Pflegedienst, 40 %-Grenze für Vorjahresumsätze als Voraussetzung der USt-Freiheit: § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1999 ist weder verfassungsrechtlich noch gemeinschaftsrechtlich zu beanstanden, soweit diese Vorschrift für die Steuerfreiheit der dort genannten Umsätze voraussetzt, dass im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. - Urt.; BFH 24.1.2008, V R 54/06; SIS 08 14 83
I. Streitig ist die Steuerfreiheit von
Umsätzen eines ambulanten Pflegedienstes.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) betreibt einen privaten ambulanten Pflegedienst, den
er bei der Stadt mit Gewerbeanmeldung vom 7.8.2000 zum 22.7.2000
angemeldet hatte.
Mit Wirkung vom 1.10.2001 schlossen der
Kläger und die Landesverbände der für ihn
zuständigen Pflegekassen des Bundeslandes X gemäß
§ 132a Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB
V), § 72 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) einen
Versorgungsvertrag ab, der den Kläger zur direkten Abrechnung
seiner ambulanten Pflegeleistungen - nach den Feststellungen des
Finanzgerichts (FG) der Grundpflege und hauswirtschaftlichen
Versorgung - auf Grundlage der Vergütungsregelung nach §
89 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) mit der
zuständigen Pflegekasse berechtigte.
Ab 1.10.2001 reichte der Kläger
für die folgenden Voranmeldungszeiträume bei dem
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - )
Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein, die keine steuerpflichtigen
Umsätze mehr auswiesen, weil der Kläger der Auffassung
war, seine Umsätze seien ab diesem Zeitpunkt gemäß
§ 4 Nr. 16 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG)
umsatzsteuerfrei.
Mit Gewerbeabmeldung vom 19.8.2002 zeigte
der Kläger die Betriebsaufgabe zum 30.9.2001 bei der Stadt an.
Er behauptet, zugleich einen neuen Betrieb für
Pflegeleistungen unter der bisherigen Firma angemeldet zu haben,
und ist der Auffassung, seit dem 1.10.2001 sei sein Pflegedienst
nicht mehr als Gewerbebetrieb, sondern als freiberufliche
Tätigkeit zu werten.
Das FA versagte im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Umsatzsteuerbescheid für
2002 vom 15.10.2004 die vom Kläger geltend gemachte
Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG für das
Jahr 2002 (Streitjahr). Der Prüfer war zu der Auffassung
gelangt, die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG,
wonach im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in
mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern
der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum
überwiegenden Teil getragen worden sein müssen, seien
nicht erfüllt, da die Unternehmereigenschaft des Klägers
das ganze Vorjahr (2001) über vorgelegen habe. Feststellungen
dazu, ob und ggf. in welchem Umfang die Pflegekosten ab dem
1.10.2001 und im Streitjahr 2002 von den gesetzlichen Trägern
der Sozialversicherung oder Sozialhilfe getragen worden sind,
enthält der Prüfungsbericht nicht.
Das FG wies die nach erfolglosem Einspruch
erhobene Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2002 ab. Es
führte zur Begründung u.a. aus, die Auffassung des
Klägers treffe nicht zu, sein ambulanter Pflegebetrieb sei ab
dem Zeitpunkt, zu dem er zur direkten Abrechnung mit den
Trägern der Sozialversicherung befugt sei, von seinem
vorherigen ambulanten Pflegebetrieb zu trennen. Die An- und
Abmeldung des Gewerbebetriebs bei der Gemeinde zum 30.9.2001
beeinflusse die Eigenschaft seiner fortdauernden
Unternehmertätigkeit nicht.
Ferner verstoße die Forderung in
§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG, die sog. 40 %-Grenze müsse
bereits im vorangegangenen Kalenderjahr eingehalten sein, nicht
gegen Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG).
