Auf die Revision der Klägerin werden das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 22.10.2014 4 K 2056/11 und
die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 9.6.2011 sowie der
Umsatzsteuerbescheid des Finanzamts vom 15.6.2010 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
1
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I. Streitig ist, ob die von der
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im
Streitjahr (2007) erbrachten Betreuungsleistungen gegenüber
Kindern und Jugendlichen steuerfrei sind.
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2
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Die Klägerin ist eine juristische
Person in der Rechtsform einer GmbH, die nach ihrem
Gesellschaftszweck ausschließlich und unmittelbar
gemeinnützige Zwecke verfolgt. Diese Zwecke bestehen u.a. in
der Förderung der Jugend in Bildung und Erziehung sowie der
Jugendhilfe nach §§ 27 ff. des Kinder- und
Jugendhilfegesetzes (KJHG).
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3
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Der Satzungszweck wird insbesondere
verwirklicht durch:
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“a) Hilfen zur Erziehung nach
§§ 27 ff. KJHG, hier insbesondere die Unterhaltung einer
Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, für stationäre und
ambulante Hilfen, zur Bekämpfung der Verwahrlosung, u.a. bei
Drogenmissbrauch, körperlicher und seelischer
Misshandlung“.
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4
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Hierzu erbringt die Klägerin u.a.
Betreuungsleistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten
Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII). Die
für entsprechende Einrichtungen (Wohnheime) erforderlichen
Betriebserlaubnisse sind ihr gemäß § 45 SGB VIII
durch den Landschaftsverband ... (Verband) mit den Bescheiden vom
18.2.2002 und vom 2.3.2007 erteilt worden. Die für ihre
Betreuungsleistungen geschuldeten Entgelte stellte die
Klägerin der - als Trägerin der freien Jugendhilfe nach
§ 75 i.V.m. § 45 SGB VIII anerkannten - GbR in Rechnung.
Diese rechnete die unter Einschaltung der Klägerin erbrachten
Leistungen mit den öffentlichen Trägern der Kinder- und
Jugendhilfe ab.
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5
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Die Klägerin hielt ihre Leistungen
für steuerfrei und gab daher für das Streitjahr keine
Umsatzsteuererklärung ab. Dagegen unterwarf der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) im Anschluss an eine
Außenprüfung die von der Klägerin erbrachten
Leistungen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe in Höhe von
115.319 EUR (netto) der Umsatzsteuer. Die Voraussetzungen einer
Steuerbefreiung lägen weder nach nationalem Recht noch nach
Unionsrecht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
könnten nur solche Einrichtungen als Einrichtungen mit
sozialem Charakter anerkannt werden, die - anders als die
Klägerin im Streitfall - unmittelbar mit den öffentlichen
Trägern der sozialen Sicherheit abrechneten.
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6
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Gegen den erstmaligen Umsatzsteuerbescheid
2007 vom 15.6.2010 legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein.
Die Klage wies das Finanzgericht (FG) mit dem in EFG 2015, 164 =
SIS 15 01 97 veröffentlichten Urteil ab. Die Leistungen seien
nicht nach nationalem Recht steuerfrei. Die Klägerin
könne sich auch nicht mit Erfolg auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. h
der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem vom 28.11.2006 (MwStSystRL) berufen. Sie habe
zwar Leistungen erbracht, die eng mit der Kinder- und
Jugendbetreuung verbunden sind, sie sei aber nicht als Einrichtung
mit sozialem Charakter anerkannt.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Bundesrechts und beruft sich
auf die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. h
MwStSystRL.
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Die Anerkennung als Einrichtung mit
sozialem Charakter folge bereits aus der mittelbaren Übernahme
der Kosten für die Leistungen durch die öffentlichen
Träger der Kinder- und Jugendhilfe über die GbR. Nach den
Senatsurteilen vom 8.11.2007 V R 2/06 (BFHE 219, 428, BStBl II
2008, 634 = SIS 08 10 21) sowie vom 8.8.2013 V R 8/12 (BFHE 242,
548 = SIS 13 30 68) setze die Anerkennung zwar eine unmittelbare
vertragliche Beziehung voraus, ob der BFH an dieser Rechtsprechung
festhalten wolle, sei allerdings nach dem BFH-Beschluss vom
12.12.2013 XI B 88/13 (BFH/NV 2014, 550 = SIS 14 07 34) fraglich.
Die Unmittelbarkeit der Leistungsbeziehung zu einer
öffentlich-rechtlichen Einrichtung sei nicht zwingend aus Art.
