Doppelte Besteuerung der gesetzlichen und privaten Altersversorgung: 1. Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 269 Abs. 1 SGB VI sind als akzessorische Zusatzleistungen einer gesetzlichen Altersrente der Basisversorgung ("erste Schicht") anzusehen und unterliegen daher der nachgelagerten Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. - 2. Die Öffnungsklausel für eine zumindest teilweise Ertragsanteilsbesteuerung von Basisversorgungsrenten ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Halbsatz 1 EStG nur auf Antrag des Steuerpflichtigen und nicht von Amts wegen anzuwenden. - 3. Regelmäßige Rentenanpassungen sind nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden gesetzlichen Anordnung in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG auch in der für Renteneintrittsjahrgänge bis einschließlich 2039 geltenden Übergangsphase nicht nur mit dem individuellen Besteuerungsanteil, sondern in voller Höhe zu besteuern (Anschluss an Senatsurteil vom 26.11.2008 - X R 15/07, BFHE 223 S. 445, BStBl 2009 II S. 710 = SIS 08 44 40). - 4. Bei den gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG nur mit dem Ertragsanteil zu besteuernden Renten aus privaten Versicherungsverträgen außerhalb der Basisversorgung kann gegen das Verbot der doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und späteren Alterseinkünften bereits aus systematischen Erwägungen nicht verstoßen werden. - 5. Die Überschussbeteiligung aus einer privaten Leibrentenversicherung gemäß § 153 VVG ist einheitlich mit der garantierten Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit dem gesetzlichen Ertragsanteil zu besteuern. - Urt.; BFH 19.5.2021, X R 20/19; SIS 21 08 96
Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom 28.5.2018 - 7 K 2456/14 = SIS 19 19 80 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die
Kläger zu tragen.
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Ehegatten, die für das Streitjahr 2009 zur
Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.
Der am XX.XX.1946 geborene Kläger war
zu Beginn seiner zunächst nichtselbständigen
Erwerbstätigkeit als Arzt in der gesetzlichen
Rentenversicherung pflichtversichert. Seit Mitte des Jahres 19XX
und während seiner sich kurze Zeit später
anschließenden selbständigen Tätigkeit war er
Pflichtmitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung
(Versorgungswerk), blieb allerdings auch freiwilliges Mitglied der
gesetzlichen Rentenversicherung. Dort zahlte er freiwillig
Beiträge in eine Höherversicherung ein.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts
(FG) leistete der Kläger Beiträge von insgesamt ... EUR
an die gesetzliche Rentenversicherung. Ferner entrichtete er
Beiträge an das Versorgungswerk von ... EUR.
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund
teilte im Dezember 2012 mit, der Kläger habe für acht
Jahre Beiträge oberhalb des Höchstbeitrags zur
gesetzlichen Rentenversicherung eingezahlt. Sollte -ggf. unter
Berücksichtigung von Beiträgen an andere
Versorgungsträger- der Höchstbeitrag bis zum 31.12.2004
mindestens zehn Jahre überschritten worden sein, könne
die Öffnungsklausel (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -EStG-) mit
einem Verhältniswert von 48,17 % zur Anwendung kommen.
Der Kläger bezog von der DRV Bund ab
September 2009 eine vorzeitige 2/3-Teilaltersrente gemäß
§ 42 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)
nebst Steigerungsbeträgen aus der Höherversicherung
(§ 269 Abs. 1 SGB VI) von insgesamt monatlich ... EUR. Ferner
erhielt er im Streitjahr laufende Leistungen aus zahlreichen
privaten Leibrentenversicherungen, die er jeweils gegen Zahlung
eines Einmalbeitrags abgeschlossen hatte. Drei dieser
Rentenversicherungen dienten der Basisversorgung
(„Rürup“-Rente gemäß § 10 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. b EStG). Für den Erwerb der Anwartschaft der am
1.2.2007 begonnenen „Rürup“-Rente bei der A-AG
entrichtete der Kläger einen Einmalbeitrag von ... EUR, wobei
das FG nicht feststellen konnte, ob die Zahlung bereits Ende des
Jahres 2006 oder erst Anfang des Jahres 2007 erbracht worden
war.
In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr 2009 erklärten die Kläger
für die Zuflüsse aus der gesetzlichen Altersrente des
Klägers (monatlich ... EUR) einen nach § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG maßgeblichen
Besteuerungsanteil von 58 %. Die Anwendung der Öffnungsklausel
beantragten sie nicht. Die Steigerungsbeträge aus der
Höherversicherung von monatlich ... EUR sahen sie als
gegenüber der Altersrente separate Rente an und erklärten
insoweit einen steuerbaren Ertragsanteil von 20 % (§ 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG). Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) folgte im
ursprünglichen Einkommensteuerbescheid dieser
Sichtweise.
Von den Einnahmen aus der
„Rürup“-Rente bei der A-AG von insgesamt ... EUR
setzte das FA einen steuerbaren Anteil von ... EUR an. Hierbei zog
es vom ursprünglichen Jahresbetrag (... EUR) den nach
Maßgabe von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
Sätze 4 und 5 EStG für das Jahr 2008 ermittelten
steuerfreien Teil der Rente (... EUR/46 %) ab, sodass die
Rentenanpassung des Streitjahres von ... EUR steuerlich voll
erfasst wurde.
Die Zuflüsse aus den übrigen
privaten Leibrentenverträgen besteuerte das FA unter
Einbeziehung von Zahlungen aus Bewertungsreserven
(Überschussbeteiligungen) mit dem jeweils geltenden
Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG.
Im Einspruchsverfahren beanstandete der
Kläger u.a. unter Bezugnahme auf die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6.3.2002 - 2 BvL 17/99
(BVerfGE 105, 73 = SIS 02 04 93) eine verfassungswidrige doppelte
Besteuerung diverser Renten und machte für die
Überschussbeteiligungen einen Ertragsanteil von Null geltend.
