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Zur Unternehmereigenschaft und Steuerbarkeit der Leistungen eines "Berufspokerspielers"

Zur Unternehmereigenschaft und Steuerbarkeit der Leistungen eines "Berufspokerspielers": 1. Ein "Berufspokerspieler" erbringt keine Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt, wenn er an Spielen fremder Veranstalter teilnimmt und ausschließlich im Falle der erfolgreichen Teilnahme Preisgelder oder Spielgewinne erhält. Zwischen der (bloßen) Teilnahme am Pokerspiel und dem im Erfolgsfall erhaltenen Preisgeld oder Gewinn fehlt der für einen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang. - 2. Die Teilnahme an einem Pokerspiel ist jedoch eine im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung, wenn der Veranstalter für sie eine von der Platzierung unabhängige Vergütung zahlt. In einem solchen Fall ist die vom Veranstalter geleistete Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die vom Spieler erbrachte Dienstleistung, an dem Pokerspiel teilzunehmen. (Hinweis aus BStBl 2019 II S. 337 auf BMF-Schreiben vom 27. Mai 2019 - III C 2 - S 7100/19/10001 :005 = SIS 19 06 60) - Urt.; BFH 30.8.2017, XI R 37/14; SIS 17 18 92

Kapitel:
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Umsätze: Lieferungen, sonstige Leistungen
Fundstellen
  1. BFH 30.08.2017, XI R 37/14 (ECLI:DE:BFH:2017:U.300817.XIR37.14.0)
    BStBl 2019 II S. 336
    BFHE 259 S. 175
    DB 2017 S. 2525
    DStR 2017 S. 2330
    BFH/NV 2017 S. 1689
    HFR 2017 S. 1149
    UR 2017 S. 956

