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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Diplom-Betriebswirt und als selbständiger
Dozent und Arbeitstherapeut tätig. Er war u.a. in den
Streitjahren (2003 bis 2007) als freiberuflicher Mitarbeiter im
Bereich der Arbeitstherapie des zu den A-Kliniken gehörenden
Arbeitstrainings- und Therapiezentrums B in C (Therapiezentrum)
tätig. Das Therapiezentrum war eine Einrichtung zur
medizinisch-beruflichen Rehabilitation psychisch erkrankter
Erwachsener und Jugendlicher. Die Leistungen des Klägers
dienten der Unterrichtung und Ausbildung psychisch kranker
Menschen, um ihnen eine soziale und berufliche Integration zu
ermöglichen oder zu erleichtern. Seine Leistungen rechnete er
gegenüber den A-Kliniken ab und bekam sie von diesen
vergütet. Der Kläger behandelte die hieraus
resultierenden Umsätze als umsatzsteuerfrei.
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Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 2003 bis 2005
unterwarf der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA
- ) die Umsätze des Klägers dem Regelsteuersatz. Die
Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre wurden mehrfach
geändert, weil das FA einen Teil der vom Kläger
vorgelegten Nachweise für die Umsatzsteuerbefreiung der
Umsätze als hinreichend betrachtete. Im Revisionsverfahren ist
nunmehr nur noch die Umsatzsteuerfreiheit der vom Kläger an
die A-Kliniken erbrachten Leistungen im Streit.
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Die Klage hatte Erfolg. Zur Begründung
seines Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen
aus, die vom Kläger gegenüber den A-Kliniken erbrachten
Leistungen seien gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b des
Umsatzsteuergesetzes der in den Streitjahren 2003 bis 2007
geltenden Fassungen (UStG) umsatzsteuerfrei. Die von den A-Kliniken
im Therapiezentrum durchgeführten
Rehabilitationsmaßnahmen seien Heilbehandlungen i.S. von
§ 4 Nr. 16 Buchst. b UStG. Der Kläger habe Leistungen
erbracht, die eng mit diesen ärztlichen Heilbehandlungen
verbunden seien, weil sie die therapeutische Zweckbestimmung der
Hauptleistung der A-Kliniken teilten. Diese hätten der
Unterrichtung und Ausbildung psychisch kranker oder behinderter
Menschen gedient, um diesen eine soziale und berufliche Integration
zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die Tätigkeit des
Klägers als Leiter des Bereichs Arbeitstherapie im
Therapiezentrum sei in das Therapiekonzept der A-Kliniken
eingebunden gewesen und habe ihre Grundlage in dem therapeutischen
Gesamtkonzept gehabt. Dabei hätten die
Rehabilitationsmaßnahmen unter ärztlicher Leitung und
Verantwortung gestanden.
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4
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Die Leistungen des Klägers seien nicht
von der Leistung der A-Kliniken zu trennen gewesen. Bei den
Leistungen des Klägers habe es sich daher um Nebenleistungen
gehandelt, die keinen eigenen Zweck erfüllten, sondern Mittel
zur Erreichung des von den A-Kliniken verfolgten Hauptzwecks
gewesen seien. Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b
UStG setze nicht voraus, dass die Nebenleistungen vom Leistenden
der Hauptleistung erbracht würden. Dass es sich nicht um eine
ärztliche Leistung im eigentlichen Sinn gehandelt habe, sei
ohne Bedeutung.
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5
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Hiergegen wendet sich das FA mit der
Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts, und zwar des
§ 4 Nr. 16 Buchst. b UStG und des Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche
steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) geltend macht. § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG
begünstige nur die von Krankenhäusern und ähnlichen
Einrichtungen selbst ausgeführten Leistungen, nicht aber die
vom Kläger als Subunternehmer für die A-Kliniken
erbrachten Leistungen.
