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Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen

Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen: 1. Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, sind umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und den von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren. Auf welche nationale zivilrechtliche Grundlage der Zahlungsanspruch gestützt wird, spielt für die Frage, ob ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vorliegt, keine Rolle. - 2. Geht es - wie bei Abmahnungen - nicht um die Teilnahme an einem Wettbewerb und erfolgen die Zahlungen nicht für die Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses, ist die mögliche Ungewissheit einer Zahlung nicht geeignet, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der dem Leistungsempfänger erbrachten Dienstleistung und der ggf. erhaltenen Zahlung aufzuheben. (Hinweis aus BStBl 2021 II S. 786 auf BMF-Schreiben vom 1. Oktober 2021 - III C 2 - S 7100/19/10001 :006 = SIS 21 15 95) - Urt.; BFH 13.2.2019, XI R 1/17; SIS 19 05 51

Kapitel:
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Umsätze: Lieferungen, sonstige Leistungen
Fundstellen
  1. BFH 13.02.2019, XI R 1/17 (ECLI:DE:BFH:2019:U.130219.XIR1.17.0)
    BStBl 2021 II S. 785
    BFHE 263 S. 560
    BFH/NV 2019 S. 793
    DStRE 2019 S. 703
    HFR 2019 S. 603
    UR 2019 S. 413
    NJW 2019 S. 1836

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 1.10.2021
    M. Diemer in IWB 13/2019 S. 510
    J. Grune in AktStR 3/2019 S. 495
    J. H. in StuB 11/2019 S. 449
    S. Nücken in NJW 25/2019 S. 1836
    A. Oelmaier in MwStR 15/2019 S. 630
    B. Rätke in BBK 11/2019 S. 496
    W. Tausch in UVR 8/2019 S. 226
    A. Treiber in BFH/PR 8/2019 S. 184
    -/- in NWB 20/2019 S. 1435
Normen
[UStG] § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1
[UrhG] § 97 Abs. 1, § 97 Abs. 2, § 97 a Abs. 1, § 97 a Abs. 2, § 101 Abs. 2, § 101 Abs. 9
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Berlin-Brandenburg, 30.11.2016, SIS 17 00 67, Steuerbare Leistung, Vorsteuerabzug, Schadensersatz, Unternehmerische Tätigkeit
  • nach: 1 BvR 1327/19 (BVerfG), Abmahnung, Umsatzsteuer, Urheberrechtsverletzung, Urheberrecht, Steuerbarkeit, Sonstige Leistung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Berlin-Brandenburg 29.5.2024, SIS 24 16 38, Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Rechtsberatungsleistungen zur Geltendmachung von echtem, nicht ...
  • BFH 8.5.2024, SIS 24 12 11, Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Zusatzvergütungen für in der Vergangenheit überlassene Urheber...
  • BFH 6.12.2023, SIS 24 05 68, Steuerbare Umsätze, Unternehmereigenschaft und Vorsteuerabzug einer Kurgemeinde: 1. Die Bereitstellung vo...
  • FG Münster 26.10.2023, SIS 24 03 42, Vorsteuerabzug einer Bank aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Bezahlsystem "paydirekt" bzw. "g...
  • BFH 18.10.2023, SIS 24 05 66, Vorsteuerabzug bei Kureinrichtungen: Die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde stellt k...
  • FG Berlin-Brandenburg 29.8.2023, SIS 23 20 42, Alle Zahlungen aufgrund von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen sei es Schadensersatz nach § 97 Abs...
  • FG Münster 9.5.2023, SIS 23 11 76, Vereinnahmte Gelder für die Vertretung im ärztlichen Notdienst sind nicht als im Zusammenhang mit Heilbeh...
  • BFH 30.6.2022, SIS 22 19 42, Steuerbarer und steuerpflichtiger Verzicht auf das Recht zur Privatliquidation: Verzichtet der Chefarzt g...
  • BFH 22.6.2022, SIS 22 18 55, Anforderungen an eine entgeltliche Nutzungsüberlassung: 1. Bei einem jährlichen Pachtentgelt von 1 EUR un...
  • FG Münster 26.4.2022, SIS 22 11 23, Steuerbarkeit von Zahlungen aus öffentl. Kasse, Leistungsaustausch, Übertragung gesetzlicher Aufgabe der ...
  • BFH 26.1.2022, SIS 22 09 38, Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung eines bei Überlassung von elektronischen Zahlungskarten erhobenen ...
  • BFH 15.12.2021, SIS 22 08 65, EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug bei Kureinrichtungen, dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidu...
  • BFH 20.10.2021, SIS 22 03 77, Zum Vorsteuerabzug einer Gemeinde im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit: Der Vorsteuerabzug aus Eing...
  • BMF 1.10.2021, SIS 21 15 95, Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen und bei unlauteren Wettbe...
  • FG Düsseldorf 26.4.2021, SIS 21 12 92, Vorfinanzierung als selbständige Leistung im Rahmen des unechten Factorings: 1. Anwaltliche Mahngebühren,...
  • BFH 30.3.2021, SIS 21 12 83, Aussetzung der Vollziehung, Umfang des Vorsteuerabzugs einer Führungsholding, Leistungsaustausch bei erfo...
  • BFH 23.3.2021, SIS 21 11 01, Umsatzbesteuerung eines "räuberischen" Aktionärs, Anforderungen an die Entscheidungsgründe eines finanzge...
  • BGH 21.1.2021, SIS 21 11 63, Erstattungsfähigkeit von Umsatzsteuer bei Abmahnkosten: 1. Nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung de...
  • FG Düsseldorf 14.9.2020, SIS 21 14 76, Vorsteuerabzug einer Führungs- oder Funktionsholding für Beratungsleistungen wegen der Wertminderung der ...
  • FG Münster 25.6.2020, SIS 20 13 71, Unberechtigter Steuerausweis nach § 14 c UStG, Feststellungslast bzgl. Tatbestandsvoraussetzungen: Die fe...
  • BFH 10.6.2020, SIS 20 15 09, Sonstige Leistungen eines Berufsreiters, der einen Turnier- und Ausbildungsstall betreibt, Steuerbarkeit,...
  • BFH 29.4.2020, SIS 20 10 26, Begriff der Betriebsstätte bzw. festen Niederlassung im Umsatzsteuerrecht: Der Unternehmer unterhält jede...
  • BFH 12.2.2020, SIS 20 06 20, Zum Vorsteuerabzug einer Holding (Konzeptionskosten einer Holdingstruktur) bei angeblicher Dienstleistung...
  • FG Münster 28.1.2020, SIS 20 05 35, Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bei Bereitstellung von Skripten/Materialien auf einer Web...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 8.1.2020, SIS 20 05 76, An einen Unternehmer von Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von berechtigten wettbewerbsrechtli...
  • BFH 18.12.2019, SIS 20 03 00, Zuschüsse einer Stadt an einen Fremdenverkehrsverein: Leistungen eines Fremdenverkehrsvereins an eine Sta...
  • BFH 18.12.2019, SIS 20 04 90, Rabattberechtigung beim Einkauf im Supermarkt: 1. Die entgeltliche Einräumung des Rechts zum betragsmäßig...
  • BVerwG 29.8.2019, SIS 20 16 32, Umsatzsteuer auf Ablösebeträge nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz: Zahlungen, mit denen die Erhaltungs- un...
  • BFH 22.5.2019, SIS 19 13 81, Zur vorzeitigen Auflösung eines langfristigen Mietvertrags gegen Abfindungszahlung des Mieters: Die Vorau...
  • BFH 10.4.2019, SIS 19 10 06, Zur Besteuerung der dem Provider bei Prepaid-Verträgen endgültig verbliebenen Restguthaben: Die dem Provi...

