Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 30.4.2013 2 K
2191/08 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist ein eingetragener Verein. Er realisierte in den
Jahren 2003 und 2004 (Streitjahre) Arbeitsförderungs-,
Qualifizierungs- und Weiterbildungsprojekte für Frauen,
Jugendliche, Schwerbehinderte, Langzeitarbeitslose und andere
Teilnehmer, die jeweils durch Zuschüsse des Landkreises X
(Landkreis), des Landes Y (Land) und der Bundesanstalt für
Arbeit (BA) finanziert wurden (Leistungen I). Im Rahmen der
Projekte beschäftigte der Kläger im Jahr mehrere Hundert
Teilnehmer beim Kommunalbau, im Rahmen des Naturschutzes sowie bei
Projekten, in denen die Teilnehmer in sozialen Fragen oder
hinsichtlich ihrer Eignung für berufliche Tätigkeiten
geschult und fortgebildet wurden.
|
|
|
2
|
Mit dem Verkauf von hergestellten
Produkten, der Erteilung von Unterricht für Dritte, dem
Betrieb einer Kantine sowie eines „Dritte-Welt-Ladens“
(Leistungen II) führte der Kläger daneben weitere
Leistungen aus.
|
|
|
3
|
Ab dem Jahr 2003 wurden Verwaltungs- und
Projektbearbeitungsleistungen für den Kläger von der zu
diesem Zweck gegründeten Z-GmbH (GmbH) übernommen, an der
der Kläger zu 70 % beteiligt war. Daneben führte die GmbH
auch Leistungen an externe Auftraggeber aus.
|
|
|
4
|
Der Kläger ging davon aus, dass er nur
mit den Leistungen II unternehmerisch tätig sei, während
es sich bei den Leistungen I um nichtunternehmerische
Tätigkeiten handele. Weiter nahm er an, er sei
Organträger der GmbH, und nahm u.a. aus den Eingangsleistungen
„der GmbH“ den vollen Vorsteuerabzug vor. Dem folgte
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) nach
Durchführung einer Außenprüfung hinsichtlich des
vollen Vorsteuerabzugs aus den genannten Leistungen nicht, sondern
vertrat die Auffassung, dass die Vorsteuer aufzuteilen sei. Die
Prüferin stellte dabei zunächst auf das Verhältnis
der nicht steuerbaren Innenumsätze zu den
Ausgangsumsätzen der GmbH ab. Dem schloss sich das FA in den
Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Jahre 2003 und
2004 (Streitjahre) vom 10.7.2006 an und ließ lediglich
Vorsteuer in Höhe von 7.522,87 EUR (im Jahr 2003) und 8.824,83
EUR (im Jahr 2004) zum Abzug zu.
|
|
|
5
|
Die Einsprüche des Klägers hatten
keinen Erfolg; vielmehr kürzte das FA nach vorheriger
Androhung in den Einspruchsentscheidungen vom 25.7.2008 den
Vorsteuerabzug weiter (abziehbare Vorsteuer 2003: 6.240,72 EUR;
abziehbare Vorsteuer 2004: 7.451,31 EUR). Es vertrat zwar nun - wie
der Kläger - die Auffassung, bei der Ermittlung der nicht
abziehbaren Vorsteuer sei nicht nur auf die Ausgangsumsätze
der GmbH, sondern die des gesamten Organkreises abzustellen.
Für die nicht direkt zuordenbaren Vorsteuerbeträge sei
analog § 15 Abs. 4 Sätze 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) eine Aufteilung im Wege sachgerechter Schätzung
vorzunehmen. Einzig sachgerecht sei ein Umsatzschlüssel.
Maßgeblich für den Prozentsatz der abziehbaren Vorsteuer
sei - entgegen der Auffassung des Klägers - auf das
Verhältnis von umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen (des
Klägers und der GmbH) im Zähler zu den
Gesamtumsätzen (des Klägers und der GmbH) sowie den
Zuschüssen im Nenner abzustellen. Die Zuschüsse
kennzeichneten den nichtwirtschaftlichen Bereich des Klägers.
