Vereinsbetreuer, USt-Freiheit: 1. Umsätze aus einer Betreuungstätigkeit im Jahr 1999 waren nicht nach § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG 1993/1999 steuerfrei, soweit die Leistungsempfänger mittellos waren. Diese Umsätze waren nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. - 2. Das in § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG 1993/1999 geregelte Abstandsgebot ist insofern gemeinschaftsrechtswidrig, als es auch für behördlich genehmigte Preise i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gilt. - 3. Ein zu einem anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege gehörender und gemeinnützigen Zwecken dienender Verein kann sich für die Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung für Betreuungsleistungen unmittelbar auf die günstigere Regelung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen. (Hinweis aus BStBl 2013 II S. 967 auf BMF-Schreiben vom 22. November 2013 - IV D 3 - S 7172/13/10001 = SIS 13 30 99) - Urt.; BFH 17.2.2009, XI R 67/06; SIS 09 10 06
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist ein eingetragener Verein. Nach seiner Satzung
bezweckt er den Schutz und die Hilfe für Mädchen und
Frauen, die sich in geistiger, sittlicher oder wirtschaftlicher Not
befinden, unter Berücksichtigung der häuslichen,
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwelt. Seine
Tätigkeit umfasst u.a. die Bereiche Kinder-, Jugend-,
Familien-, Sozial-, Gefährdeten- und Gesundheitspflege und die
Betreuung von Volljährigen (i.S. von §§ 1896 ff. des
Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - ), die aufgrund einer
psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder
seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise
nicht besorgen können. Der Kläger ist dem Deutschen
Caritasverband angeschlossen. Er wurde u.a. durch
Freistellungsbescheid vom 3.4.2001 als ausschließlich und
unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienend anerkannt.
Eine Umsatzsteuererklärung für
1999 gab der Kläger nicht ab.
Nach den Feststellungen der
Umsatzsteuer-Sonderprüfung betreffend die Jahre 1995 bis 2000
führten hierzu bestellte Mitarbeiter des Klägers
(Vereinsbetreuer) die Betreuungsleistungen aus. Die Vereinsbetreuer
zeichneten ihre täglichen Leistungen auf und erstellten einmal
im halben Jahr eine Auflistung, die der Kläger dem
zuständigen Amtsgericht zur Abrechnung vorlegte. Im Streitjahr
1999 erhielt der Kläger eine Vergütung von 60 DM pro
Stunde.
Der Umsatzsteuer-Sonderprüfer kam zu
dem Ergebnis, dass für die gegenüber mittellosen Personen
erbrachten Leistungen eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 des
Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) nicht in Betracht komme, weil
nach dem Gesetz über die Vergütung von
Berufsvormündern - BVormVG - (BGBl I 1998, 1580) die
Vergütungen für Berufs- und Vereinsbetreuer einheitlich
festgelegt seien und es deshalb an dem Tatbestandsmerkmal der
Entgeltsbeschränkung i.S. von § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c
UStG fehle. Für die Betreuungsleistungen der Vereinsbetreuer
komme nur die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG in Betracht.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) schloss sich der Auffassung des Prüfers an
(vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom
21.9.2000 IV D 1 - S 7175 - 1/00, BStBl I 2000, 1251 = SIS 00 12 86). Er unterwarf u.a. die im Streitjahr 1999 erzielten Einnahmen
des Klägers aus der Betreuungstätigkeit unter Anwendung
des ermäßigten Steuersatzes der Umsatzsteuer und
erließ am 28.2.2001 einen entsprechenden
Umsatzsteuerbescheid.
Der Einspruch des Klägers, mit dem er
die Auffassung vertrat, dass die Entgelte aus den
Betreuungsleistungen steuerfrei seien, blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage
für die Festsetzungszeiträume 1994 bis 1998 sowie
für das Streitjahr 1999 statt. Sein Urteil ist in EFG 2007,
300 = SIS 08 34 51 veröffentlicht.
Zur Begründung der Revision beruft
sich das FA auf die Verletzung materiellen Rechts.
§ 4 Nr. 18 UStG und insbesondere auch
das Abstandsgebot des § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG seien
nach der im Schrifttum nahezu einhellig geteilten
Verwaltungsauffassung von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 4.
Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) gedeckt.