Auf die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 30.11.2016 7 K 7078/15 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

1

I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlussrevisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist eine Tonträgerherstellerin und Inhaberin von Verwertungsrechten an Tonaufnahmen, insbesondere des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a des Urheberrechtsgesetzes in der im Jahr 2010 (Streitjahr) geltenden Fassung (UrhG).

 

 

2

Sie beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei, gegen rechtswidrige Verbreitung der Tonaufnahmen im Internet vorzugehen, in ihrem Namen gegen die Rechtsverletzer Unterlassungs- und Ersatzansprüche außergerichtlich geltend zu machen und Vergleichsvereinbarungen mit Rechtsverletzern abzuschließen. Dazu wurde die Kanzlei auch bevollmächtigt, im Namen der Klägerin Auskunftsansprüche gegen sog. Provider durchzusetzen.

 

 

3

In an die Rechtsverletzer gerichteten Schreiben stellte die Kanzlei die Rechtslage hinsichtlich ihrer Schadensersatz- und Unterlassungs- und Auskunftspflicht sowie ihrer Pflicht zum Ersatz von Anwalts- und Gerichtskosten sowie Aufwendungen im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung durch den Provider nach § 101 Abs. 2 und Abs. 9 UrhG dar und bot an, gegen Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie Zahlung von pauschal 450 EUR (netto) von der gerichtlichen Verfolgung dieser Ansprüche abzusehen.

 

 

4

Daraufhin gingen im Streitjahr Zahlungen von Rechtsverletzern in Höhe von insgesamt 416.245,85 EUR auf einem von der Kanzlei geführten Fremdgeldkonto ein.

