Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14.3.2014 1 K 4566/10
U aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine im Dezember 2007
gegründete GmbH, befand sich ab 2015 in Liquidation und wurde
am 28.2.2017 im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit von
Amts wegen gemäß § 394 des Gesetzes über das
Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) gelöscht. Die
Klägerin handelte im Jahr 2008 (Streitjahr) mit Kfz. Ihr
alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war A, der
die Klägerin während der Liquidation auch als Liquidator
vertrat.
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Anlässlich einer die
Voranmeldungszeiträume Januar bis Juni 2008 betreffenden
Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte die Prüferin fest,
dass von der Klägerin als umsatzsteuerfreie
innergemeinschaftliche Lieferungen nach Mallorca behandelte
Umsätze an die B steuerpflichtig seien, was zu Mehrsteuern in
Höhe von ... EUR führe. Nach den Feststellungen der
Steuerfahndung seien die betroffenen Fahrzeuge tatsächlich
nicht nach Spanien verbracht, sondern im Inland weiter vermarktet
worden. Zudem seien Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in
Höhe von ... EUR nicht abziehbar, weil es sich bei dieser
Firma um eine Scheinfirma handele, die unter ihrer
Rechnungsanschrift keinen Sitz gehabt habe.
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Im Rahmen einer weiteren, nunmehr die
Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 2008 betreffenden
Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte die Prüferin ferner
fest, dass die Klägerin auch in diesem Zeitraum
Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in Höhe von ... EUR
geltend gemacht hat, die ebenfalls nicht abziehbar seien.
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In ihrer Umsatzsteuererklärung
für das Streitjahr vom 29.1.2010 gab die Klägerin
steuerpflichtige Lieferungen in Höhe von ... EUR und
steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe in Höhe von
... EUR sowie - entgegen den vorgenannten
Prüfungsfeststellungen - steuerfreie innergemeinschaftliche
Lieferungen in Höhe von ... EUR an. Sie machte
Vorsteuerbeträge von insgesamt ... EUR geltend. Darin
enthalten waren Vorsteuerbeträge in Höhe von ... EUR, die
122 von der D erworbene Fahrzeuge betrafen. Insgesamt ergab sich
eine Erstattung in Höhe von ... EUR.
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Das seinerzeit zuständige Finanzamt
folgte den Angaben der Klägerin nicht und setzte die
Umsatzsteuer für das Streitjahr mit Bescheid vom 31.8.2010
entsprechend den Feststellungen der vorgenannten
Umsatzsteuer-Sonderprüfungen fest.
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Der Einspruch blieb ohne Erfolg
(Einspruchsentscheidung vom 19.11.2010).
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Während des Klageverfahrens wurde
aufgrund eines Organisationsaktes der Finanzverwaltung der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) mit Wirkung vom
1.4.2011 für die Besteuerung der Klägerin
zuständig.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur
insoweit statt, als die Lieferung eines Porsche 997 S Cabrio an B
besteuert worden war. Im Übrigen wies es die Klage als
unbegründet ab.
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Hinsichtlich der im Streit stehenden
Vorsteuerbeträge führte das FG aus, der Vorsteuerabzug
aus den Rechnungen der D sei zu versagen, weil diese nicht die nach
§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
erforderliche zutreffende vollständige Anschrift des
leistenden Unternehmers enthalten hätten. Es stellte u.a.
fest, dass sich unter der von D in ihren Rechnungen angegebenen
Anschrift zwar ihr statuarischer Sitz befunden habe, es sich
hierbei jedoch um einen „Briefkastensitz“, dessen
Angabe die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG
nicht erfülle, handele. Unter der betreffenden Anschrift sei D
lediglich postalisch erreichbar gewesen.
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Das ursprünglich zuständige FA
sei - mit Ausnahme der fraglichen Lieferung eines Porsche 997 S
Cabrio, die das FG nicht feststellen konnte - auch zu Recht davon
ausgegangen, dass es sich bei den in den Rechnungen an die B
abgerechneten Umsätzen um steuerpflichtige Lieferungen
gehandelt habe. Die Klägerin habe die Voraussetzungen einer
steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.
Die Angaben in den Verbringungserklärungen, das
„Fahrzeug wird am ... von mir in das Zielland Spanien
verbracht“, seien insoweit nicht ausreichend, weil der
Bestimmungsort nicht genannt sei und nicht ohne weiteres mit der
Unternehmensanschrift der B gleichgesetzt werden könne. Zwar
könne sich die erforderliche Angabe des Bestimmungsorts im
Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände aus der
Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gelte jedoch im
Grundsatz nur, wenn davon auszugehen sei, dass - was nicht vorliege
- der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des
Abnehmers versendet oder befördert werde. An welchen Ort die
streitgegenständlichen Fahrzeuge tatsächlich verbracht
worden seien, sei völlig unklar. Daher stehe auch nicht
objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der
Steuerfreiheit erfüllt seien. Die Lieferungen seien
schließlich auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG
steuerfrei. Die Frage des Gutglaubensschutzes stelle sich nur, wenn
der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen sei.