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 28.5.2019
    T. Egner/P. Geißler in UR 24/2017 S. 956
    C. E. Gomes in Stbg 3/2019 S. 121
    H.-M. Grambeck in IWB 3/2018 S. 100
    B. Kaminski in Stbg 4/2018 S. M 11
    W. Tausch in UVR 3/2018 S. 70
    A. Treiber in BFH/PR 1/2018 S. 5
    A. Treiber in DStR 43/2017 S. 2330
    W. Widmann in MwStR 24/2017 S. 1001
    -/- in NWB 44/2017 S. 3329
Normen
[RL 77/388/EWG] Art. 2 Nr. 1
[RL 2006/112/EG] Art. 2 Abs. 1 Buchst. c
[UStG] § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 15.07.2014, SIS 14 26 70, Unternehmereigenschaft, Glücksspiel, Leistungsaustausch
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Berlin-Brandenburg 29.8.2023, SIS 23 20 42, Alle Zahlungen aufgrund von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen sei es Schadensersatz nach § 97 Abs...
  • FG Baden-Württemberg 16.3.2023, SIS 23 11 16, Umsatzsteuerbarkeit der Aufstockungsbeträge zum bisherigen Gehalt, nicht aber der Abfindungen, die im Zus...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 2.5.2022, SIS 23 19 39, Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit sind steuerbar und steuerpflichtig: ...
  • BFH 15.12.2021, SIS 22 08 64, Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossener Repräsentationsaufwand eines Pferderennstalls mit Pferdezucht und -ha...
  • BFH 18.11.2021, SIS 22 03 82, "Vermietung" von virtuellem Land in einem Online-Spiel: Im Gegensatz zur spielinternen "Vermietung" von v...
  • Niedersächsisches FG 19.8.2021, SIS 21 19 16, Umsatzsteuerfreiheit eines Büro- und Organisations-Bonus bzw. einer Förderprovision nach § 4 Nr. 8 und Nr...
  • BFH 30.3.2021, SIS 21 12 83, Aussetzung der Vollziehung, Umfang des Vorsteuerabzugs einer Führungsholding, Leistungsaustausch bei erfo...
  • FG Münster 10.3.2021, SIS 21 09 69, Gewerbliche Einkünfte aus Online-Pokerspielen: 1. Ein Steuerpflichtiger, der Online-Pokerspiele in der Sp...
  • BFH 24.2.2021, SIS 21 10 52, Umsatzsteuerrechtliches Entgelt bei "0 %-Finanzierung": Trägt im Rahmen einer Warenlieferung mit "0 %-Fin...
  • BFH 12.11.2020, SIS 21 05 52, Vorabgewinn als umsatzsteuerbares Sonderentgelt, Regelsteuersatz für die Überlassung von Vieheinheiten: 1...
  • Niedersächsisches FG 1.10.2020, SIS 20 18 84, Steuerbarer Leistungsaustausch bei einem Kooperationsvertrag, Vorliegen eines sog. echten oder unechten E...
  • FG Münster 24.9.2020, SIS 20 20 80, Umsatz aus dem Betrieb von Geldspielautomat, Frage der Steuerbefreiung: 1. Die Geldeinsätze der Spieler s...
  • FG Münster 24.9.2020, SIS 20 20 81, Umsatz aus dem Betrieb von Geldspielautomat, Frage der Steuerbefreiung, ermäßigter Steuersatz: 1. Die Gel...
  • FG Münster 24.9.2020, SIS 20 20 82, Umsatz aus dem Betrieb von Geldspielautomat, Frage der Steuerbefreiung: 1. Die Geldeinsätze der Spieler s...
  • BFH 26.8.2020, SIS 20 21 20, PKH, bei Deckungszusage für einzelne von mehreren Streitjahren: Ein Antrag auf Bewilligung von PKH ist ab...
  • BFH 10.6.2020, SIS 20 15 09, Sonstige Leistungen eines Berufsreiters, der einen Turnier- und Ausbildungsstall betreibt, Steuerbarkeit,...
  • BFH 11.12.2019, SIS 20 03 40, Umsatzsteuerbesteuerung beim Betreiben von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit ist mit Unionsrecht v...
  • FG Münster 4.12.2019, SIS 19 20 90, Sonstige Leistung durch Betrieb von Geldspielautomat: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt ein U...
  • FG Münster 19.9.2019, SIS 19 17 67, Umsatzsteuerliche Erfassung von Turniererlösen: 1. Bei inländischen Turniergewinnen, die der Stpfl. mit e...
  • BFH 23.7.2019, SIS 19 18 94, Ort der Leistungen eines Boxtrainers: 1. Der Anwendungsbereich des § 3 a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG a.F....
  • BFH 26.6.2019, SIS 19 11 75, Nachträgliche Entgelterhöhung im Kundenbindungssystem: Erbringt der Programmmanager eines Kundenbindungss...
  • BMF 27.5.2019, SIS 19 06 60, Umsatzsteuerliche Beurteilung von platzierungsabhängigen Preisgeldern: Nach den BFH-Urteilen vom 30.8.201...
  • FG Münster 23.4.2019, SIS 19 07 79, Frage der Umsatzbesteuerung der Aufsteller von Geldspielautomaten: Die Rechtsprechung in der Rs. Bastova ...
  • BFH 13.2.2019, SIS 19 05 51, Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen: 1. Zahlungen, die a...
  • BFH 7.11.2018, SIS 19 06 20, Einkommensteuerrechtliche Qualifikation von Preisgeldern aus Turnierpokerspielen: 1. Die Teilnahme an Tur...
  • FG Münster 12.10.2018, SIS 18 18 45, Pokergewinne als gewerbliche Einkünfte: 1. Gewinne aus der Teilnahme an Pokerturnieren, Internet-Pokerver...
  • FG Münster 8.10.2018, SIS 18 19 97, Steuerbarkeit von Leistungen durch Betrieb von Geldspielautomaten: Die sonstige Leistung der Aufsteller v...
  • BFH 2.8.2018, SIS 18 18 63, Änderung der Rechtsprechung zum steuerbaren Leistungsaustausch bei platzierungsabhängigen Preisgeldern: D...
  • BFH 25.7.2018, SIS 18 22 51, Zur Steuerbarkeit der Leistungen eines Teilnehmers an einer Fernsehshow: 1. Es ist durch die Rechtsprechu...
  • FG Mecklenburg-Vorpommern 17.5.2018, SIS 18 15 04, Umsatzbesteuerung des Betreibers eines Turnier- und Ausbildungsstalls, Miteigentum an Pferden, anteilige ...
  • FG Köln 18.4.2018, SIS 18 13 35, Frage der Vorsteuerabzugsmöglichkeit für Eingangsumsätze eines Pferderennstalls oder Vorliegen eines sog....
  • FG Münster 13.3.2018, SIS 18 09 35, Frage der Hinzurechnung des vom pharmazeutischen Hersteller gewährten sog. Herstellerrabatts beim innerge...
  • Hessisches FG 22.2.2018, SIS 18 08 92, Umsatzsteuerpflicht von Einnahmen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit: 1. Umsätz...
  • FG Köln 30.1.2018, SIS 19 02 69, Frage der Steuerbarkeit von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten: 1. Die Leistung der Stpfl. i...
  • FG Münster 30.1.2018, SIS 18 07 09, Frage der Steuerbarkeit von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielgeräten: Die EuGH-Rechtsprechung steht ...
  • BFH 13.12.2017, SIS 18 05 11, Zur Berufung auf das Unionsrecht bei Bezug von Reisevorleistungen aus einem anderen Mitgliedstaat der EU:...
  • FG Münster 14.11.2017, SIS 18 04 26, Erhöhung der Bemessungsgrundlage bei Nichteinlösung von Prämienpunkten: 1. Die Lieferung eines multifunkt...
Fachaufsätze
  • LIT 03 81 19 L. Ritter, NWB 15/2019 S. 1012: Steuerliche Implikationen des E-Sports - Lit.; L. Ritter, NWB 15/2019 S. 1012; EStG § 15; AO; § 52 Abs. 2...