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Als eng mit Krankenhausbehandlungen und
ärztlichen Heilbehandlungen nach § 4 Nr. 16 Buchst. b
UStG verbundene Umsätze seien Leistungen anzusehen, die
für diese Einrichtungen nach der Verkehrsauffassung typisch
und unerlässlich seien, regelmäßig und allgemein
beim laufenden Betrieb vorkämen und damit unmittelbar oder
mittelbar zusammenhingen. Voraussetzung für die Steuerfreiheit
dieser eng verbundenen Umsätze sei jedenfalls, dass diese von
einer in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG angeführten
begünstigten Einrichtung erbracht würden. Denn diese
Vorschrift begünstige nur die von Krankenhäusern und
ähnlichen Einrichtungen selbst ausgeführten Leistungen
sowie die für diese Einrichtungen erbrachten Leistungen von
Dritten, wenn diese Dritten selbst Einrichtungen in diesem Sinne
seien. Da der Kläger selbst kein Krankenhaus oder eine
vergleichbare Einrichtung in diesem Sinne betreibe, könne
§ 4 Nr. 16 Buchst. b UStG auf seine Umsätze keine
Anwendung finden.
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7
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Auch eine Befreiung nach § 4 Nr. 14
UStG komme nicht in Betracht. Das setze die Erfüllung der
Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG in der Person des
Klägers voraus. Diese Steuerbefreiung erfordere daher, dass
der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin
durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringe und
dass er die dafür erforderlichen Befähigungsnachweise
besitze. Der Abschluss als Diplom-Betriebswirt und die Belegung des
Wahlpflichtfaches „Sozialpsychologie“ für mehr als
ein Jahr während des Studiums reichten dafür ebenso wenig
wie seine praktischen Erfahrungen als Lehrer und in der
Weiterbildung.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Er macht geltend, das FG habe den
Sachverhalt nicht zutreffend ermittelt und zum Teil falsch
protokolliert. Es sei nicht hinreichend konkret festgestellt
worden, worin seine Leistungen bestanden hätten. Die Aussage
der Zeugin R sei unzutreffend. Die Ausbildung zum
Diplom-Betriebswirt genüge, um freiberuflich tätig zu
werden. Bei Leistungen an einen Leistungsempfänger, der
umsatzsteuerbefreite Leistungen erbringe, umfasse dessen
Steuerbefreiung auch die Vorleistung des Freiberuflers.
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Der Kläger hat nach Schluss der
mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 17.2.2012 beim FG
einen Antrag auf Protokollergänzung bzw. Protokollberichtigung
gestellt. Das FG hat hierüber mit Beschluss vom 21.12.2012
entschieden und den Antrag zurückgewiesen.
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12
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei den
vom Kläger an die A-Kliniken ausgeführten Leistungen um
eng mit den nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG steuerbefreiten
(Haupt-)Leistungen der A-Kliniken verbundene (Neben-)Leistungen
gehandelt habe, weil der Kläger die personenbezogenen
Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG nicht
erfüllt. Es liegen auch nicht die Voraussetzungen einer
anderen Steuerbefreiungsnorm vor.
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1. Die Leistungen des Klägers sind nicht
nach § 4 Nr. 14 UStG von der Steuer befreit.
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a) Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind
steuerfrei
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„die Umsätze aus der
Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut
(Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen
heilberuflichen Tätigkeit (bzw. UStG 1999: ‘im Sinne des
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes’) und aus
der Tätigkeit als klinischer Chemiker. Steuerfrei sind auch
die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder
Angehörige der in Satz 1 bezeichneten Berufe sind,
gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen
unmittelbar zur Ausführung der nach Satz 1 steuerfreien
Umsätze verwendet werden. Die Umsätze eines Arztes aus
dem Betrieb eines Krankenhauses sind mit Ausnahme der
ärztlichen Leistungen nur steuerfrei, wenn die in Nummer 16
Buchstabe b bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind
...“.
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§ 4 Nr. 14 UStG setzt Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst.
c der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) um. Danach befreien
die Mitgliedstaaten von der Steuer:
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„c) Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem
betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und
arztähnlichen Berufe durchgeführt werden;“
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b) Zwar steht der Steuerbefreiung für die
Umsätze des Klägers nicht entgegen, dass er seine
Leistungen nicht selbst gegenüber den Patienten, sondern sie
als Subunternehmer ausgeführt und abgerechnet hat. Denn die
befreiten Umsätze sind nach § 4 Nr. 14 UStG nicht durch
die Person des Leistungsempfängers definiert. Vielmehr
beschränkt sich das personenbezogene Tatbestandsmerkmal auf
den Leistenden, der Träger eines ärztlichen bzw.
arztähnlichen Berufs sein muss (vgl. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.8.2011 V R 27/10, BFHE 235, 58,
BFH/NV 2011, 2214 = SIS 11 34 08, Rz 24; vom 10.3.2005 V R 54/04,
BFHE 210, 151, BStBl II 2005, 669 = SIS 05 31 01, Rz 16; vom
25.11.2004 V R 44/02, BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190 = SIS 05 13 21, Leitsätze 1 und 2 und Rz 12, m.w.N.).