Auch eine Ungleichbehandlung des
Klägers mit anderen Unternehmern sei nicht ersichtlich. Sofern
man den Kläger mit anderen Unternehmern vergleiche, die - wie
dieser - erst ab einem gewissen Zeitpunkt einen Vertrag mit den
Trägern der Sozialversicherung über die Berechtigung zur
direkten Abrechnung abgeschlossen und bereits vorher
Pflegeleistungen erbracht hätten, fehle es bereits an einer
Ungleichbehandlung, da die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG
normierte 40 %-Grenze auch für diese Unternehmen gelte. An
einer Ungleichbehandlung mit Unternehmern, die ihr Unternehmen neu
eröffneten, fehle es bereits deshalb, weil die
Neueröffnung des Unternehmens ein sachlich gerechtfertigtes
Unterscheidungskriterium darstelle. Denn diese Unternehmer
hätten vor Beginn der Tätigkeit keine Pflegeleistungen
erbracht, die nicht von den Trägern der Sozialversicherung
getragen worden seien. Die „ganze betriebswirtschaftliche
Situation und Kalkulation“ sei bei diesen Unternehmern daher
eine andere als bei denen, die bereits „private“
Pflegeleistungen erbracht hätten.
Zwar sei nach Abschn. 99a Abs. 7 Satz 2 der
Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) auf die voraussichtlichen
Verhältnisse des laufenden Jahres abzustellen, wenn der
Unternehmer seine Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres neu
aufnehme. Für diese Regelung fehle es aber an einer
gesetzlichen Grundlage, so dass es dem Gericht verwehrt sei, den
Anwendungsbereich dieser Regelung entgegen der Intention der
Finanzverwaltung dahingehend auszuweiten, dass auch für die
Unternehmer eines bereits bestehenden Betriebs eine Schätzung
der Verhältnisse für die Zukunft vorzunehmen sei.
Das Urteil ist in EFG 2007, 226 = SIS 06 43 36 veröffentlicht.
Mit der Revision macht der Kläger im
Wesentlichen geltend, § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG verstoße
in der vorliegenden Form gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG). Er werde mit seinem Unternehmen gegenüber anderen
„neuen Unternehmen“, d.h. mit Unternehmen, die im Laufe
eines Jahres eröffneten und bei denen in diesem Jahr die
Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den Trägern
der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum
überwiegenden Teil getragen würden, steuerlich
nachteilig, mithin ungleich behandelt, obwohl diese Unternehmen die
gleichen Leistungen der ambulanten Pflege erbrächten wie er.
Für diese Ungleichbehandlung liege kein sachlicher Grund
vor.
Er müsse für das Jahr 2002, wie
sich aus dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid ergebe, ... EUR an
Umsatzsteuer zahlen, obwohl bei ihm im Jahr 2002 die Pflegekosten
in mindestens 40 % der Fälle von den Trägern der
Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum
überwiegenden Teil getragen worden seien. Diese Umsatzsteuer
werde von den Pflegekassen und sonstigen Sozialträgern nicht
zusätzlich gezahlt, sie sei in den Vergütungen
gemäß § 89 SGB XI enthalten.
Von dieser Abgabenlast bleibe ein neues
Unternehmen verschont, sofern bei diesem Unternehmen im Jahr 2002
die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den
Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum
überwiegenden Teil getragen worden seien. Hierdurch komme er
in eine ungünstigere Wettbewerbslage gegenüber den
konkurrierenden neuen Unternehmern seiner Branche.
Im Übrigen berufe er sich unmittelbar
auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG, die
die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG enthaltene Beschränkung
nicht vorsehe.
Schließlich habe das FG gegen die
gerichtliche Aufklärungspflicht gemäß § 76
Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen, weil es
nicht aufgeklärt habe, ob er, der Kläger, mit seinem
Unternehmen nicht nur Dienstleistungen der Grundpflege und
hauswirtschaftlichen Versorgung, sondern auch der Behandlungspflege
erbracht habe; dafür komme die Steuerbefreiung des § 4
Nr. 14 UStG in Betracht. Insoweit liege auch ein Verstoß des
FG gegen seine Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO
vor.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung und der
Einspruchsentscheidung vom 17.5.2004 den Umsatzsteuerbescheid
für 2002 vom 15.10.2004 dahin zu ändern, dass die direkt
mit den Trägern der Sozialversicherung abgerechneten
Pflegeleistungen nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Es tritt dem Vorbringen des Klägers
entgegen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die
streitigen Umsätze nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG
steuerfrei sind. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass
diese Vorschrift sowohl verfassungsrechtlich als auch
gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden ist, soweit sie
voraussetzt, dass im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten
in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern
der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum
überwiegenden Teil getragen worden sind. Die vom Kläger
gerügten Verfahrensfehler sind nicht gegeben.
1. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16
Buchst. e UStG liegen nicht vor.
a) Nach dieser Vorschrift sind u.a. die mit
dem Betrieb der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und
pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze
steuerfrei, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten
in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern
der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum
überwiegenden Teil getragen worden sind.
b) Diese Voraussetzung war in dem Kalenderjahr
2001, das dem Streitjahr 2002 voranging, nicht erfüllt.
Das hat das FG zutreffend dargelegt. Der Senat
folgt insoweit der Rechtsauffassung des FG, wonach nicht lediglich
auf die von dem Kläger ab dem 1.10.2001 ausgeführten
Umsätze abzustellen ist, sondern auf die von ihm im gesamten
Jahr 2001 ausgeführten Umsätze, in dem er seinen
ambulanten Pflegedienst betrieben hat.
c) Die 40 %-Grenze in § 4 Nr. 16 Buchst.
e UStG, die sich - jedenfalls sinngemäß - auch in §
4 Nr. 16 Buchst. b, c und d UStG findet, mit der der Gesetzgeber
anstrebt, dass die betreffende Einrichtung in erheblichem Umfang
zur Kostenentlastung der Sozialversicherungsträger
beiträgt (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss
vom 31.5.2007 1 BvR 1316/04, BFH/NV Beilage 2007, 449, HFR 2007,
1028, UR 2007, 737 = SIS 07 31 41, unter IV.3.), ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Davon ist der Senat bislang stillschweigend
ausgegangen (vgl. zu § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG: Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25.11.1993 V R 64/89, BFHE 173, 242,
BStBl II 1994, 212 = SIS 94 08 26; siehe dazu auch BVerfG-Beschluss
in BFH/NV Beilage 2007, 449, HFR 2007, 1028, UR 2007, 737 = SIS 07 31 41, unter IV.3.; zu § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG: BFH-Urteil
vom 5.2.2004 V R 2/03, BFHE 204, 496, BStBl II 2004, 669 = SIS 04 21 42; zu § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG: BFH-Urteil vom 15.3.2007
V R 55/03, BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31 = SIS 07 16 76, unter
II. 3.).
Soweit der Senat in dem zuletzt genannten
Urteil - und in der diesem Urteil vorausgehenden
Beitrittsaufforderung an das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
vom 23.11.2006 V R 55/03 (BFH/NV 2007, 510 = SIS 07 07 46) -
rechtliche Zweifel an der 40 %-Grenze in § 4 Nr. 16 Buchst. c
UStG geäußert hat, beziehen sich diese Zweifel nicht auf
die 40 %-Grenze als solche, sondern darauf, ob die Voraussetzungen
dieser Grenze im Streitfall erfüllbar waren (vgl.
BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 510 = SIS 07 07 46, unter 2.b;
BFH-Urteil in BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31 = SIS 07 16 76, unter
II.3).
d) An dieser Rechtsprechung hält der
Senat fest, und zwar auch, soweit sich die 40 %-Grenze in § 4
Nr. 16 Buchst. e UStG auf die Verhältnisse des Vorjahres
bezieht.
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber den
ihm hier verfassungsrechtlich zustehenden Gestaltungs- und
Typisierungsspielraum (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV Beilage
2007, 449, HFR 2007, 1028, UR 2007, 737 = SIS 07 31 41, unter
IV.3.) nicht überschritten. Denn für diese Regelung ist
ein sachlicher Grund - nämlich der Gesichtspunkt der
Praktikabilität - maßgebend, wie sich aus der
Entstehungsgeschichte der Vorschrift und den Gesetzesmaterialien
ergibt.
aa) § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG wurde durch
das Steueränderungsgesetz 1992 (StÄndG 1992) vom
25.2.1992 (BGBl I 1992, 297, 317) mit Wirkung vom 1.1.1992 in
§ 4 Nr. 16 UStG 1991 aufgenommen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE
204, 496, BStBl II 2004, 669 = SIS 04 21 42, unter II.3.b aa).
Durch diese Vorschrift sollte der Kreis der von § 4 Nr. 16
UStG erfassten Einrichtungen erweitert werden.