Vorliegend fehle es an einem belegmäßigen Nachweis des
Bestimmungsorts der streitigen Lieferungen.
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Die Vorentscheidung ist in EFG 2014, 1526 =
SIS 14 20 64 veröffentlicht.
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Die Klägerin wendet sich mit ihrer
Revision gegen die Vorentscheidung und macht die Verletzung
formellen und materiellen Rechts geltend.
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Sie hat den streitigen Vorsteuerabzug aus
Rechnungen der D betreffend vorgebracht, die Anschrift i.S. von
§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG und i.S. von Art. 226 Nr. 5 der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) diene der
Identifikation des Rechnungsausstellers. Sie setze (nur)
postalische Erreichbarkeit voraus, die gegeben sei, wenn - wie hier
- Schriftstücke zugestellt werden könnten. Das FG habe
dagegen rechtsfehlerhaft auf geschäftliche Aktivitäten
des leistenden Unternehmers unter der von ihm in seinen Rechnungen
angegebenen Anschrift abgestellt.
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Hinsichtlich der Versagung der
Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen hat die
Klägerin im Kern vorgetragen, dass sich der jeweilige Zielort
bereits aus den in den Ausgangsrechnungen angegebenen Anschriften
ergebe, die Teile des Buch- und Belegnachweises seien.
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Die Klägerin hat ferner geltend
gemacht, dass das Urteil der Vorinstanz im Übrigen
verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei, weil das FG ihren
Beweisanträgen nicht nachgegangen sei, was sie, die
Klägerin, auch gerügt habe.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 6.4.2016 XI
R 20/14 (BFHE 254, 152, UR 2016, 604 = SIS 16 13 89) das
Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
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„1. Enthält eine zur
Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nach Art. 168 Buchst. a
i.V.m. Art. 178 Buchst. a MwStSystRL erforderliche Rechnung die
‘vollständige Anschrift’ i.S. von Art. 226 Nr. 5
MwStSystRL, wenn der leistende Unternehmer in der von ihm über
die Leistung ausgestellten Rechnung eine Anschrift angibt, unter
der er zwar postalisch zu erreichen ist, wo er jedoch keine
wirtschaftliche Tätigkeit ausübt?
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2. Steht Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178
Buchst. a MwStSystRL unter Beachtung des Effektivitätsgebots
einer nationalen Praxis entgegen, die einen guten Glauben des
Leistungsempfängers an die Erfüllung der
Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nur außerhalb des
Steuerfestsetzungsverfahrens im Rahmen eines gesonderten
Billigkeitsverfahrens berücksichtigt? Ist Art. 168 Buchst. a
i.V.m. Art. 178 Buchst. a MwStSystRL insoweit
berufbar?“
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Hierauf und auf das gleichfalls die
Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung
betreffende Vorabentscheidungsersuchen des V. Senats des
Bundesfinanzhofs (BFH) mit Beschluss vom 6.4.2016 V R 25/15 (BFHE
254, 139, UR 2016, 598 = SIS 16 13 95) hat der EuGH mit seinem
Urteil Geissel vom 15.11.2017 C-374/16 und C-375/16 (EU:C:2017:867,
UR 2017, 970 = SIS 17 20 47) wie folgt geantwortet:
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„1. Es ist für die Ausübung
des Rechts auf Vorsteuerabzug durch den Empfänger von
Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erforderlich, dass
die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers
unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm
ausgestellten Rechnung angegeben ist.
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2. In Anbetracht dessen waren die zweite
Frage in der Rechtssache C-374/16 und die dritte Frage in der
Rechtssache C-375/16 nicht zu beantworten.“
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Im Nachgang zu diesem Urteil hatten die
Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Die Klägerin sieht sich durch das
EuGH-Urteil Geissel (EU:C:2017:867, UR 2017, 970 = SIS 17 20 47) in
ihrer Auffassung bestätigt, dass die Voraussetzungen für
den streitigen Vorsteuerabzug vorliegen.
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Betreffend die gleichfalls streitige
Besteuerung der fraglichen Ausgangsumsätze hält die
Klägerin ihre Revision ebenso aufrecht und führt
ergänzend dazu aus, dass der Belegnachweis nicht zwingend
deshalb als nicht geführt zu beurteilen sei, weil eine der in
§ 17a Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung
(UStDV) in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung
vom 21.2.2005 genannten Voraussetzungen fehle.
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Jedenfalls sei der Begriff
„Bestimmungsort“ i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV
2005 unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Angabe
des Ziellandes ausreiche. Die Angabe einer Stadt oder Gemeinde
bringe gegenüber der des Ziellandes keinen weiteren Nutzen im
Hinblick auf die in Art. 131 MwStSystRL abschließend
benannten Zwecke, insbesondere Steuerhinterziehung zu vermeiden.