Das FA zog die Klägerin zum Einspruchsverfahren hinzu und
verböserte die Steuerfestsetzung insoweit, als es neben der
gesetzlichen Altersrente auch die Steigerungsbeträge der
Höherversicherung mit dem Besteuerungsanteil von 58 % in
Ansatz brachte. Es vertrat die Ansicht, dass die
Steigerungsbeträge nicht einem separaten Stammrecht
zuzuordnen, sondern bloße Zusatzleistungen seien. Die
weiteren Einwendungen des Klägers teilte das FA nicht. In der
Folgezeit änderte es die Steuerfestsetzung zugunsten der
Kläger wegen einer irrtümlich doppelten Erfassung von
zwei Renten aus privaten Versicherungen.
Während des Klageverfahrens
erließ das FA einen weiteren zugunsten der Kläger
geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem es nunmehr die
gesetzliche Altersrente unter Anwendung der Öffnungsklausel
des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG
teilweise mit dem Ertragsanteil ansetzte. Insofern ging es unter
Bezugnahme auf die Bescheinigungen der DRV Bund aus dem Jahr 2012
und des Versorgungswerks aus dem Jahr 2014 davon aus, dass die
Voraussetzungen der Öffnungsklausel vorlägen und daher
48,17 % des Rentenbezugs mit dem Ertragsanteil von 20 % und nur im
Übrigen -wie zuvor auch- mit dem Besteuerungsanteil von 58 %
zu berücksichtigen seien. Dies führte zu einer
Herabsetzung der steuerpflichtigen Alterseinkünfte des
Streitjahres um ... EUR.
Die Kläger hielten und halten die
Steuerfestsetzung zum einen insoweit für rechtswidrig, als sie
keinen Antrag auf Anwendung der Öffnungsklausel gestellt
hätten. Die gesamten Steigerungsbeträge aus der
Höherversicherung seien mit dem Ertragsanteil zu besteuern, da
diese eine Privatversicherung in öffentlich-rechtlicher
Einkleidung darstelle und ein Rentenstammrecht eigener Art
begründe. Zum anderen sei die Vorgabe des BVerfG, „in
jedem Fall“ sicherzustellen, dass Renteneinkünfte nicht
doppelt besteuert würden, bei der gesetzlichen Altersrente,
der „Rürup“-Rente der A-AG und diversen weiteren
Leibrenten aus privaten Versicherungen im Streitjahr nicht
eingehalten worden. Ferner sei der Anpassungsbetrag zur
„Rürup“-Rente der A-AG nicht in voller Höhe,
sondern nur mit dem Besteuerungsanteil zu erfassen.
Schließlich seien Überschussbeteiligungen aus privaten
Rentenversicherungsverträgen nicht in die Besteuerung
einzubeziehen.
Das FG wies die Klage mit in EFG 2020, 191
veröffentlichtem Urteil ab. Die Öffnungsklausel sei
anwendbar, da der ursprüngliche Antrag der Kläger in der
Klageschrift, die Steigerungsbeträge aus der
Höherversicherung mit dem Ertragsanteil zu bemessen, als
Antrag i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb
Satz 2 Halbsatz 1 EStG zu werten sei. Die Ertragsanteilsbesteuerung
könne sich allerdings nicht auf die gesamten
Steigerungsbeträge der Höherversicherung erstrecken.
Steuerrechtlich betrachtet beruhten diese auf einem einheitlichen
Rentenstammrecht mit der gesetzlichen Altersrente. Eine doppelte
Besteuerung der Steigerungsbeträge sei von den Klägern
-bei isolierter Betrachtung- nicht dargelegt worden, zumal eine
solche in pauschalierender und typisierender Form durch Anwendung
der Öffnungsklausel gerade vermieden werde. Eine doppelte
Besteuerung der gesetzlichen Altersrente einschließlich der
Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung unter
Berücksichtigung der Öffnungsklausel hätten die
Kläger nicht ordnungsgemäß dargelegt.
Die Erträge aus der seit Februar 2007
bezogenen „Rürup“-Rente der A-AG seien zutreffend
besteuert worden. Der Rentenanpassungsbetrag sei in voller
Höhe zu erfassen. Die gerügte doppelte Besteuerung dieser
Rente sei -unabhängig davon, ob der Beitrag hierfür im
Jahr 2006 oder 2007 erbracht worden sei- nicht feststellbar. Der
steuerfreie Teil der aktuellen und künftigen Renten
übersteige die aus versteuertem Einkommen geleisteten
Beiträge.
Die beanstandete doppelte Besteuerung von
Zuflüssen aus diversen privaten Leibrenten sei für vier
Renten bereits gar nicht feststellbar, da jeweils der
steuerunbelastete Rententeilbetrag höher sei als die
hierfür aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge.
Soweit dagegen bei neun weiteren privaten Renten eine doppelte
Besteuerung rechnerisch zu ermitteln sei, falle diese im Streitjahr
mit insgesamt ... EUR derart gering aus, dass sie von den
Klägern hinzunehmen sei. Zudem seien die
Überschussbeteiligungen zu Recht mit dem Ertragsanteil
besteuert worden.
Mit ihrer Revision halten die Kläger
an ihrem bisherigen rechtlichen Vorbringen fest. Sie werten die aus
der Höherversicherung zufließenden
Steigerungsbeträge als eigenständiges Rentenrecht; es
handele sich um eine freiwillige Zusatzversorgung mit
Kapitalanlagecharakter. Die Öffnungsklausel sei ausweislich
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Halbsatz 1
EStG nur auf Antrag anwendbar; dieser sei von ihnen jedoch nicht
gestellt worden. Das FG habe seine Sachaufklärungspflicht
verletzt, indem es wegen der Anwendung der Öffnungsklausel auf
die Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine
doppelte Besteuerung ausgeschlossen habe. Diese sei -um den
Vorgaben des BVerfG gerecht zu werden- in jedem konkreten
Einzelfall zu prüfen. Zu einer doppelten Besteuerung sei es im
Streitfall gekommen, da die Kläger den
höchstmöglichen Sonderausgabenabzug in der
Einzahlungsphase bereits durch die vorrangig zu
berücksichtigenden Pflichtbeiträge an das
berufsständische Versorgungswerk ausgeschöpft
hätten. Ferner sei die „Rürup“-Rente der A-AG
doppelt besteuert worden. Auch eine lediglich geringfügige
doppelte Besteuerung müsse vom Steuerpflichtigen nicht
hingenommen werden.
