1
|
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Vom
Versorgungswerk der Apothekerkammer Nordrhein (Versorgungswerk)
erhielt der 1949 geborene Kläger im März 2009 eine
einmalige Kapitalzahlung in Höhe von 350.642,34 EUR. Ferner
bezieht er seitdem ein vorgezogenes monatliches Altersruhegeld in
Höhe von 242 EUR.
|
|
|
2
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) besteuerte sowohl die Kapitalleistung als auch
die Rentenzahlungen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst.
a Doppelbuchst. aa Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der im
Streitjahr gültigen Fassung (EStG) mit einem
Besteuerungsanteil von 58 %.
|
|
|
3
|
Die Kläger sind der Ansicht, die
Kapitalzahlung sei nicht steuerpflichtig. Es handele sich weder um
eine Leibrente noch um eine andere Leistung i.S. von § 22 Nr.
1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, da sie eine Einmalzahlung
und keinen wiederkehrenden Bezug darstelle. § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG müsse im Kontext mit Satz 1
dieser Vorschrift gesehen werden, der nur „Einkünfte aus
wiederkehrenden Bezügen“ erfasse. Das
Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) vom 5.7.2004 (BGBl I 2004,
1427) habe daran nichts geändert.
|
|
|
4
|
Gehe man demgegenüber davon aus, es
komme auf die äußere Form der Zahlung nicht an und eine
Wiederkehr der Leistungen sei für die steuerliche Erfassung
nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG nicht
erforderlich, müsse dies auch für Einmalzahlungen
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb
EStG gelten. Hier lehne das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
die Erfassung einmaliger Leistungen jedoch ausdrücklich ab
(Schreiben vom 13.9.2010, BStBl I 2010, 681 = SIS 10 26 24, Rz 195
f.).
|
|
|
5
|
Da die Satzung des Versorgungswerks das
Kapitalisierungswahlrecht nur für den Teil des
Deckungskapitals vorsehe, der auf Beitragszahlungen vor dem
1.1.2005 beruhe, seien die zugrunde liegenden Beiträge ebenso
wie Beiträge zu den Altverträgen einer
Kapitallebensversicherung unter den Voraussetzungen des § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der vor dem
Inkrafttreten des AltEinkG geltenden Fassung (EStG a.F.) abziehbar
gewesen. Daher müsse die Einmalzahlung aus einem
Versorgungswerk einkommensteuerrechtlich ebenso behandelt werden
wie die Einmalzahlung aus einer „alten“
Kapitallebensversicherung.
|
|
|
6
|
Das Versorgungswerk hätte zudem
aufgrund der bestehenden Kapitalabfindungsmöglichkeit ohne
Satzungsänderung gar nicht als Basisversorgung der sog. ersten
Schicht anerkannt werden können. Nur wegen dieser
Satzungsänderung könnten die Beiträge auch ab 2005
als Sonderausgaben abgezogen werden. Hätte das Versorgungswerk
die Satzung nicht geändert, bestünde die Gefahr einer
Doppelbesteuerung, da § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und §
22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG nicht systemkonform
aufeinander abgestimmt worden seien. Während für den
Sonderausgabenabzug der Beiträge gefordert werde, dass die
berufsständischen Versorgungseinrichtungen Leistungen zu
erbringen hätten, die denen der gesetzlichen
Rentenversicherung vergleichbar seien, fehle diese Voraussetzung
bei der Besteuerung der entsprechenden Leistungen.
|
|
|
7
|
Ein vergleichbares Problem ergebe sich bei
einem privaten Rentenversicherungsvertrag, der in einen nach §
10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG begünstigten Vertrag
umgewandelt worden sei. Hier vertrete die Finanzverwaltung die
Auffassung, die Umwandlung führe zur Beendigung des
bestehenden Vertrags und zum Abschluss eines neuen
Basisrentenversicherungsvertrags. Konsequenz sei - bei Vorliegen
der entsprechenden Voraussetzungen - die Besteuerung nach § 20
Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 681 =
SIS 10 26 24, Rz 148). Vor diesem Hintergrund hätte der
Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung auch
für die vor 2005 begründeten Anwartschaften aus
berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die die
Voraussetzungen für die Basisversorgung nicht erfüllten,
Bestandsschutz gewähren müssen. Es sei nicht
begründbar, dass Auszahlungen aus Altanwartschaften, die nur
wegen einer Satzungsänderung der sog. ersten Schicht
zuzurechnen seien, steuerlich erheblich schlechter gestellt
würden als Auszahlungen der sog. dritten Schicht, obwohl im
Rahmen des durch das AltEinkG eingeführten
Drei-Schichten-Modells die sog. erste Schicht als besonders schutz-
und förderungswürdig anzusehen sei.
|
|
|
8
|
Der Kapitalzahlung in Höhe von
350.642,34 EUR und der monatlichen Rentenleistung in Höhe von
242 EUR liege kein einheitliches Rentenstammrecht zugrunde, so dass
auch keine einheitliche Besteuerung der Rente und der Einmalzahlung
in Betracht komme. Die Aufspaltung in eine Rentenanwartschaft -
basierend auf den ab 2005 entrichteten Beiträgen - und in eine
Kapitalzahlung sei dem Umstand geschuldet, dass die
ursprüngliche Satzung des Versorgungswerks die Voraussetzungen
des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht erfüllt habe
und daher eine Anpassung geboten gewesen sei.
|
|
|
9
|
Im Übrigen würden
Kapitalauszahlungen und laufende Renten auch bei
Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht - als Teil der sog.
dritten Schicht - nicht stets einheitlich behandelt. So unterliege
der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der
Summe der auf sie entrichteten Beiträge im Erlebensfall oder
bei Rückkauf des Vertrags der Besteuerung nach § 20 Abs.
1 Nr. 6 EStG, soweit nicht die lebenslange Rente gewählt
werde, die gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb EStG zu besteuern sei. Gäbe es die Regelung
in § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG nicht, würde ein einheitlicher
Vertrag - als Rentenversicherungsvertrag mit Teilkapitalauszahlung
- wohl insgesamt der Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG unterliegen mit der Folge,
dass die Teilkapitalauszahlung steuerlich nicht erfasst werden
könnte.
|
|
|
10
|
Zudem verstoße die Steuerpflicht der
Kapitalzahlung gegen das Verbot der Doppelbesteuerung. Der
Kläger habe im Zeitraum von 1981 bis 2004 Beiträge in
Höhe von insgesamt 194.899 EUR an das Versorgungswerk
entrichtet. Nachprüfungen hätten ergeben, dass bereits in
den Jahren 1997 bis 2004 54.351 EUR aus versteuertem Einkommen in
das Versorgungswerk eingezahlt worden seien, dies entspreche im
Durchschnitt 63,45 % der insgesamt in das Versorgungswerk
eingezahlten Beiträge. Werde dieser Durchschnittssatz auf die
gesamten Einzahlungen angewendet, seien 123.664 EUR (63,45 % von
194.899 EUR) aus versteuertem Einkommen in das Versorgungswerk
eingezahlt worden. Daraus ergebe sich - falls überhaupt von
einer Steuerpflicht der Kapitalzahlung ausgegangen werde - die
folgende steuerliche Bemessungsgrundlage:
|
|
|
11
|
Kapitalauszahlung
|
350.642 EUR
|
|
|
abzgl. versteuerte Beiträge
|
./.