Außerdem sei die Angabe eines Städtenamens häufig
doppeldeutig, weil es Städte gleichen Namens auch in
verschiedenen Staaten mehrfach gebe.
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Das FG unterstelle rechtsfehlerhaft, dass
die fraglichen Fahrzeuge nicht für den jeweils in der Adresse
der Ausgangsrechnungen genannten Ort bestimmt gewesen seien. Es sei
nicht festgestellt, dass ihr, der Klägerin, bekannt gewesen
sei oder ihr auch nur Anhaltspunkte dafür vorgelegen
hätten, dass der Abnehmer und dessen Fahrer die Fahrzeuge
entgegen der ausdrücklichen Erklärung nicht in das
innergemeinschaftliche Ausland verbringen werde.
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Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 19.11.2010
aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 31.8.2010
dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für das
Streitjahr auf ... EUR herabgesetzt wird, hilfsweise das
Revisionsverfahren auszusetzen und dem EuGH die Frage zur
Vorabentscheidung vorzulegen, ob Art. 131 und Art. 138 MwStSystRL
einer nationalen Regelung wie § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV 2005
entgegensteht, wonach die Umsatzsteuerbefreiung einer
innergemeinschaftlichen Lieferung die Angabe des Bestimmungsorts
bedingt, wenn das Gelangen in das übrige Gemeinschaftsgebiet
nicht in anderer Weise bewiesen ist.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen. Es tritt der Revision
entgegen und bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe des
FG-Urteils.
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Auf eine Stellungnahme im Nachgang zum
EuGH-Urteil Geissel (EU:C:2017:867, UR 2017, 970 = SIS 17 20 47)
hat das FA verzichtet.
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG hat den Abzug der aus den Rechnungen
der D geltend gemachten Vorsteuerbeträge zu Unrecht mit der
Begründung versagt, dass die fraglichen Rechnungen nicht die
nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderliche zutreffende
vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthielten.
Die Feststellungen des FG lassen keine Beurteilung zu, ob die
materiellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz
1 UStG erfüllt sind. Es steht nicht fest, ob sämtlichen
Rechnungen der D tatsächlich Fahrzeuglieferungen zugrunde
gelegen haben.
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Im Übrigen hat das FG zu Recht
entschieden, dass es sich bei den Lieferungen an B mit Ausnahme
eines Porsche 997 S Cabrio um steuerpflichtige Lieferungen
gehandelt hat.
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1. Der Senat ist nicht gehindert, über
die Revision zu entscheiden.
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a) Wurde - wie im Streitfall die Klägerin
- eine GmbH im Laufe des Revisionsverfahrens wegen
Vermögenslosigkeit von Amts wegen gemäß § 394
Abs. 1 FamFG gelöscht, kann in der Sache dennoch entschieden
werden. In diesem Fall ist die gelöschte GmbH noch
beteiligungsfähig i.S. von § 57 Nr. 1 FGO.
Steuerrechtlich wird eine gelöschte GmbH nämlich als
fortbestehend angesehen, solange sie noch steuerrechtliche
Pflichten zu erfüllen hat oder - wie hier - gegen sie
ergangene Steuerbescheide oder Haftungsbescheide angreift (vgl.
dazu z.B. BFH-Urteile vom 27.4.2000 I R 65/98, BFHE 191, 494, BStBl
II 2000, 500 = SIS 00 10 37, unter III.1., Rz 10; vom 8.10.2008 V R
63/07, BFH/NV 2009, 1473 = SIS 09 26 98, unter II., Rz 32; FG
München, Urteil vom 4.9.2017 7 K 1379/17, nicht
veröffentlicht - n.v. - = SIS 18 03 63, Rz 11; zur
Parteifähigkeit i.S. von § 50 Abs. 1 der
Zivilprozessordnung - ZPO - ferner Beschluss des Bundesgerichtshofs
- BGH - vom 8.10.2013 II ZR 281/12, n.v., Rz 2; jeweils
m.w.N.).
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b) Allerdings hat die Löschung einer GmbH
zur Folge, dass ihr bisheriger gesetzlicher Vertreter
(Geschäftsführer bzw. Liquidator) seine
Vertretungsbefugnis (§ 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes
betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG
- bzw. § 70 Satz 1 GmbHG) verliert (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil
in BFHE 191, 494, BStBl II 2000, 500 = SIS 00 10 37, unter III.2.,
Rz 11, m.w.N.). Daher wird das gerichtliche Verfahren
gemäß § 155 FGO i.V.m. § 241 Abs. 1 ZPO bis
zur Bestellung eines - im Streitfall - Nachtragsliquidators i.S.
von § 66 Abs. 5 GmbHG grundsätzlich unterbrochen.