Der Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.4.2008 XI B 171/07
(BFH/NV 2008, 1215 = SIS 08 25 36) stehe nicht entgegen, weil es
dort um die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen innerhalb des
unternehmerischen Bereichs gegangen sei.
|
|
|
6
|
Im Laufe des Klageverfahrens, mit dem der
Kläger im Hauptpunkt sein Begehren nach vollem Vorsteuerabzug
weiterverfolgte, reichte er hilfsweise eine eigene Berechnung der
aufteilbaren Vorsteuerbeträge ein, wobei er im Nenner auf die
Innenumsätze der GmbH an den Kläger (statt auf die
Zuschüsse) abstellte.
|
|
|
7
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Es führte aus, die hilfsweise eingereichte Schätzung des
Klägers sei nicht sachgemäß. Sachgemäß
sei nur die vom FA gewählte Methode.
|
|
|
8
|
Nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluss
vom 12.5.2003 V B 211, 220/02, BFHE 202, 88, BStBl II 2003, 784 =
SIS 03 31 90) sei auf den Gesamtumsatz im Organkreis abzustellen.
Der Hinweis des Klägers darauf, dass der Leistungsbezug der
Eingangsleistungen bei der GmbH erfolgt sei, sei
unbeachtlich.
|
|
|
9
|
Entgegen der Auffassung des Klägers
seien die Zuschüsse in die Berechnung der abziehbaren
Vorsteuer einzubeziehen.
|
|
|
10
|
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts. Sowohl aus § 15 Abs. 2 UStG
als auch aus Art. 17 Abs. 2, Art. 19 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
(Richtlinie 77/388/EWG) könne geschlossen werden, dass nicht
steuerbare „Entgelte“ nicht zu einer
Vorsteuerkürzung führen.
|
|
|
11
|
Außerdem trägt der Kläger
vor, es komme für die Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen
nicht darauf an, ob der Organträger die von der
Organgesellschaft bezogene Leistung für unternehmerische oder
nichtunternehmerische Zwecke verwende; allenfalls erfolge die
Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe. Es sei deshalb zu
fragen, ob keine andere wirtschaftliche Zuordnung der abziehbaren
Vorsteuer möglich sei als durch einen Umsatzschlüssel
unter Einbeziehung der nicht steuerbaren
„Einnahmen“.
|
|
|
12
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung und die
Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie die
Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Jahre 2003 und
2004 vom 10.7.2006 dahin gehend zu ändern, dass
Vorsteuerbeträge in Höhe von 11.588,75 EUR (für
2003) und 11.051,12 EUR (für 2004) berücksichtigt
werden.
|
|
|
13
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
14
|
II. Die Revision ist aus anderen Gründen
als geltend gemacht begründet; sie führt zur Aufhebung
der Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung des
Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
15
|
Da der Kläger seine Revision auf die
Verletzung materiellen Rechts gestützt hat, hat der Senat
gemäß dem Grundsatz der Vollrevision (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 11.11.2004 V R 30/04, BFHE 207, 560, BStBl II 2005,
802 = SIS 05 08 84, unter II.1.) das angefochtene Urteil in vollem
Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts zu prüfen, ohne
dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein
(vgl. z.B. BFH-Urteile vom 15.10.1997 I R 42/97, BFHE 184, 444,
BStBl II 1999, 316 = SIS 98 07 40; vom 7.5.2014 X R 19/11, BFH/NV
2014, 1736 = SIS 14 27 12).
|
|
|
16
|
Danach kann die Vorentscheidung keinen Bestand
haben. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG
tragen nicht seine Annahme, der Kläger sei mit den Leistungen
I nicht unternehmerisch tätig geworden (dazu 1.). Auch hat das
FG keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen,
um beurteilen zu können, ob die Zuschüsse der BA, des
Landes und des Landkreises möglicherweise Entgelt von dritter
Seite für Leistungen an die Teilnehmer oder die
Begünstigten der Projekte sein könnten (dazu 2.).
|
|
|
17
|
1. Die konkludente Annahme des FG, die
Leistungen I, die durch Zuschüsse des Landkreises, des Landes
und der BA finanziert wurden, seien nicht steuerbar, wird von den
bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen.
|
|
|
18
|
a) Ein steuerbarer Umsatz in Form einer
Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt
vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger
ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige
Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene
Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem
Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18.3.2004 V R 101/01,
BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798 = SIS 04 22 16; vom 11.7.2012 XI
R 11/11, BFHE 238, 560, BFH/NV 2013, 326 = SIS 12 33 92; s. auch
Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - Apple
and Pear Development Council vom 8.3.1988 C-102/86, EU:C:1988:120,
HFR 1989, 452, Rz 11; Mohr vom 29.2.1996 C-215/94, EU:C:1996:72,
HFR 1996, 294 = SIS 96 11 20; Landboden-Agrardienste vom 18.12.1997
C-384/95, EU:C:1997:627, HFR 1998, 315 = SIS 98 05 33).