132 Abs. 1 Buchst. g, h oder i MwStSystRL abzuleiten.
Außerdem beeinträchtige das Erfordernis einer
unmittelbaren Vertragsbeziehung die Funktionsfähigkeit des
Jugendhilferechts in erheblichem Maße.
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9
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Darüber hinaus folge ihre Anerkennung
als Einrichtung mit sozialem Charakter aus der ihr gemäß
§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erteilten
Betriebserlaubnis.
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Die Klägerin beantragt, den Bescheid
über Umsatzsteuer für 2007 vom 15.6.2010 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 9.6.2011 sowie das Urteil des FG vom
22.10.2014 4 K 2056/11 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision der
Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG stelle zu Recht auf die fehlenden
unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin
und dem Sozialversicherungsträger ab. Die Klägerin sei
ausschließlich aufgrund ihres Vertrags mit der GbR tätig
geworden und habe selbst keine unmittelbaren vertraglichen
Beziehungen mit dem Jugendamt als Träger der sozialen
Sicherheit abgeschlossen.
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13
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Eine mittelbare Kostentragung durch den
Sozialleistungsträger führte zu einem praktischen
Nachweisproblem, da der Subunternehmer in der Regel von der
Abrechnung bzw. der Höhe der tatsächlich vom
Sozialleistungsträger erstatteten Kosten nichts
erfahre.
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Den Mitgliedstaaten stehe ein gewisser
Gestaltungsspielraum zur Anerkennung einer Einrichtung zu. Die ab
dem 1.1.2008 geltende Anerkennung von anderen Einrichtungen mit
sozialem Charakter nach § 4 Nr. 25 des Umsatzsteuergesetzes
2005 in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) könne keine
Auswirkungen auf die Beurteilung des Streitjahres haben, da
ansonsten gesetzliche Änderungen für die Anerkennung
stets Rückwirkung entfalteten und die Rechtssicherheit zur
Beurteilung der Steuerfreiheit der Leistungen beeinträchtigt
würde.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage
stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zwar eine
Steuerfreiheit der Betreuungsleistungen nach nationalem Recht
zutreffend abgelehnt. Entgegen der Auffassung des FG ist die
Klägerin jedoch als Einrichtung mit sozialem Charakter
anerkannt, sodass die von ihr erbrachten Betreuungsleistungen nach
Unionsrecht steuerfrei sind.
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1. Eine Steuerfreiheit der von der
Klägerin erbrachten Leistungen ergibt sich nicht aus dem
nationalen Recht:
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a) Nach § 4 Nr. 25 UStG sind bestimmte,
unter a) bis c) bezeichnete Leistungen der „Träger
der öffentlichen Jugendhilfe und der
förderungswürdigen Träger der freien
Jugendhilfe“ steuerfrei. Diese Norm verweist auf §
75 SGB VIII. Als Träger der freien Jugendhilfe können
danach juristische Personen und Personenvereinigungen anerkannt
werden, wenn sie
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“1. auf dem Gebiet der Jugendhilfe i.S.
des § 1 tätig sind,
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2. gemeinnützige Ziele verfolgen,
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3. auf Grund der fachlichen und personellen
Voraussetzungen erwarten lassen, dass sie einen nicht
unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der
Jugendhilfe zu leisten imstande sind, und
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4. die Gewähr für eine den Zielen
des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten.“
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Im Streitfall wurde nicht die Klägerin,
sondern die GbR als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt.
Ob die Klägerin die Voraussetzungen für eine Anerkennung
erfüllt, kann vorliegend offen bleiben. Denn die
Betreuungsleistungen der Klägerin fallen weder unter die in
Buchstabe a bezeichneten Tätigkeiten (Durchführung von
Lehrgängen, Freizeiten, Zeltlagern, Fahrten und Treffen sowie
von Veranstaltungen, die dem Sport oder der Erholung dienen) noch
unter die in Buchstabe b bezeichneten Leistungen (Beherbergung,
Beköstigung und übliche Naturalleistungen, die den
Jugendlichen und Mitarbeitern gewährt werden) des § 4 Nr.