Die Kläger beantragen, das
angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2009
vom 6.1.2015 dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde
Einkommen um ... EUR verringert wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Bei keiner der im Streitjahr zugeflossenen
Renten sei eine doppelte Besteuerung festzustellen. Die jeweils
steuerfrei zu vereinnahmenden Rentenbeträge -bei der
gesetzlichen Altersrente einschließlich einer möglichen
Hinterbliebenenversorgung der Klägerin- fielen höher aus
als die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge in das
jeweilige Versorgungssystem. Soweit die Renten aus privaten
Versicherungen mit dem Ertragsanteil zu besteuern seien, könne
sich -anders als das FG meine- bereits systematisch keine doppelte
Besteuerung ergeben.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
ist dem Revisionsverfahren beigetreten. Es hat keinen Antrag
gestellt, unterstützt in der Sache aber das Vorbringen des
FA.
II. Die unbegründete Revision ist nach
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 126 Abs. 4 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht
abgewiesen. Die Kläger sind durch den zuletzt am 6.1.2015
ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2009,
auch soweit dieser rechtswidrig ist, jedenfalls nicht nach §
100 Abs. 1 Satz 1 FGO in ihren Rechten verletzt worden.
Die Steigerungsbeträge, die der
Kläger aus der Höherversicherung gemäß §
269 Abs. 1 SGB VI als Zusatzleistungen zu seiner gesetzlichen
Altersrente bezieht, unterliegen ebenso wie die Altersrente selbst
der nachgelagerten Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (dazu unten 1.). Diese
Bezüge sind im Streitjahr auch nicht teilweise der
Ertragsanteilsbesteuerung zu unterwerfen, da der Kläger den
hierfür erforderlichen Antrag auf Anwendung der
Öffnungsklausel i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG nicht gestellt hat (unten 2.). Aus
diesem Grund ergibt sich zwar rechnerisch eine doppelte Besteuerung
der Rentenbezüge für das Streitjahr von 42 EUR. Hieraus
können die Kläger aber keine Rechtsverletzung geltend
machen, weil dieser Betrag geringer ausfällt als der vom FA
aufgrund der rechtswidrigen Anwendung der Öffnungsklausel
berücksichtigte Jahresbetrag (unten 3.). Eine doppelte
Besteuerung der der privaten Basisversorgung dienenden
„Rürup“-Rente der A-AG ist nicht
feststellbar (unten 4.). Deren regelmäßige
Rentenanpassungsbeträge sind nicht nur mit dem sog.
Besteuerungsanteil, sondern vollumfänglich zu besteuern (unten
5.). Bei den Renten aus privaten Versicherungsverträgen
außerhalb der Basisversorgung scheidet -abweichend von der
Entscheidung der Vorinstanz- eine doppelte Besteuerung von
Beiträgen und Erträgen bereits systematisch aus (unten
6.). Zuflüsse aus der Überschussbeteiligung im Rahmen
dieser privaten Rentenverträge sind in die Bemessungsgrundlage
für die Ertragsanteilsbesteuerung einzubeziehen (unten 7.).
Die von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen greifen
nicht durch (unten 8.).
1. Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon
ausgegangen, dass die Steigerungsbeträge aus der
Höherversicherung (§ 269 Abs. 1 SGB VI) zusammen mit den
Bezügen aus der regulären Altersrente der DRV Bund der
nachgelagerten Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG unterliegen. Für das Begehren
der Kläger, jene Beträge ausschließlich und
isoliert mit dem Ertragsanteil nach Doppelbuchst. bb der Vorschrift
zu besteuern, besteht keine Rechtsgrundlage.
a) § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG bestimmt, dass Leibrenten und andere
Leistungen, die u.a. aus den gesetzlichen Rentenversicherungen
erbracht werden, nach näherer Maßgabe der Sätze 2
bis 8 der Vorschrift grundsätzlich mit dem Besteuerungsanteil
zu erfassen sind. Nur für nicht unter Doppelbuchst. aa
fallende Leibrenten und andere Leistungen, bei denen in den
einzelnen Bezügen Einkünfte aus Erträgen des
Rentenrechts enthalten sind, gilt dagegen die
Ertragsanteilsbesteuerung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb Sätze 1 sowie 3 f. EStG).
Das wesentliche Charakteristikum der
Einkünfte des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst.
aa EStG ist, dass sie die sog. erste Schicht des von der
Sachverständigenkommission zur Neuordnung der
steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und
Altersbezügen (Abschlussbericht der
Sachverständigenkommission zur Neuordnung der
steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und
Altersbezügen, BMF-Schriftenreihe, Bd. 74 -Abschlussbericht
der Sachverständigenkommission-) der Neuregelung zugrunde
gelegten „Drei-Schichten-Modells“ bilden und der
Basisversorgung dienen. Zu dieser ersten Schicht der
Basisversorgung gehören Leibrenten und andere Leistungen, die
auf einem durch Beiträge erworbenen Anspruch gegen einen
gesetzlichen oder privaten Versorgungsträger auf
lebenslängliche Versorgung beruhen, frühestens ab dem 60.