123.664 EUR
|
|
|
Zwischensumme
|
226.978 EUR
|
|
|
Besteuerungsanteil 58 %
|
131.647 EUR
|
|
|
|
12
|
Zudem sei, wenn man wie das FA ein
einheitliches Rentenstammrecht annehme, die kapitalisierte
Rentenzahlung kein typischer Ablauf für die Basisversorgung,
so dass konsequenterweise die Tarifbegünstigung
gemäß § 34 Abs. 1 EStG gewährt werden
müsse (vgl. auch R 34.4 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien
- EStR - ).
|
|
|
13
|
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies
das Finanzgericht (FG) die Klage mit dem in EFG 2012, 1062 = SIS 12 17 66 veröffentlichten Urteil ab.
|
|
|
14
|
Zur Begründung ihrer Revision
wiederholen und ergänzen die Kläger ihr
Vorbringen.
|
|
|
15
|
Die Kläger beantragen, das
angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2009
vom 4.3.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.8.2011
insoweit zu ändern, dass die Einnahmen des Klägers i.S.
des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG um die
Kapitalzahlung aus dem Versorgungswerk in Höhe von 350.642,34
EUR gemindert werden,
|
|
hilfsweise
|
|
dass die Kapitalzahlung nur in Höhe
von 226.978 EUR x 58 % = 131.647 EUR als sonstige Einkünfte
i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG
angesetzt und gemäß § 34 Abs. 1 EStG
ermäßigt besteuert wird.
|
|
|
16
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
17
|
II. Die Revision der Kläger führt
zur Aufhebung des Urteils und der Einspruchsentscheidung vom
4.8.2011 sowie zur Änderung des Einkommensteuerbescheids 2009
in dem durch den Urteilstenor umschriebenen Umfang. Das FG hat zwar
zu Recht die Entscheidung des FA nicht beanstandet, die vom
Kläger bezogene Kapitalzahlung in Höhe von 350.642,34 EUR
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
EStG mit einem Besteuerungsanteil von 58 % zu besteuern. Zu Unrecht
hat es aber die Anwendung des § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4
EStG abgelehnt.
|
|
|
18
|
Bei der Kapitalzahlung des Versorgungswerks
handelt es sich um eine andere Leistung gemäß § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (unter 1.). Ihre
Besteuerung mit dem Besteuerungsanteil des § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG verletzt weder den
Gleichheitssatz (unter 2.) noch das Verbot der Doppelbesteuerung
(unter 3.) oder das der Rückwirkung (unter 4.). Die
Kapitalzahlung kann nicht lediglich in Höhe von 226.978 EUR
mit dem Besteuerungsanteil von 58 % besteuert werden (unter 5.).
Sie ist jedoch gemäß § 34 Abs. 1 EStG
ermäßigt zu besteuern (unter 6.).
|
|
|
19
|
1. Gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG
sind sonstige Einkünfte Einkünfte aus
„wiederkehrenden Leistungen“. Nach § 22 Nr.
1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG gehören zu den in
Satz 1 bezeichneten Einkünften auch Leibrenten und
„andere Leistungen“, die u.a. aus den
gesetzlichen Rentenversicherungen und den berufsständischen
Versorgungseinrichtungen erbracht werden, soweit sie der
Besteuerung unterliegen.
|
|
|
20
|
a) Maßgebend für die Auslegung einer
Gesetzesbestimmung ist der in der Norm zum Ausdruck kommende
objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem
Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie
hineingestellt ist (Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -
vom 20.3.2002 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, unter B.II.1.a,
m.w.N.). Um den objektiven Willen des Gesetzgebers zu erfassen,
können alle herkömmlichen Auslegungsmethoden herangezogen
werden. Sie schließen einander nicht aus, sondern
ergänzen sich gegenseitig. Das gilt auch für die
Heranziehung der Gesetzesmaterialien, soweit sie auf den objektiven
Gesetzesinhalt schließen lassen. Sie dürfen jedoch nicht
dazu verleiten, die Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem
objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen. Der Wille des
Gesetzgebers kann bei der Auslegung des Gesetzes daher nur insoweit
berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst einen
hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (so BVerfG-Beschluss
vom 17.5.1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, unter B.I.1.,
m.w.N.).
|
|
|
21
|
b) Unter Berücksichtigung dieser
Grundsätze ist § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst.
aa EStG so auszulegen, dass eine Besteuerung als „andere
Leistung“ nicht zugleich das Vorliegen wiederkehrender
Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG erfordert.
|
|
|
22
|
aa) Der auslegungsbedürftige Wortlaut des
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ist so zu verstehen, dass der
Besteuerungsgegenstand der sonstigen Einkünfte des § 22
EStG für die Fallgruppen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
EStG autonom durch die Begriffe „Leibrenten und andere
Leistungen“ in Verbindung mit den Aufzählungen und
Definitionen in den nachfolgenden Doppelbuchst. aa und bb
umschrieben wird. Die „anderen Leistungen“ des
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG liegen damit unabhängig
davon vor, ob sie gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG
wiederkehrend sind (so im Ergebnis z.B. Senatsbeschluss vom
25.3.2010 X B 142/09, BFH/NV 2010, 1275 = SIS 10 18 27, unter
II.2.e; Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.3.2012 12 K 74/11,
nicht veröffentlicht - n.v. - ; FG Münster, Urteil vom
16.5.2012 12 K 1280/08 E, EFG 2012, 1753 = SIS 12 20 62;
BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 681 = SIS 10 26 24, Rz 143; die h.M.
in der Literatur, vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 32. Aufl.,
§ 22 Rz 4, 41; Fischer in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 22
Rz 38; Bauschatz in Korn, § 22 EStG Rz 94; Lüsch in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 22
Rz 88; a.A. Killat-Risthaus in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -,
§ 22 EStG Rz 277; zweifelnd Lindberg in Frotscher, EStG,
Freiburg 2011, § 22 Rz 151). Dass in § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG als Bemessungsgrundlage
für den der Besteuerung unterliegenden Anteil der Jahresbetrag
der Rente gesondert genannt wird, steht einer solchen Auslegung
nicht entgegen, da es sich um eine notwendige Spezialvorschrift
für Rentenbezüge handelt, auf die § 22 Nr. 1 Satz 3
EStG in erster Linie zugeschnitten ist (vgl. auch
Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.3.2012 12 K 74/11,
n.v.).
