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Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der Eingliederungshilfe und im Rahmen des "Individuellen Services für behinderte Menschen" durch eine Pflegekraft

Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der Eingliederungshilfe und im Rahmen des "Individuellen Services für behinderte Menschen" durch eine Pflegekraft: Leistungen der Eingliederungshilfe und im Rahmen eines "Individuellen Services für behinderte Menschen", die eine Pflegekraft auf der Grundlage von § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gegenüber einem auf dem Gebiet der Pflege von Menschen tätigen Verein erbringt, sind umsatzsteuerfrei, wenn die Kosten der Leistungen aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Regelung von einem Träger der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit getragen werden. (Hinweis aus BStBl 2023 II S. 781 auf BMF-Schreiben vom 12. Juli 2023 - III C 3 - S 7172/21/10003 :001 = SIS 23 11 14) - Urt.; BFH 7.12.2016, XI R 5/15; SIS 17 04 47

Kapitel:
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Umsatzsteuer-Freiheit
Fundstellen
  1. BFH 07.12.2016, XI R 5/15 (ECLI:DE:BFH:2016:U.071216.XIR5.15.0)
    BStBl 2023 II S. 781
    BFHE 256 S. 550
    BFH/NV 2017 S. 863
    HFR 2017 S. 529

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 12.7.2023
    M. Brill in DStZ 12/2017 S. 427
    U. Herbert in MwStR 11/2017 S. 465
    A. Treiber in BFH/PR 7/2017 S. 234
    A. Treiber in DStRE 11/2017 S. 683
Normen
[RL 77/388/EWG] Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g
[RL 2006/112/EG] Art. 132 Abs. 1 Buchst. g
[UStG] § 2 Abs. 1, § 4 Nr. 14, § 4 Nr. 16
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 09.12.2014, SIS 15 04 41, Steuerfreiheit, Sozialfürsorge, Eingliederungshilfe, Einrichtung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Münster 11.12.2023, SIS 24 03 80, Frage der Steuerbefreiung von Umsätzen aus dem Bereich des "Betreuten Wohnens": Der erkennende Senat sieh...
  • BMF 12.7.2023, SIS 23 11 14, Umsatzsteuerbefreiung der eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen: ...
  • Niedersächsisches FG 5.9.2022, SIS 23 03 91, Leistungen aus einer Tätigkeit als Schuldnerberater nicht gemäß § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei: 1. Bei der Be...
  • BFH 24.8.2022, SIS 22 21 69, Steuerfreie Beförderung von kranken und verletzten Personen: Die Beförderung kranker oder verletzter Pers...
  • FG Münster 25.1.2022, SIS 22 04 56, Frage der Steuerbefreiung der Leistungen des sog. betreuten Wohnens einer Seniorenresidenz: 1. Die Bewohn...
  • BFH 25.11.2021, SIS 22 04 29, Steuerfreie Leistungen der Verfahrenspfleger: Die nach § 276, § 317 FamFG gerichtlich bestellten Verfahre...
  • Hessisches FG 20.10.2021, SIS 22 02 91, Keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG bei Vergütung von Pflege- und Betreuungsleist...
  • BFH 19.8.2021, SIS 21 20 08, Zu "eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen" i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst...
  • BFH 1.6.2021, SIS 21 14 36, Besteuerung von Betreuungs- und Pflegeleistungen, Anerkennung des Leistenden als soziale Einrichtung: 1. ...
  • FG Münster 1.6.2021, SIS 21 18 41, Frage der Steuerbefreiung von Dienstleistungen einer Hygienefachkraft an Alten- bzw. Pflegeheim: 1. Für d...
  • BFH 21.4.2021, SIS 21 13 41, Zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 a UStG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL: Verwaltungsleistunge...
  • BFH 24.3.2021, SIS 21 13 76, Steuerfreiheit des Betriebs von Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften: Der Betrieb von Flüchtlingsunte...
  • BFH 24.2.2021, SIS 21 09 33, Zur Steuerbefreiung eng mit der Sozialfürsorge verbundener Dienstleistungen im Bereich des Rettungsdienst...
  • BFH 24.2.2021, SIS 21 10 30, Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Gutachtertätigkeiten im Auftrag des MDK (Nachfolgeentscheidung...
  • BFH 9.12.2020, SIS 21 04 91, Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG: Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 UStG setzt Leistungen an hilfsbe...
  • Niedersächsisches FG 11.6.2020, SIS 21 19 17, Umsatzsteuer 2018, keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG ohne unmittelbare Leistung...
  • FG Münster 10.10.2019, SIS 19 17 68, Steuerbefreiung von Beförderungsumsätzen, Ermittlung der Umsätze im Schätzungswege: 1. Die Voraussetzunge...
  • FG Mecklenburg-Vorpommern 28.8.2019, SIS 19 18 00, Abrechnung von Krankentransport und Notfallrettung gegenüber den Sozialleistungsträgern für fremde Leistu...
  • BFH 17.7.2019, SIS 19 15 06, Steuerfreie Leistungen eines Verfahrensbeistands: Ein nach § 158 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Fami...
  • FG Münster 15.7.2019, SIS 20 14 38, Frage der Steuerbefreiung einer Personalgestellung durch gemeinnützig tätige Körperschaft: 1. Die Leistun...
  • BFH 10.4.2019, SIS 19 12 39, EuGH-Vorlage zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Gutachtertätigkeiten im Auftrag des MDK: 1. Liegt...
  • Sächsisches FG 4.4.2019, SIS 21 14 95, Keine Steuerfreiheit von Leistungen eines Rechtsanwalts als Verfahrensbeistand bzw. Verfahrenspfleger: 1....
  • Schleswig-Holsteinisches FG 29.1.2019, SIS 19 01 34, Umsatzsteuerfreiheit bei Leistungen, welche im Rahmen des Betriebs einer Seniorenwohnanlage auf Basis ver...
  • FG Düsseldorf 9.11.2018, SIS 19 07 55, Umsatzsteuerbefreiung für den Betrieb von Flüchtlingsheimen: 1. Die von einem gewerblichen Betreiber an K...
  • BFH 13.6.2018, SIS 18 13 92, Zur Umsatzsteuerbefreiung von Subunternehmerleistungen im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe: Lei...
  • BFH 28.6.2017, SIS 17 15 39, Zur Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze der ambulanten Pflege (40 %-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a....
  • FG Köln 17.5.2017, SIS 17 17 41, Frage der Steuerbefreiung von Umsätzen aus der Tätigkeit als Verfahrensbeistand gem. § 158 FamFG: 1. Die ...

