1
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) betreibt in A einen ambulanten Pflegedienst. Sie
ist examinierte Krankenschwester und arbeitete 1992 als angestellte
Pflegedienstleiterin in einer Sozialstation. Daneben betreute sie
ab Anfang 1993 einzelne Patienten selbständig und meldete zum
1.6.1993 einen ambulanten Pflegedienst an. Auf ihren Antrag vom
27.8.1993 wurde sie zum 1.10.1993 für die Leistungen der
Häuslichen Krankenpflege (§ 37 des Fünften Buchs
Sozialgesetzbuch in der damals geltenden Fassung - SGB V - ),
Häuslichen Pflegehilfe (§§ 53 bis 56 SGB V) und
Haushaltshilfe (§ 38 SGB V) zu den Krankenkassen
zugelassen.
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2
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In den Umsatzsteuererklärungen
für 1993 und 1994 (Streitjahre) behandelte sie ihre
Umsätze als gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. e des
Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) steuerfrei.
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3
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Im Jahr 1999 stellte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) fest, dass die
Klägerin (mit ihrem Personal) im Jahr 1993 insgesamt 76
Personen behandelt hatte, von denen 52 Personen (= 68 %)
Privatzahler waren. Daraufhin versagte das FA die Steuerfreiheit
der von der Klägerin im Jahr 1993 erbrachten Leistungen
gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG unter Hinweis
darauf, dass nach dieser Vorschrift in mindestens zwei Drittel der
Fälle die Kosten von den gesetzlichen Trägern der
Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe ganz oder zum
überwiegenden Teil getragen worden sein müssten. Die
Steuerfreiheit für die von der Klägerin im Jahr 1994
erbrachten Leistungen nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG versagte
das FA, weil die Vorschrift auf die Verhältnisse des Vorjahrs
abstelle. Allerdings greife die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4
Nr. 14 UStG ein, soweit die Klägerin Leistungen der
Behandlungspflege erbracht habe; deren Anteil schätzte das FA
auf ein Drittel (Umsatzsteuerbescheide für 1993 und 1994 vom
27.4.1999).
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Dagegen erhob die Klägerin nach
erfolglosem Einspruch Klage. Während des Klageverfahrens legte
sie ein an sie gerichtetes Schreiben der Verwaltung A vom
19.10.2005 vor, nach dem sie zum einen spätestens seit 1988
die gleichen Leistungen erbracht bzw. die gleichen Tätigkeiten
ausgeführt habe wie die Pflegestationen (Sozialstationen) aus
dem Kreis der Liga der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in
Berlin und zum anderen sie bzw. ihr Unternehmen in
sozialrechtlicher Hinsicht als Einrichtung mit sozialem Charakter
anerkannt worden sei.
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5
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage
überwiegend statt. Es führte aus, die im Streitjahr 1993
bis zum 1. Oktober ausgeführten Umsätze der Klägerin
seien, soweit sie auf die Behandlungspflege entfielen,
gemäß § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei; deren
Anteil schätzte das FG auf der Grundlage von Berechnungen, die
die Klägerin im Klageverfahren vorgelegt hatte, auf 75
%.
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Für den Zeitraum vom 1.10.1993 bis
31.12.1994 könne die Klägerin die Steuerbefreiung nach
§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG beanspruchen. Ab diesem Zeitraum
seien mindestens zwei Drittel dieser Umsätze auf Personen
entfallen, bei denen die Pflegekosten von den gesetzlichen
Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder
überwiegend getragen worden seien. § 4 Nr. 16 Buchst. e
UStG sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass erst der
Zeitraum ab Oktober 1993 heranzuziehen sei.
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7
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Das Urteil des FG ist veröffentlicht
in EFG 2007, 624 = SIS 07 01 54.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG.
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9
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Die Klägerin hingegen beruft sich
für die Steuerfreiheit ihrer Umsätze unmittelbar auf Art.
13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie
77/388/EWG).
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Der Senat hat mit Beschluss vom 2.3.2011 XI
R 47/07 (BFHE 232, 568, BStBl II 2012, 699 = SIS 11 13 24) das
Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
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„1. Erlauben es Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. g und/oder Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG dem
nationalen Gesetzgeber, die Steuerbefreiung der Leistungen zur
ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen davon
abhängig zu machen, dass bei diesen Einrichtungen ‘im
vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens zwei
Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der
Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum
überwiegenden Teil getragen worden sind’ (§ 4 Nr.