|
|
|
19
|
aa) In Fällen, in denen ein anderer die
Erfüllung der Aufgaben einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit
Geldzahlungen erhält, ist für die Beantwortung der Frage,
ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung (Zuschuss)
verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer
Gegenleistung (Zahlung) richtet, in erster Linie auf die
Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden (vgl. BFH-Urteil
vom 13.11.1997 V R 11/97, BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169 = SIS 98 04 39, m.w.N.), den Bewilligungsbescheid (vgl. BFH-Urteil vom
27.11.2008 V R 8/07, BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397 = SIS 09 07 02, unter II.2.e) oder die Vereinssatzung (BFH-Urteil vom
29.10.2008 XI R 59/07, BFHE 223, 493, BFH/NV 2009, 324 = SIS 08 44 42) abzustellen.
|
|
|
20
|
bb) Bei Leistungen, zu deren Ausführung
sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag
verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch
grundsätzlich vor (vgl. BFH-Urteile vom 21.4.2005 V R 11/03,
BFHE 211, 50, BStBl II 2007, 63 = SIS 05 47 50; vom 8.11.2007 V R
20/05, BFHE 219, 403, BStBl II 2009, 483 = SIS 08 14 80). Zahlungen
der öffentlichen Hand können auch dann Entgelt für
eine steuerbare Leistung sein, wenn der Zahlungsempfänger im
Auftrag des Geldgebers eine Aufgabe aus dessen Kompetenzbereich
übernimmt und die Zahlung damit zusammenhängt (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 219, 403, BStBl II 2009, 483 = SIS 08 14 80,
m.w.N.; vom 29.10.2008 XI R 76/07, BFH/NV 2009, 795 = SIS 09 12 85;
BFH-Beschlüsse vom 28.12.2010 XI B 109/09, BFH/NV 2011, 858 =
SIS 11 13 00; vom 14.11.2011 XI B 66/11, BFH/NV 2012, 460 = SIS 12 04 03). In der Rechtsprechung des BFH sind daneben vielfältige
andere „Zuschüsse“ als Entgelt für
eine steuerbare Leistung angesehen worden (vgl. BFH-Urteile vom
25.3.1993 V R 84/89, BFH/NV 1994, 59, Luftaufsicht; vom 18.1.1995
XI R 71/93, BFHE 177, 154, BStBl II 1995, 559 = SIS 95 13 22,
Rettungswache; in BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169 = SIS 98 04 39,
Tiefgarage; vom 20.12.2001 V R 81/99, BFHE 197, 352, BStBl II 2003,
213 = SIS 02 06 33, Abwasserbeseitigung; vom 11.4.2002 V R 65/00,
BFHE 198, 233, BStBl II 2002, 782 = SIS 02 08 61, unter II.3.,
Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft; in BFHE 205, 342, BStBl II
2004, 798 = SIS 04 22 16, Blutspendetermine; in BFHE 211, 50, BStBl
II 2007, 63 = SIS 05 47 50, Betrieb einer Bahnstrecke;
BFH-Beschluss vom 21.9.2005 V B 160/04, BFH/NV 2006, 144 = SIS 06 03 47, Konferenzzentrum; BFH-Urteile vom 9.11.2006 V R 9/04, BFHE
215, 372, BStBl II 2007, 285 = SIS 07 07 86, Erschließung; in
BFHE 219, 403, BStBl II 2009, 483 = SIS 08 14 80,
Baumaßnahmen für Kommunen; vom 5.12.2007 V R 63/05,
BFH/NV 2008, 996 = SIS 08 21 43, Abfallentsorgung; BFH-Beschluss
vom 19.2.2009 XI B 68/08, BFH/NV 2009, 975 = SIS 09 16 01,
Befreiung von hoheitlichen Aufgaben; BFH-Urteile vom 18.6.2009 V R
4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310 = SIS 09 30 58, Tierpark
u.a.; vom 20.8.2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863 =
SIS 09 33 08, Entsorgung von Klärschlamm; vom 19.11.2009 V R
29/08, BFH/NV 2010, 701 = SIS 10 09 07, Schwimmbad; vom 2.9.2010 V
R 23/09, BFH/NV 2011, 458 = SIS 11 05 15,
Tierkörperbeseitigung; vom 19.6.2011 XI R 8/09, BFHE 234, 455,
BFH/NV 2011, 2184 = SIS 11 34 38, Lieferung von Zeitungen gegen
Zustellgebühr; in BFHE 238, 560, BFH/NV 2013, 326 = SIS 12 33 92, Kammerzeitschrift; vom 28.5.2013 XI R 32/11, BFHE 243, 419,
BStBl II 2014, 411 = SIS 14 04 58, Naturschutz. vom 29.1.2014 XI R
4/12, BFHE 244, 131, BFH/NV 2014, 992 = SIS 14 10 52,
Betriebskantine).