Nach dieser Bestimmung dürften
Mitgliedstaaten die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der
Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Steuerbefreiung von Bedingungen
abhängig machen, damit die Befreiung nicht zu
Wettbewerbsverzerrungen zuungunsten von der Mehrwertsteuer
unterliegenden gewerblichen Unternehmen führe. Um eine solche
Regelung handele es sich bei dem Abstandsgebot des § 4 Nr. 18
Satz 1 Buchst. c UStG. Die Einschränkung der Steuerbefreiung
ziele insbesondere darauf ab, nur solche Unternehmer in den Genuss
der Steuerbefreiung kommen zu lassen, deren Entgelte hinter den
durchschnittlich für gleichartige Leistungen von den
gewerblichen Unternehmen verlangten Entgelten zurückblieben
und die mangels marktorientierter Preise nicht in einer echten
Wettbewerbssituation zu gewerblichen Unternehmen
stünden.
Demgegenüber könne die vom FG
gegen die Verwaltungsauffassung vorgebrachte - im Schrifttum wohl
erstmals von Hüttemann (UR 2006, 441, 451 f.) formulierte -
Argumentation, das Abstandsgebot könne aus Gründen der
systematischen Auslegung des Richtlinienrechts nicht aus Art. 13
Teil A Abs. 2 Buchst. a 4. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG
abgeleitet werden, nicht überzeugen.
Insbesondere komme eine unmittelbare
Anwendung der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht. Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) könne zwar ein Mitgliedstaat einem
Unternehmer, der beweisen könne, dass er unter den
Befreiungstatbestand der Richtlinie 77/388/EWG falle, nicht
entgegenhalten, dass er die Vorschriften, die die Anwendung dieser
Steuerbefreiung erleichtern sollten, nicht erlassen habe. Ein
derartiger Fall liege jedoch nicht vor, weil der nationale
Gesetzgeber bezogen auf die Leistungen des Klägers in § 4
Nr. 18 UStG die Regelungen zur Anwendung dieser
Steuerbefreiungsvorschrift geschaffen habe. Ferner sei es den
Mitgliedstaaten ausdrücklich freigestellt, die Steuerbefreiung
von zusätzlichen Bedingungen abhängig zu machen.
Das FA hatte zunächst beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Klage gegen die
Umsatzsteuerbescheide für 1994 bis 1999 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 27.2.2002 abzuweisen.
Es hat in der mündlichen Verhandlung
beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit sie den
Umsatzsteuerbescheid für 1999 betrifft und diesen Bescheid
dahin zu ändern, dass nur noch die Umsätze aus der
Betreuung mittelloser Personen der Umsatzsteuer unterworfen
werden.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist unbegründet
und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom
Kläger ausgeführten Betreuungsleistungen gegenüber
den mittellosen Leistungsempfängern zwar nicht in den
Anwendungsbereich der in § 4 Nr. 18 UStG vorgesehenen
Steuerbefreiung fallen, sich der Kläger insoweit aber
unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG berufen kann.
1. Die gegenüber mittellosen Personen
erbrachten Betreuungsleistungen des Klägers waren nicht
steuerfrei nach § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG.
Umsatzsteuerfrei sind nach § 4 Nr. 18
Satz 1 UStG in der seit dem 1.1.1968 (BGBl I 1967, 545, BStBl I
1967, 224) geltenden Fassung
„die Leistungen der amtlich
anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der
freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften,
Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem
Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, wenn
a) diese Unternehmer ausschließlich
und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder
kirchlichen Zwecken dienen,
b) die Leistungen unmittelbar dem nach der
Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten
Personenkreis zugute kommen und
c) die Entgelte für die in Betracht
kommenden Leistungen hinter den durchschnittlich für
gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten
zurückbleiben“.
a) Nach den den Senat bindenden Feststellungen
des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist der Kläger einem nach
§ 23 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung
1993/1999 in der im Streitjahr 1999 geltenden Fassung (UStDV)
amtlich anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege
angeschlossen, so dass er in den Anwendungsbereich der Vorschrift
fällt. Ferner hat das FG festgestellt, dass der Kläger
als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen
Zwecken dienend anerkannt ist und seine Leistungen unmittelbar dem
nach der Vereinssatzung begünstigten Personenkreis zugute
kommen. Somit liegen die Voraussetzungen von § 4 Nr. 18 Satz 1
Buchst. a und Buchst. b UStG vor.
b) Allerdings sind die Voraussetzungen des
sog. Abstandsgebots des § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG nicht
erfüllt.