 

 

5

Für ihre Tätigkeiten sowie für die von ihr gestellte technische, personelle und sonstige Infrastruktur erhielt die Kanzlei von der Klägerin vereinbarungsgemäß 75 % aller Zahlungen von Rechtsverletzern. Dieses Honorar sollte sich laut der Vereinbarung zzgl. Umsatzsteuer in der jeweils gesetzlichen Höhe verstehen und monatlich in Rechnung gestellt werden.

 

 

6

Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die ersten drei Quartale des Streitjahres kam der Prüfer des seinerzeit zuständigen Finanzamts (FA X) zu der Überzeugung, das von der Klägerin durch die Kanzlei betriebene Abmahnverfahren führe zu einem Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Rechtsverletzer.

 

 

7

Entgegen dieser Auffassung meldete die Klägerin in der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr eine verbleibende Umsatzsteuer von ./. 39.373,36 EUR an. Sie ging dabei von der Nichtsteuerbarkeit der von den Rechtsverletzern erhaltenen Beträge aus. Die in den Rechnungen der Kanzlei ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 63.333,21 EUR zog die Klägerin als Vorsteuer ab.

 

 

8

Der Auffassung des Prüfers folgend setzte das FA X mit Bescheid vom 23.11.2011 die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf 32.785,79 EUR fest. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA X mit Einspruchsentscheidung vom 25.3.2015 als unbegründet zurück.

 

 

9

Im anschließenden Klageverfahren fand ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel statt, so dass der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (das Finanzamt - FA - ) für die Besteuerung der Klägerin zuständig wurde.

 

 

10

Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg gab der Klage mit Urteil vom 30.11.2016 7 K 7078/15 (EFG 2017, 240 = SIS 17 00 67) teilweise statt. Es entschied, dass die Abmahnungen der Rechtsverletzer durch die Klägerin nicht umsatzsteuerbar seien. Allerdings sei im Gegenzug der Vorsteuerabzug aus den Leistungen der beauftragten Kanzlei zu versagen.

 

 

11

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - ). Das FA hat Anschlussrevision eingelegt.

 

 

12

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG vom 30.11.2016 aufzuheben, die Umsatzsteuer für das Jahr 2010 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides vom 23.11.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.3.2015 auf ./. 33.673,36 EUR festzusetzen und die Anschlussrevision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Sie regt an, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

 

 

 

 

„1. Ist die vom EuGH in der Rechtssache C-37/16 - SAWP - gewonnene Rechtserkenntnis, dass der gerechte Ausgleich zugunsten der Inhaber von Vervielfältigungsrechten keinen unmittelbaren Gegenwert irgendeiner Dienstleistung darstellt, da der Ausgleich im Zusammenhang mit dem Schaden steht, der sich für die Rechtsinhaber aus der ohne ihre Genehmigung erfolgenden Vervielfältigung ihrer geschützten Werke ergibt, auf Fälle der vorliegenden Art übertragbar, wenn eine Person in das Urheberrecht eines Rechtsinhabers illegal eingreift, der Rechtsinhaber sich zur Abwehr dieser Rechtsverletzung der Hilfe eines Anwalts bedient, der eine Abmahnung ausspricht, und die Kosten dieses Anwalts für die Abwehr dieser Rechtsverletzung vom Rechtsverletzer ersetzt verlangt, worauf er einen gesetzlich normierten Anspruch hat?

 

 

 

 

 

2. Ist der Leistungscharakter einer Abmahnung des Rechtsinhabers in Fällen der vorliegenden Art zu verneinen, da es im Zeitpunkt der Abmahnung noch ungewiss ist, ob dem Rechtsinhaber ein Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten für die Abmahnung zusteht, da dieser Ersatzanspruch lediglich im Fall der berechtigten Abmahnung besteht, was der Rechtsinhaber im Zeitpunkt der Abmahnung nicht sicher beurteilen kann?“

 

 

13

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

14

II. Die Revision und die Anschlussrevision sind begründet; sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die Abmahnungen zur Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs zu Unrecht als nicht steuerbar angesehen. Im Gegenzug ist der Klägerin der Vorsteuerabzug zu gewähren. Die Klage ist deshalb abzuweisen.

 

 

15

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

 

 

16

a) Für das Vorliegen einer entgeltlichen Leistung, die in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar ist, sind nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der Bundesfinanzhof (BFH) angeschlossen hat, im Wesentlichen folgende unionsrechtlich geklärten Grundsätze zu berücksichtigen:

 

 