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Eine Unterbrechung des Verfahrens tritt
gemäß § 155 FGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO jedoch
nicht ein, wenn die Gesellschaft durch einen
Prozessbevollmächtigten vertreten ist. Im Streitfall wird die
Klägerin seit Beginn des Klageverfahrens und darüber
hinaus im Revisionsverfahren durch die Prozessbevollmächtigten
vertreten. Die diesen erteilte Prozessvollmacht dauert über
den Zeitpunkt der Löschung der Klägerin und des Verlustes
der gesetzlichen Vertretungsmacht ihres Geschäftsführers
bzw. Liquidators fort (§ 155 FGO i.V.m. § 86 ZPO). Eine
Unterbrechung des Verfahrens ist deshalb gemäß §
246 Abs. 1 ZPO nicht eingetreten (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE
191, 494, BStBl II 2000, 500 = SIS 00 10 37, unter III.2., Rz 11;
ferner vom 29.8.2017 VIII R 32/15, BFHE 260, 1, BStBl II 2018, 223
= SIS 17 25 68).
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2. Die Feststellungen des FG reichen nicht
aus, um zu entscheiden, ob die Klägerin ein Recht zum Abzug
der aus den Rechnungen der D geltend gemachten
Vorsteuerbeträge hat.
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a) Der Unternehmer kann die gesetzlich
geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen,
die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen
ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Die Ausübung des Vorsteuerabzugs
setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass
der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte
Rechnung besitzt. Fehlen die für den Vorsteuerabzug nach
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 14, 14a
UStG erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie unzutreffend,
besteht für den Leistungsempfänger kein Anspruch auf
Vorsteuerabzug (vgl. dazu BFH-Urteile vom 2.9.2010 V R 55/09, BFHE
231, 332, BStBl II 2011, 235 = SIS 10 36 34, Rz 12, m.w.N.; vom
17.12.2008 XI R 62/07, BFHE 223, 535, BStBl II 2009, 432 = SIS 09 07 00, unter II.2., Rz 21; vom 22.7.2015 V R 23/14, BFHE 250, 559,
BStBl II 2015, 914 = SIS 15 19 48, Rz 22).
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b) Die Klägerin besitzt - entgegen der
Auffassung der Vorinstanz - nach §§ 14, 14a UStG
ausgestellte Rechnungen der D. Die Vorentscheidung ist deshalb
aufzuheben.
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aa) Eine nach den §§ 14, 14a UStG
ausgestellte Rechnung erfordert, dass die Rechnung den
Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entspricht, was
gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG die Angabe des
vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift des
leistenden Unternehmers sowie des Leistungsempfängers
notwendig macht.
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bb) Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH
wird das Merkmal „vollständige Anschrift“
in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nur durch die Angabe der
zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers erfüllt,
unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Die
Angabe eines „Briefkastensitzes“ mit nur
postalischer Erreichbarkeit, an dem im Zeitpunkt der
Rechnungsstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten
stattfinden, reichte danach als zutreffende Anschrift nicht aus
(vgl. dazu BFH-Urteile vom 27.6.1996 V R 51/93, BFHE 181, 197,
BStBl II 1996, 620 = SIS 96 24 01, unter II.1., Rz 15; vom
19.4.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315 = SIS 07 28 51, unter II.C.1.a, Rz 50; vom 6.12.2007 V R 61/05, BFHE 221, 55,
BStBl II 2008, 695 = SIS 08 16 95, unter II.3.b, Rz 33; vom
30.4.2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744 = SIS 09 21 18, unter II.1.b bis d, Rz 32 ff.; vom 8.7.2009 XI R 51/07, BFH/NV
2010, 256 = SIS 10 01 88, unter II.1.c, Rz 16; in BFHE 250, 559,
BStBl II 2015, 914 = SIS 15 19 48, Rz 25).
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cc) Hieran hält der Senat nach Ergehen
des EuGH-Urteils Geissel (EU:C:2017:867, UR 2017, 970 = SIS 17 20 47) nicht mehr fest. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 14
Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG sind vielmehr richtlinienkonform
dahingehend auszulegen, dass der Vorsteuerabzug nicht den Besitz
einer Rechnung mit der Anschrift des leistenden Unternehmers
voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten
ausübt. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift
einschließlich einer Briefkastenanschrift aus, sofern der
Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.
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dd) Im Streitfall sind diese Anforderungen an
eine zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug berechtigenden
Rechnung erfüllt. Denn die D hat unter der von ihr angegebenen
Rechnungsanschrift Post erhalten. Das FG hat dazu u.a.
unwidersprochen und für den Senat i.S. von § 118 Abs. 2
FGO bindend festgestellt, dass D unter der von ihr in ihren
Rechnungen angegebenen Anschrift postalisch erreichbar gewesen ist.
Unter dieser Anschrift befand sich u.a. der statuarische Sitz der D
und ein Buchhaltungsbüro, das die Post für D
entgegengenommen und für sie Buchhaltungsarbeiten erledigt
hat.