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c) Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14
UStG setzt aber bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der
Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch
ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass
er die dafür erforderlichen Befähigungsnachweise besitzt
(BFH-Urteile in BFHE 210, 151, BStBl II 2005, 669 = SIS 05 31 01,
Rz 16; in BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190 = SIS 05 13 21, Rz 14;
vom 19.12.2002 V R 28/00, BFHE 201, 330, BStBl II 2003, 532, 1 =
SIS 03 19 06. Leitsatz. vgl. Urteile des Gerichtshofs der
Europäischen Union - EuGH - vom 10.9.2002 C-141/00,
Kügler, Slg. 2002, I-6833 = SIS 02 97 10 Rdnrn. 26 ff.; vom
6.11.2003 C-45/01, Christoph-Dornier-Stiftung, Slg. 2003, I-12911 =
SIS 04 01 38 Rdnr. 50). Über diesen Befähigungsnachweis
verfügt der Kläger nicht. Die Qualifikation als
Diplom-Betriebswirt ist auch dann keine arztähnliche
Berufsqualifikation, wenn im Rahmen dieser Ausbildung das
Wahlpflichtfach „Sozialpsychologie“ belegt
wurde. Eine Steuerbefreiung der Leistungen eines Subunternehmers
nach § 4 Nr. 14 UStG ohne eigenen Befähigungsnachweis
kommt nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 2.9.2010 V R 47/09, BFHE
231, 326, BStBl II 2011, 195 = SIS 10 39 03).
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d) Dem steht das EuGH-Urteil vom 18.11.2010
C-156/09, VTSI (Slg. 2010, I-11733 = SIS 10 39 09 Rdnr. 28), wonach
es nicht notwendig ist, dass jeder Aspekt einer therapeutischen
Behandlung von medizinischem Personal durchgeführt wird, nicht
entgegen. Der EuGH nimmt dabei auf seine Urteile Kügler in
Slg. 2002, I-6833 Rdnr. 41, und vom 8.6.2006 C-106/05, L.u.P. (Slg.
2006, I-5123 = SIS 06 29 72 Rdnr. 39) Bezug. Gerade aus dem Urteil
Kügler in Slg. 2002, I-6833 Rdnr. 27, geht hervor, dass es
für die Beantwortung der Frage, ob eine ähnliche
heilberufliche Tätigkeit vorliegt, maßgeblich auf die
Qualifikation des Behandelnden ankommt. Die in Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG aufgestellte Voraussetzung,
dass die „... Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin
im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat
definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe
durchgeführt werden“ müssen, (soll)
gewährleisten, dass die Befreiung nur für
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gilt, die von Personen
erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Qualifikationen
besitzen (EuGH-Urteil vom 27.4.2006 C-443/04, C-444/04, Solleveld
u.a., Slg. 2006, I-3617 = SIS 06 24 66 Rdnr. 37). Die
Mitberücksichtigung der Berufsqualifikation neben der Art der
Tätigkeit verstößt auch nicht gegen den Grundsatz
der steuerlichen Neutralität, wie der EuGH ausdrücklich
entschieden hat (EuGH-Urteil Solleveld u.a. in Slg. 2006, I-3617
Rdnrn. 40, 41; vgl. auch BFH-Beschluss vom 26.1.2012 V R 52/10,
BFH/NV 2012, 817 = SIS 12 10 87). Die Steuerbefreiung nach § 4
Nr. 14 UStG setzt deshalb voraus, dass die Leistungen von einem
Arzt oder im Rahmen der Ausübung eines arztähnlichen
Berufs erbracht worden sind (BFH-Urteil vom 29.6.2011 XI R 52/07,
BFHE 234, 461, BFH/NV 2011, 1806 = SIS 11 28 12).
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2. Die Leistungen des Klägers sind auch
nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG steuerfrei.