Lebensjahr oder bei Erwerbsunfähigkeit gezahlt werden und bei
denen die Anwartschaften nicht vererblich, nicht übertragbar,
nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht
kapitalisierbar sein dürfen (vgl. hierzu Urteile des
Bundesfinanzhofs -BFH- vom 14.7.2010 - X R 37/08, BFHE 230, 361,
BStBl II 2011, 628 = SIS 10 31 06, Rz 25; vom 23.10.2013 - X R
3/12, BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58 = SIS 13 32 16, Rz 27; vom
26.11.2014 - VIII R 38/10, BFHE 249, 22, BStBl II 2016, 657 = SIS 15 12 96, Rz 30; vom 12.12.2017 - X R 39/15, BFHE 261, 203, BStBl
II 2018, 579 = SIS 18 09 88, Rz 17). Weitere Merkmale einer
gesetzlichen Rentenversicherung sind, dass die Beitragszahlungen
auf einer gesetzlichen Anordnung beruhen, die Versicherung für
den betroffenen Personenkreis obligatorisch ist und die Leistungen
als solche öffentlich-rechtlicher Art zu erbringen sind
(Senatsurteile in BFHE 230, 361, BStBl II 2011, 628 = SIS 10 31 06,
Rz 28, sowie vom 23.10.2013 - X R 33/10, BFHE 243, 332, BStBl II
2014, 103 = SIS 13 32 61, Rz 18).
b) Nach diesen Maßstäben stellen
die Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung zur
gesetzlichen Altersrente des Klägers steuerbare Einkünfte
nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG dar,
wobei der Senat offenlassen kann, ob es sich dabei isoliert
betrachtet -wofür die rentenförmige Auszahlung der
Beträge sprechen könnte- um eine Leibrente oder um andere
Leistungen im Sinne der Vorschrift handelt.
aa) Steigerungsbeträge aus der
-inzwischen geschlossenen- Höherversicherung zur gesetzlichen
Rentenversicherung werden nach § 269 Abs. 1 Satz 1 SGB VI
zusätzlich zum Monatsbetrag einer Rente geleistet. Sie beruhen
bei sozialversicherungsrechtlicher Betrachtung nicht auf einem
eigenständigen Rentenanspruch und sind auch nicht Bestandteil
einer Sozialversicherungsrente (Gürtner in Kasseler Kommentar
Sozialversicherungsrecht, § 269 SGB VI Rz 2). Vielmehr handelt
es sich -wie bereits die systematische Stellung von § 269 SGB
VI im Gesetz belegt- um Zusatzleistungen zu einer bestehenden
Sozialversicherungsrente. Sie sind akzessorisch ausgestaltet und in
Entstehung und Bestand von einer Sozialversicherungsrente
abhängig (hierzu Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom
14.5.2003 - B 4 RA 55/02 R, SozR 4-2600 § 269 Nr. 1, unter
2.b; von Koch in Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl., § 269 Rz 6).
Sind Steigerungsbeträge mangels bestehenden Rentenanspruchs
nicht zu zahlen, können sie lediglich nach § 210 Abs. 3
SGB VI erstattet werden (Gürtner in Kasseler Kommentar
Sozialversicherungsrecht, § 269 SGB VI Rz 4); eine
Kapitalabfindung ist nach der geltenden Rechtslage ausgeschlossen
(Dankelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 269 Rz
31).
bb) Aus alledem ergibt sich, dass die
Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung bei
steuerrechtlicher Beurteilung der Basisversorgung zuzuordnen sind
und als Teil der Rente geleistet werden.
(1) Der Zahlungsanspruch eines
Höherversicherten der gesetzlichen Rentenversicherung richtet
sich gegen einen gesetzlichen Versorgungsträger (hier die DRV
Bund) und setzt gerade wegen der in § 269 Abs. 1 Satz 1 SGB VI
angeführten Akzessorietät zu einem Anspruch auf eine
Sozialversicherungsrente voraus, dass der Versicherte eine
bestimmte Altersgrenze erreicht hat bzw. erwerbsunfähig ist.
Die Steigerungsbeträge sind als lebenslängliche
Versorgung ausgestaltet. Gesetzliche Regelungen, die es erlaubten,
die Anwartschaften aus der Höherversicherung zu vererben, zu
übertragen, zu beleihen, zu veräußern oder zu
kapitalisieren, existieren nicht.
(2) Die Freiwilligkeit der
Höherversicherung steht einer Zuordnung der hieraus
resultierenden Steigerungsbeträge zur Basisversorgung ebenso
wenig entgegen wie deren Charakterisierung als Privatversicherung
in öffentlich-rechtlicher Einkleidung (hierzu BSG-Urteil vom
29.4.1976 - 4 RJ 165/75, SozR 2200, § 1262 Nr. 8;
BVerfG-Beschluss vom 23.2.2007 - 1 BvR 836/01, SozR 4-2600 §
269 Nr. 2, unter I.1.; Gürtner in Kasseler Kommentar
Sozialversicherungsrecht, § 269 SGB VI Rz 7).
Gerade weil die Höherversicherung keinen
isolierten Rentenanspruch begründet, sondern lediglich
unselbständige Zusatzleistungen zu einer Rente der
gesetzlichen Rentenversicherung vermittelt, die untrennbar mit
deren Existenz verbunden sind, wäre es verfehlt, die
Steigerungsbeträge zu separieren und außerhalb der
Basisversorgung einzuordnen. Dies entspricht darüber hinaus
der bisherigen Rechtsprechung des Senats, wonach
Finanzierungselemente für ein Altersversorgungssystem, bei dem
die späteren Leistungsansprüche auch an freiwillig
gezahlte Beiträge des Versicherten anknüpfen und somit
über die obligatorische Versorgung hinausgehen, dessen
grundsätzliche Zuordnung zur Basisversorgung unberührt
lassen (vgl. Urteil in BFHE 243, 332, BStBl II 2014, 103 = SIS 13 32 61, Rz 34 für überobligatorische Leistungen aus einer
schweizerischen Pensionskasse mit ausdrücklichem Vergleich zu
einer freiwilligen Höherversicherung der gesetzlichen
Rentenversicherung sowie der berufsständischen
Versorgungswerke; ebenso BSG-Urteil vom 21.7.2009 - B 7/7a AL 36/07
R, juris, dort Rz 15).
