Leistung einen Anspruch auf Rückzahlung der Anzahlung
für die vereinbarte, aber nicht erbrachte Leistung hat, reicht
danach für eine Minderung der Bemessungsgrundlage beim
Leistenden nicht aus (s. zur Nichtberichtigung beim Leistenden ohne
Rückzahlung der Anzahlung in Fällen der objektiven
Unmöglichkeit der Leistung auch EuGH-Urteil Kollroß und
Wirtl vom 31.05.2018 - C-660/16 und C-661/16, EU:C:2018:372 = SIS 18 08 10, Rz 62).
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f) Ausgehend davon hat das FG zu Unrecht
angenommen, dass nur die für den Monat März 2020, nicht
aber auch die für die Monate April und Mai 2020 jeweils zum
Monatsersten eingezogenen Mitgliedsbeiträge Entgelte für
eine steuerbare Leistung sind.
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33
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aa) Bei den vom Kläger im Rahmen der
Mitgliedsvereinbarungen während der Laufzeit der jeweiligen
Mitgliedschaft in seinem Fitnessstudio geschuldeten Leistungen
handelt es sich um Teilleistungen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr.
1 Buchst. a Satz 3 UStG. Es liegen mit den eingeräumten
Nutzungsmöglichkeiten der Einrichtungen im Fitnessstudio des
Klägers wirtschaftlich teilbare Leistungen vor, die im Rahmen
der 12 oder 24 Monate umfassenden Laufzeiten der jeweils als
Dauerschuldverhältnis zu beurteilenden Mitgliedschaft
kontinuierlich und in zeitlichen Abschnitten von jeweils einem
Monat zu erbringen waren und die im Sinne des Art. 64 MwStSystRL zu
aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass gaben.
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bb) Im Zeitpunkt der durch Einzug
vereinnahmten Vorauszahlungen am jeweiligen Monatsersten waren, was
für die Entstehung des Steueranspruchs nach § 13 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG erforderlich ist, nach den
Mitgliedsvereinbarungen alle maßgeblichen Elemente des
Steuertatbestands der vom Kläger für die für den
jeweiligen Zeitraum vertraglich geschuldeten Teilleistungen bekannt
und genau bestimmt. Nach den die Mitgliedschaften betreffenden
Vereinbarungen schuldete der Kläger seinen Mitgliedern
kontinuierlich, fortlaufend und abschnittsbezogen für die
Monate März, April und Mai 2020 die gemeinschaftliche
Mitbenutzung sämtlicher Einrichtungen der Räume seines
Fitnessstudios, also insbesondere die Mitbenutzung der
Trainingsanlage und die Teilnahme an Gymnastikstunden. Hierfür
schuldeten die Mitglieder ein Entgelt in Höhe des jeweils zum
Monatsersten vom Kläger eingezogenen Beitrags. Die monatlich
zu entrichtenden Zahlungen erfolgten als Gegenleistung für die
im Rahmen der Mitgliedschaften im Fitnessstudio des Klägers zu
erbringenden monatlichen Teilleistungen.
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35
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cc) Die von den Mitgliedern auf Grundlage der
bestehenden Vereinbarungen als Anzahlung entrichteten Beiträge
für die monatlichen Teilleistungen sind nach den
Ausführungen unter II.2.e selbst dann weiter Entgelte für
steuerbare Leistungen, soweit die Erbringung dieser Leistungen
aufgrund der Landesverordnung vom 17.03.2020 bis 17.05.2020
unmöglich geworden ist, falls sie nicht beziehungsweise nicht
anteilig zurückgewährt wurden. Eine Minderung der
Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG i.V.m. §
17 Abs. 1 Satz 1 UStG wegen einer nicht erbrachten Teilleistung
erfolgt gemäß den Ausführungen unter II.2.e bb auch
im Falle der Unmöglichkeit der Leistung erst dann, wenn die
hierfür entrichtete Anzahlung zurückgewährt wird.
Dies ist hinsichtlich der im Streit stehenden Beiträge
für die Monate März, April und Mai 2020 nicht der Fall.
Die überwiegende Mehrzahl der rund 800 Mitglieder des
Fitnessstudios des Klägers forderten die in der
pandemiebedingten Schließzeit im Voraus entrichteten
Beiträge für die Monate März, April und Mai 2020
nicht zurück, so dass es in 761 Fällen insoweit nicht zu
einer Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 2
UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG kam (vgl. zur zeitweisen
Schließung von Fitnessstudios auch Weber, UVR 2023, 276).
Soweit einige wenige Mitglieder die eingezogenen Beiträge
zurückverlangt haben, war - was zwischen den Beteiligten nicht
im Streit steht - die gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. a Satz 4 UStG mit Ablauf der Monate März, April und
Mai 2020 entstandene Steuer (erst) in dem Besteuerungszeitraum der
Beitragsrückgewähr nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG
i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 8 UStG zu berichtigen.
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g) Unabhängig von der vorstehenden
Beurteilung sind die Beiträge - entgegen der Auffassung des FG
- auch deshalb Entgelt für eine steuerbare Leistung, weil der
Kläger seinen Mitgliedern in Gestalt der zugesagten
Bonus-Monate für die geleisteten Zahlungen einen
verbrauchsfähigen Vorteil als Leistung dergestalt verschafft
hat, dass sie im Anschluss an den Ablauf der jeweiligen
Mitgliedschaft beitragsfrei für die Zeit, in denen das
Fitnessstudio schließen musste, weiter trainieren
konnten.