Die Entgeltsbeschränkung des § 4 Nr.
18 Satz 1 Buchst. c UStG ist nur gegeben, wenn die vom
Betreuungsverein nach § 1908e BGB geltend gemachte und
bewilligte Vergütung tatsächlich hinter den
durchschnittlich für gleichartige Leistungen von
Berufsbetreuern geltend gemachten und bewilligten Vergütungen
ggf. zuzüglich entsprechendem Aufwendungsersatz
zurückbleibt (vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1251 =
SIS 00 12 86, unter Tz. 3. Buchst. a).
Dies ist im Streitjahr 1999 bei den
gegenüber mittellosen Leistungsempfängern
ausgeführten Betreuungsleistungen des Klägers nicht der
Fall (vgl. Huschens in Vogel/Schwarz, UStG, § 4 Nr. 18 Rz 58).
Denn im Jahr 1999 ist das BVormVG in Kraft getreten, welches die
Aufwandsentschädigung von Vereins- und Berufsbetreuern bei
Betreuungsleistungen gegenüber mittellosen
Leistungsempfängern einheitlich regelt (§ 1836a BGB).
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG betrug die
zu gewährende Vergütung seinerzeit pro Stunde 35 DM und
konnte sich je nach der Vorbildung des Betreuers auf bis zu 60 DM
pro Stunde erhöhen. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2
BVormVG wurde eine auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer
zusätzlich ersetzt.
Das von einem Berufsbetreuer in Rechnung
gestellte Entgelt wird mit Umsatzsteuer belastet (vgl.
BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1251 = SIS 00 12 86). Dies
führt jedoch noch nicht zu einer entscheidungserheblichen
Erhöhung der durch die Berufsbetreuer vereinnahmten Entgelte
im Zusammenhang mit der Entgeltsbeschränkung. Denn nach §
10 Abs. 1 Satz 2 UStG gehört die Umsatzsteuer nicht zum
Entgelt im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Gemäß einer in
der Literatur zitierten früheren Verwaltungsauffassung sollte
zwar die Voraussetzung des niedrigeren Entgelts bereits dann
erfüllt sein, wenn die Entgelte mindestens um die ersparte
Umsatzsteuer hinter den vergleichbaren Entgelten zurückblieben
(Weymüller in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr.
18 Rz 34, m.w.N.). Der Senat kann sich dieser Auffassung aber nicht
anschließen. Wird für soziale Einrichtungen die
Befreiung von der Umsatzsteuer nur unter der Voraussetzung
gewährt, dass ein Unterschied zu den von Erwerbsunternehmen
vereinnahmten Entgelten besteht, muss bei diesem Preisvergleich die
Umsatzsteuer außer Betracht bleiben, weil andernfalls
unterschiedliche Größen miteinander verglichen
würden und das, was erst durch den Preisvergleich ermittelt
werden soll, vorweggenommen würde.
2. Dem FG ist aber darin zu folgen, dass der
Kläger sich für die Steuerfreiheit seiner gegenüber
mittellosen Leistungsempfängern erbrachten
Betreuungsleistungen im Streitjahr 1999 unmittelbar auf Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG berufen kann.
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG bestimmt:
„Unbeschadet sonstiger
Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den
Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und
einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur
Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und
etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
...
g) die eng mit der Sozialfürsorge und
der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und
Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen
der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts
oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen
mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen;
...“
Das UStG hatte diese Richtlinienbestimmung -
wie auch die anderen in Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG
aufgeführten Steuerbefreiungen - bisher lediglich dadurch
„umgesetzt“, dass es die bereits bei
Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG vorhandenen, teilweise
bereits im UStG 1951 enthaltenen Steuerbefreiungstatbestände
im Wesentlichen unverändert weitergeführt hat (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.8.2005 V R 71/03, BFHE
211, 543, BStBl II 2006, 143 = SIS 06 01 79).
a) Ein Einzelner kann sich in Ermangelung
fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf
Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und
hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht
richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen (vgl.
ständige EuGH-Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 10.9.2002 Rs.
C-141/00 - Kügler -, Slg. 2002, I-6833 = SIS 02 97 10, Randnr.
51).