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 15.7.2014 15 K 798/11 U und die Umsatzsteuerbescheide des Beklagten für die Jahre 2006 und 2007 vom 8.12.2009 sowie die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 4.2.2011 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Jahren 2006 und 2007 (Streitjahre) bei Pokerturnieren sowie bei sog. Cash-Games und bei Internet-Pokerveranstaltungen erzielten Gewinne Entgelte für (im Inland) umsatzsteuerpflichtige Leistungen darstellen.

 

 

2

Der Kläger war als Arbeitnehmer nichtselbständig tätig. Am 6.6.2005 traf er mit seinem damaligen Arbeitgeber eine Vereinbarung über die Gewährung unbezahlten Urlaubs für den Zeitraum vom 1.8.2005 bis 31.1.2007. Nach Ablauf dieser Vereinbarung gab der Kläger seine nichtselbständige Tätigkeit auf und war seitdem nicht mehr als Arbeitnehmer tätig.

 

 

3

Der Kläger nahm u.a. in den Streitjahren an Pokerturnieren, an sog. Cash-Games und an Internet-Pokerveranstaltungen teil. Umsatzsteuererklärungen reichte er nicht ein.

 

 

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) nahm nach einer Außenprüfung an, der Kläger sei als Berufspokerspieler Unternehmer i.S. des § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Er erließ am 8.12.2009 gegen den Kläger Umsatzsteuer-Jahresbescheide für 2006 und 2007. Dabei setzte er Umsätze in Höhe von 26.460 EUR (2006) und 61.000 EUR (2007) an.

 

 

5

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 4.2.2011) erhobene Klage ab.

 

 

6

Es führte u.a. aus, der Kläger habe mit der Tätigkeit als um Preisgelder spielender Pokerspieler umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen ausgeführt. Er habe in der Absicht, Einnahmen zu erzielen, an Pokerturnieren, Cash-Games und über das Internet durchgeführten Spielen, bei denen Geldgewinne für den Sieger und die Platzierten ausgelobt waren, nach den jeweils vorgegebenen Spielregeln teilgenommen und bei diesen Veranstaltungen unter Übernahme eines Wagnisses - Verlust seines Geldeinsatzes - gegen andere Teilnehmer gespielt. Ob die Tätigkeiten des Klägers zivilrechtlich rechtswirksam (oder als möglicherweise nicht durchsetzbare Naturalobligation unwirksam) gewesen seien, sei umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich.

 

 

7

Das Urteil des FG ist in EFG 2014, 1823 = SIS 14 26 70 veröffentlicht.

 

 

8

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensfehler.

 

 

9

Er macht im Wesentlichen geltend, die Gewinne aus seiner „Spieltätigkeit“ unterlägen nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzbesteuerung, weil er dabei nicht als Unternehmer im Rahmen eines Leistungsaustausches gehandelt habe.

 

 

10

Es sei unklar, wer aus Sicht des FG jeweils Empfänger seiner (vermeintlichen) Leistungen gewesen sei. Bei Turnieren sei dies allenfalls der Veranstalter, der jeweils nachweislich im Ausland ansässig gewesen sei. Soweit das FG den Vergleich mit Leistungen eines Berufssportlers gezogen habe, sei es auf den besonderen Leistungsort des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG nicht eingegangen. Danach liege der Leistungsort dort, wo ein Unternehmer seine Leistung erbracht habe.

 

 

11

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 vom 8.12.2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 4.2.2011 aufzuheben.