17

Zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen, wobei die gezahlten Beträge die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung darstellen, die im Rahmen eines zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnisses, in dem gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, erbracht wurde (vgl. z.B. EuGH-Urteile Société thermale d’Eugénie-les-Bains vom 18.7.2007 C-277/05, EU:C:2007:440, BFH/NV 2007, Beilage 4, 424 = SIS 07 28 58, Rz 19; Cesky rozhlas vom 22.6.2016 C-11/15, EU:C:2016:470, UR 2016, 632 = SIS 16 14 60, Rz 21 f.; SAWP vom 18.1.2017 C-37/16, EU:C:2017:22, UR 2017, 230 = SIS 17 00 20, Rz 25 f.; Meo - Serviços de Comunicações e Multimédia vom 22.11.2018 C-295/17, EU:C:2018:942, HFR 2019, 58 = SIS 18 18 95, Rz 39; BFH-Urteile vom 30.6.2010 XI R 22/08, BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084 = SIS 10 33 10, Rz 11 f.; vom 20.3.2013 XI R 6/11, BFHE 241, 191, BStBl II 2014, 206 = SIS 13 20 50, Rz 24 f.; vom 21.12.2016 XI R 27/14, BFHE 257, 154 = SIS 17 06 23, Rz 16, jeweils m.w.N.).

 

Dabei bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet (vgl. BFH-Urteile vom 18.12.2008 V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl II 2009, 749 = SIS 09 19 44, unter II.3.a bb, Rz 30; in BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084 = SIS 10 33 10, Rz 13; in BFHE 241, 191, BStBl II 2014, 206 = SIS 13 20 50, Rz 25; in BFHE 257, 154 = SIS 17 06 23, Rz 17).

 

 

18

Die Frage, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Leistungen erfolgt, stellt eine unionsrechtliche Frage dar, die unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden ist. Für die Auslegung der Bestimmungen der MwStSystRL ist irrelevant, ob ein Betrag nach nationalem Recht als Schadensersatzanspruch oder als Konventionalstrafe anzusehen ist und wie er bezeichnet wird (vgl. EuGH-Urteil Meo - Serviços de Comunicações e Multimédia, EU:C:2018:942, HFR 2019, 58 = SIS 18 18 95, Rz 68 f.; BFH-Urteil in BFHE 257, 154 = SIS 17 06 23, Rz 29, jeweils m.w.N.).

 

 

19

b) Eine Leistung gegen Entgelt liegt regelmäßig dann vor, wenn der Leistende im Auftrag des Leistungsempfängers für diesen eine Aufgabe übernimmt und insoweit gegen Aufwendungsersatz tätig wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11.4.2002 V R 65/00, BFHE 198, 233, BStBl II 2002, 782 = SIS 02 08 61, unter II.1.; vom 27.11.2008 V R 8/07, BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397 = SIS 09 07 02, unter II.1.b, Rz 20; vom 24.4.2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648 = SIS 13 17 72, Rz 21). Dasselbe gilt, wenn ein Unternehmer für einen anderen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird und von ihm nach § 683 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann (vgl. BFH-Urteile vom 16.1.2003 V R 92/01, BFHE 201, 339, BStBl II 2003, 732 = SIS 03 21 71, unter II.2.a, Rz 16; in BFHE 257, 154 = SIS 17 06 23, Rz 18).

 

 

20

c) Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen sind dagegen kein Entgelt i.S. des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat (vgl. BFH-Urteile vom 10.12.1998 V R 58/97, BFH/NV 1999, 987 = SIS 98 59 19, unter II.1., Rz 18; in BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084 = SIS 10 33 10, Rz 14; in BFHE 241, 191, BStBl II 2014, 206 = SIS 13 20 50, Rz 26; vom 16.1.2014 V R 22/13, BFH/NV 2014, 736 = SIS 14 11 15, Rz 20; in BFHE 257, 154 = SIS 17 06 23, Rz 19).

 

 

21

2. Die Klägerin hat - entgegen der Auffassung des FG - an die Rechtsverletzer steuerbare Leistungen erbracht; die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

 

 

22

a) Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG hat der Verletzte bei Vorliegen einer widerrechtlichen Urheberrechtsverletzung und Wiederholungsgefahr einen Unterlassungsanspruch gegen den Verletzer. Vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung soll gemäß § 97a Abs. 1 Satz 1 UrhG der Verletzte den Verletzer abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Nach § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist.

 

 

23

Neben dem Unterlassungsanspruch hat der Verletzte nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG gegen den vorsätzlich oder fahrlässig handelnden Verletzer auch einen Anspruch auf Ersatz des daraus entstehenden Schadens.

 

 

24

b) Eine Abmahnung ist die Mitteilung des Verletzten an den Verletzer, dass der Verletzer durch eine im Einzelnen bezeichnete Handlung einen Urheberrechtsverstoß begangen habe, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen (BTDrucks 16/5048, 48). Die Abmahnung wird regelmäßig mit der Androhung gerichtlicher Schritte für den Fall der Nichtabgabe versehen (Specht in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 97a Rz 6. Jan Bernd Nordemann in Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl., § 97a Rz 7).