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aa) Der Kläger hat den Beitragseinzug
aufgrund der weiterhin bestehenden Mitgliedschaft als
Rechtsverhältnis vorgenommen. Durch Aushänge hatte er zu
dieser Zeit den Mitgliedern zugesagt, dass (neben den
vielfältigen Alternativangeboten) der Zeitraum, in dem in
seinem Fitnessstudio nicht trainiert werden könne, am Ende der
Mitgliedschaft beitragsfrei ersetzt werde.
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38
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bb) Die eingezogenen Mitgliedsbeiträge,
die auf die Monate der behördlich angeordneten
Schließung seines Fitnessstudios entfallen, sind danach, auch
unabhängig von der Betrachtung unter II.2.e und f, als
steuerbare Vorauszahlung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. a Satz 4 UStG für die nachfolgend noch zu
gewährenden Bonus-Monate zu sehen. Auf die Frage, ob die vom
Kläger zugesagte Verlängerung der Vertragslaufzeit durch
Gewährung der Bonus-Monate zivilrechtlich wirksam zu einer
Vertragsänderung geführt hat, kommt es
umsatzsteuerrechtlich nicht an. Das FG hat insoweit
rechtsfehlerhaft darauf abgestellt, ob - was es verneint hat - nach
Maßstäben des Zivilrechts rechtswirksam durch Angebot
und Annahme eine vertragliche Vereinbarung über nachfolgend zu
gewährende Bonus-Monate zustande gekommen ist. Unabhängig
davon, ob die Weiterzahlung der Mitgliedsbeiträge durch deren
unwidersprochen gebliebenen Einzug nur aus Solidarität,
Bequemlichkeit oder aufgrund eines Rechtsirrtums der
wirtschaftlichen Realität widerspricht (vgl. dazu Weber, UVR
2023, 276), folgt der umsatzsteuerrechtliche Leistungsaustausch aus
dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem vom Kläger
gewährten verbrauchsfähigen Vorteil, den der
Leistungsempfänger für die von ihm gezahlte Gegenleistung
erhält, und nicht aus der zivilrechtlichen Beurteilung des
Vorgangs (s. dazu vorstehend unter II.2.b cc). Ein derartiger
Leistungsaustausch, der im Rahmen des Vertrags über die
Mitgliedschaft im Fitnessstudio des Klägers erfolgt ist, liegt
im Streitfall hinsichtlich der Bonus-Monate vor.
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cc) Der Umstand, dass nur 85 der 761 weiter
zahlenden Mitglieder nachfolgend von dem Angebot der Bonus-Monate
tatsächlich Gebrauch gemacht haben, hindert das Vorliegen
einer Leistung gegen Entgelt auch bei den anderen Mitgliedern
nicht. Als (ausgeführte) entgeltliche Leistung im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL ist
auch eine (fortbestehende) Leistungsbereitschaft des Unternehmers
anzusehen, so dass es auf den Umfang der tatsächlichen
Inanspruchnahme der Leistung nicht ankommt (vgl. EuGH-Urteile Air
France - KLM und Hop!-Brit Air vom 23.12.2015 - C-250/14 und
C-289/14, EU:C:2015:841 = SIS 16 02 97, Rz 28; Meo -
Serviços de Comunicações e Multimédia
vom 22.11.2018 - C-295/17, EU:C:2018:942 = SIS 18 18 95, Rz 40;
Marcandi vom 05.07.2018 - C-544/16, EU:C:2018:540 = SIS 18 10 17,
Rz 32; UniCredit Leasing vom 03.07.2019 - C-242/18, EU:C:2019:558 =
SIS 19 09 63, Rz 74; BFH-Urteile vom 02.08.2018 - V R 37/17, BFHE
263, 63 = SIS 18 19 21, Rz 17; vom 18.12.2019 - XI R 21/18, BFHE
267, 560, BStBl II 2020, 723 = SIS 20 04 90, Rz 46; BFH-Beschluss
vom 10.01.2024 - XI R 14/23 (XI R 22/21), BStBl II 2024, 610 = SIS 24 09 50, Rz 31). Hat der Leistungsempfänger die
Möglichkeit, eine bestimmte Leistung in Anspruch zu nehmen,
liegt eine steuerbare Leistung auch dann vor, wenn der
Leistungsempfänger sie nicht tatsächlich in Anspruch
nimmt, nehmen will oder kann.
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dd) Es bedarf danach vorliegend keiner
Entscheidung, ob der Kläger mit seinen während der
Schließzeit darüber hinaus gratis angebotenen
Online-Live-Kursen, der täglichen Telefon-Hotline und dem
kostenlosen 3D-Körperscan seinen Mitgliedern einen
verbrauchsfähigen Vorteil für die geleisteten
Monatsbeiträge verschafft hat und auch insoweit von einem
umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch ausgegangen werden kann,
wogegen jedenfalls in Bezug auf die Online-Live-Kurse sprechen
könnte, dass diese Online-Live-Kurse nicht nur für
Mitglieder, sondern für jedermann frei und unentgeltlich
zugänglich waren (vgl. EuGH-Urteil Gemeinde A vom 13.07.2023 -
C-344/22, EU:C:2023:580 = SIS 23 11 50, Rz 40; BFH-Urteile vom
18.10.2023 - XI R 21/23 (XI R 30/19), BFHE 283, 110 = SIS 24 05 66,
Rz 22; vom 06.12.2023 - XI R 33/21, BFHE 283, 159 = SIS 24 05 68,
Rz 38).
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3. Die Sache ist spruchreif. Sonstige
Rechtsfehler des zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen
Umsatzsteuer-Jahresbescheids vom 16.02.2023 sind weder vorgetragen
noch sonst ersichtlich. Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.
Damit verbleibt es bei der - mit am 16.02.2023 bekanntgegebenem
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid - für das Streitjahr
festgesetzten Umsatzsteuer.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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