In der Gesetzesbegründung zu dieser
Vorschrift (BTDrucks 12/1506, 178) findet sich kein Hinweis darauf,
warum auf die Verhältnisse des vorangegangenen Kalenderjahres
abgestellt wird, wohl aber in der Gesetzesbegründung zu §
4 Nr. 16 Buchst. b und c UStG in der Neufassung der Vorschrift mit
Wirkung vom 1.1.1977 durch das Einführungsgesetz zur
Abgabenordnung (EGAO 1977) vom 14.12.1976 (BGBl I 1976, 3341, BStBl
I 1976, 694). Dort heißt es (vgl. BTDrucks 7/5458, 13):
„Die Umsatzsteuerbefreiung für Krankenhäuser und
Altenheime (§ 4 Nr. 16 UStG) wurde neu gefasst. Durch die
Neufassung werden die bisherigen Verweisungen auf Vorschriften der
Gemeinnützigkeitsverordnung durch Verweisungen auf die
entsprechenden Vorschriften der neuen Abgabenordnung ersetzt.
Gleichzeitig wird der Wortlaut der Befreiungsvorschrift soweit wie
möglich den entsprechenden Befreiungsvorschriften bei der
Gewerbesteuer, Grundsteuer und Bewertung angepasst. Aus
Vereinfachungsgründen sind künftig für die
Inanspruchnahme der Steuerbefreiung die Verhältnisse des
Vorjahres maßgebend. ...“
Dementsprechend heißt es hierzu in dem
Schreiben des BMF vom 7.1.1977 (BStBl I 1977, 35): „Durch
diese aus Vereinfachungsgründen getroffene Regelung ist
sichergestellt, dass der Unternehmer bereits zu Beginn eines
Kalenderjahres weiß, ob er für die Umsätze dieses
Jahres die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen kann.“
bb) Dieses Abstellen auf die Verhältnisse
des Vorjahres hat der Senat bereits für die ähnliche
Regelung in § 19 Abs. 1 UStG als sachgerecht anerkannt (vgl.
BFH-Urteil vom 19.2.1976 V R 23/73, BFHE 118, 483, BStBl II 1976,
400 = SIS 76 02 11; BFH-Beschluss vom 18.10.2007 V B 164/06, BFH/NV
2008, 325 = SIS 08 05 55).
e) Zwar hält die Finanzverwaltung bei
einem Unternehmer, der seine Tätigkeit im Laufe eines
Kalenderjahres neu aufnimmt, für die „40
%-Grenze“ nicht die Verhältnisse des Vorjahres
für maßgebend, sondern die voraussichtlichen
Verhältnisse des laufenden Jahres (vgl. Abschn. 99a Abs. 7
Satz 2 UStR).
Dies führt aber nicht zu der vom
Kläger gerügten verfassungswidrigen Ungleichbehandlung.
Denn insoweit liegen unterschiedliche Sachverhalte vor, wie das FG
zu Recht näher ausgeführt hat.
2. Der Kläger beruft sich für die
Steuerfreiheit seiner Umsätze ohne Erfolg auf eine
unmittelbare Anwendung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der
Richtlinie 77/388/EWG.
a) Nach dieser Bestimmung befreien die
Mitgliedstaaten „die eng mit der Sozialfürsorge und
der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und
Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen
für Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen
Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als
Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte
Einrichtungen“.
aa) Zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der
Richtlinie 77/388/EWG hat der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) durch Urteil vom 10.9.2002 Rs. C-141/00 -
Kügler - (Slg. 2002, I-6833, UR 2002, 513 = SIS 02 97 10) u.a.
Folgendes entschieden:
„Leistungen der Grundpflege und der
hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder
wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten
Pflegedienst erbracht werden, stellen eng mit der
Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene
Dienstleistungen in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der
Sechsten Richtlinie 77/388 dar. Auf die Steuerbefreiung des
Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie
77/388 kann sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht
berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit
dieser Bestimmung unvereinbar ist. Es ist Sache des nationalen
Gerichts, anhand aller maßgeblichen Umstände zu
bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit
sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser
Bestimmung ist.“ (vgl. 3.a und b der Leitsätze
dieser Entscheidung).
bb) In der Nachfolgeentscheidung zu diesem
EuGH-Urteil hat der erkennende Senat im Urteil vom 22.4.2004 V R
1/98 (BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849 = SIS 04 27 51)
entschieden, die Anerkennung eines Unternehmens als eine
Einrichtung mit sozialem Charakter könne auch aus der
Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch
Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit
abgeleitet werden. Maßgebend sei insoweit, dass es sich ihrer
Art nach um die Leistungen handele, für die die Kosten von den
Sozialversicherungsträgern übernehmbar gewesen seien
(vgl. unter II.3.c der Urteilsgründe).
b) Nach dieser Rechtsprechung ist der
Kläger grundsätzlich als Einrichtung mit sozialem
Charakter i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG anzuerkennen, weil die Krankenkassen - jedenfalls
teilweise - ab dem 1.10.2001 die Kosten für seine Leistungen
übernommen haben.
c) Gleichwohl greift die Steuerbefreiung nach
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG im
Streitjahr 2002 nicht ein.