16 Buchst. e UStG)?
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12
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2. Ist es unter Berücksichtigung des
Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer für die
Antwort auf diese Frage von Bedeutung, dass der nationale
Gesetzgeber dieselben Leistungen unter anderen Voraussetzungen als
steuerfrei behandelt, wenn sie von amtlich anerkannten
Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und der freien
Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften,
Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem
Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, ausgeführt
werden (§ 4 Nr. 18 UStG)?“
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13
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Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom
15.11.2012 C-174/11 - Zimmermann - (UR 2013, 35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30) wie folgt beantwortet:
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„Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem:
einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage verbietet es bei
einer Auslegung im Licht des Grundsatzes der steuerlichen
Neutralität, dass die Mehrwertsteuerbefreiung der von
gewerblichen Leistungserbringern erbrachten ambulanten Pflege von
einer Bedingung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden
abhängig gemacht wird, nach der die Kosten dieser Pflege im
vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens zwei Drittel der
Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung
oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen
worden sein müssen, wenn diese Bedingung nicht geeignet ist,
im Rahmen der für die Zwecke dieser Vorschrift erfolgenden
Anerkennung des sozialen Charakters von Einrichtungen, die keine
Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, die
Gleichbehandlung zu gewährleisten.“
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15
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Das FA hat sich zur Entscheidung des EuGH
nicht geäußert.
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16
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Die Klägerin sieht ihre
Rechtsauffassung bestätigt.
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17
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Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen, soweit das FG die Klagestattgabe für
den Zeitraum vom 1.10.1993 bis zum 31.12.1994 auf § 4 Nr. 16
Buchst. e UStG gestützt hat.
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18
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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19
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II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zu Recht
entschieden, dass die streitigen Umsätze der Klägerin von
der Steuer befreit sind.
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20
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1. Der Senat versteht das Revisionsbegehren
des FA trotz dessen (umfassenden) Antrags, die Klage insgesamt
abzuweisen, unter Zugrundelegung der Revisionsbegründung
dahingehend, dass das FG-Urteil nur insoweit angegriffen werden
soll, als das FG seine Klagestattgabe - für den Zeitraum vom
1.10.1993 bis 31.12.1994 - auf § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG
gestützt hat.
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21
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Soweit das FG entschieden hat, die im Zeitraum
vom 1. Januar bis 30.9.1993 ausgeführten Umsätze der
Klägerin seien bei einem (geschätzten) Anteil der
Behandlungspflege von 75 % nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG
steuerfrei, hat das FA keine Rechts- oder Verfahrensfehler geltend
gemacht.
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22
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Dass Leistungen der Behandlungspflege (nicht
aber Leistungen der Grundpflege und der haushaltswirtschaftlichen
Versorgung) durch dazu qualifiziertes Krankenpflegepersonal nach
§ 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei sind, entspricht der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. z.B. Urteil vom
22.4.2004 V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849 = SIS 04 27 51; Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 10.9.2002 C-141/00 -
Kügler -, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30 = SIS 02 97 10).
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23
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2. a) Nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG in
der in den Streitjahren 1993 und 1994 geltenden Fassung waren von
den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG fallenden Umsätzen
steuerfrei u.a. „die mit dem Betrieb ... der Einrichtungen
zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen
eng verbundenen Umsätze, wenn
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a) diese Einrichtungen von juristischen
Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden“ -
was im Streitfall ausscheidet - „oder
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...
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e) ... im vorangegangenen Kalenderjahr die
Pflegekosten in mindestens zwei Drittel der Fälle von den
gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe
ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden
sind“.
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24
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b) Die Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG - nunmehr Art. 132 Abs.
1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach
befreien unbeschadet sonstiger Vorschriften „die
Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur
Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der
nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von
Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen
Missbräuchen festsetzen, von der Steuer: ...
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g) die eng mit der Sozialfürsorge und
der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und
Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen
der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts
oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen
mit sozialen Charakter anerkannte Einrichtungen“.
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Nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG - nunmehr Art. 133 MwStSystRL - können
die Mitgliedstaaten die Gewährung der unter Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Befreiung
für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des
öffentlichen Rechts sind, von Fall zu Fall von der
Erfüllung näher bezeichneter Bedingungen abhängig
machen.
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26
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3. Die streitbefangenen Leistungen der
Klägerin sind nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG
steuerfrei.
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27
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Zwar hat das FG für den Senat bindend
festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass die Klägerin zum
1.10.1993 für die Leistungen der Häuslichen Krankenpflege
(§ 37 SGB V), Häuslichen Pflegehilfe (§§ 53 bis
56 SGB V) und Haushaltshilfe (§ 38 SGB V) zu den Krankenkassen
zugelassen worden ist, und dass in dem im Revisionsverfahren allein
noch verbliebenen Streitzeitraum vom 1.10.1993 bis 31.12.1994
mindestens zwei Drittel ihrer Umsätze auf Personen entfallen
sind, bei denen die Pflegekosten von den gesetzlichen Trägern
der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder überwiegend
getragen worden sind. Der Tatbestand des § 4 Nr. 16 Buchst. e
UStG ist jedoch insoweit nicht erfüllt, als die Pflegekosten
nicht „im vorangegangenen Kalenderjahr“ in
mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen
Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum
überwiegenden Teil getragen worden sind.