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 9.12.2014 15 K 4571/10 U wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Die Beteiligten streiten darum, ob Leistungen des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) in den Streitjahren (2004 bis 2006) nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) umsatzsteuerfrei sind.

 

 

2

Der Kläger war in den Streitjahren Mitglied im Verein „...“ e.V. (X-e.V.), der nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes wegen Gemeinnützigkeit von der Körperschaftsteuer befreit war. Der X-e.V. war in den Streitjahren Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Gemäß § 2.1 der Satzung bezweckte der X-e.V. die Altenhilfe und die Hilfe für behinderte Menschen mit Hilfebedarf im Gemeinwesen in der häuslichen Umgebung und in gemeinschaftlichen Wohnformen.

 

 

3

Der X-e.V. schloss am 1.9.2005 mit dem Landschaftsverband Z (Landschaftsverband) gemäß den §§ 75 ff. des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) eine Vereinbarung für die Wohnbetreuung schwerstbehinderter Menschen. Die Vereinbarung diente gemäß ihrer Präambel der Konkretisierung eines ambulanten Rahmenvertrags gemäß § 79 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII). Der X-e.V. wurde ferner aufgrund einer Vereinbarung vom 7.10.2009 mit der Stadt C gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII tätig. Die Vereinbarung legte fest, welche „andere Verrichtungen“ i.S. des § 61 SGB XII der X-e.V. mit dem Ziel ausführte, dem betreuten Personenkreis einen Verbleib in der häuslichen Umgebung zu sichern und einen Heimaufenthalt zu vermeiden.

 

 

4

Die Mitglieder des Vereins boten Hilfe, u.a. die Dienstleistung eines ISB (individueller Service für Menschen mit Behinderungen) gemäß den Rahmenvereinbarungen des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch, des SGB XI und des SGB XII mit dem Hinweis an, dass die Leistungen mit den unterschiedlichen Kostenträgern abrechnungsfähig seien.