|
|
|
23
|
bb) Der Auffassung der Kläger, die
„anderen Leistungen“ i.S. des § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a EStG müssten ebenfalls das in § 22 Nr. 1
Satz 1 EStG genannte Merkmal der „wiederkehrenden
Bezüge“ erfüllen (so auch HHR/Killat-Risthaus,
§ 22 EStG Rz 277), steht der ausdrückliche Wille des
Gesetzgebers entgegen.
|
|
|
24
|
Im Gesetzgebungsverfahren zum AltEinkG wurde
der ursprüngliche Gesetzesentwurf hinsichtlich der
steuerlichen Behandlung der Beiträge und Leistungen
berufsständischer Versorgungswerke durch den Finanzausschuss
des Deutschen Bundestages (Finanzausschuss) mit der Begründung
geändert, die berufsständischen Versorgungseinrichtungen
stellten ein auf öffentlich-rechtlicher Grundlage beruhendes
Ersatzsystem zur gesetzlichen Rentenversicherung dar (BTDrucks
15/3004, 17). Infolgedessen sind die an die Versorgungswerke
geleisteten Beiträge nicht mehr wie Beiträge zugunsten
privater Leibrentenprodukte zu behandeln, sondern gemäß
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wie Beiträge zugunsten
der gesetzlichen Rentenversicherung, sofern vergleichbare
Leistungen gewährt werden. Auf der Leistungsseite wurde in
§ 22 Nr. 1 Satz 3 EStG der Besteuerungsgegenstand bewusst um
die „anderen Leistungen“ erweitert. Zur
Begründung wies der Finanzausschuss ausdrücklich darauf
hin, dass bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen und
Pensionskassen Teilkapitalisierungen zulässig seien, die
andernfalls nicht steuerbar wären (BTDrucks 15/3004, 19). Eine
Einschränkung der „anderen Leistungen“ auf
Kinderzuschüsse u.Ä. und damit eine Nichteinbeziehung von
Kapitalzahlungen ist den Materialien - im Gegensatz zur Auffassung
der Kläger - nicht zu entnehmen.
|
|
|
25
|
Der Wille des Gesetzgebers, neben den
Leibrenten auch andere Leistungen zu besteuern, ist sowohl in Bezug
auf die steuerliche Behandlung der Beiträge als auch in Bezug
auf die Besteuerung der entsprechenden Leistungen aus den
berufsständischen Versorgungswerken durch den im Vergleich zum
Regierungsentwurf geänderten Gesetzeswortlaut in § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
EStG hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen. Demgegenüber
sind die gesetzgeberischen Erwägungen, die dem
ursprünglichen, aber nicht zum Gesetz gewordenen Entwurf oder
einer früheren Gesetzesfassung zugrunde gelegen haben,
unbeachtlich.
|
|
|
26
|
cc) Die Besteuerung der Kapitalleistungen der
berufsständischen Versorgungswerke gemäß § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG entspricht dem Sinn
und Zweck des AltEinkG und den darin enthaltenen grundlegenden
Wertungen. Dazu gehören die Einordnung der
berufsständischen Versorgung in die Basisversorgung des sog.
Drei-Schichten-Modells (unter (1)), der Übergang zur
nachgelagerten Besteuerung bei der Basisversorgung (unter (2))
sowie die Kohortenlösung der Übergangsregelung (unter
(3)).
|
|
|
27
|
(1) Die gesetzliche Neuregelung beruht auf dem
von der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der
steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und
Altersbezügen - Sachverständigenkommission - erarbeiteten
Drei-Schichten-Modell (vgl. auch den Abschlussbericht der
Sachverständigenkommission, BMF-Schriftenreihe Bd. 74, S. 13
ff.). Die sog. erste Schicht bildet dabei die Basisversorgung, die
sog. zweite Schicht dient der Zusatzversorgung (betriebliche
Altersvorsorge und Riester-Rente) und die sog. dritte Schicht
umfasst Kapitalanlageprodukte, die der Alterssicherung dienen
können, aber nicht müssen. Zur sog. ersten Schicht
gehören Leibrenten und andere Leistungen, die aus einem durch
Beiträge erworbenen Anspruch gegen einen gesetzlichen oder
privaten Versorgungsträger auf lebenslängliche Versorgung
frühestens ab seinem 60. Lebensjahr (ab 2014 ab dem 62.
Lebensjahr) gezahlt werden und bei denen die Anwartschaften nicht
vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht
veräußerbar und nicht kapitalisierbar sein
dürfen.
|
|
|
28
|
Die Zuordnung der berufsständischen
Versorgungswerke zur Basisversorgung und damit zur sog. ersten
Schicht ist folgerichtig. Auch ist die Unterscheidung der
berufsständischen Versorgung von den auf einem freiwilligen
Entschluss beruhenden sog. Rürup-Renten des § 10 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. b EStG nicht zu beanstanden, da
„berufsständische Versorgungseinrichtungen“
nach der Legaldefinition in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch
Sozialgesetzbuch öffentlich-rechtliche Versicherungs- oder
Versorgungseinrichtungen einer Berufsgruppe sind, in der die
Mitgliedschaft durch Gesetz angeordnet ist.
|
|
|
29
|
Durch die zutreffende Qualifizierung der
berufsständischen Versorgung als Basisversorgung sind die
steuerlichen Regelungen für Kapitalanlageprodukte der sog.
dritten Schicht, die der vorgelagerten Besteuerung unterliegen,
nicht anwendbar. Die Hinweise der Kläger auf die steuerliche
Behandlung von Kapitalzahlungen und Renten aus privaten
Kapitallebensversicherungsverträgen gehen daher fehl.
|
|
|
30
|
(2) Die zweite Grundentscheidung des AltEinkG
ist der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung für den
Bereich der Basisversorgung.
|
|
|
31
|
(a) Das Konzept der nachgelagerten Besteuerung
ersetzt die bisherige Ertragsanteilsbesteuerung von Altersrenten.