|
|
|
21
|
cc) Keine Leistung gegen Entgelt liegt vor,
wenn der „Zuschuss“ lediglich der Förderung
des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dienen und
nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des
Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein soll (z.B.
BFH-Urteile vom 26.10.2000 V R 10/00, BFHE 193, 165, BFH/NV 2001,
400 = SIS 01 03 09; vom 18.12.2008 V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl
II 2009, 749 = SIS 09 19 44).
|
|
|
22
|
dd) Für die Annahme eines
Leistungsaustauschs ist ohne Bedeutung, ob der (gemeinnützige)
Unternehmer damit auch einen seiner Satzungszwecke verwirklicht;
die wirtschaftliche Tätigkeit wird nicht durch eine
gleichzeitig verfolgte ideelle Betätigung verdrängt (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798 = SIS 04 22 16;
vom 24.9.2014 V R 54/13, BFH/NV 2015, 364 = SIS 15 01 53, Rz 31).
Unerheblich ist auch, ob der Unternehmer ein Verein ist; auf die
Rechtsform, in der Leistungen gegen Entgelt erbracht werden, kommt
es grundsätzlich nicht an (vgl. BFH-Beschlüsse vom
11.12.2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417 = SIS 14 06 89; vom 11.12.2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 =
SIS 14 06 90). Ebenso nicht von Bedeutung ist die Bezeichnung der
Zuwendung (vgl. BFH-Beschluss vom 29.3.2007 V B 208/05, BFH/NV
2007, 1542 = SIS 07 24 52, zur „Spende“). Ob das
Entgelt dem Wert der Leistung entspricht, ist für das
Vorliegen eines Leistungsaustausches ebenfalls unerheblich (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 234, 455, BFH/NV 2011, 2184 = SIS 11 34 38, Rz
11). Nicht entscheidend ist im Fall der Aufgabenübernahme
auch, ob es sich um eine Pflichtaufgabe oder eine freiwillige
Aufgabe der betreffenden Körperschaft des öffentlichen
Rechts handelt (vgl. BFH-Urteil vom 5.8.2010 V R 54/09, BFHE 231,
289, BStBl II 2011, 191 = SIS 10 39 04; BFH-Beschluss vom 6.5.2014
XI B 4/14, BFH/NV 2014, 1406 = SIS 14 21 40).
|
|
|
23
|
b) Der BFH hat in Anwendung dieser
Grundsätze Leistungen einer als gemeinnützig anerkannten
Gesellschaft zur Arbeitsförderung, Beschäftigung und
Strukturentwicklung, die durch Zuschüsse geförderte
Projekte zur Arbeitsförderung durchgeführt hat, als
steuerbar angesehen (vgl. BFH-Beschluss vom 29.6.2007 V B 28/06,
BFH/NV 2007, 1938 = SIS 07 32 84; s. auch BFH-Urteile vom 21.3.2007
V R 28/04, BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999 = SIS 07 23 55, zu
Fortbildungsmaßnahmen im Auftrag der BA; vom 23.7.2009 V R
93/07, BFHE 226, 435, BFH/NV 2009, 2073 = SIS 09 33 09, unter
II.1., zu Leistungen an das Bundesamt für Zivildienst gegen
Aufwendungsersatz).
|
|
|
24
|
c) Die mögliche Steuerbarkeit der hier zu
beurteilenden Leistungen des Klägers belegt das Handeln des
Gesetzgebers: Zum 1.1.2015 wurde mit § 4 Nr. 15b UStG i.d.F.
des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den
Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer
steuerlicher Vorschriften (BGBl I 2014, 1266) eine Steuerbefreiung
für Eingliederungsleistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch, Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach
dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch und vergleichbare Leistungen, die
von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen
Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden, geschaffen.