 

 

12

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

13

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der Kläger hat in den Streitjahren keine steuerbaren Umsätze als Unternehmer ausgeführt, weil zwischen seiner Teilnahme an Pokerturnieren, Cash-Games und Internet-Pokerveranstaltungen und den erhaltenen Zahlungen (Preisgeldern und Spielgewinnen) kein unmittelbarer Zusammenhang bestand.

 

 

14

1. Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG).

 

 

15

a) Dieser Tatbestand ist weit auszulegen, da die entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) und Art. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) der Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich zuweisen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.8.2015 XI R 43/13, BFHE 251, 253, BStBl II 2015, 919 = SIS 15 21 32, Rz 33; vom 14.1.2016 V R 63/14, BFHE 253, 279, BStBl II 2016, 360 = SIS 16 04 63, Rz 14; Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - Redlihs vom 19.7.2012 C-263/11, EU:C:2012:497, HFR 2012, 1020 = SIS 12 24 97, Rz 24; Gmina Wroclaw vom 29.9.2015 C-276/14, EU:C:2015:635, HFR 2015, 1087 = SIS 15 23 18, Rz 26). Erforderlich ist eine beliebige Vorteilsgewährung, die zu einem Verbrauch führen kann; der Vorteil muss dabei einem identifizierbaren Leistungsempfänger eingeräumt werden (vgl. BFH-Urteile vom 27.2.2008 XI R 50/07, BFHE 221, 410, BStBl II 2009, 426 = SIS 08 18 24, unter II.1., Rz 9; in BFHE 253, 279, BStBl II 2016, 360 = SIS 16 04 63, Rz 14).

 

 

16

b) Auch die Veranstaltung von Glücksspielen fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, ob sie erlaubt ist oder nicht (vgl. EuGH-Urteil Fischer vom 11.6.1998 C-283/95, EU:C:1998:276, HFR 1998, 777 = SIS 98 16 46, Rz 18, 23). Die Leistung des Veranstalters an die Spieler besteht in der Zulassung zum Spiel mit Gewinnchance (vgl. BFH-Urteil vom 20.1.1997 V R 20/95, BFHE 182, 409, BFH/NV 1997, 240 = SIS 97 10 40, unter II.1., 2.a und b, Rz 8, 11, 12, betreffend Backgammon-Turnier).

 

 

17

c) Der BFH hat darüber hinaus angenommen, dass beim Kartenspiel umsatzsteuerrechtlich eine entgeltliche (sonstige) Leistung gegen Entgelt auch in der Bereitschaft bestehen könne, nach den Spielregeln unter Übernahme eines Wagnisses mit anderen gegen Geld zu spielen (vgl. BFH-Urteil vom 26.8.1993 V R 20/91, BFHE 172, 227, BStBl II 1994, 54 = SIS 94 04 24). Die Leistung bei Kartenspielen mit mehreren Mitspielern erbringe dann der einzelne Spieler gegenüber den Mitspielern (vgl. BFH-Urteil in BFHE 172, 227, BStBl II 1994, 54 = SIS 94 04 24, unter II.1.b, Rz 11). Allerdings betraf der dortige Streitfall einen Kläger, dessen Tätigkeit über die Tätigkeit eines bloßen Spielers hinausging; sie war vielmehr durch das Anbieten von Spielmöglichkeiten geprägt. Der dortige Kläger konnte einem Veranstalter von Spielen gleichgestellt werden, zumal er - als Spieler bekannt - an einem bestimmten Ort zu festen Zeiten anderen Personen die Spielmöglichkeit eröffnete (vgl. BFH-Urteil in BFHE 172, 227, BStBl II 1994, 54 = SIS 94 04 24, unter II.1.a, Rz 10).

 

 

18

2. Der EuGH hat nach Ergehen des BFH-Urteils in BFHE 172, 227, BStBl II 1994, 54 = SIS 94 04 24 in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein „Umsatz gegen Entgelt“ das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dieser Leistung und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung voraussetzt.

 

 

19

a) Dazu muss zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (vgl. u.a. EuGH-Urteile Tolsma vom 3.3.1994 C-16/93, EU:C:1994:80, HFR 1994, 357 = SIS 94 14 34, Rz 13 und 14; Gemeente Borsele vom 12.5.2016 C-520/14, EU:C:2016:334, HFR 2016, 664 = SIS 16 09 60, Rz 24; Lajver vom 2.6.2016 C-263/15, EU:C:2016:392, HFR 2016, 665 = SIS 16 11 87, Rz 26).