 

 

25

aa) Das richterrechtliche Institut der Abmahnung nach dem Vorbild der wettbewerbsrechtlichen Regelung in § 12 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wurde für den Bereich des Urheberrechts in § 97a Abs. 1 UrhG normiert (vgl. BTDrucks 16/5048, 48). Anstatt des bis dahin unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag hergeleiteten Kostenerstattungsanspruchs (§§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB; vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 17.7.2008 I ZR 219/05, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - GRUR - 2008, 996, Rz 11; vom 28.9.2011 I ZR 145/10, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht 2012, 34, Rz 11) enthält § 97a Abs. 2 UrhG eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage für den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen.

 

 

26

bb) Zweck der Abmahnung ist in erster Linie die Beseitigung und Unterlassung der Verletzungshandlung (BTDrucks 17/13057, 11). Dazu soll sie den Verletzer auf sein rechtsverletzendes Verhalten aufmerksam machen und ihn vor einem drohenden Gerichtsverfahren warnen (Warnfunktion), auf eine außergerichtliche Streitbeilegung hinwirken (Streitbeilegungsfunktion) und einen kostspieligen Prozess vermeiden (Kostenvermeidungsfunktion; vgl. Specht in Dreier/Schulze, a.a.O., § 97a Rz 3; Wimmers in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl., § 97a Rz 5 f.. Jan Bernd Nordemann in Fromm/Nordemann, a.a.O., § 97a Rz 1; Spindler in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., UrhG § 97a Rz 3).

 

 

27

Eine berechtigte Abmahnung, in der die konkreten Verletzungshandlungen und die Sachbefugnis des Abmahnenden dargelegt werden, dient dahingehend dem objektiven Interesse und mutmaßlichen Willen des Verletzers, als der Rechteinhaber, der zunächst abmahnt, statt sofort Klage zu erheben oder einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, dem Verletzer damit die Möglichkeit gibt, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abzuwenden. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten beruht auf dieser Erwägung (BGH-Urteile vom 1.6.2006 I ZR 167/03, GRUR 2007, 164, Rz 12; vom 21.1.2010 I ZR 47/09, GRUR 2010, 354, Rz 8; vom 11.6.2015 I ZR 7/14, GRUR 2016, 184, Rz 57).

 

 

28

c) Die Klägerin hat nach den Grundsätzen der vorliegenden Rechtsprechung mit den Abmahnungen den Rechtsverletzern einen Weg gewiesen, sie als Gläubigerin eines Unterlassungsanspruchs ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen, und ihnen hiermit einen konkreten Vorteil verschafft, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 201, 339, BStBl II 2003, 732 = SIS 03 21 71, unter II.2.a, Rz 17 f.; in BFHE 257, 154 = SIS 17 06 23, Rz 27, m.w.N.). Die Abmahnungen sind deshalb steuerbar.

 

 

29

d) Unerheblich ist, dass nach den Abmahnschreiben der Klägerin die Zahlungen pauschal auf die Erstattung der Rechtsanwaltskosten für das Abmahnschreiben, die Anwalts- und Gerichtskosten für einen gerichtlichen Antrag gemäß § 101 Abs. 9 UrhG und die geleisteten Aufwendungserstattungen an den Provider gemäß § 101 Abs. 2 Satz 3 UrhG sowie eine Schadensersatzzahlung aufgrund der Urheberrechtsverletzung entfallen sollten. Denn die Frage, ob ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vorliegt, ist nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben zu beantworten (vgl. EuGH-Urteil Meo - Serviços de Comunicações e Multimédia, EU:C:2018:942, HFR 2019, 58 = SIS 18 18 95, Rz 68 f.; zur Problematik im UWG: BFH-Urteil in BFHE 257, 154 = SIS 17 06 23, Rz 29, m.w.N.). Ob die geltend gemachten Ansprüche (z.T.) neben § 97a Abs. 2 UrhG auch (bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Handlung) im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach § 97 Abs. 2 UrhG geltend gemacht werden können (vgl. BGH-Urteil vom 22.3.2018 I ZR 265/16, GRUR 2018, 914, Rz 26, m.w.N.), spielt insofern keine Rolle. Zum steuerbaren Entgelt für die Leistung des Abmahnenden gehören alle hierfür erhaltenen Zahlungen, d.h. auch der Ersatz von Ermittlungskosten zur Identifizierung des Rechtsverletzers (z.B. Gerichtskosten des richterlichen Gestattungsverfahrens gemäß § 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG sowie Kosten für die Beauskunftung durch den Internetprovider nach § 101 Abs. 2 Satz 3 UrhG; vgl. BTDrucks 16/5048, 49. Jan Bernd Nordemann in Fromm/Nordemann, a.a.O., § 97a Rz 42; Specht in Dreier/Schulze, a.a.O., § 97a Rz 13).

 

 

30

e) Der Einwand der Klägerin, es liege eine bloße Ersparnis von Ausgaben bzw. es lägen Geldzahlungen vor, die mangels verbrauchbaren Vorteils nicht als Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG qualifiziert werden könnten (vgl. Hummel, UR 2017, 901, 907), greift nicht.