 

 

5

Der Kläger, der keine Ausbildung zur Pflegefachkraft nach § 71 Abs. 3 SGB XI besitzt, rechnete gegenüber dem X-e.V. u.a. von ihm erbrachte Leistungen der Eingliederungshilfen (EGH) und seine Teilnahmen (Begleitungen) an ISB-Fahrten ab. Tätig wurde der Kläger dabei aufgrund vertraglicher Beziehungen zwischen den Betreuten und dem X-e.V. Vertragliche Beziehungen zwischen dem Kläger und den betreuten Personen bestanden nicht. Der X-e.V. stellte die vom Kläger ausgeführten Leistungen den Sozialversicherungsträgern vertragsgemäß in Rechnung.

 

 

6

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) vertrat im Anschluss an eine beim Kläger durchgeführten Außenprüfung die Auffassung, die Leistungen des Klägers an den X-e.V. seien weder nach § 4 Nr. 16 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes (UStG) a.F. noch nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei. Eine Steuerbefreiung könne auch nicht aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG noch aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) abgeleitet werden. Gemäß dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8.11.2007 V R 2/06 (BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634 = SIS 08 10 21) seien die Vereinsmitglieder keine anerkannte soziale Einrichtung i.S. der Richtlinie 77/388/EWG, weil sie nicht Vertragspartner der Sozialhilfeträger seien.

 

 

7

Das FA erließ gegenüber dem Kläger am 19.4.2010 entsprechende Umsatzsteuer-Jahresbescheide für die Streitjahre. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 10.11.2010).

 

 

8

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der Kläger geltend gemacht hatte, er sei kein Unternehmer, jedenfalls seien alle seine Leistungen umsatzsteuerfrei, nur hinsichtlich der EGH- und ISB-Leistungen statt und wies sie im Übrigen ab. Sein Urteil ist in EFG 2015, 508 = SIS 15 04 41 veröffentlicht.

 

 

9

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG rügt.

 

 

10

Es macht geltend, der Kläger sei keine „Einrichtung mit sozialem Charakter“. Die Auffassung des FG stehe in Widerspruch zum BFH-Urteil vom 8.8.2013 V R 8/12 (BFHE 242, 548, BFH/NV 2014, 119 = SIS 13 30 68). Eine Tätigkeit als Subunternehmer und eine mittelbare Kostentragung reichten danach für eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter nicht aus. Der Hinweis des FG auf die BFH-Urteile vom 22.4.2004 V R 1/98 (BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849 = SIS 04 27 51) und vom 8.6.2011 XI R 22/09 (BFHE 234, 448, BFH/NV 2011, 1804 = SIS 11 27 64) greife nicht durch.

 

 

11

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

12

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

13

Er verteidigt die angefochtene Vorentscheidung. Die Kosten für die Leistungen des Klägers seien gemäß § 77 SGB XI übernehmbar.

 

 

14

II. Die Revision des FA ist unbegründet; sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

15

1. Zwischen den Beteiligten besteht aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG, die von keinem Beteiligten mit Verfahrensrügen angegriffen worden sind, zu Recht kein Streit darüber, dass der Kläger als Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG an den X-e.V. steuerbare Leistungen im Rahmen seines Unternehmens erbracht hat. Insbesondere hat der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ein Unternehmerrisiko getragen und war nicht unselbständig i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG (vgl. dazu allgemein BFH-Urteile vom 14.4.2010 XI R 14/09, BFHE 230, 245, BStBl II 2011, 433 = SIS 10 26 99, Rz 20 ff.; vom 11.11.2015 V R 3/15, BFH/NV 2016, 795 = SIS 16 07 45, Rz 20 f.; vom 22.6.2016 V R 46/15, BFHE 254, 272, BFH/NV 2016, 1530 = SIS 16 17 69, Rz 19 f.).

 

 

16

2. Ebenfalls zu Recht stellen beide Beteiligte die Auffassung des FG nicht in Frage, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach nationalem Recht in den Streitjahren nicht gegeben waren.

 

 

17

a) § 4 Nr. 18 UStG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger kein Mitglied eines anerkannten Verbandes der freien Wohlfahrtspflege i.S. des § 23 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung ist (vgl. BFH-Urteil vom 1.12.2010 XI R 46/08, BFHE 232, 232, BFH/NV 2011, 712 = SIS 11 05 50, Rz 17; s. auch BFH-Urteil vom 18.8.2015 V R 13/14, BFHE 251, 282, BFH/NV 2015, 1784 = SIS 15 23 06, Rz 9).