25 UStG. Es geht auch nicht um die Durchführung von
kulturellen und sportlichen Veranstaltungen im Rahmen der
Jugendhilfe (§ 4 Nr. 25 Buchst. c UStG).
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b) Nach § 4 Nr. 25 UStG 2005 i.d.F. des
Jahressteuergesetzes (JStG) 2008 sind die Leistungen der
Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch
(...) steuerfrei, wenn diese Leistungen von Trägern der
öffentlichen Jugendhilfe oder anderen Einrichtungen mit
sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit
sozialem Charakter i.S. dieser Vorschrift sind:
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“a) von der zuständigen
Jugendbehörde anerkannte Träger der freien Jugendhilfe,
die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen
Rechts sowie die amtlich anerkannten Verbände der freien
Wohlfahrtspflege,
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b) Einrichtungen, soweit sie
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aa) für ihre Leistungen eine im Achten
Buch Sozialgesetzbuch geforderte Erlaubnis besitzen oder nach
§ 44 oder § 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Achten Buches
Sozialgesetzbuch einer Erlaubnis nicht bedürfen,
(...)“.
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aa) Die Klägerin ist, wie unter II.1.a
ausgeführt wurde, kein Träger der Jugendhilfe, sie
gehört aber zu den anderen Einrichtungen mit sozialem
Charakter. Denn sie unterhält ein Wohnheim, in dem Kinder und
Jugendliche mit psychischer Behinderung untergebracht sind.
Für den Betrieb dieser Einrichtung ist eine Betriebserlaubnis
nach § 45 SGB VIII erforderlich. Diese ist der Klägerin
durch den Verband (Landesjugendamt) mit den Bescheiden vom
18.2.2002 und 2.3.2007 erteilt worden.
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bb) Eine Steuerbefreiung der erbrachten
Leistungen scheidet im Streitfall jedoch aus, weil die Neufassung
des § 4 Nr. 25 UStG gemäß § 27 Abs. 1 UStG
i.V.m. Art. 28 Abs. 4 JStG 2008 erst für Umsätze gilt,
die ab dem 1.1.2008 ausgeführt werden.
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2. Die Klägerin kann sich für die
Steuerfreiheit ihrer Leistungen aber auf das Unionsrecht
berufen.
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Steuerfrei sind nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. h
MwStSystRL (bis 31.12.2006: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG - Richtlinie 77/388/EWG - ) „eng mit der
Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen und
Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des
öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden
Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte
Einrichtungen“.
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Diese Bestimmung knüpft an leistungs- und
an personenbezogene Voraussetzungen an: Es muss sich um eng mit der
Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen handeln und
der leistende Unternehmer muss als Einrichtung mit sozialem
Charakter anerkannt sein.
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a) Die Leistungen der Klägerin sind eng
mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbunden. Sie betreibt ein
Wohnheim, in dem psychisch und seelisch kranke Kinder und
Jugendliche untergebracht sind und behandelt werden. Damit wird sie
gegenüber dem Jugendamt im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe
(§§ 27 bis 41 SGB VIII) tätig.
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b) Die Klägerin ist - entgegen dem Urteil
des FG - auch als Einrichtung i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. h
MwStSystRL „anerkannt“.
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aa) Nach dem zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
g der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) Zimmermann vom 15.11.2012 C-174/11
(EU:C:2012:716 = SIS 13 02 30, Rz 26) legt die Richtlinie die
Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest.
Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes
Mitgliedstaates, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen
die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Dabei haben
die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und
unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die
Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu
berücksichtigen. Zu diesen gehören das Bestehen
spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder
regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften
oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann,
das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen
verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere
Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den
Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und die
Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum
großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere
Einrichtungen der sozialen Sicherheit (EuGH-Urteil Zimmermann,
EU:C:2012:716 = SIS 13 02 30, Rz 31).
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Der Steuerpflichtige kann sich auf die in Art.
132 Abs. 1 MwStSystRL vorgesehene Steuerfreiheit berufen, um sich
einer Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung
unvereinbar ist. Es ist Sache der nationalen Gerichte, anhand aller
maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der
Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter
anerkannte Einrichtung i.S. dieser Bestimmung ist. Dabei haben die
nationalen Gerichte zu prüfen, ob die zuständigen
Behörden die Grenzen des ihnen eingeräumten Ermessens
unter Beachtung der Grundsätze des Unionsrechts eingehalten
haben, zu denen insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung
gehört, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der
steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt (EuGH-Urteil
Zimmermann, EU:C:2012:716 = SIS 13 02 30, Rz 32 f.). Dies gilt auch
für Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL.