 

 

20

Dem hat sich der BFH angeschlossen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10.7.1997 V R 94/96, BFHE 183, 288, BStBl II 1997, 707 = SIS 97 20 42; vom 14.3.2012 XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667 = SIS 12 24 86, Rz 52; in BFHE 251, 253, BStBl II 2015, 919 = SIS 15 21 32, Rz 25).

 

 

21

b) Der EuGH hat zudem durch Urteil Bastova vom 10.11.2016 C-432/15 (EU:C:2016:855, UR 2016, 913 = SIS 16 23 84, Mehrwertsteuerrecht - MwStR - 2016, 991) entschieden, dass die Teilnahme an einem Wettbewerb (dort: Pferderennen) keine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung ist, wenn für die Teilnahme weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und nur Teilnehmer (dort: die Eigentümer der Pferde) mit einer erfolgreichen Platzierung ein - sei es auch ein im Voraus festgelegtes - Preisgeld erhalten; denn die Ungewissheit einer Zahlung sei geeignet, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der dem Leistungsempfänger erbrachten Dienstleistung und der ggf. erhaltenen Zahlung aufzuheben (vgl. entsprechend EuGH-Urteile Tolsma, EU:C:1994:80, HFR 1994, 357 = SIS 94 14 34, Rz 19, und Cibo Participations vom 27.9.2001 C-16/00, EU:C:2001:495, BFH/NV 2002, Beilage 1, 6 = SIS 01 13 23, Rz 43).

 

 

22

aa) Der EuGH führt zur Begründung aus, in einem Fall, in dem für die Teilnahme an einem Wettbewerb weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und nur Teilnehmer mit einer erfolgreichen Platzierung ein Preisgeld erhalten, könne nicht davon ausgegangen werden, dass für die (bloße) Teilnahme eine tatsächliche Gegenleistung erbracht werde (vgl. EuGH-Urteil Bastova, EU:C:2016:855, UR 2016, 913, MwStR 2016, 991 = SIS 16 23 84, Rz 36).

 

 

23

Das Preisgeld werde in einem solchen Fall für die Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses gezahlt. Auch wenn sich der Veranstalter zur Zahlung eines Preisgeldes verpflichtet haben sollte, dessen Höhe im Voraus festgesetzt und bekannt sei, hänge der Erhalt dieses Preisgeldes also von der Erzielung einer besonderen Leistung ab und unterliege gewissen Unwägbarkeiten. Diese schlössen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Teilnahme am Wettbewerb (dort: Pferderennen) und dem Erhalt des Preisgeldes aus (EuGH-Urteil Bastova, EU:C:2016:855, UR 2016, 913, MwStR 2016, 991 = SIS 16 23 84, Rz 37).

 

 

24

bb) Außerdem liefe die gegenteilige Auffassung, bei der das ggf. gewonnene Preisgeld als tatsächliche Gegenleistung für die Teilnahme am Wettbewerb eingestuft würde, darauf hinaus, dass die Einstufung dieser Teilnahme als steuerpflichtiger Umsatz entgegen der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach der Begriff „Dienstleistung“ objektiven Charakter hat und unabhängig von Zweck und Ergebnis der betroffenen Umsätze anwendbar ist (vgl. Urteil Newey vom 20.6.2013 C-653/11, EU:C:2013:409, MwStR 2013, 373, Rz 41 und die dort angeführte Rechtsprechung), von dem Ergebnis abhängig gemacht würde, das der Teilnehmer beim Wettbewerb (dort: Pferderennen) erzielt hat (EuGH-Urteil Bastova, EU:C:2016:855, UR 2016, 913, MwStR 2016, 991 = SIS 16 23 84, Rz 38).

 

 

25

c) Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Danach erbringt ein „Berufspokerspieler“ keine Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches „gegen Entgelt“ i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn er an Spielen fremder Veranstalter teilnimmt und ausschließlich im Falle der erfolgreichen Teilnahme Preisgelder oder Spielgewinne erhält. Zwischen der bloßen Teilnahme am Kartenspiel und dem im Erfolgsfall erhaltenen Preisgeld oder Gewinn fehlt dann der für einen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang.