 

 

18

b) Auch greift die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. (vgl. dazu BFH-Urteile vom 24.1.2008 V R 54/06, BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643 = SIS 08 14 83; vom 30.7.2008 XI R 61/07, BFHE 222, 134, BStBl II 2009, 68 = SIS 08 39 08, unter II.1.b, Rz 12 ff.) nicht ein; denn der Kläger betrieb nach den tatsächlichen Feststellungen des FG keine Einrichtung zur ambulanten Pflege kranker bzw. pflegebedürftiger Personen.

 

 

19

c) Leistungen i.S. des § 4 Nr. 14 bzw. § 4 Nr. 16 Buchst. b oder d UStG a.F. hat der Kläger der Sache nach nicht ausgeführt.

 

 

20

3. Zutreffend hat das FG entschieden, dass sich der Kläger aber für seine ISB- und EGH-Leistungen erfolgreich auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG berufen kann.

 

 

21

a) Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) befreien die Mitgliedstaaten eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden. Es muss sich nach dem Wortlaut der Richtlinie um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen handeln (s. dazu b) und der Leistende muss eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt sein (s. dazu c).

 

 

22

b) Zu Recht hat das FG (nur) die ISB- und EGH-Leistungen des Klägers als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen angesehen.

 

 

23

aa) Zu den eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen gehören insbesondere Leistungen der ambulanten Pflege (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - Zimmermann vom 15.11.2012 C-174/11, EU:C:2012:716, UR 2013, 35 = SIS 13 02 30, Rz 24), namentlich die hauswirtschaftliche Versorgung (vgl. EuGH-Urteil Kügler vom 10.9.2002 C-141/00, EU:C:2002:473, UR 2002, 513 = SIS 02 97 10, Rz 44; BFH-Urteil vom 18.1.2005 V R 99/01, BFH/NV 2005, 1392 = SIS 05 32 93, unter II.2.g, Rz 25), das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und das Waschen der Kleidung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849 = SIS 04 27 51, unter II.2.a, Rz 36), die Gestellung einer Haushaltshilfe (vgl. BFH-Urteil in BFHE 222, 134, BStBl II 2009, 68 = SIS 08 39 08, unter II.1.b, Rz 13), Leistungen der Kinderbetreuung (vgl. EuGH-Urteil Kinderopvang Enschede vom 9.2.2006 C-415/04, EU:C:2006:95, BFH/NV 2006, Beilage 3, 256 = SIS 06 14 58, Rz 27), Legasthenie-Behandlungen im Rahmen der Eingliederungshilfe (vgl. BFH-Urteile vom 18.8.2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143 = SIS 06 01 79, unter II.2.d cc (1), Rz 48; vom 1.2.2007 V R 34/05, BFH/NV 2007, 1201 = SIS 07 16 40, unter II.2.g, Rz 28) oder Betreuungsleistungen (vgl. BFH-Urteile vom 17.2.2009 XI R 67/06, BFHE 224, 183, BStBl II 2013, 967 = SIS 09 10 06; vom 25.4.2013 V R 7/11, BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976 = SIS 13 20 29, Rz 17; vom 16.10.2013 XI R 19/11, BFH/NV 2014, 190 = SIS 14 00 45).

 

 

24

Die Gestellung von Personal hingegen ist keine mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit eng verbundene Dienstleistung (vgl. BFH-Beschluss vom 22.7.2015 V R 20/12, UR 2015, 877, Rz 3; BFH-Urteil vom 14.1.2016 V R 56/14, BFH/NV 2016, 792 = SIS 16 07 43, Rz 18; jeweils m.w.N.). Es spielt insoweit weder eine Rolle, dass die betreffenden Arbeitnehmer Pflegekräfte sind, noch, dass diese anerkannten Pflegeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden (vgl. EuGH-Urteil „go fair“ Zeitarbeit vom 12.3.2015 C-594/13, EU:C:2015:164, UR 2015, 351 = SIS 15 06 04, Rz 28). Ebenfalls steuerpflichtig sind allgemeine Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.2009 V R 93/07, BFHE 226, 435, BStBl II 2015, 735 = SIS 09 33 09, Rz 34).