(3) Unerheblich ist im vorliegenden
Zusammenhang zudem, dass die Zusatzleistungen aus der
Höherversicherung nach versicherungsmathematischen
Grundsätzen ausgestaltet sind und ausschließlich aus
Beiträgen der Versicherten finanziert werden (hierzu u.a.
Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, 10/05, § 269 Rz 3). § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG erfasst nach der
Rechtsprechung des Senats (Urteil in BFHE 230, 361, BStBl II 2011,
628 = SIS 10 31 06, Rz 29) sowohl Versorgungssysteme, die auf dem
Umlageverfahren beruhen (z.B. die gesetzliche Rentenversicherung)
als auch -ganz oder teilweise- kapitalgedeckte Systeme (z.B. die
berufsständischen Versorgungswerke). Aus diesem Grund
ändert auch der Umstand, dass die Steigerungsbeträge aus
der Höherversicherung nach § 269 Abs. 1 Satz 2 SGB VI von
vornherein feststehen und nicht der Anpassung gemäß
§ 63 Abs. 7 SGB VI unterliegen, an der Zuordnung zur
Basisversorgung nichts.
(4) Soweit die Kläger einwenden, die
höchstrichterliche Sozialrechtsprechung belege, dass
Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung auch
unabhängig von einer gesetzlichen Altersrente gezahlt
würden und daher nicht akzessorisch seien, betrifft dies nicht
die im vorliegenden Streitfall maßgebliche Rechtslage. Die
von ihnen hierfür angeführte Entscheidung des BSG in SozR
2200 § 1262 Nr. 8 erging zu Ansprüchen aus der
Höherversicherung auf der Grundlage des § 1234 der
Reichsversicherungsordnung, wonach bis einschließlich des
Jahres 1972 Leistungen aus der Höherversicherung auch
unabhängig von einem Rentenanspruch „aus
Grundbeiträgen“ erbracht werden konnten (vgl.
insoweit auch BSG-Urteil vom 22.3.2001 - B 12 RA 6/00 R, BSGE 88,
43, unter 1.b).
(5) Die Kläger führen zudem an, die
Leistungen aus der Höherversicherung seien weder von der
Sachverständigenkommission noch vom Steuergesetzgeber
berücksichtigt worden. Dieser Einwand trifft indes nur
insoweit zu, als jene Leistungen im Abschlussbericht der
Sachverständigenkommission keine ausdrückliche
Erwähnung finden. Steuerrechtlich sind sie dennoch -wie
dargelegt- unter die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG genannten Einkünfte zu subsumieren.
(6) Unerheblich ist auch das Argument der
Kläger, die Trennbarkeit der Steigerungsbeträge aus der
Höherversicherung ergebe sich daraus, dass jene Beträge
nicht als Teilrente ausgezahlt werden könnten und bei einer
Hinterbliebenenversorgung unabhängig von der Höhe des
Einkommens des Rechtsnachfolgers anrechnungsfrei zur Auszahlung
kämen. Beide Aspekte sind sozialversicherungsrechtlicher Natur
und schlagen nicht auf die steuerrechtliche Qualifizierung der
Leistungen durch.
(7) Aus diesem Grund führt
schließlich die -nicht belegte- rechtliche Behauptung der
Kläger, die Steigerungsbeträge aus der
Höherversicherung würden nicht beim Bezug einer Rente
wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI)
gezahlt, zu keinem anderen Ergebnis. Zudem setzen Leistungen der
Basisversorgung nicht zwingend voraus, dass neben der
Altersversorgung zusätzlich auch ein
Erwerbsunfähigkeitsschutz abgedeckt wird (vgl. z.B. § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG).
2. Die Bezüge aus der gesetzlichen
Altersrente des Klägers einschließlich der
Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung unterlagen
im Streitjahr der Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz
3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Das FG hat zu Unrecht
entschieden, dass das FA die Öffnungsklausel des § 22 Nr.
1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG anwenden konnte, da
es an dem hierfür erforderlichen Antrag für das
Streitjahr fehlt. Er ist weder ausdrücklich noch konkludent
gestellt worden (unten a). Das FA hat daher die Einkommensteuer
für das Streitjahr insoweit rechtswidrig zu niedrig
festgesetzt (unten b).
a) Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG gilt die Ertragsanteilsbesteuerung
auch für unter Doppelbuchst. aa der Vorschrift fallende
Leibrenten und andere Leistungen, soweit diese auf bis zum
31.12.2004 geleisteten Beiträgen beruhen, die oberhalb des
Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung
gezahlt wurden und der Steuerpflichtige nachweist, dass der Betrag
des Höchstbeitrags mindestens zehn Jahre überschritten
wurde. Mit dieser Regelung begegnete der Gesetzgeber im Zuge der
Neuausrichtung der Besteuerung der Alterseinkünfte durch das
Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) vom 5.7.2004 (BGBl I 2004,
1427) der im parlamentarischen Verfahren geäußerten
Befürchtung, in besonderen Ausnahmefällen drohe eine
verfassungswidrige doppelte Besteuerung von
Altersvorsorgeaufwendungen und -einkünften (vgl. BTDrucks
15/2563, 8 und 15/3004, 20). Liegen die materiell-rechtlichen
Voraussetzungen der Öffnungsklausel vor, wird nach der
Senatsrechtsprechung von einer doppelten Besteuerung ausgegangen,
soweit die Alterseinkünfte auf Beiträgen beruhen, die
oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze lagen (Urteile vom
4.2.2010 - X R 58/08, BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579 = SIS 10 11 55, Rz 92, sowie vom 18.5.2010 - X R 29/09, BFHE 229, 309, BStBl II
2011, 591 = SIS 10 22 01, Rz 30, 32). Die hierdurch ausnahmsweise
auslösbare Ertragsanteilsbesteuerung hebt die doppelte
Besteuerung im Rahmen des gesetzlichen Anwendungsbereichs in
zulässiger pauschalierender Form auf (Senatsurteil in BFHE
229, 309, BStBl II 2011, 591 = SIS 10 22 01, Rz 31).