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42
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ee) Der Senat kann den Streitfall unter
Zugrundelegung des EuGH-Urteils Geissel (EU:C:2017:867, UR 2017,
970 = SIS 17 20 47) abweichend von der Rechtsprechung des V. Senats
des BFH (vgl. dazu vorstehend unter II.2.b bb) entscheiden, der die
zum Merkmal „vollständige Anschrift“ bisher
vertretene Rechtsansicht (noch) nicht aufgegeben hat. Es bedarf
dazu keiner Divergenzanfrage gemäß § 11 Abs. 3 Satz
1 FGO beim V. Senat des BFH.
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43
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(1) Wenn ein Senat des BFH in einer
Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen
will, entscheidet darüber nach § 11 Abs. 2 FGO der
Große Senat des BFH. Eine Vorlage an den Großen Senat
des BFH ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen
Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden
Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung
festhält (§ 11 Abs. 3 Satz 1 FGO).
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44
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(2) Ein solches Verfahren ist im Streitfall
jedoch nicht erforderlich, denn nach ständiger Rechtsprechung
des EuGH bindet ein Urteil des Gerichtshofs im
Vorabentscheidungsverfahren das nationale Gericht bei seiner
Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits (vgl. dazu BFH-Urteil vom
28.5.2013 XI R 11/09, BFHE 242, 84, UR 2013, 756 = SIS 13 20 49, Rz
66, m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH).
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45
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Die Auslegung der MwStSystRL ist nach Art. 267
des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV) abschließend dem EuGH vorbehalten. Der erkennende
Senat ist deshalb nicht befugt, die Frage, welchen Inhalt das durch
die MwStSystRL geregelte Unionsrecht hat, abweichend vom EuGH zu
entscheiden oder diese Entscheidung einem anderen Spruchkörper
zu überlassen. Auch der Große Senat des BFH dürfte
insoweit nicht anders entscheiden. Eine Vorlage an den Großen
Senat des BFH ist deshalb in Fällen dieser Art weder
nötig noch zulässig (vgl. dazu BGH-Urteil vom 14.5.1998
IX ZR 56/95, BGHZ 139, 21, BB 1998, 1441, unter I.5.a; Urteil des
Bundessozialgerichts vom 29.1.1974 8/2 RU 226/72, BSGE 37, 88, NJW
1974, 1063, Leitsatz 1; BFH-Urteil in BFHE 242, 84, UR 2013, 756 =
SIS 13 20 49, Rz 67).
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46
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Eine von der FGO in § 11 Abs. 3 Satz 1
nur in Zusammenhang mit einer Anrufung des Großen Senats des
BFH nach § 11 Abs. 2 FGO vorgesehene Divergenzanfrage scheidet
daher vorliegend aus (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 242, 84, UR
2013, 756 = SIS 13 20 49, Rz 68, m.w.N.).
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c) Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Der
Senat vermag auf Grundlage der Feststellungen des FG nicht zu
entscheiden, ob die Klägerin den geltend gemachten
Vorsteuerabzug aus den streitigen Eingangsleistungen zu Recht
beansprucht.
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aa) Nach den von der Vorentscheidung
getroffenen Feststellungen ist es fraglich, ob die Klägerin
durch den Bezug der betreffenden Kfz von D die materiellen
Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
erfüllt hat.
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Das FG konnte - aus seiner Sicht zu Recht -
für die Frage des Vorsteuerabzugs bisher dahingestellt bleiben
lassen, ob sämtlichen Rechnungen der D tatsächliche
Fahrzeuglieferungen zugrunde gelegen haben. Es hat dazu
ausgeführt (FG-Urteil, S. 21), dass Zweifel hieran
insbesondere im Hinblick auf die Fahrzeugrechnungen mit
Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) bestünden, die nach den
Angaben der jeweiligen Hersteller nicht existierten. Angesichts der
von der Klägerin vorgelegten Fotos und Ablichtungen von
EG-Übereinstimmungsbescheinigungen (COC) vermochte das FG aber
auch nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass insoweit
gleichwohl Lieferungen von Fahrzeugen - ggf. mit gefälschten
FIN - erfolgt seien.
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bb) Danach ist nicht geklärt, ob die
materiellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz
1 UStG überhaupt vorliegen. Denn es ist fraglich, ob und in
welchem Umfang die Klägerin Fahrzeuge von D bezogen hat. Das
FG wird im zweiten Rechtsgang die noch fehlenden Feststellungen
nachzuholen haben.
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51
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d) Auf die von der Klägerin ferner
aufgeworfenen Verfahrensrügen kommt es danach nicht mehr
an.
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3. Bei den im Revisionsverfahren noch
streitbefangenen Lieferungen an B hat es sich - wie das FG zu Recht
entschieden hat - um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt. Die
Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG kommt
für diese Lieferungen nicht in Betracht.