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4. Für die Steuerfreiheit der
streitbefangenen Leistungen kann sich die Klägerin jedoch mit
Erfolg unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der
Richtlinie 77/388/EWG berufen (vgl. dazu EuGH-Urteil - Zimmermann -
in UR 2013, 35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30, Rz 32; BFH-Urteile vom
18.8.2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143 = SIS 06 01 79; vom 1.12.2010 XI R 46/08, BFHE 232, 232 = SIS 11 05 50).
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29
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a) Die Klägerin hat in Ausübung der
ambulanten Pflege eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen
Sicherheit verbundene Leistungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG erbracht (vgl. EuGH-Urteile -
Kügler - in Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, Rz 44;
- Zimmermann - in UR 2013, 35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30, Rz 22
bis 24). Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
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30
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b) Bei der Klägerin handelt es sich zudem
um eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte
Einrichtung i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG.
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31
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aa) Vorgenannte Vorschrift legt die
Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Es
ist daher grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts
jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen diesen
Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann. Die
Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen
(EuGH-Urteile vom 26.5.2005 C-498/03 - Kingscrest Associates und
Montecello -, Slg. 2005, I-4427, UR 2005, 453 = SIS 05 30 13, Rz
49, 51; - Zimmermann - in UR 2013, 35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30,
Rz 26).
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32
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Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand
aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der
Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter
anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung ist (EuGH-Urteile
- Kügler - in Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, Rz
61; - Zimmermann - in UR 2013, 35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30, Rz
32).
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bb) Nach dem EuGH-Urteil - Zimmermann - (UR
2013, 35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30) geht es vorliegend im
Wesentlichen darum, ob die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland)
bei der Ausgestaltung der Anerkennung i.S. von Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG die Grenzen des ihr
zustehenden Ermessens beachtet hat (vgl. Rz 28; s.a. EuGH-Urteil -
Kügler - in Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, Rz
55). Ficht ein Steuerpflichtiger die Anerkennung oder die
Nichtanerkennung der Eigenschaft als Einrichtung mit sozialem
Charakter i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG an, haben die nationalen Gerichte demgemäß zu
prüfen, ob die zuständigen Behörden die Grenzen des
ihnen in diesem Artikel eingeräumten Ermessens unter Beachtung
der Grundsätze des Unionsrechts eingehalten haben,
einschließlich insbesondere des Grundsatzes der
Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der
steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt (EuGH-Urteile -
Kügler - in Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, Rz 56;
- Zimmermann - in UR 2013, 35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30, Rz
33).
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34
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cc) Hierzu führt der EuGH in seinem
Urteil - Zimmermann - (UR 2013, 35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30)
näher aus:
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35
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„31
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Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs
geht jedoch hervor, dass es bei der Bestimmung der Einrichtungen,
deren ‘sozialer Charakter’ im Sinne von Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie für die Zwecke dieser
Bestimmung anzuerkennen ist, Sache der nationalen Behörden
ist, im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der
nationalen Gerichte mehrere Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Zu ihnen können das Bestehen spezifischer Vorschriften –
seien es nationale oder regionale, Rechts- oder
Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im
Bereich der sozialen Sicherheit –, das mit den
Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene
Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit
den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer
ähnlichen Anerkennung kommen, und der Gesichtspunkt
zählen, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter
Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen
Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden (vgl.
in diesem Sinne Urteile Kügler, Randnrn. 57 und 58, und
Kingscrest Associates und Montecello, Randnr. 53, sowie
entsprechend Urteile vom 6.11.2003, Dornier, C-45/01, Slg. 2003,
I-12911 = SIS 04 01 38, Randnrn. 72 und 73, L. u. P., Randnr. 53,
und CopyGene, Randnrn. 65 und 71). ...
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35
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Was zunächst die Zwei-Drittel-Grenze
betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der in Randnr. 31 des
vorliegenden Urteils dargestellten Rechtsprechung die Tatsache,
dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum
großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der
sozialen Sicherheit übernommen werden, einen Gesichtspunkt
darstellt, der bei der Festlegung der Einrichtungen
berücksichtigt werden kann, deren ‘sozialer
Charakter’ im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der
Sechsten Richtlinie für die Zwecke dieser Bestimmung
anzuerkennen ist.