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a) Gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b
UStG in seiner in den Streitjahren bis 2003 geltenden Fassung waren
von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen
steuerfrei:
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„die mit dem Betrieb der
Krankenhäuser, Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen
ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung,
Einrichtungen zur Geburtshilfe sowie der Altenheime,
Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden
Aufnahme pflegebedürftiger Personen und der Einrichtungen zur
ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng
verbundenen Umsätze, wenn
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...
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b) bei Krankenhäusern im
vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 der
Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt worden
sind ... „
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Durch Art. 5 Nr. 4 Buchst. d bb des
Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15.12.2003 (BGBl I 2003,
2645) wurde Buchst. b wie folgt ergänzt:
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„b) bei Krankenhäusern im
vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 der
Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt oder bei
von Hebammen oder Entbindungspflegern geleiteten Einrichtungen zur
Geburtshilfe im vorangegangenen Kalenderjahr die Kosten der
stationären Aufnahme (Sozialpflege) in mindestens 40 Prozent
der jährlichen Pflegetage von den gesetzlichen Trägern
der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum
überwiegenden Teil getragen worden sind ... „.
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b) Entgegen der Auffassung des Klägers
gehört zu den personenbezogenen Voraussetzungen des § 4
Nr. 16 Buchst. b UStG, dass der Steuerpflichtige entweder eine
Einrichtung des öffentlichen Rechts ist oder eine
Krankenanstalt im Sinne dieser Bestimmung betreibt, die unter in
sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen tätig ist
(ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 8.10.2008 V R 32/07,
BFHE 222, 184, BStBl II 2009, 429 = SIS 08 42 94, Rz 16; vom
28.6.2000 V R 72/99, BFHE 191, 463, BStBl II 2000, 554 = SIS 00 12 71, Rz 26; vom 22.5.2003 V R 94/01, BFHE 203, 185, BStBl II 2003,
954 = SIS 03 42 95, Leitsatz). Der Kläger erfüllt keines
der beiden personenbezogenen Merkmale des § 4 Nr. 16 Buchst. b
UStG. Deshalb kommt es - entgegen der Auffassung des Klägers -
weder auf die konkrete Ausgestaltung seines Aufgabengebietes noch
auf die Art der von ihm erbrachten Leistungen an. Insbesondere ist
unerheblich, ob diese in das Therapiekonzept der A-Kliniken
eingegliedert waren oder nur als eine Art
„Handlangertätigkeiten“ für die
A-Kliniken zu beurteilen sind.
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c) Somit ist im Streitfall nicht zu
entscheiden, ob mit dem Betrieb einer der bezeichneten
Einrichtungen „eng verbundene Leistungen“ auch
dann vorliegen, wenn - wie im Streitfall - verschiedene Unternehmer
die in § 4 Nr. 16 UStG bezeichneten Leistungen erbringen.
Diese Frage ist Gegenstand des vom erkennenden Senat mit Beschluss
vom 15.5.2012 V R 19/11 (BFHE 237, 525, BStBl II 2012, 803 = SIS 12 19 76) eingeleiteten, beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-366/12
anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens, über das noch
nicht entschieden worden ist. Eine Aussetzung des Verfahrens nach
§ 74 FGO im Hinblick auf dieses Verfahren war nicht
erforderlich, weil der Kläger die personenbezogenen
Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG nicht
erfüllt und daher die Entscheidung des EuGH nicht i.S. des
§ 74 FGO vorgreiflich sein kann.
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3. Der Kläger kann sich für eine
Steuerfreiheit seiner Leistungen nicht auf das § 4 Nr. 16
Buchst. b UStG zugrunde liegende Unionsrecht berufen.
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a) Ein Steuerpflichtiger kann sich auf eine im
Unionsrecht vorgesehene Steuerbefreiung vor einem nationalen
Gericht berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen,
die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist (EuGH-Urteil Kügler
in Slg. 2002, I-6833 Rdnrn. 5 ff.). Diese Voraussetzungen liegen im
Streitfall nicht vor.
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b) Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG bzw. ab 1.1.2007 aus Art. 132
Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL, auf denen die Steuerfreiheit nach
§ 4 Nr. 16 Buchst. b UStG unionsrechtlich beruht, sind
steuerfrei
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„Krankenhausbehandlungen und
ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundenen
Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts
oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese
Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von
Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung
und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten
Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise
bewirkt werden; ...“.