Der Gesetzgeber hat sich damit grundsätzlich von seiner
früheren Sichtweise gelöst. Vor Inkrafttreten des
AltEinkG handelte es sich bei den ausbezahlten
Versicherungsleistungen um eine - nicht steuerbare -
Vermögensumschichtung; d.h. nur die
„Erträge“, die sich aus der Annahme einer
„fiktiven Verzinsung“ der ratierlichen
Auszahlung ergaben, unterlagen der Ertragsanteilsbesteuerung. Die
neue nachgelagerte Besteuerung geht dagegen von einem
Vermögensaufbau und nicht mehr von einer
Vermögensumschichtung aus. Der Vermögensaufbau, d.h. der
Erwerb von Renten- bzw. Versorgungsanwartschaften, wird dem
Steuerpflichtigen aus unversteuerten Mitteln ermöglicht.
Konsequenz dieses Konzepts ist, dass nunmehr nicht nur die
„Erträge“ aus dem Vermögen, das aus
steuerlich entlasteten Beiträgen aufgebaut wurde, sondern auch
der Rückfluss des Altersvorsorgevermögens als solches
einschließlich der damit verbundenen Wertsteigerungen vom
Gesetzgeber als steuerpflichtiges Einkommen angesehen werden.
Demgemäß kann es auf die Form der Auszahlung nicht mehr
ankommen, so dass auch einmalige, nicht wiederkehrend erbrachte
Leistungen der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG unterliegen (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV
2010, 1275 = SIS 10 18 27, unter II.2.e).
|
|
|
32
|
(b) Für die Basisversorgung sind damit
die früheren gesetzgeberischen Grundentscheidungen
überholt; sie können zur Gesetzesauslegung nicht mehr
herangezogen werden. Infolgedessen geht die Argumentation der
Kläger fehl, die Kapitalleistung und Renten beruhten auf
keinem einheitlichen Rentenrecht, sondern seien getrennt zu
behandeln. Für sämtliche Leistungen der Basisversorgung
kommt es steuerlich nicht mehr auf das Vorliegen eines solchen
Rentenrechts an. Vielmehr sind die Leistungen - jedenfalls nach
Ablauf des Übergangszeitraums - voll steuerpflichtige
Einkünfte. Diese bestehen bei Leistungen aus
berufsständischen Versorgungswerken - jedenfalls solange noch
Altanwartschaften bestehen - nicht nur aus Rentenzahlungen, sondern
ggf. auch aus einer Kapitalleistung.
|
|
|
33
|
(3) Die dritte für die Behandlung der
Kapitalleistung der berufsständischen Versorgungswerke
wesentliche Entscheidung des Gesetzgebers ist die
Überführung der bestehenden unterschiedlichen
Altersvorsorge- und Alterseinkünftesysteme der Basisversorgung
in das System der nachgelagerten Besteuerung durch die
Kohortenlösung im Rahmen der gesetzlichen
Übergangsregelungen der § 10 Abs. 3 Sätze 4 ff. und
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 3 ff.
EStG.
|
|
|
34
|
(a) In die Übergangsregelung des §
22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG sind alle Leistungen der
Basisversorgung einzubeziehen, unabhängig davon, ob sie
wiederkehrend sind oder nicht. Dies gilt nicht nur für den
2040 erreichten Endzustand der nachgelagerten Besteuerung, sondern
muss zwingend auch für die Übergangsregelung gelten, da
es deren Aufgabe ist, den vorgefundenen Rechtszustand in die neue
gesetzgeberische Konzeption des AltEinkG zu überführen.
Die Übergangsregelung gilt für sämtliche Leistungen,
und damit auch für die Kapitalzahlung der
berufsständischen Versorgungswerke. Für eine Herausnahme
bestimmter Leistungen dieser Einrichtungen aus der für die
Basisversorgung geltenden Übergangsregelung fehlt eine
gesetzliche Grundlage.
|
|
|
35
|
(b) Die Kläger machen indes geltend, der
Sonderausgabenabzug für die Beiträge stimme nicht mit der
Besteuerung der Leistungen aus berufsständischen
Versorgungswerken überein, da es in § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG auf die Vergleichbarkeit der
Leistungen nicht ankomme, während in § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a EStG gefordert werde, dass die berufsständischen
Versorgungseinrichtungen Leistungen erbrächten, die denen der
gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar seien.
|
|
|
36
|
(aa) Die unterschiedlichen Anforderungen in
§ 10 und § 22 EStG in Bezug auf die
berufsständischen Versorgungswerke beruhen jedoch nicht auf
einem Versehen des Gesetzgebers, sondern sind die konsequente
Umsetzung der Kohortenlösung der Übergangsregelung, nach
der ab 2005 alle Leistungen mit dem gesetzlich vorgegebenen
Besteuerungsanteil zu besteuern sind. Diese Besteuerungsanordnung
gilt unabhängig davon, ob die Leistungen auf Beiträgen
beruhen, die zu einem Zeitpunkt geleistet wurden, in dem das
Versorgungswerk - wie im Streitfall - die ab 2005 geltenden
Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug (noch) nicht
erfüllte.
|
|
|
37
|
(bb) Hätte der Gesetzgeber in § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG für die
Leistungen der berufsständischen Versorgungseinrichtungen
ebenfalls ein mit dem der gesetzlichen Rentenversicherungen
vergleichbares Leistungsspektrum gefordert, könnten die
Leistungen, die auf vor 2005 geleisteten Beiträgen beruhen,
nicht wie die anderen Leistungen der Basisversorgung besteuert
werden. Konsequenterweise würde dies aber nicht nur für
Kapitalzahlungen der berufsständischen
Versorgungseinrichtungen gelten, sondern auch für deren
Rentenleistungen. Diese könnten infolgedessen nur mit dem
Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb EStG besteuert werden. Ein solches Ergebnis
widerspräche jedoch der Konzeption des AltEinkG, nach der
sämtliche Leibrenten der Basisversorgung, also der
gesetzlichen Rentenversicherungen, aus landwirtschaftlichen
Alterskassen, aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen
sowie aus vergleichbaren privaten Rentenversicherungen i.S. des
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG als sonstige Einkünfte
mit einem in der Übergangsphase festgelegten
Besteuerungsanteil zu besteuern sind. Die Ertragsanteilsbesteuerung
ist demgegenüber für die Basisversorgung nicht (mehr)
realitätsgerecht, da sie implizit zur Voraussetzung hat, dass
die Beiträge, auf denen die Leibrente beruht, sämtlich
aus versteuertem Einkommen geleistet wurden (siehe BTDrucks
15/2150, 40 unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 6.3.2002
2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 = SIS 02 04 93).
|
|
|
38
|
(cc) Dementsprechend hat der Finanzausschuss
den ursprünglichen Entwurf des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst.