Der Gesetzgeber führt dazu aus, diese Leistungen seien als
„eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen
Sicherheit verbundene Leistungen“ nach Art. 132 Abs. 1
Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem umsatzsteuerfrei,
auch wenn das Verhältnis zwischen dem
Sozialleistungsträger und der leistungserbringenden
Einrichtung im Einzelnen unterschiedlich ausgestaltet sei (BTDrucks
18/1529, S. 76 f.). Dies zeigt, dass auch der Gesetzgeber von der
Steuerbarkeit solcher Leistungen ausgeht.
|
|
|
25
|
d) Soweit demgegenüber das
Bundesministerium der Finanzen (BMF) Leistungen der
Arbeitsförderung bisher ohne Angabe von Gründen in weitem
Umfang als nicht steuerbar ansieht (s. bereits BMF-Schreiben vom
21.3.1983 IV A 2 - S 7200 - 25/83, BStBl I 1983, 262 = SIS 83 08 25; in den Streitjahren Abschn. 150 Abs. 7 der
Umsatzsteuer-Richtlinien 2000; jetzt: Abschn. 10.2 Abs. 7 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), handelt es sich um
norminterpretierende Verwaltungsanweisungen, die die Gerichte nicht
binden (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 243, 419, BStBl II 2014, 411
= SIS 14 04 58; vom 3.7.2014 V R 1/14, BFHE 246, 562, BFH/NV 2014,
2014 = SIS 14 28 04).
|
|
|
26
|
e) Ob angesichts dieser Grundsätze die
übereinstimmende Annahme der Beteiligten, die Leistungen I
seien nicht steuerbar, zutreffend ist, kann nicht beurteilt werden.
Das FG hat nämlich keine Feststellungen zu dem konkreten
Inhalt der Projekte des Klägers, zu den zugrunde liegenden
Rechtsverhältnissen mit den Zahlenden (BA, Land und
Landkreis), den (vom FG nicht festgestellten) Begünstigten
(eventuell z.B. Kommunen, Vereine oder Landwirte) und den
Teilnehmern (z.B. Langzeitarbeitslose) sowie zu den Grundlagen
für die „Zuschüsse“ getroffen. Kann
anhand der Feststellungen des FG nicht nachgeprüft werden, ob
das FG zu Recht zu einem bestimmten Ergebnis gelangt ist, liegt ein
materieller Fehler vor, der ohne Rüge zur Aufhebung der
Vorentscheidung führt (vgl. BFH-Urteile vom 1.2.2001 III R
12/98, BFH/NV 2001, 899, unter II.3.; vom 6.10.2004 VI R 107/01,
juris; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz
100 ff., m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
|
|
|
27
|
2. Auch ist das FG nicht der Frage
nachgegangen, ob die Zuschüsse des Landkreises, des Landes und
der BA Entgelt von dritter Seite für steuerbare Umsätze
des Klägers an die Begünstigten oder die Teilnehmer der
Projekte sein könnten.
|
|
|
28
|
a) Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3
UStG gehört „zum Entgelt auch, was ein anderer als
der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung
gewährt“. Diese Vorschrift setzt Art. 11 Teil A
Buchst. a Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG um, wonach zur
Besteuerungsgrundlage alles zählt, was den Wert der
Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende
für diese Umsätze vom Abnehmer oder
Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält
oder erhalten soll, „einschließlich der unmittelbar
mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden
Subventionen“ (vgl. dazu auch EuGH-Urteile Office des
produits wallons vom 22.11.2001 C-184/00, EU:C:2001:629, UR 2002,
177 = SIS 02 01 34; Kommission/Schweden vom 15.7.2004 C-463/02,
EU:C:2004:455, Rz 34).