aa) Bereits aufgrund des Wortlauts des §
22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Halbsatz 1 EStG
steht eindeutig fest, dass die Öffnungsklausel nur auf Antrag
des Steuerpflichtigen zu gewähren ist. Eine Anwendung von Amts
wegen ist ausgeschlossen (ebenso BMF-Schreiben vom 19.8.2013, BStBl
I 2013, 1087 = SIS 13 22 88, Rz 239). Zwar sind an einen Antrag
keine hohen Anforderungen zu stellen. Finanzverwaltung und
Schrifttum gehen deshalb zu Recht davon aus, dass die
Öffnungsklausel auch formlos beantragt werden kann
(BMF-Schreiben in BStBl I 2013, 1087 = SIS 13 22 88, Rz 239;
Wernsmann/Neudenberger in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG,
§ 22 Rz B 265; Killat in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 22
EStG Rz 312). Weder muss der Antrag bereits mit Abgabe der
Einkommensteuererklärung gestellt werden noch muss er
ausdrücklich auf Anwendung der Öffnungsklausel lauten;
ein konkludenter Antrag genügt.
bb) Im Streitfall hat der Kläger
allerdings weder ausdrücklich noch konkludent die Anwendung
der Öffnungsklausel beantragt.
(1) Die Annahme eines ausdrücklichen
Antrags scheitert bereits daran, dass sich die Kläger stets
nachdrücklich gegen die Anwendung der Öffnungsklausel im
geänderten Einkommensteuerbescheid vom 6.1.2015 ausgesprochen
und beanstandet hatten, das FA habe die Klausel entgegen dem
Gesetzeswortlaut und den Vorgaben des BMF von Amts wegen angewandt.
Auch gibt es weder Feststellungen des FG noch Hinweise in den
Akten, dass der Kläger für das Streitjahr vorgerichtlich
einen ausdrücklichen Antrag nach § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Halbsatz 1 EStG gestellt hat.
(2) Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass
der Kläger die Anwendung der Öffnungsklausel konkludent
beantragt hat.
Das FG hat seine gegenteilige Auffassung auf
Ziff. 2 der schriftlichen Klageanträge vom 11.12.2014
gestützt, wonach die Kläger begehrten, die
Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung lediglich
mit einem Ertragsanteil von 20 % zu versteuern. Diese Wertung, die
den Senat nicht nach § 118 Abs. 2 FGO bindet, weil er
prozessuale Erklärungen selbst auslegen darf (BFH-Urteil vom
26.4.2012 - V R 2/11, BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634 = SIS 12 13 66, Rz 26), ist bereits deshalb unzutreffend, da der Klageantrag
sich lediglich auf die Steigerungsbeträge bezog und auf dem
-wie oben dargelegt- rechtlich unzutreffenden Verständnis der
Kläger beruhte, jene Beträge vermittelten ein
steuerrechtlich isoliert zu beurteilendes Rentenrecht. Gerade
deshalb kann diesem Klageantrag nicht die Erklärung
beigemessen werden, die Summe der Bezüge aus der gesetzlichen
Altersrente und den Steigerungsbeträgen müsse -soweit im
Rahmen der Öffnungsklausel zulässig- mit dem
Ertragsanteil besteuert werden.
Auch das Klage- und Revisionsvorbringen der
Kläger rechtfertigt nicht die Annahme, sie hätten die
Anwendung der Öffnungsklausel beantragt. Zwar ist dem FA und
dem BMF zuzugeben, dass die Kläger eine doppelte Besteuerung
der Alterseinkünfte des Klägers behaupten und damit einen
Sachverhalt vortragen, der -wie oben ausgeführt- in
pauschalierender Form durch die Öffnungsklausel vermieden
werden soll. Ungeachtet dessen haben sie aber wiederholt und
unmissverständlich darauf hingewiesen, die
Öffnungsklausel dürfe jedenfalls für das Streitjahr
mangels Antrags keine Geltung beanspruchen. Aufgrund des
eindeutigen Wortlauts des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb Satz 2 Halbsatz 1 EStG ist diesem Einwand der
Vorrang einzuräumen. Demzufolge ist die im Regelfall
steuerlich günstigere (teilweise) Ertragsanteilsbesteuerung
von Leibrenten und anderen Leistungen i.S. von § 22 Nr. 1 Satz
3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG auch dann ausgeschlossen, wenn
zwar -was in der Praxis äußerst selten sein dürfte-
die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Öffnungsklausel
vorliegen, der Steuerpflichtige deren Anwendung für den
jeweiligen Veranlagungszeitraum aber nicht beantragt.
b) Stellt der Steuerpflichtige -wie im
Streitfall- somit keinen Antrag auf Anwendung der
Öffnungsklausel, wendet die Finanzbehörde diese aber von
Amts wegen dennoch an, verstößt sie gegen § 22 Nr.
1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Halbsatz 1 EStG. Die
Steuerfestsetzung ist rechtswidrig. Im Streitfall wirkt sich diese
Rechtswidrigkeit allerdings zugunsten der Kläger aus, da durch
die teilweise Besteuerung der Bezüge aus der gesetzlichen
Altersrente und der Steigerungsbeträge mit dem Ertragsanteil
die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage für das
Streitjahr um ... EUR herabgesetzt wurde.