 

 

26

Zwar hat das FA schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung ausführlich Kritik am EuGH-Urteil Bastova (EU:C:2016:855, UR 2016, 913, MwStR 2016, 991 = SIS 16 23 84) geäußert und hält dieses Urteil für unzutreffend und teilweise für „nicht nachvollziehbar“. Der BFH muss aber als Fachgericht einschlägige Rechtsprechung des EuGH auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren, um u.a. festzustellen, ob eine Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt ist (vgl. u.a. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 8.4.2015 2 BvR 35/12, juris, Rz 26; vom 15.12.2016 2 BvR 221/11, Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht 2017, 472, Rz 37, m.w.N.). Wollte der BFH von der Auslegung des einschlägigen Unionsrechts durch den EuGH abweichen, müsste er ihn erneut um Vorabentscheidung ersuchen, um nicht den gesetzlichen Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes zu verletzen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 8.4.1987 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 = SIS 87 23 29, Rz 37 f.; vom 19.7.2011 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78 = SIS 12 00 97, Rz 98). Zu einer erneuten Vorlage besteht aus Sicht des erkennenden Senats vorliegend kein Anlass, da der Senat der Auffassung des EuGH folgt und die Rechtsfrage unionsrechtlich für bereits geklärt hält.

 

 

27

Im Übrigen ist auch die Finanzverwaltung nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 des Vertrages über die Europäische Union gehalten, die Rechtsprechung des EuGH zu beachten und Steuerrechtsnormen im Lichte dieser Urteile auszulegen (vgl. Englisch in Tipke/ Lang, Steuerrecht, 22. Aufl., § 4 Rz 17; s.a. BFH-Urteil vom 18.10.2001 V R 106/98, BFHE 196, 363, BStBl II 2002, 551 = SIS 02 02 57, Rz 18, 25 f.).

 

 

28

d) Der V. Senat des BFH hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er wegen der unterschiedlichen Sachverhalte von keiner Abweichung zu seinem Urteil in BFHE 172, 227, BStBl II 1994, 54 = SIS 94 04 24 ausgeht.

 

 

29

e) Entgegen dem Vortrag des FA in der mündlichen Verhandlung weicht der erkennende Senat mit seiner Auffassung auch nicht i.S. des § 11 FGO vom BFH-Urteil vom 9.3.1972 V R 32/69 (BFHE 105, 196, BStBl II 1972, 556 = SIS 72 03 27) ab; denn dieses Urteil betrifft eine frühere, noch nicht harmonisierte Rechtslage (Streitjahre 1963 bis 1966) und ist außerdem durch das EuGH-Urteil Bastova (EU:C:2016:855, UR 2016, 913, MwStR 2016, 991 = SIS 16 23 84) überholt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28.5.2013 XI R 11/09, BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 = SIS 13 20 49, Leitsatz 3).

 

 

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3. Nach diesen Grundsätzen, die das FG bei seiner Entscheidungsfindung noch nicht in vollem Umfang berücksichtigen konnte, hat der Kläger keine Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbracht; denn das mögliche Entgelt (Preisgeld oder Spielgewinn) hing von seinem Erfolg bei den Pokerturnieren, Cash-Games und anderen Veranstaltungen ab. Sein Erfolg war ungewiss. Daran ändern auch die vom FA gesehenen „überdurchschnittlichen“ Gewinnchancen des Klägers nichts.

 

 

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Nach Auffassung des EuGH ist zwar die Teilnahme an einem Wettbewerb eine im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung, wenn der Veranstalter für sie eine von der Platzierung unabhängige Vergütung (z.B. Antrittsgeld) zahlt (vgl. EuGH-Urteil Bastova, EU:C:2016:855, UR 2016, 913, MwStR 2016, 991 = SIS 16 23 84, Rz 39 und 40). In einem solchen Fall ist, wie der Generalanwalt in Nr. 35 seiner Schlussanträge vom 14.6.2016 C-432/15 (EU:C:2016:438) ausgeführt hat, die vom Veranstalter geleistete Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die ihm von diesem erbrachte Dienstleistung, bei dem Wettbewerb anzutreten. Solche platzierungsunabhängigen Zahlungen für seine Teilnahme an den Spielen hat der Kläger nach seinen unbestritten gebliebenen Angaben im finanzgerichtlichen Verfahren jedoch nicht erhalten. Auch das FG hat solche Zahlungen nicht festgestellt.

 

 

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Der Kläger war auch nicht ein Veranstalter, der nach der unter II.1.b genannten Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, an den Teilnehmer eine entgeltliche Dienstleitung (Teilnahmerecht gegen Startgeld) erbringt (vgl. auch EuGH-Urteil Bastova, EU:C:2016:855, UR 2016, 913, MwStR 2016, 991 = SIS 16 23 84, Rz 32, 34; BFH-Urteil in BFHE 172, 227, BStBl II 1994, 54 = SIS 94 04 24, unter II.1.a, Rz 10).

 

 

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4. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben und der Klage stattzugeben.

 

 

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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.