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...
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37
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Entsprechend ist das Erfordernis einer wie
im Ausgangsverfahren auf zwei Drittel der Fälle festgesetzten
Schwelle für die Zwecke der Anwendung von Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie zu beurteilen. Durch das
Erfordernis einer solchen Schwelle wird nämlich auf
ähnliche Weise dem Bedürfnis entsprochen, bei der
Anwendung dieser Vorschrift den sozialen Charakter von
Einrichtungen anzuerkennen. Ebenso überschreitet ein
Mitgliedstaat das ihm nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der
Sechsten Richtlinie zustehende Ermessen grundsätzlich nicht
dadurch, dass er auch im Zusammenhang mit der im Ausgangsverfahren
in Rede stehenden Bedingung verlangt, dass die Kosten für die
betreffenden Leistungen der ambulanten Pflege ganz oder zum
überwiegenden Teil von den gesetzlichen Sozialversicherungs-
oder Sozialhilfeträgern übernommen worden sein
müssen. ...
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40
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... ist es erforderlichenfalls Sache des
vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob in den Situationen, in
denen von Beginn der betreffenden Tätigkeiten an der
‘soziale Charakter’ im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. g der Sechsten Richtlinie nach der in Randnr. 31 des
vorliegenden Urteils dargestellten Rechtsprechung anzuerkennen
wäre, die Pflicht, ausschließlich auf das vorangegangene
Kalenderjahr abzustellen, zur Folge hat, dass hinsichtlich des
ersten Kalenderjahrs dieser Tätigkeiten oder sogar ihrer
ersten beiden Kalenderjahre die Anerkennung des ‘sozialen
Charakters’ des betreffenden Leistungserbringers im Sinne
dieser Vorschrift automatisch und zwangsläufig ausgeschlossen
ist.
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41
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Soweit die Pflicht, ausschließlich auf
das vorangegangene Kalenderjahr abzustellen, dies zur Folge
hätte, kann sie nicht auf der Grundlage des Einleitungssatzes
von Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie gerechtfertigt
werden.“
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36
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dd) Unter Anlegung dieser Maßstäbe
hat Deutschland bei der Ausgestaltung der Anerkennung i.S. von Art.
13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG die Grenzen
des ihm zustehenden Ermessens nicht beachtet.
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37
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Zwar hat der EuGH im Urteil - Zimmermann - (UR
2013, 35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30) die Zwei-Drittel-Grenze des
§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG sowie die dort normierte Bedingung,
dass die Kosten für die betreffenden Leistungen der ambulanten
Pflege ganz oder zum überwiegenden Teil von den gesetzlichen
Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgern übernommen
worden sein müssen, ausdrücklich gebilligt. Durch die in
§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG normierte Pflicht,
diesbezüglich jeweils auf das vorangegangene Kalenderjahr
abzustellen, würde jedoch die Anerkennung des
„sozialen Charakters“ der Klägerin für
den Streitzeitraum, in dem sie dem Grunde nach Umsätze i.S.
des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG ausführte, automatisch und
zwangsläufig ausgeschlossen. Hierfür bietet Art. 13 Teil
A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG keine Grundlage
(EuGH-Urteil - Zimmermann - in UR 2013, 35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30, Rz 40, 41).
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38
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Aus den Ausführungen des EuGH ergibt sich
ferner, dass insofern auf die Tätigkeit der Klägerin im
Zeitraum ab dem 1.10.1993 abzustellen ist, ab dem die
Zwei-Drittel-Grenze erfüllt ist, und nicht auf das
Kalenderjahr 1993.
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39
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c) Die Steuerbefreiung der streitigen
Leistungen ist nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG ausgeschlossen.
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40
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aa) Nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b
erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG sind von der
Steuerbefreiung Dienstleistungen ausgeschlossen, wenn sie zur
Ausübung der von der Steuer befreiten Tätigkeiten nicht
unerlässlich sind (vgl. EuGH-Urteil - Zimmermann - in UR 2013,
35, HFR 2013, 84 = SIS 13 02 30, Rz 61, m.w.N.).
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41
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Vorliegend ist weder durch das FG festgestellt
noch überhaupt vom FA geltend gemacht, dass die Klägerin
solche von der Steuerbefreiung ausgeschlossenen Dienstleistungen
getätigt hätte.
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bb) Hinsichtlich Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst.
b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG, nach dem
Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen von der in
Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen
Steuerbefreiung ausgeschlossen sind, wenn sie im Wesentlichen dazu
bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch
Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb
mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden
gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden, sind diese
Voraussetzungen für einen Ausschluss der Steuerbefreiung weder
vorgetragen noch ersichtlich.
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