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bb) Im Streitfall folgt die Anerkennung der
Klägerin aus spezifischen Vorschriften im Bereich der sozialen
Sicherheit, ihrer Tätigkeit im Gemeinwohlinteresse sowie der
(mittelbaren) Kostenübernahme:
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30
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(1) Für die Anerkennung der Klägerin
spricht insbesondere die Erteilung der Betriebserlaubnis nach
§ 45 SGB VIII. Dabei handelt es sich - entgegen der Auffassung
des FG - nicht nur um eine Regelung der Heimaufsicht über die
Einrichtungen des Jugendhilferechts, sondern um eine spezifische
Vorschrift im Bereich der sozialen Sicherheit. Maßgeblich
dafür ist, dass § 45 Abs. 2 SGB VIII der im Streitjahr
geltenden Fassung eine Versagung der Erlaubnis vorsieht, wenn
„die Betreuung der Kinder oder der Jugendlichen durch
‘geeignete Kräfte’ nicht gesichert ist“
oder „in sonstiger Weise das Wohl der Kinder oder der
Jugendlichen in der Einrichtung nicht gewährleistet
ist“.
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31
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Die danach erforderliche „positive
Eignungsfeststellung“ stellt keine bloße
Nebenbedingung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis dar.
Ist die Betreuung der Kinder durch geeignete Kräfte nicht
gesichert, ist vielmehr bereits die Betriebserlaubnis nach §
45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII zwingend zu versagen. Daraus folgt,
dass schon vor der Erteilung der Betriebserlaubnis nach § 45
Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die Prüfung und positive Feststellung
der persönlichen und fachlichen Eignung des in der Einrichtung
konkret zum Einsatz kommenden Leitungs- und Betreuungspersonals
erforderlich ist (Beschluss des Oberverwaltungsgerichts - OVG -
Nordrhein-Westfalen vom 27.11.2007 12 A 4697/06, FEVS 59, 318,
Leitsatz). Die zwingende Versagung bei nicht gesicherter Betreuung
der Kinder durch geeignete Kräfte trägt dem Umstand
Rechnung, dass der Betreuung durch geeignete Kräfte im
Hinblick auf das in der Einrichtung vom Einrichtungsträger zu
gewährleistende Kindeswohl zentrale Bedeutung zukommt: Der
Betrieb der Einrichtung steht und fällt mit dem eingesetzten
Personal (OVG-Beschluss in FEVS 59, 318, Rz 41 und 52).
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32
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Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass
die Eignung der in der Einrichtung tätigen Kräfte ein
besonders bedeutsames Kriterium bei der Beurteilung des Kindeswohls
darstellt. Die Eignung des Personals umfasst sowohl die
persönliche Eignung (i.S. persönlicher
Zuverlässigkeit) als auch die fachliche Eignung (Beschluss des
OVG Saarland vom 30.4.2013 3 A 194/12, Leitsatz 2). Auch wenn der
Gesetzgeber insoweit nicht von
„Fachkräften“ spricht, erfordert die
fachliche Eignung in der Regel eine adäquate Ausbildung. Die
an die Qualifikation zu stellenden Anforderungen sind abhängig
von der fachlichen Zweckbestimmung der Einrichtung und dem
jeweiligen Aufgabenfeld der einzelnen Beschäftigten (Beschluss
des OVG Saarland, a.a.O., Rz 16, m.w.N.).
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Die Qualifizierung des § 45 SGB VIII als
spezifische Vorschrift im Bereich der sozialen Sicherheit ergibt
sich weiterhin aus der zum 1.1.2008 in Kraft getretenen
Gesetzesänderung des § 4 Nr. 25 UStG sowie der
Gesetzesbegründung. Die Gesetzesänderung diente - wie
sich aus der Übernahme des unionsrechtlichen Begriffs der
„anderen Einrichtung mit sozialem Charakter“
ergibt - der Anpassung des nationalen Rechts an die Erfordernisse
des Unionsrechts in Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL (vgl.
BTDrucks 16/6290, S. 78). Auf der Grundlage der „dort
eingeräumten Befugnisse“ erkennt der Gesetzgeber
bestimmte weitere Einrichtungen an, soweit sie für ihre
Leistungen eine im SGB VIII geforderte Erlaubnis besitzen. Dazu
gehört u.a. der Erlaubnistatbestand des § 45 Abs. 1 SGB
VIII.