 

 

31

aa) Mit der Abmahnung erhält der Abgemahnte nicht nur die Gelegenheit, möglichst kostengünstig Geldansprüche des Abmahnenden zu befriedigen, sondern ihm werden (möglicherweise erstmals) der Rechtsverstoß zur Kenntnis gebracht und - durch die konkrete Bezeichnung des verletzten Rechts und dem Nachweis der Berechtigung des Rechteinhabers - die notwendigen Informationen gegeben, um durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung den (nicht auf Geld gerichteten) Unterlassungsanspruch zu erfüllen. Dementsprechend handelt es sich nur bei Erfüllung dieser Mindestvoraussetzungen um eine berechtigte Abmahnung, die einen Kostenersatzanspruch auslöst (BGH-Urteile vom 12.5.2016 I ZR 1/15, GRUR 2016, 1275, Rz 20, 24, m.w.N.; vom 26.7.2018 I ZR 64/17, GRUR 2018, 1044, Rz 10; vgl. ausdrücklich § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG in der seit 2013 geltenden Fassung).

 

 

32

bb) Insofern ist die Abmahnung auch nicht mit einem gerichtlichen Mahnverfahren vergleichbar (a.A. Hummel, UR 2017, 901, 907 bzgl. Widerspruchsverfahren; Streit/Rust, DStR 2018, 1321, 1322), bei dem die Mahnung gegen Erstattung von Mahnkosten nicht steuerbar ist (BFH-Urteil vom 11.5.1995 V R 86/93, BFHE 177, 563, BStBl II 1995, 613 = SIS 95 20 37, unter II.1., Rz 13; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 1 UStG Rz 154; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 10 Rz 105; BeckOK UStG/Peltner, 20. Ed. 15.01.2019, UStG § 1 Rz 95.9; Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Rz 853). Denn hierbei wird eine Zahlung angemahnt, deren Anspruchsgrundlagen dem säumigen Schuldner bereits bekannt sind.

 

 

33

f) Der Qualifizierung der Abmahnung als Leistung steht - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht entgegen, dass auch der Verletzte insbesondere mit Blick auf das Prozesskostenrisiko ein Interesse an der Abmahnung hat (a.A. Hummel, UR 2017, 901, 903; Radeisen, Die Steuerberatung 2018, 494, 501).

 

 

34

aa) Zwar hilft die Abmahnung - ohne dass es sich um eine Prozessvoraussetzung handeln würde (§ 97a Abs. 1 UrhG: „soll“) - auch dem Verletzten. Er kann auf diese Weise einen Prozess vermeiden. Vor allem aber bewahrt ihn die vorherige Abmahnung vor dem Kostentragungsrisiko nach § 93 der Zivilprozessordnung (Wimmers in Schricker/Loewenheim, a.a.O., § 97a Rz 8; Specht in Dreier/Schulze, a.a.O., § 97a Rz 3; Kefferpütz in Wandtke/ Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., UrhG § 97a Rz 2). Außerdem kann - je nach Konstellation des Falles - die Abmahnung auch ein Mittel der Sachverhaltsaufklärung darstellen, da sie einem Auskunftsverlangen den notwendigen Nachdruck verleihen kann (BGH-Urteil in GRUR 2018, 914, Rz 19 ff.).

 

 

35

bb) Jedoch steht der Annahme eines Leistungsaustauschs nicht entgegen, wenn der Unternehmer mit der Tätigkeit (auch) einen eigenen Zweck verwirklicht (BFH-Urteil vom 22.4.2015 XI R 10/14, BFHE 250, 268, BStBl II 2015, 862 = SIS 15 18 60, Rz 22), da die Motive für die Begründung des Leistungsaustauschs den für den Leistungsaustausch erforderlichen Zusammenhang nicht in Frage stellen (vgl. EuGH-Urteil Landboden-Agrardienste vom 18.12.1997 C-384/95, EU:C:1997:627, UR 1998, 102 = SIS 98 05 33, Rz 20; BFH-Urteil vom 28.5.2013 XI R 32/11, BFHE 243, 419, BStBl II 2014, 411 = SIS 14 04 58, Rz 43, m.w.N.). Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob das Verhalten der Klägerin gegenüber den Abgemahnten rechtsmissbräuchlich ist (vgl. dazu BGH-Beschluss vom 8.2.2017 1 StR 483/16, GRUR 2017, 1046, Rz 12; BGH-Urteil vom 31.5.2012 I ZR 106/10, GRUR 2013, 176, Rz 20 f.).

 

 

36

g) Entgegen der Auffassung des FG und der Klägerin bestehen zwischen Abmahnungen wegen Wettbewerbs- und Urheberrechtsverstößen keine entscheidungserheblichen Unterschiede.