a Doppelbuchst. aa EStG, in dem vorgeschlagen wurde, Leibrenten aus
gesetzlichen Rentenversicherungen, den landwirtschaftlichen
Alterskassen, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen
und aus Rentenversicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b EStG, die nach dem 31.12.2004 abgeschlossen worden sind,
der Basisbesteuerung zu unterwerfen, insoweit modifiziert, als er
den die zeitliche Bedingung bezeichnenden Relativsatz gestrichen
hat. Dadurch sollte - laut Gesetzesbegründung - sichergestellt
werden, dass sich die Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG auch auf bereits bestehende
Verträge erstreckt, um so eine Besteuerungslücke zu
schließen (vgl. BTDrucks 15/3004, 19).
|
|
|
39
|
(c) Das Konzept der nachgelagerten Besteuerung
ist verfassungsrechtlich so lange nicht zu beanstanden, wie die
entsprechenden Beiträge zu einer steuerlichen Entlastung
geführt haben (Senatsurteil vom 26.11.2008 X R 15/07, BFHE
223, 445, BStBl II 2009, 710 = SIS 08 44 40). Insoweit ist den
Klägern zuzugeben, dass es durch die unterschiedlichen
Anforderungen in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und §
22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu einer
unzulässigen Doppelbesteuerung kommen kann, wenn nämlich
die berufsständischen Versorgungseinrichtungen keine den
gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbaren Leistungen
gewähren. Die an sie geleisteten Beiträge wären dann
zwar nicht als Sonderausgaben abziehbar, die daraus resultierenden
Leistungen müssten aber dennoch gemäß § 22 Nr.
1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG versteuert werden.
|
|
|
40
|
Die berufsständischen Versorgungswerke
haben jedoch ihre Satzungen zwischenzeitlich den gesetzlichen
Vorgaben angepasst (vgl. HHR/Killat-Risthaus, § 22 EStG Rz
281), so dass sich dieses Problem nur bei solchen Leistungen
stellt, die auf Beiträgen beruhen, die vor 2005 eingezahlt
wurden. Diese Beiträge waren aber gemäß § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. im Rahmen der
Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG a.F. ebenso wie
die Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen
abziehbar; bei einem nichtselbstständig Tätigen war zudem
der entsprechende Arbeitgeberanteil gemäß § 3 Nr. 62
EStG a.F. steuerfrei.
|
|
|
41
|
Unabhängig davon ist jedoch - ebenso wie
bei allen anderen Leistungen der Basisversorgung - zu prüfen,
ob im jeweiligen Einzelfall die gesetzliche Übergangsregelung
zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Doppelbesteuerung
führt (siehe dazu unter 3.).
|
|
|
42
|
2. Die Einbeziehung der Kapitalzahlung in die
Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG verstößt weder im Hinblick auf die
steuerliche Behandlung von Versicherungsverträgen, die in
Rürup-Verträge umgewandelt wurden (unter a), noch im
Hinblick auf die steuerliche Behandlung von privaten Lebens- oder
Rentenversicherungen (unter b) gegen den Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 des Grundgesetzes.
|
|
|
43
|
a) Die Kläger weisen darauf hin, dass
nach Auffassung der Finanzverwaltung die Umwandlung eines
Kapitallebensversicherungsvertrags in einen
Rürup-Rentenvertrag zur Beendigung des bestehenden Vertrags
und zum Abschluss eines neuen Basisvertrags führe (vgl.
BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 681 = SIS 10 26 24, Rz 148). Im
Vergleich dazu werde der Übergang eines bisher nicht die
Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
erfüllenden Versorgungswerks in ein solches, das diese
Voraussetzungen erfüllt, einkommensteuerrechtlich anders
behandelt.
|
|
|
44
|
Der Grund für diese Ungleichbehandlung
ist darin zu sehen, dass der wirtschaftliche Gehalt der
berufsständischen Versorgung trotz der notwendig gewordenen
Satzungsanpassungen im Wesentlichen gleich geblieben ist, da es die
vorrangige Aufgabe eines Versorgungswerks ist, den
Kammerangehörigen und deren Familienangehörigen eine
Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren
(vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9.2.2011 I R 47/09,
BFHE 233, 109, BStBl II 2012, 601 = SIS 11 16 56, unter III.2.b
bb). Demgegenüber bedeutet die Umwandlung eines
Lebensversicherungsvertrags in einen Rürup-Vertrag den Wechsel
in einen vollkommen anderen Vertragstyp, so dass die
Ungleichbehandlung durch sachliche Unterschiede gerechtfertigt
ist.
|
|
|
45
|
b) In der unterschiedlichen Behandlung der
Kapitalzahlung des berufsständischen Versorgungswerks im
Vergleich zu der Kapitalabfindung einer privaten
Lebensversicherung, für die als Teil der sog. dritten Schicht
das Prinzip der vorgelagerten Besteuerung gilt, ist ebenfalls kein
Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu sehen.
|
|
|
46
|
aa) Bereits im Urteil in BFHE 223, 445, BStBl
II 2009, 710 = SIS 08 44 40 (unter II.2.b cc) hat der erkennende
Senat entschieden, dass in der weiteren Anwendung der
Ertragsanteilsbesteuerung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb EStG) auf private Leibrentenversicherungen keine
verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu Lasten der Bezieher von
Rentenleistungen der Basisversorgung (§ 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) zu sehen ist. Das gilt
insbesondere auch für die steuerliche Behandlung der Renten
aus Leibrentenversicherungen, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen
worden sind. Die dem dortigen Urteil zugrunde liegenden
Erwägungen gelten auch im Streitfall.
|
|
|
47
|
bb) Im Rahmen der Neuregelung hat der
Gesetzgeber Beitragszahlungen der sog. dritten Schicht, d.h. auch
an Rentenversicherungen, die nicht von § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b EStG erfasst sind, aus dem Bereich der begünstigten
Altersvorsorgeaufwendungen herausgenommen; er begünstigt nur
noch Altverträge i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b
EStG im Rahmen der - in der Praxis regelmäßig schon durch
andere Aufwendungen ausgeschöpften - Höchstbeträge
des § 10 Abs. 4 EStG sowie im Rahmen der
Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG.
|
|
|
48
|
Vor diesem Hintergrund beruht der
gesetzgeberische Ansatz, Ansprüche aufgrund solcher
Verträge lediglich der Ertragsanteilsbesteuerung zu
unterwerfen, auf der folgerichtigen Umsetzung der neuen
gesetzgeberischen Konzeption. Haben sich nämlich die
Beitragszahlungen nicht steuermindernd ausgewirkt, dann ist es
gerechtfertigt, nur den Teil der Rente steuerlich zu erfassen, der
zusätzlich zum angesparten Rentenkapital als Zinsanteil zur
Auszahlung gelangt (Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009,
710 = SIS 08 44 40, unter II.2.b cc). Nichts anderes kann für
die Besteuerung von Kapitalleistungen privater Rentenversicherungen
gelten: Wurden diese vor 2005 abgeschlossen, können die
Auszahlungen - wie bei jeder anderen privaten Rentenversicherung
auch - entweder gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG oder
gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. i.V.m. § 52
Abs. 36 Satz 5 EStG besteuert oder steuerfrei vereinnahmt
werden.