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG zählt die Tätigkeiten, die steuerfrei sind,
hinreichend genau und unbedingt auf (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2002,
I-6833, Randnr. 53).
b) Für die Inanspruchnahme der
Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG genügt es, dass zwei Voraussetzungen erfüllt
sind, und zwar
-
|
zum einen, dass es sich um Leistungen handelt,
die mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden
sind, und
|
|
|
-
|
zum anderen, dass diese Leistungen von
Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen
Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als
Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt
worden sind, erbracht werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 211, 543,
BStBl II 2006, 143 = SIS 06 01 79).
|
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall
gegeben.
Die durch den Kläger über seine
Vereinsbetreuer entsprechend seinem Satzungszweck erbrachten
Betreuungsleistungen sind Dienstleistungen, die unmittelbar
Ausdruck der in dieser Bestimmung genannten Sozialfürsorge und
der sozialen Sicherheit sind. Ferner handelt es sich bei dem
Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zu einem anerkannten
Verband der freien Wohlfahrtspflege i.S. von § 23 Nr. 2 UStDV
auch um eine in der Bundesrepublik Deutschland anerkannte
Einrichtung mit sozialem Charakter.
3. Zwar könnte die unmittelbare Berufung
auf die in der Richtlinie 77/388/EWG gewährte Steuerbefreiung
dann ausgeschlossen sein, wenn das in § 4 Nr. 18 Satz 1
Buchst. c UStG geregelte Abstandsgebot auf eine der Bedingungen
gestützt werden könnte, von denen die Mitgliedstaaten
nach Art. 13 Teil A Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG die
Steuerbefreiung abhängig machen dürfen. Das ist aber
entgegen der Auffassung des FA nicht der Fall.
Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist
nicht durch Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der
Richtlinie 77/388/EWG ausgeschlossen.
a) Danach können die Mitgliedstaaten die
Gewährung der unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b, g, h, i,
l, m und n der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Befreiungen
für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des
öffentlichen Rechts sind, von Fall zu Fall von der
Erfüllung einer oder mehrerer der folgenden Bedingungen
abhängig machen.
Der 3. Gedankenstrich dieser Bestimmung
lautet: „Es müssen Preise angewendet werden, die von
den zuständigen Behörden genehmigt sind, oder solche, die
die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei
Tätigkeiten, für die eine Preisgenehmigung nicht
vorgesehen ist, müssen Preise angewendet werden, die unter den
Preisen liegen, die von der Mehrwertsteuer unterliegenden
gewerblichen Unternehmen für entsprechende Tätigkeiten
gefordert werden.“
Daraus ist erkennbar, dass im Unterschied zu
§ 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG zwischen Tätigkeiten,
auf die behördlich genehmigte Preise angewendet werden, und
solchen Tätigkeiten, für die eine Preisgenehmigung nicht
vorgesehen ist, differenziert wird (vgl. Husmann/Hölzer in
Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 18 Rz
7). Nur für die zuletzt genannte Fallgruppe sieht Art. 13 Teil
A Abs. 2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG eine
Entgeltsbeschränkung vor. § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c
UStG setzt die genannte Richtlinienbestimmung insofern nicht
zutreffend um, als das Abstandsgebot dort auch für
Tätigkeiten gilt, für die behördlich genehmigte -
und insofern festgelegte - Preise bestehen. Die vom nationalen
Gesetzgeber vorgesehene Beschränkung der Umsatzsteuerbefreiung
geht somit über die in der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene
Ermächtigung hinaus. Auch wenn die Richtlinie 77/388/EWG den
Mitgliedstaaten insofern einen Gestaltungsspielraum eröffnet,
als die Steuerbefreiung von einer oder mehreren der in den
einzelnen Gedankenstrichen aufgeführten Bedingungen
abhängig gemacht werden darf, bedeutet dies nicht, dass die
Mitgliedstaaten bei Anwendung einer der Bedingungen diese auch mit
inhaltlich überschießender Tendenz umsetzen dürfen,
wie dies bei § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG der Fall ist.
Dies entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck der vorgesehenen
Steuerbefreiung (vgl. Hüttemann, UR 2006, 441, 451; in diesem
Sinne auch Kossack in Offerhaus/Söhn/Lange, § 4 Nr. 18
UStG Rz 35).
b) Die im Streitfall festgesetzten
Vergütungen für Dienstleistungen, die gegenüber
mittellosen Leistungsempfängern erbracht wurden, beruhen auf
Preisen, die i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 3.
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG von der zuständigen
Behörde genehmigt worden sind.