 

 

37

Zwar handelt es sich beim verletzten Urheberrecht um ein absolutes und individuelles Recht, bei dem - aufgrund der konkreten Rechtsverletzung - die Ermittlung des Verletzers, der nicht immer der Anschlussinhaber ist, aufwändiger sein mag. Allerdings unterscheiden sich Abmahnschreiben bei einem Wettbewerbsverstoß und bei einer Urheberrechtsverletzung in ihrem wesentlichen Inhalt nicht. Die Abmahnung dient in beiden Fällen insofern den gleichen Zwecken, als mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Möglichkeit eröffnet wird, einen Prozess zu vermeiden, und der Kostenerstattungsanspruch auf einer (spezialgesetzlich kodifizierten) Geschäftsführung ohne Auftrag gründet (Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23.10.2017 2a O 135/17, Rz 5; Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 1 Rz 163.2; Omsels, juris PraxisReport Wettbewerbsrecht 6/2017 Anm. 1; Pörksen, juris PraxisReport IT-Recht 13/2017 Anm. 5; a.A. Streit/Rust, DStR 2018, 1321, 1322; Pull/Streit, Mehrwertsteuerrecht 2018, 108, 114).

 

 

38

h) Dieser Sichtweise stehen die EuGH-Urteile Cesky rozhlas (EU:C:2016:470, UR 2016, 632 = SIS 16 14 60) und SAWP (EU:C:2017:22, UR 2017, 230 = SIS 17 00 20) nicht entgegen.

 

 

39

Anders als in den vom EuGH entschiedenen Fällen besteht zwischen der Klägerin und den Rechtsverletzern durch die Geschäftsführung ohne Auftrag ein Rechtsverhältnis (vgl. BFH-Urteile in BFHE 201, 339, BStBl II 2003, 732 = SIS 03 21 71, unter II.2.b, Rz 19; in BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648 = SIS 13 17 72, Rz 20 f.; in BFHE 257, 154 = SIS 17 06 23, Rz 24).

 

 

40

Außerdem wird mit der auf Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gerichteten Abmahnung weder eine Urheberrechtsverletzung sanktioniert (a.A. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 3 Abs. 9 Rz 90) noch ein Schaden ausgeglichen, sondern dem Verletzer aufgrund der Warn-, Streitbeilegungs- und Kostenvermeidungswirkung der Abmahnung ein Vorteil zugewendet. Dementsprechend bemisst sich der zu zahlende Kostenersatz auch nicht wie der Schadensersatz nach der sog. Lizenzanalogie (vgl. BGH-Urteil vom 30.3.2017 I ZR 124/16, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht – Rechtsprechungsdienst 2018, 68, Rz 21 f.), sondern nach dem Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs.

 

 

41

3. Die Klägerin hat diese Leistung auch gegen Entgelt erbracht. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich nichts anderes daraus, dass bei Versendung der Abmahnung nicht mit Sicherheit feststeht, ob der Adressat tatsächlich der Rechtsverletzer ist.

 

 

42

a) Entgelt ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG in der für das Streitjahr geltenden Neufassung des Umsatzsteuergesetzes durch Bekanntmachung vom 21.2.2005 (BGBl I 2005, 386) grundsätzlich alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.

 

 

43

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH setzt eine „Leistung gegen Entgelt“ das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einer Leistung und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung voraus. Dazu muss zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (vgl. u.a. EuGH-Urteile Tolsma vom 3.3.1994 C-16/93, EU:C:1994:80, HFR 1994, 357 = SIS 94 14 34, Rz 13 und 14; Gemeente Borsele vom 12.5.2016 C-520/14, EU:C:2016:334, HFR 2016, 664 = SIS 16 09 60, Rz 24; Lajver vom 2.6.2016 C-263/15, EU:C:2016:392, HFR 2016, 665 = SIS 16 11 87, Rz 26; BFH-Urteile vom 30.8.2017 XI R 37/14, BFHE 259, 175 = SIS 17 18 92, Rz 19; vom 2.8.2018 V R 21/16, BFHE 262, 548 = SIS 18 18 63, Rz 22, m.w.N.).

 

 

44

b) Zwar haben der EuGH durch Urteil Bastova vom 10.11.2016 C-432/15 (EU:C:2016:855, UR 2016, 913 = SIS 16 23 84) und im Anschluss daran der BFH (vgl. BFH-Urteile in BFHE 259, 175 = SIS 17 18 92, Rz 25; in BFH/NV 2019, 174, Rz 23; BFH-Beschluss vom 25.7.2018 XI B 103/17, DStR 2019, 507 = SIS 18 22 51, Rz 10) entschieden, dass die Teilnahme an einem Wettbewerb keine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung ist, wenn für die Teilnahme weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und nur Teilnehmer mit einer erfolgreichen Platzierung ein - sei es auch ein im Voraus festgelegtes - Preisgeld erhalten, da die Ungewissheit einer Zahlung geeignet sei, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der dem Leistungsempfänger erbrachten Dienstleistung und der ggf. erhaltenen Zahlung aufzuheben.