3. Die -mangels Antrags nach § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Halbsatz 1 EStG
einfachgesetzlich zwingende- nachgelagerte Besteuerung der
gesetzlichen Altersrente einschließlich der
Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung
abzüglich des individuellen Rentenfreibetrags nach
Maßgabe der vom Senat vertretenen Berechnungsgrundsätze
und -parameter hat zwar eine doppelte Besteuerung von
Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften zur Folge,
sodass jene Rente für das Streitjahr rechnerisch in Höhe
von 42 EUR doppelt besteuert worden wäre (unten a). Diese
verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässige doppelte
Besteuerung liegt aber unterhalb der Steuerentlastung der
Kläger in Höhe von ... EUR wegen der dem Kläger vom
FA rechtswidrig aufgedrängten Anwendung der
Öffnungsklausel. Aufgrund der Saldierungspflicht des Senats
ist eine Rechtsverletzung der Kläger daher ausgeschlossen
(unten b).
a) Die gebotene Nichtanwendung der
Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG hätte im Streitfall zur Folge,
dass die gesetzliche Altersrente des Klägers nebst
Steigerungsbeträgen aus der Höherversicherung im
Streitjahr in Höhe eines Betrags von 42 EUR doppelt besteuert
worden wäre. Dies stünde im Widerspruch zur Vorgabe des
BVerfG, die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die
Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem
Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen „in jedem
Fall“ so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte
Besteuerung vermieden wird (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73 = SIS 02 04 93, unter D.II.).
aa) Im Hinblick auf das von Verfassungs wegen
zu beachtende Verbot einer doppelten Besteuerung ist durch den
Senat bereits geklärt und durch das BVerfG bestätigt,
dass eine solche nicht gegeben ist, wenn die Summe der
voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse
mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem
Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen (vgl. u.a.
Senatsurteile vom 19.1.2010 - X R 53/08, BFHE 228, 223, BStBl II
2011, 567 = SIS 10 06 46, Rz 69, und vom 21.6.2016 - X R 44/14,
BFHE 254, 545 = SIS 16 22 02, Rz 46; BVerfG-Beschlüsse vom
29.9.2015 - 2 BvR 2683/11, BStBl II 2016, 310 = SIS 16 01 28, Rz 49
ff.; vom 30.9.2015 - 2 BvR 1066/10, HFR -HFR- 2016, 72, Rz 58 ff.,
sowie vom 30.9.2015 - 2 BvR 1961/10, HFR 2016, 77 = SIS 15 29 13,
Rz 41 ff.). Der Einwand einer doppelten Besteuerung kann zwar noch
nicht in der Beitragsphase, wohl aber bereits ab dem Beginn des
Rentenbezugs geltend gemacht werden (Senatsurteil in BFHE 254, 545
= SIS 16 22 02, Rz 34 ff., m.w.N.). Geklärt und von den
Klägern auch nicht in Abrede gestellt ist, dass die
erforderliche Vergleichs- und Prognoserechnung auf der Grundlage
des Nominalwertprinzips vorzunehmen ist (vgl. Senatsurteile vom
6.4.2016 - X R 2/15, BFHE 253, 370, BStBl II 2016, 733 = SIS 16 15 23, Rz 53, m.w.N., sowie in BFHE 254, 545 = SIS 16 22 02, Rz 48;
ebenso Senatsurteil vom heutigen Tag - X R 33/19, unter II.1.b und
2.a).
bb) Das FG hat nicht geprüft, ob im
Streitfall die gesetzliche Altersrente des Klägers
einschließlich der Steigerungsbeträge aus der
Höherversicherung im Vergleich zu den hierfür geleisteten
Vorsorgeaufwendungen im vorgenannten Sinne doppelt besteuert wurde.
Hierzu hat es zum einen angeführt, infolge der Anwendung der
Öffnungsklausel seien „keine Anzeichen für eine
Doppelbesteuerung erkennbar“ (Bl. 17 der
Urteilsausfertigung [unten]). Zum anderen hat es beanstandet, die
Kläger seien ihrer Darlegungslast hinsichtlich der
Geltendmachung einer doppelten Besteuerung nicht nachgekommen, da
sie trotz gerichtlicher Aufforderung keine Berechnung zu einer
etwaigen doppelten Besteuerung der Altersrente unter
Berücksichtigung der Öffnungsklausel eingereicht
hätten (Bl. 18 der Urteilsausfertigung [dort unter c]). Beide
Erwägungen der Vorinstanz sind rechtsfehlerhaft.
(1) Die aus der Öffnungsklausel
abgeleitete Vermutung, die gesetzliche Altersrente sei nicht
doppelt besteuert worden, kann im Streitfall bereits deshalb keine
Geltung beanspruchen, da es aus den oben dargelegten Gründen
an einem für die Anwendung der Klausel erforderlichen Antrag
des Klägers fehlt. Unabhängig hiervon hat der Senat
-abweichend von der Auffassung des FG- bereits entschieden, es
müsse auch losgelöst vom Vorliegen der Voraussetzungen
der Öffnungsklausel im konkreten Einzelfall das Verbot der
doppelten Besteuerung beachtet werden (Urteil in BFHE 228, 326,
BStBl II 2011, 579 = SIS 10 11 55, Rz 92). Weiterhin hat er
klargestellt, dass eine möglicherweise eintretende doppelte
Besteuerung von Altersrenten, die auf Beiträgen bis zur
Beitragsbemessungsgrenze beruhen, durch die Öffnungsklausel
gerade nicht verhindert werde und daher unabhängig davon
geprüft werden müsse (Urteil in BFHE 229, 309, BStBl II
2011, 591 = SIS 10 22 01, Rz 32). Deshalb wird bei Anwendung der
Öffnungsklausel eine doppelte Besteuerung auch nur insoweit
pauschaliert vermieden, als die Altersrente auf Beiträgen
oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze beruht.
(2) Darüber hinaus geht das FG fehl in
der Annahme, die Kläger seien ihrer Darlegungslast für
das Vorliegen einer etwaigen doppelten Besteuerung nicht
ausreichend nachgekommen. Zwar trifft diese Last den
Steuerpflichtigen, denn er will hieraus eine ihm günstige
Rechtsfolge -Milderung der Besteuerung seiner Altersbezüge-
ableiten. Aus diesem Grund ist der Steuerpflichtige insbesondere
gehalten, dem FG seine Erwerbsbiographie und seinen
Rentenversicherungslauf zu unterbreiten. Zudem trägt er die
Feststellungslast für die frühere
einkommensteuerrechtliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen
durch Vorlage der Einkommensteuerbescheide oder der
Rentenversicherungsverläufe in seinem konkreten Einzelfall.