 

 

25

bb) Nach § 1 Abs. 1 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil des Sozialgesetzbuchs) soll das Recht zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfe gestalten. Leistungen, die auf der Grundlage des SGB erbracht werden, werden deshalb oftmals eng mit der sozialen Fürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sein (vgl. allgemein BFH-Urteil in BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143 = SIS 06 01 79, unter II.2.d cc (1), Rz 48), wobei sich jedoch Überschneidungen mit anderen Steuerbefreiungen ergeben können (vgl. z.B. EuGH-Urteil Kügler, EU:C:2002:473, UR 2002, 513 = SIS 02 97 10, Rz 44, zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG; BFH-Urteile vom 6.4.2016 V R 55/14, BFHE 253, 466, BFH/NV 2016, 1126 = SIS 16 10 17, Rz 25, zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG; vom 5.6.2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, BFH/NV 2014, 1687 = SIS 14 21 81, Rz 25, zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/EWG).

 

 

26

cc) Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall, wie das FG (Urteil, S. 28, Rz 35) zutreffend angenommen hat, die vom Kläger erbrachten „ISB“- und „EGH“-Leistungen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG; denn sie umfassen den Bereich individueller Service für Menschen mit Behinderungen“ und „Eingliederungshilfe“, bezüglich derer das FG weiter festgestellt hat, dass sie auf Grundlage des § 36 SGB XI und der §§ 39, 45 SGB XI, § 53 SGB XII erbracht wurden.

 

 

27

c) Die Annahme des FG, der Kläger sei eine vom Mitgliedstaat Deutschland anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter, ist ebenso frei von Rechtsfehlern.

 

 

28

aa) Der Begriff „Einrichtung“ ist grundsätzlich weit genug, um auch natürliche Personen (vgl. EuGH-Urteil Gregg vom 7.9.1999 C-216/97, EU:C:1999:390, UR 1999, 419 = SIS 00 01 53, Rz 21) und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht (vgl. dazu EuGH-Urteile Kingscrest Associates und Montecello vom 26.5.2005 C-498/03, EU:C:2005:322, UR 2005, 453 = SIS 05 30 13, Rz 35 und 40; MDDP vom 28.11.2013 C-319/12, EU:C:2013:778, HFR 2014, 177 = SIS 13 32 46, Rz 28 und 31) zu erfassen.

 

 

29

bb) Nach den EuGH-Urteilen Kügler (EU:C:2002:473, UR 2002, 513 = SIS 02 97 10, Rz 54 und 58) und Zimmermann (EU:C:2012:716, UR 2013, 35 = SIS 13 02 30, Rz 26) legt der—berufbare—Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Dabei haben die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu diesen gehören

 

 

 

- das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann,

 

- das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse,

 

- die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und

 

- die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit.

 

 

30

cc) Allerdings sollen durch Art. 13 Teil A der Richtlinie 77/388/EWG, wie sich aus dessen Überschrift ergibt, „bestimmte“ dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit werden. Durch diese Vorschrift werden nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die in ihr einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind (vgl. EuGH-Urteile Kommission/Deutschland vom 20.6.2002 C-287/00, EU:C:2002:388, HFR 2002, 852 = SIS 02 93 22, Rz 45; Horizon College vom 14.6.2007 C-434/05, EU:C:2007:343, BFH/NV 2007, Beilage 4, 389 = SIS 07 34 67, Rz 14; Canterbury Hockey Club und Canterbury Ladies Hockey Club vom 16.10.2008 C-253/07, EU:C:2008:571, HFR 2009, 87 = SIS 08 43 13, Rz 18; Mìsto Žamberk vom 21.2.2013 C-18/12, EU:C:2013:95, UR 2013, 338 = SIS 13 11 63, Rz 18; VDP Dental Laboratory u.a. vom 26.2.2015 C-144/13, C-154/13 und C-160/13, EU:C:2015:116, UR 2015, 474 = SIS 15 08 39, Rz 45). Folglich kann nicht jede Person, die eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausübt, als eine vom Mitgliedstaat anerkannte Einrichtung angesehen werden; sonst würden die in Art. 13 Teil A der Richtlinie 77/388/EWG enthaltenen personellen Voraussetzungen der einzelnen Steuerbefreiungen durch die Rechtsprechung beseitigt.

 

 

31

dd) Im letztgenannten Fall (4. Spiegelstrich) der unter bb) aufgezählten Kriterien (Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit) kommt es nicht darauf an, ob die Kosten im konkreten Fall tatsächlich übernommen worden sind, sondern es reicht aus, dass sie übernehmbar sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849 = SIS 04 27 51, unter II.3.c, Rz 66 f.; in BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143 = SIS 06 01 79, unter II.2.d cc (2), Rz 52; in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643 = SIS 08 14 83, unter II.2.a bb, Rz 42; in BFHE 242, 548, BFH/NV 2014, 119 = SIS 13 30 68, Rz 40; in BFHE 232, 232, BFH/NV 2011, 712 = SIS 11 05 50, Rz 34; in BFHE 234, 448, BFH/NV 2011, 1804 = SIS 11 27 64, Rz 38; vom 29.7.2015 XI R 35/13, BFHE 251, 91, BStBl II 2016, 797 = SIS 15 22 54, Rz 23; vom 18.2.2016 V R 46/14, BFHE 253, 421, BFH/NV 2016, 1120 = SIS 16 09 18, Rz 30).