|
|
|
49
|
cc) Dass die Beiträge für private
Rentenversicherungen in der Vergangenheit in einem ähnlichen
Ausmaß wie die Beiträge für die gesetzliche
Rentenversicherung oder für ein berufsständisches
Versorgungswerk steuermindernd waren, ist unerheblich. Es liegt im
Wesen einer Übergangsregelung, einen vorgefundenen
Rechtszustand gleitend in eine neue gesetzgeberische Konzeption zu
überführen. Sind nach dieser neuen Konzeption die
Einzahlungen in Rentenversicherungsverträge nicht bzw. nur in
einem geringeren Umfang steuerlich begünstigt, liegt es im
Rahmen des weiten gesetzgeberischen Spielraums, bei der Besteuerung
der Rentenzuflüsse aus solchen Rentenverträgen zugunsten
des Steuerpflichtigen die in der Vergangenheit gewährten
Steuervorteile zu vernachlässigen und sich an der ab dem Jahr
2005 geltenden gesetzlichen Neukonzeption zu orientieren. Die von
dem Gesetzgeber aus Praktikabilitätsgründen gewählte
Lösung, die Leistungen von privaten Rentenversicherungen, die
nicht unter § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG fallen, entweder
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb
EStG oder gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. und
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG n.F. zu besteuern, stellt eine
zulässige Pauschalierung dar (vgl. dazu im Einzelnen
Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 = SIS 08 44 40,
unter II.2.b cc).
|
|
|
50
|
3. Die Besteuerung der Kapitalzahlung
verstößt im Streitfall nicht gegen das Verbot der
Doppelbesteuerung.
|
|
|
51
|
a) In seinem Urteil in BVerfGE 105, 73 = SIS 02 04 93 (unter D.II.) fordert das BVerfG, die steuerliche
Behandlung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung
und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der
Vorsorgeaufwendungen „in jedem Fall“ so
aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden
wird, ohne jedoch den Begriff „doppelte
Besteuerung“ zu konkretisieren.
|
|
|
52
|
Nach der Rechtsprechung des BVerfG sowie des
erkennenden Senats ist eine doppelte Besteuerung gegeben, wenn die
steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen höher ist als
die steuerliche Entlastung der Altersbezüge, dabei gilt
grundsätzlich das Nominalwertprinzip (siehe auch
BVerfG-Beschluss vom 7.7.2010 2 BvL 14/02, 2/04, 13/05, BVerfGE
127, 1 = SIS 10 22 45, unter III.2.c). Bei der Ermittlung der
steuerlichen Belastung der Aufwendungen ist der Sonderausgabenabzug
anhand der Beitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherung
aufzuspalten. In die Berechnung der steuerlichen Entlastung der
Altersbezüge sind die bisher vereinnahmten sowie die der
statistischen Wahrscheinlichkeit nach zu erwartenden Leistungen
einzubeziehen.
|
|
|
53
|
b) Nach den dem FG-Urteil zugrunde liegenden
Zahlen, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs.
2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, hat der Kläger
in den Jahren von 1981 bis 2004 Beträge in Höhe von
194.899 EUR an das Versorgungswerk entrichtet. Aufgrund der
Berechnung des Anteils der steuerwirksamen Aufwendungen an den
gesamten geleisteten Vorsorgeaufwendungen der Jahre 1997 bis 2004,
der auf die gesamte Vertragslaufzeit übertragen wurde, gehen
die Beteiligten und das FG übereinstimmend davon aus, dass
63,45 % der Aufwendungen aus versteuertem Einkommen geleistet
wurden. Diese Schätzung führt dazu, dass die
Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 123.664 EUR steuerbelastet
waren. Dem ist der steuerfreie Teil der Kapitalleistung in
Höhe von 147.269 EUR (42 % von 350.642 EUR)
gegenüberzustellen. Bereits diese Berechnung zeigt, dass eine
Doppelbesteuerung erkennbar nicht gegeben ist. Daher kann der Senat
darauf verzichten, auch die ab 2005 geleisteten
Vorsorgeaufwendungen und die bislang erhaltenen und entsprechend
der statistischen Lebenserwartung künftig zu erwartenden
Rentenzahlungen in die Berechnung mit einzubeziehen.
|
|
|
54
|
4. Soweit die Kläger rügen, die ab
2005 geltende Besteuerung auch einmaliger Kapitalzahlungen stelle
eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zur früheren
Nichtbesteuerung dar, machen sie keinen Verstoß gegen den
Gleichheitssatz, sondern die Verletzung des
Vertrauensschutzgrundsatzes geltend.
|
|
|
55
|
Die durch das AltEinkG ab 2005
eingeführte Steuerpflicht für Kapitalleistungen
verstößt indes nicht gegen das im Rechtsstaatsprinzip
verankerte Rückwirkungsverbot.
|
|
|
56
|
a) In ständiger Rechtsprechung hat der
erkennende Senat entschieden, die Änderung der
Rentenbesteuerung durch das AltEinkG genüge den Anforderungen
an den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz und halte
einer einzelfallbezogenen Abwägung der wechselseitigen
Interessen stand. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit
auf die Senatsurteile vom 19.1.2010 X R 53/08 (BFHE 228, 223, BStBl
II 2011, 567 = SIS 10 06 46, unter B.II.2.), und vom 4.2.2010 X R
52/08 (BFH/NV 2010, 1253 = SIS 10 18 16, unter B.II.2.b) und X R
58/08 (BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579 = SIS 10 11 55, unter
B.II.2.) verwiesen.
|
|
|
57
|
b) Auch unter Berücksichtigung der
neueren Rechtsprechung des BVerfG zur unechten Rückwirkung
(Beschlüsse vom 7.7.2010 2 BvR 748, 753, 1738/05, BVerfGE 127,
61 = SIS 10 22 39; in BVerfGE 127, 1 = SIS 10 22 45, und 2 BvL
1/03, 57, 58/06, BVerfGE 127, 31 = SIS 10 22 37, sowie vom
10.10.2012 1 BvL 6/07, BGBl I 2012, 2344 = SIS 12 29 53) ist nicht
nur die Besteuerung der laufenden Renten, sondern auch die
steuerliche Behandlung von Kapitalleistungen der
berufsständischen Versorgungswerke
verfassungsgemäß.