Denn soweit der nationale Gesetzgeber in
§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG verlangt, dass die Pflegekosten im
vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens 40 % der Fälle von
den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder
Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden
sind - was, wie ausgeführt, hier nicht der Fall war -, ist
diese Regelung von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst a der Richtlinie
77/388/EWG gedeckt.
aa) Danach können die Mitgliedstaaten die
Gewährung der in Abs. 1 Buchst. g dieser Bestimmung
vorgesehenen Befreiungen u.a. von der Bedingung abhängig
machen, dass Preise angewendet werden, die von den zuständigen
Behörden genehmigt sind, oder solche, die die genehmigten
Preise nicht übersteigen; bei Tätigkeiten, für die
eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen Preise
angewendet werden, die unter den Preisen liegen, die von der
Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen für
entsprechende Tätigkeiten gefordert werden.
bb) Insoweit haben nach ständiger
Rechtsprechung des EuGH die nationalen Gerichte zu prüfen, ob
die Mitgliedstaaten bei Beachtung der Grundsätze des
Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Grundsatzes der
Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der
steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt, bei der
Aufstellung solcher Bedingungen nicht etwa die Grenzen ihres
Ermessens überschritten haben (vgl. EuGH-Urteil vom 8.6.2006
Rs. C-106/05, L. u. P. GmbH, BFH/NV Beilage 2006, 442, UR 2006, 464
= SIS 06 29 72 Randnr. 48, m.w.N.). Eine derartige
Ermessensüberschreitung liegt nicht vor.
(1) Zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG hat der EuGH bereits entschieden, die Wahrung
des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität verlange, dass
für alle in dieser Bestimmung genannten Kategorien
privatrechtlicher Einrichtungen die gleichen Bedingungen für
ihre Anerkennung in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer
Leistungen gelten. Deshalb habe das vorlegende Gericht zu
prüfen, ob die nationale Regelung diesem Erfordernis
entspreche oder aber die Anwendung der fraglichen Bedingungen auf
bestimmte Arten von Einrichtungen beschränke, während
andere von ihr ausgenommen seien (vgl. EuGH-Urteil L. u. P. GmbH in
BFH/NV Beilage 2006, 442, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72 Randnr.
50).
Der EuGH hat ferner ausgeführt, die
Bundesrepublik Deutschland habe das ihr nach dieser Bestimmung
zustehende Ermessen nicht dadurch überschritten, dass sie in
§ 4 Nr. 16 Buchst. c UStG für die Anerkennung von in
privatrechtlicher Form organisierten Labors im Rahmen der Anwendung
dieser Befreiung verlangt, dass mindestens 40 % der medizinischen
Analysen der betreffenden Labors Personen zugute kommen, die bei
einem Träger der Sozialversicherung versichert sind (vgl.
EuGH-Urteil L. u. P. GmbH in BFH/NV Beilage 2006, 442, UR 2006, 464
= SIS 06 29 72 Randnr. 54).
(2) Gemessen an diesen Grundsätzen, die
auch für Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG gelten, hat der nationale Gesetzgeber die Grenzen seines
Ermessens nicht dadurch überschritten, dass er in § 4 Nr.
16 Buchst. e UStG für die Steuerfreiheit der Umsätze von
Einrichtungen zur ambulanten Pflege auf die Kostenübernahme im
vorangegangenen Kalenderjahr abgestellt hat. Denn - wie dargelegt -
ist für diese Regelung ein sachlicher Grund maßgebend;
sie verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung bzw. der steuerlichen Neutralität.
3. Die vom Kläger gerügten
Verfahrensmängel liegen nicht vor. Dem FG musste sich nicht
aufdrängen, dass der Kläger möglicherweise auch
Behandlungspflege durchführte. Vielmehr wäre es seine,
des Klägers, Sache gewesen, dies vorzutragen. Von einer
weiteren Begründung insoweit sieht der Senat ab.