 

 

32

Eine Kostenübernahme, die nicht aufgrund einer der vom EuGH als für eine Anerkennung tauglich aufgeführten Regelung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 253, 421, BFH/NV 2016, 1120 = SIS 16 09 18, Rz 43) oder lediglich nachträglich nach Einzelfallprüfung (vgl. BFH-Beschluss vom 26.1.2012 V R 52/10, BFH/NV 2012, 817 = SIS 12 10 87, Rz 4) erfolgt, reicht aber nicht aus.

 

 

33

ee) Die unter bb) genannten Kriterien müssen nicht kumulativ vorliegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976 = SIS 13 20 29, Rz 28; in BFHE 253, 466, BFH/NV 2016, 1126 = SIS 16 10 17, Rz 37). Die erforderliche Anerkennung kann deshalb nach der ständigen Rechtsprechung beider Umsatzsteuersenate des BFH allein aus der Übernahme von übernehmbaren Kosten durch eine Krankenkasse oder andere Einrichtung der sozialen Sicherheit abgeleitet werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849 = SIS 04 27 51, unter II.3.c, Rz 66; in BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143 = SIS 06 01 79, unter II.2.d cc (3), Rz 53; vom 21.3.2007 V R 28/04, BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999 = SIS 07 23 55, Rz 34; in BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634 = SIS 08 10 21, unter II.2.b cc, Rz 41; in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643 = SIS 08 14 83, Rz 43; vom 26.11.2014 XI R 25/13, BFH/NV 2015, 531 = SIS 15 05 64, Rz 39; in BFHE 251, 91, BStBl II 2016, 797 = SIS 15 22 54, Rz 23).

 

 

34

ff) Im Streitfall folgt, wie das FG zu Recht angenommen hat, die erforderliche Anerkennung des Klägers als Einrichtung mit sozialem Charakter aus § 77 SGB XI (vgl. BFH-Urteil in BFHE 251, 282, BFH/NV 2015, 1784 = SIS 15 23 06, Rz 17 und 20). Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in seiner in den Streitjahren 2004 bis 2006 geltenden Fassung konnten die Pflegekassen zur „Sicherstellung der häuslichen Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung ... einen Vertrag mit einzelnen geeigneten Pflegekräften schließen, soweit und solange eine Versorgung nicht durch einen zugelassenen Pflegedienst gewährleistet werden kann“.

 

 

35

Unerheblich ist entgegen der Auffassung des FA, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des FG keine vertraglichen Vereinbarungen des Klägers mit dem Landschaftsverband bzw. der Stadt C bestanden. Insoweit reicht es aus, dass der X-e.V. nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sämtliche Kosten der ISB- und EGH-Leistungen des Klägers dem Landschaftsverband bzw. der Stadt C in Rechnung gestellt hat und jene in allen (und damit in mehr als 40 % der) Fälle(n) sämtliche Kosten mittelbar getragen haben (s. zur Gewährung der Steuerbefreiung an Subunternehmer in Fällen der mittelbaren Kostentragung auch BFH-Urteile in BFHE 253, 466, BFH/NV 2016, 1126 = SIS 16 10 17, Rz 36; in BFHE 254, 272, BFH/NV 2016, 1530 = SIS 16 17 69, Rz 36 und 50 f.; BFH-Beschluss vom 12.12.2013 XI B 88/13, BFH/NV 2014, 550 = SIS 14 07 34). Soweit die Finanzverwaltung nunmehr in Abschn. 4.16.3 Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses eine abweichende Auffassung vertritt, ist diese jedenfalls insoweit nicht zutreffend.

 

 

36

gg) Auf die Verhältnisse im Jahr 2003 kommt es für die Streitjahre nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 19.3.2013 XI R 47/07, BFHE 240, 439, BFH/NV 2013, 1204 = SIS 13 14 54, Rz 37 f.).

 

 

37

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.