 

 

45

c) Der vorliegende Fall ist mit diesen Fällen allerdings nicht vergleichbar.

 

 

46

aa) Weder geht es um die Teilnahme der Klägerin an einem Wettbewerb, noch erfolgten die Zahlungen an die Klägerin für die Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses. Vielmehr besteht zwischen gezahltem Entgelt und der Abmahnleistung ebenso ein unmittelbarer Zusammenhang wie bei dem Honorar der für die Klägerin tätigen Kanzlei bei „erfolgreicher“ Abmahnung und bei einem gegen Erfolgsprovision tätigen Vermittler (vgl. z.B. EuGH-Urteile Ludwig vom 21.6.2007 C-453/05, EU:C:2007:369, UR 2007, 617 = SIS 07 23 31, Rz 15 ff.; baumgarten sports & more vom 29.11.2018 C-548/17, EU:C:2018:970, UR 2019, 70 = SIS 18 18 96, Rz 30 f.).

 

 

47

bb) Zudem erfolgt die Zahlung durch die zu Recht abgemahnten Rechtsverletzer weder aus freien Stücken noch zufallsabhängig (vgl. dazu EuGH-Urteile Tolsma, EU:C:1994:80, HFR 1994, 357 = SIS 94 14 34, Rz 19; Cibo Participations vom 27.9.2001 C-16/00, EU:C:2001:495, BFH/NV 2002, Beilage 1, 6 = SIS 01 13 23, Rz 43).

 

 

48

4. Da die Abmahnleistungen der Klägerin umsatzsteuerpflichtige Umsätze darstellen, steht der Klägerin der - vom FA gewährte und vom FG versagte - Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG aus den in den Rechnungen der Kanzlei für ihre Tätigkeiten in diesem Zusammenhang ausgewiesenen Umsatzsteuer zu.

 

 

49

5. Die Sache ist spruchreif. Bezüglich der Höhe der Umsätze und der abziehbaren Vorsteuerbeträge besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Sonstige Rechtsfehler des angegriffenen Bescheids sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

 

 

50

6. Nach Auffassung des Senats bestehen - trotz der vom Kläger angeregten Vorlagefragen - keine Zweifel i.S. des Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) an der Auslegung der im Streitfall anzuwendenden unionsrechtlichen Bestimmungen (vgl. zu den Voraussetzungen: EuGH-Urteile CILFIT vom 6.10.1982 C-283/81, EU:C:1982:335, NJW 1983, 1257, Rz 21; Intermodal Transports vom 15.9.2005 C-495/03, EU:C:2005:552, HFR 2005, 1236 = SIS 05 46 18; Ferreira da Silva e Brito u.a. vom 9.9.2015 C-160/14, EU:C:2015:565, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2016, 111, Rz 38 ff.). Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht demnach nicht (vgl. dazu allgemein z.B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 30.8.2010 1 BvR 1631/08, NJW 2011, 288 = SIS 10 33 01, unter B.II.1.; vom 6.9.2016 1 BvR 1305/13, NVwZ 2017, 53, Rz 7; vom 6.10.2017 2 BvR 987/16, NJW 2018, 606, Rz 4 ff.; BFH-Urteil vom 13.6.2018 XI R 20/14, BFHE 262, 174, BStBl II 2018, 800 = SIS 18 13 91, Rz 79, m.w.N.).

 

 

51

a) Zum einen sind die Grundsätze der von der Klägerin angeführten EuGH-Entscheidung SAWP (EU:C:2017:22, UR 2017, 230 = SIS 17 00 20) auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar (s. unter II.2.h).

 

 

52

b) Zum anderen sind die Grundsätze der Steuerbarkeit und des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Leistung und Entgelt - auch bei Ungewissheit einer Zahlung - rechtsgrundsätzlich geklärt (vgl. EuGH-Urteile Tolsma, EU:C:1994:80, HFR 1994, 357 = SIS 94 14 34, Rz 13 f.; Cibo Participations, EU:C:2001:495, BFH/NV 2002, Beilage 1, 6, Rz 43; Bastova, EU:C:2016:855, UR 2016, 913 = SIS 16 23 84, Rz 28 f.). Die Anwendung dieser Grundsätze auf den jeweiligen Einzelfall ist Sache des nationalen Gerichts (vgl. EuGH-Urteile Saudaçor vom 29.10.2015 C-174/14, EU:C:2015:733, UR 2015, 901 = SIS 15 25 72, Rz 33; Bastova, EU:C:2016:855, UR 2016, 913 = SIS 16 23 84, Rz 30).

 

 

53

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.