|
|
|
58
|
aa) Der Gesetzgeber ist verpflichtet, soweit
er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende
Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen
Vertrauensschutz in hinreichendem Maße Rechnung zu tragen. Die
Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden,
und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage
sind gegeneinander abzuwägen. Der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein. Eine unechte
Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und
rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie
zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist
und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des
enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit
der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze
der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (ständige Rechtsprechung des
BVerfG, vgl. z.B. Beschluss in BVerfGE 127, 1 = SIS 10 22 45, unter
C.II.1.c, m.w.N.).
|
|
|
59
|
Damit ist eine Interessenabwägung
notwendig zwischen dem Vertrauen des Steuerpflichtigen in den
Fortbestand der Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Disposition (im
Streitfall dem Eintritt des Klägers in das Versorgungswerk)
und dem Gemeinwohlinteresse an der Änderung der
Alterseinkünftebesteuerung.
|
|
|
60
|
bb) Die Gesetzesänderung ist beim Bezug
einmaliger Kapitalleistungen - wie im Streitfall - besonders
gravierend, da nicht lediglich ein steuerpflichtiger Anteil
erhöht, sondern derartige Leistungen erstmals durch die
Neufassung des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerpflichtig
wurden.
|
|
|
61
|
Bis Ende 2004 hätte der Kläger - bei
Erfüllung der satzungsmäßigen Voraussetzungen - die
Kapitalauszahlung steuerfrei vereinnahmen können. Dabei kann
es dahinstehen, ob diese Steuerfreiheit aufgrund einer analogen
Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. gewährt worden
wäre oder ob nicht bereits die Auskehrung des bei Eintritt des
Versorgungsfalls vorhandenen Vermögenswerts als nicht
steuerbar anzusehen gewesen wäre (siehe dazu Senatsbeschluss
vom 6.3.2006 X B 5/05, BFH/NV 2006, 1091 = SIS 06 21 17).
|
|
|
62
|
Der Kläger hatte damit vor dem 1.1.2005
bereits eine Rechtsposition inne, die über die -
vertrauensrechtlich nicht besonders geschützte -
Erwartungshaltung hinausging, Leistungen später steuerfrei
vereinnahmen zu können. Die Position des Klägers kann
infolgedessen mit derjenigen eines Grundstückseigentümers
verglichen werden, der ein Grundstück mehr als zwei Jahre vor
der Verlängerung der Spekulationsfrist durch das
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 erworben hatte. Da durch die
Gesetzesänderung eine bereits verfestigte
Vermögensposition nachträglich entwertet wurde, hat das
BVerfG in dieser Konstellation einen erhöhten
Rechtfertigungsbedarf gesehen (Beschluss in BVerfGE 127, 1 = SIS 10 22 45, unter C.II.2.b aa).
|
|
|
63
|
cc) Die besondere Rechtfertigung ergibt sich
im Streitfall daraus, dass eine gesetzliche Neuregelung der
Besteuerung der Alterseinkünfte ihrerseits
verfassungsrechtlich geboten war, da sonst die Besteuerung der
Beamtenpensionen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
a.F. wegen Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz nicht mehr
möglich gewesen wäre (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73 =
SIS 02 04 93; vgl. auch Senatsurteil in BFH/NV 2010, 1253 = SIS 10 18 16, unter B.II.2.). Das Ziel des Gesetzgebers, die
verfassungsrechtlich geforderte Beseitigung der Ungleichbehandlung
bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Finanzierbarkeit der
Neuregelung für die öffentlichen Haushalte, konnte nur
dadurch erreicht werden, dass alle Alterseinkünfte der
Basisversorgung in die nachgelagerte Besteuerung sowie in die zu
diesem Ziel führende Übergangsregelung einbezogen wurden.
Nachgelagerte Besteuerung bedeutet aber - wie bereits unter II.1.b
cc(2) dargestellt - auch, dass die Zuflüsse aus dem
Vermögen, das aus Beiträgen aufgebaut wurde, die die
Steuerbelastung des Steuerpflichtigen in der Beitragsphase
gemindert haben, sowie die Wertsteigerungen dieses Vermögens
vom Gesetzgeber als steuerpflichtiges Einkommen angesehen werden.
Das gilt sowohl für den Zufluss einer Rente, die nicht mehr
lediglich mit dem Ertragsanteil der Besteuerung unterliegt, als
auch für den Zufluss einer Einmalzahlung. Die
Nichteinbeziehung einer teilweise auf steuerlich entlasteten
Beiträgen beruhenden Kapitalleistung in die gesetzliche
Neuregelung hätte zu einem Systembruch geführt, der
seinerseits zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung
geführt hätte.
|
|
|
64
|
Angesichts dieser - verfassungsrechtlich
gebotenen - grundlegenden Systemumstellung sind die Anforderungen
des Vertrauensschutzgrundsatzes daher im Ergebnis ebenfalls auf die
strikte Beachtung des Verbots der doppelten Besteuerung (vgl. dazu
bereits unter II.3.) beschränkt.
|
|
|
65
|
5. Die Kapitalzahlung kann - im Gegensatz zur
Auffassung der Kläger - nicht lediglich unter Zugrundelegung
eines Betrags in Höhe von 226.978 EUR mit dem
Besteuerungsanteil von 58 % besteuert werden.
|
|
|
66
|
Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG ist die gesamte Kapitalzahlung als
„andere Leistung“ mit dem Besteuerungsanteil,
der sich aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz
3 EStG ergibt und der im Streitfall 58 % beträgt, der
Besteuerung zu unterwerfen. Dem Gesetz ist kein Hinweis darauf zu
entnehmen, dass der Besteuerungsanteil nicht auf den vollen Betrag
der Kapitalleistung, sondern auf einen Unterschiedsbetrag, wie z.B.
in § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG gesetzlich vorgesehen, anzuwenden
ist.
|
|
|
67
|
Eine solche Regelung würde auch der
Grundkonzeption des AltEinkG nicht gerecht, in der die Leistungen
der Basisversorgung aufgrund der nachgelagerten Besteuerung als
voll steuerpflichtige Einkünfte angesehen werden (vgl. dazu
oben unter II.1.b cc(2)). Lediglich für den
Übergangszeitraum bis 2040 werden die Einkünfte nur
anteilig mit dem Besteuerungsanteil des § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG besteuert. Dies ist der
bislang nicht vollständigen Abziehbarkeit der zugrunde
liegenden Beiträge geschuldet.
|
|
|
68
|
6. Die vom Kläger bezogene Kapitalzahlung
kann jedoch gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4
EStG ermäßigt besteuert werden, weil sie eine
Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten
darstellt.