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53
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a) Innergemeinschaftliche Lieferungen (§
6a) sind nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfrei.
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aa) Eine steuerfreie innergemeinschaftliche
Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG
u.a. voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand
der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert
oder versendet hat. Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der
innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 131 und Art. 138
MwStSystRL (vgl. BFH-Urteil in BFHE 250, 559, BStBl II 2015, 914 =
SIS 15 19 48, Rz 39 f.).
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55
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bb) Die Voraussetzungen einer
innergemeinschaftlichen Lieferung i.S. von § 6a Abs. 1 Satz 1
UStG sind vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, weil nicht
feststeht, dass die betreffenden Fahrzeuge im Rahmen einer
Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt sind. Denn
nach den den Senat im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen
des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist der Verbleib der
streitgegenständlichen Fahrzeuge „völlig
unklar“.
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b) Außerdem hat die Klägerin im
Streitfall den erforderlichen Belegnachweis nicht geführt.
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aa) Der Unternehmer hat u.a. die
Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß §
6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV 2005 beleg- und
buchmäßig nachzuweisen (vgl. dazu BFH-Urteile vom
25.4.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656 = SIS 13 17 46, Rz 15; in BFHE 250, 559, BStBl II 2015, 914 = SIS 15 19 48, Rz
38).
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58
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bb) Er soll gemäß § 17a Abs. 2
Nr. 2 UStDV 2005 in den Fällen, in denen er oder - wie hier -
der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige
Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen, u.a.
durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der
Bestimmungsort ergibt, insbesondere durch einen Lieferschein. Die
Nachweispflichten i.S. von § 17a Abs. 2 UStDV 2005 sind mit
dem Unionsrecht vereinbar (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10.8.2016 V R
45/15, BFHE 254, 453, UR 2016, 888 = SIS 16 21 08, Rz 13).
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cc) Im Streitfall fehlt es an einem
Belegnachweis i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV 2005.
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(1) In den die Lieferungen an B betreffenden
als „Ausfuhrbescheinigung –
Übernahmebestätigung für
Umsatzsteuerzwecke“ bezeichneten
Verbringungserklärungen fehlt jeweils die nach § 17a Abs.
2 Nr. 2 UStDV 2005 erforderliche Angabe des Bestimmungsorts. Aus
der dort jeweils getätigten Angabe, das „Fahrzeug
wird am ... von mir in das Zielland Spanien verbracht“,
geht jedenfalls kein Bestimmungsort i.S. von § 17a Abs. 2 Nr.
2 UStDV 2005 hervor.
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(2) Zwar kann sich die gemäß §
17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV 2005 erforderliche
Angabe des Bestimmungsorts unter Berücksichtigung aller
Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des
Abnehmers ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE
239, 516, BStBl II 2013, 407 = SIS 13 10 39, Rz 34, m.w.N.; in BFHE
250, 559, BStBl II 2015, 914 = SIS 15 19 48, Rz 42). Das gilt
jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der
Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers
versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteile in BFHE 239,
516, BStBl II 2013, 407 = SIS 13 10 39, Rz 34, m.w.N.; in BFHE 250,
559, BStBl II 2015, 914 = SIS 15 19 48, Rz 42; in BFHE 254, 453, UR
2016, 888 = SIS 16 21 08, Rz 15). Davon kann im Streitfall jedoch
aus den unter II.3.a bb genannten Gründen nicht ausgegangen
werden. Wie bereits ausgeführt, ist der Verbleib der
betreffenden Fahrzeuge vorliegend - wie es das FG festgestellt hat
- „völlig unklar“.
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c) Die betreffenden Lieferungen sind auch
nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.
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aa) Hat der Unternehmer eine Lieferung als
steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a
Abs. 1 Satz 1 UStG nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl
als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der
Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und
der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung
der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte
(§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG).
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bb) Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt
sich allerdings erst dann, wenn der Unternehmer seinen
Nachweispflichten gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m.
§§ 17a ff. UStDV 2005 ihrer Art nach nachgekommen ist.
Maßgeblich ist hierfür die formelle
Vollständigkeit, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der
Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das
Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (vgl.
BFH-Urteile vom 15.2.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188 = SIS 12 16 14, Rz 32; in BFHE 250, 559, BStBl II 2015, 914 = SIS 15 19 48, Rz
43; in BFHE 254, 453, UR 2016, 888 = SIS 16 21 08, Rz 21; jeweils
m.w.N.).
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cc) Im Streitfall fehlt es aber an einem
belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsorts, weil dieser
nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift der B
gleichgesetzt werden kann (dazu vorstehend unter II.3.b cc).