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34
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Bestätigt wird diese Auffassung durch die
Ausführungen des EuGH im Urteil Les Jardins de Jouvence vom
21.1.2016 C-335/14 (EU:C:2016:36 = SIS 16 02 98). Im Rahmen der
Anerkennungskriterien kann danach auch der Umstand
berücksichtigt werden, dass (...) Einrichtungen für
betreutes Wohnen, zusammen mit Altenheimen und
Tagesbetreuungszentren per Dekret einheitlichen Regelungen
unterliegen, die den unterschiedlichen institutionalisierten Formen
der Unterstützung und Betreuung von Senioren einen Rahmen
geben sollen (Rz 37 des EuGH-Urteils Les Jardins de Jouvence). Nach
dem maßgeblichen Dekret ist der Betrieb eines Altenheims oder
einer Einrichtung für betreutes Wohnen von der Erlangung einer
Genehmigung abhängig, die erteilt wird, wenn diese
Einrichtungen bestimmten Vorschriften entsprechen (Rz 8 und 9 des
EuGH-Urteils Les Jardins de Jouvence, EU:C:2016:36 = SIS 16 02 98).
Im Streitfall besteht mit § 45 SGB VIII eine dem Inhalt des
Dekrets vergleichbare gesetzliche Regelung für die Erlangung
einer Genehmigung. Die Klägerin erfüllte die darin
für die Erlangung der Genehmigung aufgestellten Erfordernisse,
sodass ihr eine Betriebserlaubnis für die von ihr betriebenen
Wohnheime erteilt wurde. Dementsprechend hat der Senat bereits im
Urteil vom 23.10.2014 V R 20/14 (BFHE 248, 376 = SIS 15 03 63, Rz
18) eine „Genehmigung“ als ein Indiz dafür
gewertet, dass der Leistungserbringer
„ordnungsgemäß anerkannt“ ist.
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(2) An der Tätigkeit der Klägerin im
Bereich der Kinder- und Jugendbetreuung besteht ein besonderes
Gemeinwohlinteresse. Psychische Erkrankungen im Kindes- und
Jugendalter können bei unzureichender Behandlung und Betreuung
nicht nur die Entwicklung des Kindes und die aktuelle
Lebensqualität beeinträchtigen, sondern sich auch auf die
Leistungsfähigkeit im Erwachsenenalter und damit
gesamtgesellschaftlich nachteilig auswirken. Es liegt daher im
allgemeinen Interesse, psychisch Erkrankte bereits frühzeitig
zu betreuen und ihnen die Chance einer Teilhabe am späteren
Erwerbsleben und der Gesellschaft zu ermöglichen.
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(3) Zu berücksichtigen ist
schließlich die Übernahme der Kosten der fraglichen
Leistungen durch Einrichtungen der sozialen Sicherheit. Nach den
bindenden Feststellungen des FG stellt die Klägerin die von
ihr erbrachten Leistungen der als Trägerin der freien
Jugendhilfe nach § 75 i.V.m. § 45 SGB VIII anerkannten
GbR in Rechnung. Diese wiederum rechnete die von der Klägerin
erbrachten Leistungen mit den öffentlichen Trägern der
Kinder- und Jugendhilfe ab. Auch eine derartige mittelbare oder
„durchgeleitete“ Kostentragung erfüllt nach
der jüngsten Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom
18.8.2015 V R 13/14, BFHE 251, 282 = SIS 15 23 06) das Merkmal der
Kostenübernahme. Danach muss berücksichtigt werden, dass
die Klägerin Mitglied in einem
„anerkannten“ Verein zur Erbringung von
Pflegeleistungen war, dessen Kosten weitgehend von den Pflegekassen
getragen worden sind. Im Streitfall besteht - ebenso wie im
BFH-Urteil in BFHE 251, 282 = SIS 15 23 06 - eine mittelbare oder
„durchgeleitete“ Kostentragung.