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Da der Kläger weder eine einer
Krankenanstalt oder einem Zentrum für ärztliche
Heilbehandlung und Diagnostik vergleichbare Einrichtung in diesem
Sinne ist noch eine ordnungsgemäße Anerkennung vorliegt,
kann er sich auf diese Richtlinienbestimmung nicht berufen.
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4. Auch die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG bzw. des Art. 132 Abs. 1
Buchst. g MwStSystRL sind nicht erfüllt.
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34
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a) Danach befreien die Mitgliedstaaten die
Umsätze von der Steuer, die
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35
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„eng mit der Sozialfürsorge und
der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und
Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen,
die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts
oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen
mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt
werden“.
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Für die Inanspruchnahme der
Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG genügt nach der Rechtsprechung des EuGH, dass zwei
Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar dass
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37
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- es sich um Leistungen handelt, die mit der
Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit eng verbunden
sind, und
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38
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- diese Leistungen von Einrichtungen des
öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem
betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen
sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden (vgl.
EuGH-Urteil vom 26.5.2005 C-498/03, Kingscrest Associates und
Montecello Ltd., Slg. 2005, I-4427 = SIS 05 30 13 Rdnr. 34).
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39
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b) Der Kläger kann sich nicht unmittelbar
auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG
berufen, weil er weder eine Einrichtung des öffentlichen
Rechts noch eine vom Mitgliedstaat Deutschland anerkannte
Einrichtung mit sozialem Charakter ist.
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Ein Steuerpflichtiger kann die Eigenschaft
einer Einrichtung mit sozialem Charakter nicht allein dadurch
erlangen, dass er sich auf diese Bestimmung beruft. Nach
übereinstimmender Rechtsprechung von EuGH und BFH kann die
Anerkennung eines Unternehmers als Einrichtung mit sozialem
Charakter auch aus der Übernahme der Kosten für seine
Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der
sozialen Sicherheit abgeleitet werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom
8.11.2007 V R 2/06, BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634 = SIS 08 10 21; vom 30.7.2008 V R 66/06, BFHE 223, 381, BStBl II 2010, 507 =
SIS 09 05 13, und BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 817 = SIS 12 10 87,
jeweils m.w.N.). Dabei kommt es zwar nicht darauf an, ob die Kosten
im konkreten Fall tatsächlich übernommen worden sind,
sondern es reicht aus, dass sie übernehmbar sind (BFH-Urteile
vom 22.4.2004 V R 72/03, BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684 = SIS 04 23 48; vom 8.6.2011 XI R 22/09, BFHE 234, 448 = SIS 11 27 64, Rz
38, m.w.N.). Für die Anerkennung eines Unternehmers als eine
Einrichtung mit sozialem Charakter reicht es für sich allein
jedoch nicht schon aus, dass der Unternehmer - wie hier - lediglich
als Subunternehmer für eine anerkannte Einrichtung tätig
geworden ist (BFH-Urteile vom 1.12.2010 XI R 46/08, BFHE 232, 232 =
SIS 11 05 50, Rz 39 f., und in BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634 =
SIS 08 10 21). Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Senatsurteil
vom 15.9.2011 V R 16/11 (BFHE 235, 521 = SIS 11 41 21), denn diese
Entscheidung betrifft das Merkmal der Unmittelbarkeit i.S. von
§ 4 Nr. 18 Buchst. b UStG.
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41
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5. Zu einer anderen Beurteilung führt im
Streitfall auch nicht das EuGH-Urteil vom 15.11.2012 C-174/11,
Zimmermann (UR 2013, 35 = SIS 13 02 30).
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42
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a) Der EuGH hat im Urteil Zimmermann in UR
2013, 35 = SIS 13 02 30 entschieden, es stehe dem Grundsatz der
Neutralität nicht entgegen, dass für die in Art. 13 Teil
A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. Art. 132 Abs. 1
Buchst. g MwStSystRL) vorgesehene Befreiung die Anerkennung des
sozialen Charakters von Einrichtungen des öffentlichen Rechts
nicht erforderlich ist, während es einer solchen Anerkennung
bei Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen
Rechts sind, bedarf (Rdnr. 52). Hinsichtlich der Bedingungen, an
die die Mitgliedstaaten die Anerkennung des sozialen Charakters von
Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts
sind, knüpfen, steht den Mitgliedstaaten ein Ermessen zu
(Rdnrn. 27, 37). Der Grundsatz der Neutralität gebiete aber
die Gleichbehandlung der Einrichtungen, die keine Einrichtungen des
öffentlichen Rechts seien, hinsichtlich der Anerkennung ihres
sozialen Charakters (Rdnrn. 48, 49, 53).