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dd) Kommt der Unternehmer - wie hier - seinen
Nachweispflichten gemäß § 6a Abs. 3 UStG,
§§ 17a, 17c UStDV 2005 nicht nach, ist grundsätzlich
davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer
innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas
anderes gilt - was vorliegend schon aufgrund des
„völlig unklaren“ Verbleibs der noch
streitgegenständlichen Fahrzeuge nicht der Fall ist -
ausnahmsweise dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die
Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (vgl. z.B.
BFH-Urteile in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407 = SIS 13 10 39, Rz
22; in BFHE 250, 559, BStBl II 2015, 914 = SIS 15 19 48, Rz 44;
jeweils m.w.N.).
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d) Die mit der Revision hiergegen erhobenen
Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.
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aa) Die Klägerin führt mit Bezug auf
das BFH-Urteil vom 7.12.2006 V R 52/03 (BFHE 216, 367, BStBl II
2007, 420 = SIS 07 06 41, unter II.2.c, Rz 40) zwar zutreffend aus,
dass der Belegnachweis nicht zwingend deshalb als nicht
geführt zu beurteilen sei, weil eine der in § 17a Abs. 2
UStDV 2005 genannten Voraussetzungen fehle, und es in Fällen,
in denen - wie hier - der Abnehmer den Gegenstand beim Unternehmer
abholt, in der Regel nicht den in § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV
geforderten handelsüblichen Beleg gebe, aus dem sich der
Bestimmungsort ergibt. In dem Fall des von der Klägerin in
Bezug genommenen BFH-Urteils in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420 =
SIS 07 06 41 ergab sich der Bestimmungsort jedoch aus der auf den
Rechnungen ausgewiesenen Anschrift des betreffenden Abnehmers,
für den deren Geschäftsführer die Fahrzeuge abgeholt
hat. Da dies jedoch im Grundsatz nur gilt, wenn - wie vorstehend
unter II.3.b cc ausgeführt - davon auszugehen ist, dass der
Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers
versendet oder befördert wird, ergibt sich daraus für den
Streitfall, bei dem der Verbleib der streitgegenständlichen
Fahrzeuge „völlig unklar“ ist, nichts
anderes.
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69
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bb) Soweit die Klägerin meint, dass die
nationalen Anforderungen an den Belegnachweis nicht mit Unionsrecht
vereinbar sind, hat der BFH bereits entschieden, dass die
Vorschriften über den Belegnachweis nicht unionsrechtswidrig
sind (vgl. BFH-Urteile vom 8.11.2007 V R 71/05, BFHE 219, 417,
BStBl II 2009, 52 = SIS 08 16 56; vom 6.12.2007 V R 59/03, BFHE
219, 469, BStBl II 2009, 57 = SIS 08 10 23; vom 12.5.2009 V R
65/06, BFHE 225, 164, BStBl II 2010, 511 = SIS 09 25 68,
m.w.N.).
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cc) Der Begriff
„Bestimmungsort“ i.S. von § 17a Abs. 2 Nr.
2 UStDV 2005 ist - anders als die Klägerin meint -
unionsrechtskonform nicht dahingehend auszulegen, dass die Angabe
des Ziellandes ausreicht.
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(1) Die unionsrechtliche Befugnis zur
gesetzlichen Anordnung des Belegnachweises ergibt sich aus Art. 131
MwStSystRL (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 11.8.2011 V R 50/09,
BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151 = SIS 11 30 80, Rz 20, noch zu
Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern;
in BFHE 254, 453, UR 2016, 888 = SIS 16 21 08, Rz 13). Danach wird
die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung
nur „unter den Bedingungen angewandt, die die
Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und
einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von
Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch
festlegen“. Daneben lässt Art. 273 MwStSystRL es zu,
dass die Mitgliedstaaten zur genauen Erhebung der Steuer oder zur
Vermeidung von Steuerhinterziehung weitere Pflichten vorsehen.
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(2) Zu den Beweisanforderungen, die
gegenüber einem Lieferanten für den Nachweis der
Erfüllung der Voraussetzungen der Mehrwertsteuerbefreiung bei
einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen
gestellt werden dürfen, ist der Rechtsprechung des EuGH zu
entnehmen, dass in Ermangelung einer konkreten Bestimmung in der
MwStSystRL, welche Beweise Steuerpflichtige erbringen müssen,
um in den Genuss der Mehrwertsteuerbefreiung zu gelangen, die
Mitgliedstaaten dafür zuständig sind, gemäß
Art. 131 MwStSystRL die Bedingungen festzulegen, unter denen sie
innergemeinschaftliche Lieferungen befreien, um eine korrekte und
einfache Anwendung der Befreiungen zu gewährleisten und um
Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und jeglichen Missbrauch zu
verhindern. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch bei der
Ausübung ihrer Befugnisse die allgemeinen
Rechtsgrundsätze beachten, die Bestandteil der Rechtsordnung
der Union sind (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile Mecsek-Gabona vom
6.9.2012 C-273/11, EU:C:2012:547, UR 2012, 796 = SIS 12 25 09, Rz
36, m.w.N.; Traum vom 9.10.2014 C-492/13, EU:C:2014:2267, UR 2014,
943 = SIS 14 27 89, Rz 27; Euro Tyre vom 9.2.2017 C-21/16,
EU:C:2017:106, UR 2017, 271 = SIS 17 02 24, Rz 33).