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Damit erfüllt die Klägerin mehrere -
bei der Beurteilung der Eigenschaft als Einrichtung mit sozialem
Charakter - zu berücksichtigende Gesichtspunkte. Da diese
nicht kumulativ zu verstehen sind (BFH-Urteile vom 25.4.2013 V R
7/11, BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976 = SIS 13 20 29, sowie vom
8.6.2011 XI R 22/09, BFHE 234, 448 = SIS 11 27 64) und somit nicht
vollständig vorliegen müssen, führt auch eine
Gesamtwürdigung der maßgeblichen Kriterien dazu, dass
die Klägerin als Einrichtung mit sozialem Charakter anzusehen
ist. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der nationale
Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum dahingehend ausgeübt
habe, andere Einrichtungen - wie die Klägerin - erst ab dem
1.1.2008 anzuerkennen. Denn die für die Anerkennung
maßgebenden Umstände, insbesondere § 45 SGB VIII
als spezifische Vorschrift im Bereich der sozialen Sicherheit,
haben bereits im Streitjahr vorgelegen. Die Anerkennung der
Klägerin als Einrichtung mit sozialem Charakter beruht auch
nicht auf einer unzulässigen Rückwirkung des § 4 Nr.
25 UStG n.F., sondern auf dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es bei Verstößen
gegen Unionsrecht Sache des nationalen Gerichts, etwaige
Konsequenzen auch für die Vergangenheit zu ziehen (Urteil
Marks & Spencer vom 10.4.2008 C-309/06, EU:C:2008:211 = SIS 08 20 61, Leitsatz 5 sowie Rz 60 für einen Verstoß gegen
den Grundsatz der Gleichbehandlung).
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c) Der Steuerfreiheit der Betreuungsleistungen
steht nicht entgegen, dass die Klägerin keine direkten
vertraglichen Beziehungen zu den öffentlichen Trägern der
Kinder- und Jugendhilfe unterhielt, sondern sich verpflichtet
hatte, ihre Leistungen gegenüber der GbR zu erbringen und
demgemäß auch dieser gegenüber abrechnete.
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39
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aa) Der Senat hatte zwar im Urteil in BFHE
219, 428, BStBl II 2008, 634 = SIS 08 10 21 ausgeführt, die
Anerkennung des betreffenden Mitgliedstaates als eine
„Einrichtung mit vergleichbarer Zielrichtung“
setze zumindest eine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen
diesem oder seinen Untergliederungen und dem Unternehmer voraus,
sodass es nicht ausreichend sei, wenn der Unternehmer lediglich als
Subunternehmer für eine anerkannte Einrichtung tätig
geworden ist (BFH-Urteil in BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634 = SIS 08 10 21, Rz 43 der Entscheidungsgründe).
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40
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bb) Vor dieser Aussage wird aber die
Rechtsprechung wiedergegeben, wonach die Anerkennung eines
Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter auch aus
der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch
Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit
abgeleitet werden könne (Rz 41 der Entscheidungsgründe).
Die Ausführungen des BFH sind demnach nicht in dem Sinne zu
verstehen, dass nur bei Vorliegen (unmittelbarer) vertraglicher
Vereinbarungen eine Anerkennung in Betracht komme. Eine derartige
Einschränkung stünde insbesondere nicht im Einklang mit
der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH, die lediglich
darauf abstellt, ob „die Kosten der fraglichen Leistungen
... von Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen
werden“ (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29.7.2015 XI R 35/13,
BFHE 251, 91 = SIS 15 22 54). Dementsprechend hat es der erkennende
Senat im Urteil in BFHE 251, 282 = SIS 15 23 06 als unerheblich
angesehen, dass keine direkten vertraglichen Vereinbarungen mit den
öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe
bestanden.
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41
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d) Gegen die Anerkennung der Klägerin als
Einrichtung mit sozialem Charakter sprechen auch nicht die vom FA
vorgetragenen Nachweisprobleme in Fällen der weitergeleiteten
(mittelbaren) Kostentragung. Diese betreffen das Verfahrensrecht
und sind nach allgemeinen Grundsätzen dahingehend zu
lösen, dass derjenige, der die Umsatzsteuerfreiheit begehrt,
die Feststellungslast für die hierfür
entscheidungserheblichen Tatsachen trägt und - wenn die
für die Umsatzsteuerbefreiung erforderlichen Feststellungen
nicht möglich sein sollten - dies zu seinen Lasten geht (vgl.
BFH-Beschluss vom 18.2.2008 V B 35/06,
BFH/NV 2008, 1001 = SIS 08 21 45,
m.w.N.).
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42
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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