|
|
|
69
|
a) § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG gilt seit der
Ersetzung des Begriffs „Entlohnung“ durch den
der „Vergütung“ auch für
Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 EStG (vgl. R 34.4
Abs. 1 Satz 2 EStR; Sieker, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 34 Rz B 125; HHR/Horn, § 34 EStG Rz 60;
Mellinghoff in Kirchhof, a.a.O., § 34 Rz 27; Schmidt/Wacker,
a.a.O., § 34 Rz 45).
|
|
|
70
|
b) Da die mehrjährige Tätigkeit i.S.
des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG jedes sich über mindestens
zwei Veranlagungszeiträume erstreckende, der Erzielung von
Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG dienende
Verhalten ist (ebenso HHR/Horn, § 34 Rz 62; Sieker, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 34 Rz B 122), muss
bei den Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG auf die Beitragszahlungen in die
Einrichtungen der Basisversorgung (u.a. gesetzliche
Rentenversicherungen, berufsständische
Versorgungseinrichtungen) abgestellt werden. Nur aufgrund dieser
Beitragsleistungen können später Leibrenten und andere
Leistungen vereinnahmt werden. Im Streitfall kann aus der nunmehr
maßgeblichen Sicht des AltEinkG kein Zweifel am Vorliegen
eines mehrjährigen auf die Erzielung von Einkünften
gerichteten Verhaltens bestehen, da die Kapitalzahlung des
Versorgungswerks auf den vom Kläger in der Zeit von 1981 bis
einschließlich 2004 geleisteten Beiträgen beruht.
|
|
|
71
|
c) Zur notwendigen Unterscheidung der
außerordentlichen Einkünfte des § 34 EStG von den
Einkünften, die der Regelbesteuerung unterliegen, setzen alle
Tatbestände des § 34 Abs. 2 EStG eine atypische
Zusammenballung voraus.
|
|
|
72
|
aa) Dies rechtfertigt sich aus dem Zweck der
Regelung, Progressionsnachteile auszugleichen. Deshalb liegen
außerordentliche Einkünfte grundsätzlich nur dann
vor, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem
einzigen Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die
Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche
Belastungen entstehen (BFH-Urteile vom 10.2.1972 IV R 8/68, BFHE
105, 255, BStBl II 1972, 529 = SIS 72 03 10; vom 21.3.1975 VI R
55/73, BFHE 115, 366, BStBl II 1975, 690 = SIS 75 04 02; vom
2.9.1992 XI R 63/89, BFHE 171, 416, BStBl II 1993, 831 = SIS 93 18 39; vom 28.7.1993 XI R 74/92, BFH/NV 1994, 368; vom 14.10.2004 VI R
46/99, BFHE 206, 573, BStBl II 2005, 289 = SIS 04 41 14; vom
29.5.2008 IX R 55/05, BFH/NV 2008, 1666 = SIS 08 35 79, und vom
21.4.2009 VIII R 65/06, BFH/NV 2009, 1973 = SIS 09 36 19).
|
|
|
73
|
Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Die auf
den Beitragszahlungen vor 2005 beruhende, gemäß § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG steuerpflichtige
Kapitalleistung wurde im Streitjahr vollständig
ausgezahlt.
|
|
|
74
|
bb) Um dem Charakter der
außerordentlichen Einkünfte gemäß § 34
EStG Rechnung zu tragen, darf die Zusammenballung der
Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen
Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entsprechen (so auch
R 34.4 Abs. 1 Satz 3 EStR; HHR/Horn, § 34 EStG Rz 67;
Mellinghoff in Kirchhoff, a.a.O., § 34 Rz 28; Sieker, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 34 Rz B 129).
|
|
|
75
|
Zwar war die Geltendmachung der Kapitalzahlung
im Streitfall vertrags- bzw. satzungsgemäß, weil die
Satzung des Versorgungswerks eine solche Möglichkeit
ausdrücklich vorsah. Sie war aber atypisch, da wesentliches
Charakteristikum der von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG erfassten Einkünfte ist, dass sie der
Basisversorgung des Versicherten dienen. Nach der Rechtsprechung
des erkennenden Senats sind wesentliche Merkmale der
Basisversorgung, dass die Renten erst bei Erreichen einer
bestimmten Altersgrenze bzw. bei Erwerbsunfähigkeit gezahlt
werden und als Entgeltersatzleistung in der Grundkonzeption der
Lebensunterhaltssicherung zugutekommen. Die tatsächliche
Verwendung als Altersversorgung wird dadurch grundsätzlich
sichergestellt, dass die Rentenversicherungsansprüche nicht
beleihbar, nicht vererblich, nicht veräußerbar, nicht
übertragbar und nicht kapitalisierbar sind
(Senatsentscheidungen in BFH/NV 2010, 1275 = SIS 10 18 27, und vom
14.7.2010 X R 37/08, BFHE 230, 361, BStBl II 2011, 628 = SIS 10 31 06).
|
|
|
76
|
Für den Bereich der Basisversorgung sind
daher ausschließlich Rentenzahlungen typisch. Seit dem
Inkrafttreten des AltEinkG können berufsständische
Versorgungswerke Kapitalleistungen nur noch gewähren, soweit
diese auf Beiträgen beruhen, die vor dem Jahr 2005 geleistet
worden sind. Dies stellt eine eng begrenzte und auslaufende
Ausnahmeregelung dar; eine Satzungsregelung, die Kapitalleistungen
auch noch insoweit ermöglichen würde, als sie auf ab dem
Jahr 2005 geleisteten Beiträgen beruhen, würde der
Einordnung eines solchen Versorgungswerks als Basisversorgung
entgegenstehen.
|
|
|
77
|
d) Dass der Gesetzgeber auch im Bereich der
Altersvorsorge ein Bedürfnis nach progressionsmildernden
Regelungen für den Fall des Bezugs von Einmalleistungen sieht,
zeigt die Rechtsentwicklung bei Leistungen aus
Kapitallebensversicherungen: Im Rahmen der Beratungen des AltEinkG
hatte der Finanzausschuss zunächst vorgesehen, für
Einkünfte aus Kapitallebensversicherungen, die aufgrund der
seinerzeit vorgenommenen Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 6
EStG künftig steuerpflichtig sein sollten, die
Progressionswirkung durch Schaffung eines § 34 Abs. 2 Nr. 6
EStG abzumildern (BTDrucks 15/2986, 25 und 15/3004, 21). Durch den
Vermittlungsausschuss wurde diesem Anliegen indes dadurch -
weitergehend - Rechnung getragen, dass anstelle einer Regelung in
§ 34 EStG unter bestimmten Voraussetzungen gemäß
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG lediglich die Hälfte des
Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungsleistung und der
Summe der auf sie entrichteten Beiträge anzusetzen ist (Anlage
zu BTDrucks 15/3230).
|
|
|
78
|
7. Die Berechnung der festzusetzenden
Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz
2 FGO).
|
|
|
|
|
|