|
|
|
29
|
b) Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile
vom 9.10.2003 V R 51/02, BFHE 203, 515, BStBl II 2004, 322 = SIS 04 03 98, Leitsatz; vom 26.9.2012 V R 22/11, BFHE 239, 369, BFH/NV
2013, 486 = SIS 13 02 61, Rz 14; vom 20.3.2014 V R 4/13, BFHE 245,
397, BFH/NV 2014, 1470 = SIS 14 19 38) gehören Zahlungen der
öffentlichen Hand an einen Unternehmer, der Leistungen an
Dritte erbringt - unabhängig von der Bezeichnung als
„Zuschuss“ -, gemäß § 10 Abs. 1
Satz 3 UStG zum Entgelt für diese Umsätze, wenn
|
|
- der Zuschuss dem Leistungsempfänger
zugutekommt,
|
|
- der Zuschuss gerade für die Erbringung
einer bestimmten Leistung gezahlt wird und
|
|
- mit der Verpflichtung der den Zuschuss
gewährenden Stelle zur Zuschusszahlung das Recht des
Zahlungsempfängers (Unternehmers) auf Auszahlung des
Zuschusses einhergeht, wenn er einen steuerbaren Umsatz bewirkt
hat.
|
|
|
30
|
c) Im BFH-Urteil vom 6.10.1988 V R 101/85
(BFH/NV 1989, 327) hat der BFH angenommen, dass Zahlungen der
Träger der Sozialhilfe an eine gemeinnützige Einrichtung
Entgelt für eine Leistung der Einrichtung an die Nutzer der
Einrichtung sind. Im BFH-Urteil vom 27.6.1996 V R 35/95 (BFH/NV
1997, 155) hat der BFH dies für Zahlungen an einen Verein als
Betriebshelfereinrichtung bejaht.
|
|
|
31
|
d) Ob gemessen daran die Zuschüsse des
Landkreises, des Landes und der BA Entgelt von dritter Seite
für eine steuerbare Leistung des Klägers an die
Teilnehmer oder ggf. an die Begünstigten der Projekte sein
könnten, was das FG konkludent verneint hat, kann ebenfalls
nicht beurteilt werden; denn das Urteil des FG enthält dazu
keine ausreichenden Feststellungen.
|
|
|
32
|
3. Die Sache ist nicht spruchreif.
|
|
|
33
|
a) Das FG wird die zur Beurteilung der
genannten Vorfragen notwendigen tatsächlichen Feststellungen
nachholen und die bestehenden Rechtsverhältnisse würdigen
müssen.
|
|
|
34
|
b) Sollten die Leistungen des Klägers
steuerbar sein, wird das FG der Frage nachgehen müssen, ob die
Umsätze nach nationalem Recht (z.B. § 4 Nr. 21 oder 22
UStG) oder - sollte sich der Kläger darauf berufen - ggf. nach
Unionsrecht (z.B. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g oder i der
Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei sind. Der als gemeinnützig
anerkannte Kläger, dem die Kosten von
Sozialleistungsträgern erstattet worden sind, könnte eine
anerkannte Einrichtung sein (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 59, BStBl
II 2010, 999 = SIS 07 23 55, Rz 34).
|
|
|
35
|
c) Käme es danach für den Erfolg
oder Misserfolg der Klage noch auf die zwischen den Beteiligten
streitige Rechtsfrage an, weist der Senat auf das BFH-Urteil vom
24.9.2014 V R 54/13 (BFH/NV 2015, 364 = SIS 15 01 53, unter II.2.b)
hin: Zu dem bei einer Vorsteueraufteilung analog § 15 Abs. 4
UStG im Rahmen einer Schätzung maßgeblichen
„Gesamtumsatz“ gehören auch Zuschüsse,
weil sie den Umfang der nicht steuerbaren Tätigkeit des
Unternehmers widerspiegeln. Die konkrete Würdigung, ob ein
dazu vorrangiger, direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit
besteuerten Umsätzen besteht, obliegt dem FG (vgl. BFH-Urteil
in BFH/NV 2015, 364 = SIS 15 01 53, Rz 30).
|
|
|
36
|
Aus dem BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1215 =
SIS 08 25 36, unter 2., Rz 3, 4 und 7 folgt insoweit nichts
anderes; denn der Senat hat es in Rz 7 als nicht hinreichend
dargelegt angesehen, aus welchen Rechtsgründen bei der
gebotenen schätzungsweisen Aufteilung der Vorsteuern von der
öffentlichen Hand gezahlte, echte Zuschüsse
unberücksichtigt bleiben sollten, d.h. die Vorsteuern
ausschließlich dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen
wären.
|
|
|
37
|
4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
|