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43
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b) Da der Grundsatz der steuerlichen
Neutralität im Rahmen der Umsetzung der in Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst.
g MwStSystRL) vorgesehenen Befreiung sachlich unterschiedliche
Bedingungen für Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht
einerseits und die unter § 4 Nr. 18 UStG fallenden
Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht andererseits verbietet
(EuGH-Urteil Zimmermann in UR 2013, 35 = SIS 13 02 30 Rdnr. 58),
könnte daraus zu folgern sein, dass sich ein Unternehmer, der
eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit
verbundene Dienstleistungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
g der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g
MwStSystRL) erbringt, der aber nicht über die erforderliche
staatliche Anerkennung verfügt, dann unmittelbar auf Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. Art. 132
Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) berufen kann, wenn die gleichen
Leistungen gemäß § 4 Nr. 18 UStG von der Steuer
befreit wären, sofern sie von einem amtlich anerkannten
Wohlfahrtsverband oder eines seiner Mitglieder erbracht
würden.
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44
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aa) Eine unmittelbare Berufung auf Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. Art. 132
Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) kommt für den Kläger aber
schon deshalb nicht in Betracht, weil er aus den unter II.2.b
dargestellten Gründen keine „eng mit der
Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit
verbundenen“ Dienstleistungen ausgeführt hat.
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45
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bb) Darüber hinaus fehlt es aus den unter
II.2.c genannten Gründen an der erforderlichen Anerkennung
durch den Mitgliedstaat. Selbst bei Ausführung „eng
mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen
Leistungen“ kann diese Anerkennung nicht durch die
richtlinienwidrige Begünstigung anderer Steuerpflichtiger in
§ 4 Nr. 18 UStG fingiert werden. Das Unionsrecht setzt - wie
sich unmittelbar aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG (bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) ergibt und
wie der EuGH im Urteil Zimmermann in UR 2013, 35 = SIS 13 02 30
ausdrücklich betont - eine Anerkennung durch den Mitgliedstaat
voraus. Eine Steuerbefreiung durch die Möglichkeit einer
Berufung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG (bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) ohne
mitgliedstaatliche Anerkennung wäre daher
richtlinienwidrig.
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6. Der Grundsatz der steuerlichen
Neutralität führt auch unter dem Gesichtspunkt der freien
Wahl des Organisationsmodells zu keinem anderen Ergebnis. Zwar
müssen nach der Rechtsprechung des EuGH Wirtschaftsteilnehmer
nach dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität in der Lage
sein, das Organisationsmodell zu wählen, das ihnen, rein
wirtschaftlich betrachtet, am besten zusagt, ohne Gefahr zu laufen,
dass ihre Umsätze von der in Art. 13 Teil B Buchst. d der
Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Steuerbefreiung ausgeschlossen
werden (EuGH-Urteile vom 4.5.2006 C-169/04, Abbey National, Slg.
2006, I-4027 = SIS 06 24 63, BStBl II 2010, 567 = SIS 06 24 63; vom
21.6.2007 C-453/05, Ludwig, Slg. 2007, I-5083 = SIS 07 23 31).
Diese Rechtsprechung des EuGH bezieht sich aber auf die
Steuerbefreiungen in Art. 13 Teil B der Richtlinie 77/388/EWG, die
keine unternehmerbezogenen Merkmale voraussetzen. Die freie Wahl
des Organisationsmodells führt indessen nicht dazu, dass bei
den Steuerbefreiungen in Art. 13 Teil A der Richtlinie 77/388/EWG,
die - wie Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG
mit der Anerkennung durch den Mitgliedstaat - unternehmerbezogene
Merkmale voraussetzen, auf diese unternehmerbezogenen Merkmale
unter Berufung auf die Freiheit des Organisationsmodells verzichtet
werden kann.
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7. Die im Revisionsverfahren noch streitigen
Leistungen haben nach übereinstimmender Auffassung aller
Beteiligten keinen unterrichtenden Charakter gehabt, so dass auch
eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG
ausscheidet.
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