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73
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Soweit danach der Grundsatz der steuerlichen
Neutralität erfordert, dass die Mehrwertsteuerbefreiung
gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen
erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten
formellen Anforderungen nicht genügt hat (vgl. dazu
EuGH-Urteil Euro Tyre, EU:C:2017:106, UR 2017, 271 = SIS 17 02 24,
Rz 36, m.w.N.), kommt dies im Streitfall, in dem der Verbleib der
betreffenden Fahrzeuge „völlig unklar“ ist,
nicht in Betracht.
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Im Übrigen hat der EuGH bereits
entschieden, dass in einem Fall, in dem - wie hier - die
Steuerverwaltung keine Gewissheit darüber hat, ob die
Gegenstände tatsächlich den Liefermitgliedstaat verlassen
haben, Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL es nicht verwehrt, dem Lieferer
den Anspruch auf Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen
Lieferung u.a. dann zu versagen, wenn aufgrund der objektiven
Sachlage feststeht, dass er seinen Nachweispflichten nicht
nachgekommen ist (vgl. dazu EuGH-Urteil Mecsek-Gabona,
EU:C:2012:547, UR 2012, 796 = SIS 12 25 09, Rz 55).
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(3) Da sich der Mitgliedstaat der
Erwerbsbesteuerung nach dem Bestimmungsort der Lieferung richtet,
ist diese Angabe zur Wahrung der Korrespondenz von
innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem
Erwerb nicht verzichtbar (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 254, 453, UR
2016, 888 = SIS 16 21 08, Rz 14). Anders als die Klägerin
meint, reicht die bloße Nennung eines Bestimmungslands in den
Verbringungserklärungen zur Angabe des Bestimmungsorts daher
nicht aus (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 254, 453, UR 2016, 888 =
SIS 16 21 08, Rz 15).
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(4) Die Angabe des Bestimmungsorts im
übrigen Gemeinschaftsgebiet dient entgegen dem
Revisionsvorbringen auch den in Art. 131 MwStSystRL benannten
Zwecken, insbesondere Steuerhinterziehung zu vermeiden. Sie ist
u.a. für die Verifikation der vom Lieferer nach § 17c
Abs. 1 UStDV 2005 buchmäßig nachzuweisenden
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers erforderlich. Die
Kenntnis über den Bestimmungsort ist darüber hinaus
unverzichtbar, um die Finanzverwaltung in die Lage zu versetzen,
die behauptete steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im
Rahmen eines Auskunftsersuchens nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung
(EG) Nr. 1798/2003 des Rates vom 7.10.2003 über die
Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der
Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 264, S. 1)
überprüfen lassen zu können.
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dd) Soweit die Klägerin vorbringt, das FG
unterstelle rechtsfehlerhaft, dass die fraglichen Fahrzeuge nicht
für den jeweils in der Adresse der Ausgangsrechnungen
genannten Ort bestimmt gewesen seien, trifft dies - wie sich
vorstehend unter II.3.b cc ergibt - nicht zu.
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4. Die von der Klägerin ferner hilfsweise
beantragte Aussetzung des Revisionsverfahrens und Vorlage der von
ihr näher bezeichneten Frage an den EuGH zur Vorabentscheidung
kommt nicht in Betracht, weil die unionsrechtliche Rechtslage
hinreichend geklärt ist (dazu vorstehend unter II.3.d bb (2)).
Für einen vernünftigen Zweifel verbleibt daher keinerlei
Raum.
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Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267
Abs. 3 AEUV besteht danach nicht (vgl. dazu z.B. Beschlüsse
des Bundesverfassungsgerichts vom 30.8.2010 1 BvR 1631/08, NJW
2011, 288 = SIS 10 33 01, unter B.II.1.; vom 6.9.2016 1 BvR
1305/13, NVwZ 2017, 53, Rz 7; vom 6.10.2017 2 BvR 987/16, NJW 2018,
606, Rz 4 ff.; ferner BFH-Urteile vom 13.7.2016 VIII K 1/16, BFHE
254, 481, BStBl II 2017, 198 = SIS 16 22 88, Rz 26 ff.; vom
31.5.2017 XI R 40/14, BFHE 258, 495, UR 2017, 718 = SIS 17 14 67,
Rz 59; jeweils m.w.N.). Allein der Umstand, dass der EuGH einen
Fall wie den vorliegenden noch nicht entschieden hat, rechtfertigt
jedenfalls keine EuGH-Vorlage (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 258,
495, UR 2017, 718 = SIS 17 14 67, Rz 59, m.w.N.).
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80
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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