Wird die Vergütung des Betreuers durch
den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (vgl. dazu § 56g
Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes über die Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit - FGG - in der für das Streitjahr
1999 gültigen Fassung; § 15 des Gesetzes über die
Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen - ZuSEG -
in der für 1999 geltenden Fassung; vgl. Bleutge, Gesetz
über die Entschädigung von Zeugen und
Sachverständigen, Kommentar, 3. Aufl., § 15 Rz 5;
MünchKommBGB/ Wagenitz, 5. Aufl., Vor § 1835 Rz 15)
festgesetzt, dann wird funktional eine Behörde tätig.
Wird sie durch gerichtlichen Beschluss (vgl. § 16 Abs. 1 ZuSEG
oder § 56g Abs. 1 Satz 1 FGG) festgesetzt, übt das
Vormundschaftsgericht eine Funktion aus, die unter
Berücksichtigung des Zwecks des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst.
a 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG mit der einer
Behörde vergleichbar ist. Nach dem Zweck der Bestimmung sollen
staatlich kontrollierte Preise begünstigt behandelt werden.
Wenn die Richtlinie 77/388/EWG dafür eine behördliche
Genehmigung vorsieht, kann es nicht schädlich sein, wenn die
Kontrolltätigkeit sogar durch ein Gericht ausgeübt
wird.
Die für die Betreuungsleistungen in den
Abrechnungen von den Betreuern geltend gemachten Beträge
(„Preise“) werden nur in der Höhe
festgesetzt, in der sie sich nach einer Prüfung durch den
Urkundsbeamten oder das Gericht als gerechtfertigt erweisen. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass Ausgangspunkt der nach dem
BVormVG geschuldeten Vergütungshöhe die Zeit ist, die der
Betreuer für die Betreuungsaufgaben tatsächlich
aufgewendet hat und die zu dieser Geschäftsbesorgung auch
erforderlich war. Der Urkundsbeamte oder das Gericht hat zu
entscheiden, welcher der nach § 1 Abs. 1 BVormVG in Betracht
kommenden Stundensätze zu gewähren ist und ob der vom
Betreuer für seine jeweilige Betreuungstätigkeit geltend
gemachte Zeitaufwand auch objektiv erforderlich war (vgl. hierzu
z.B. MünchKommBGB/ Wagenitz, a.a.O., § 1836a Rz 15
ff.).
c) Der Inanspruchnahme der Steuerbefreiung
steht auch nicht Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 4. Gedankenstrich
der Richtlinie 77/388/EWG entgegen.
Die Bestimmung lautet: „Die
Befreiungen dürfen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen
zuungunsten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen
Unternehmen führen.“
Auf diese Bestimmung kann das Abstandsgebot
des § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c UStG nicht gestützt
werden. Denn soweit die Mitgliedstaaten in Art. 13 Teil A Abs. 2
der Richtlinie 77/388/EWG ermächtigt sind, die in Abs. 1 der
Bestimmung grundsätzlich vorgesehenen Steuerbefreiungen
für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des
öffentlichen Rechts sind, von der Erfüllung von
Bedingungen abhängig zu machen, stellt Art. 13 Teil A Abs. 2
Buchst. a 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich
der Preisgestaltung eine Spezialbestimmung dar. Wenn ein
Mitgliedstaat die Preisgestaltung als einschränkendes Merkmal
für die Steuerfreiheit wählen möchte, muss er davon
in der in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der
Richtlinie 77/388/EWG vorgeschriebenen Weise Gebrauch machen. Diese
Bestimmung würde unterlaufen und sich als
überflüssig erweisen, wenn es den Mitgliedstaaten erlaubt
wäre, sie nur teilweise umzusetzen und dies mit einer der
anderen Bedingungen des Art. 13 Teil A Abs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG zu begründen, von denen die Mitgliedstaaten die
Befreiung abhängig machen dürfen (vgl. auch
Hüttemann, UR 2006, 441, 452; Kossak in Offerhaus, Söhn,
Lange, § 4 Nr. 18 UStG Rz 35).
Soweit das FA in diesem Zusammenhang
ergänzend auf den in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2.
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG enthaltenen Ausschluss der
Steuerbefreiung aus Wettbewerbsverbotsgründen Bezug nimmt,
gelten die vorstehenden Ausführungen unter II.3.c
entsprechend.
4. Eine Vorlage an den EuGH gemäß
Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft ist nicht erforderlich, weil der Senat keinen
vernünftigen Zweifel daran hat, dass der Kläger sich auf
die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der
Richtlinie 77/388/EWG berufen kann.