Ausnahmsweise ist bei einer fehlenden Möglichkeit oder bei
Unzumutbarkeit der Darlegung einzelfallbezogener Angaben der Anteil
der aus versteuertem Einkommen geleisteten
Altersvorsorgeaufwendungen nach sachgerechten Maßstäben
zu schätzen (vgl. Senatsurteil in BFHE 254, 545 = SIS 16 22 02, Rz 52 ff.).
Diese Erfordernisse haben die Kläger in
breitem Maß erfüllt. Die vom FG geforderte Berechnung
einer möglichen doppelten Besteuerung, die sich aus den von
ihnen vorgebrachten Tatsachen hätte ableiten lassen, ist nicht
von den Darlegungserfordernissen umfasst, sondern ist gerade
Bestandteil der dem Gericht obliegenden Rechtsanwendung.
(3) Diese Rechtsfehler rechtfertigen
allerdings keine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Vielmehr ist der erkennende Senat infolge der vom FG festgestellten
und unstreitigen Tatsachen selbst in der Lage, abschließend
zu beurteilen, inwiefern für das Streitjahr von einer
doppelten Besteuerung der Altersrente auszugehen ist.
cc) In die hierfür anzustellende
Vergleichsrechnung ist in einem ersten Schritt der steuerfreie Teil
der -voraussichtlichen- Rentenbezüge einzustellen. Dieser Teil
ist mit der durchschnittlichen statistischen Lebenserwartung des
Steuerpflichtigen nach der im Zeitpunkt des Renteneintritts
letztverfügbaren Sterbetafel zu multiplizieren (vgl. hierzu
Senatsurteile in BFHE 254, 545 = SIS 16 22 02, Rz 39, 42, sowie vom
23.8.2017 - X R 33/15, BFHE 259, 311, BStBl II 2018, 62 = SIS 17 21 23, Rz 35; Kulosa, DStR -DStR- 2018, 1413, 1416).
Der Senat geht insofern von einer
Gesamtsteuerfreistellung der Bezüge von ... EUR aus. Für
die Berechnung sind folgende Grundsätze maßgebend:
(1) Der Kläger bezog im Zeitraum von
September 2009 bis einschließlich August 2013, d.h. für
vier Jahre (hier als „Phase 1“ bezeichnet), von
der DRV Bund eine vorgezogene Teilaltersrente von 2/3 der Vollrente
(§ 42 Abs. 1 SGB VI). Im Streitjahr betrugen die monatlichen
Bezüge -ohne Zuschüsse zur Krankenversicherung- ... EUR.
Einschließlich der Steigerungsbeträge aus der
Höherversicherung von ... EUR belief sich der Monatsbetrag auf
... EUR und der Jahresbetrag auf ... EUR. Dieser Jahresbetrag ist
ohne jährliche Rentenanpassungen zu bestimmen, da im
Prognosezeitpunkt, d.h. mit Rentenbeginn (1.9.2009), noch keine
Erkenntnisse über eine Rentenerhöhung zum 1.7.2010
vorlagen. Bei einem Besteuerungsanteil der Rente von 58 % (§
22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG) flossen
somit 42 % der Rentenbezüge als steuerfreier Teil der Rente
gemäß Satz 4 der Vorschrift steuerunbelastet zu,
d.h.
... EUR x 42 % x 4 Jahre = ... EUR.
(2) Für den Zeitraum ab September 2013
(„Phase 2“) ist zu berücksichtigen, dass
der Kläger mit Vollendung seines 67. Lebensjahres -wie von ihm
in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem FG am 27.2.2017
bestätigt- die volle gesetzliche Altersrente bezieht.
(a) Dieser Umstand ist abweichend von der
Rechtsauffassung der Kläger bei der Berechnung des
steuerfreien Teils der Rente prognostisch bereits für das
Streitjahr einzubeziehen. Grund hierfür ist, dass die bis zum
vorgenannten Zeitpunkt vom Kläger bezogene Teilaltersrente
i.S. von § 42 Abs. 1 SGB VI weder sozialversicherungs- noch
steuerrechtlich eine von der späteren Vollrente gesondert zu
beurteilende Rente ist. Vielmehr handelt es sich um eine
hinsichtlich der Rentenhöhe ins Ermessen des Berechtigten
gestellte anteilige Altersrente in Gestalt einer
„quotierten Vollrente“ (vgl. hierzu Urteil des
Bundesarbeitsgerichts vom 22.9.2016 - 6 AZR 397/15, Neue
Zeitschrift für Arbeitsrecht 2017, 398, Rz 20), die sich dann
als sinnvoll erweisen kann, wenn der Berechtigte für Zeiten
vor Beginn der Regelaltersgrenze Hinzuverdienstgrenzen
ausschöpfen möchte (u.a. Gürtner in Kasseler
Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 42 SGB VI Rz 6).
Demzufolge ist -auf Grundlage der Rentenwertverhältnisse des
Streitjahres- ab September 2013 ein monatlicher Rentenbetrag von
... EUR zu berücksichtigen.
(b) Abweichend von der Berechnung des FA und
im Einklang mit dem Vorbringen der Kläger geht der Senat davon
aus, dass die Steigerungsbeträge aus der
Höherversicherung bereits von Beginn an in vollem Umfang
ausgezahlt wurden. Es handelt sich -wie oben dargelegt- um
Zusatzleistungen zur gesetzlichen Altersrente, die lediglich
voraussetzen, dass ein Rentenanspruch besteht. Gesetzliche
Regelungen, dass ein die Grenze des § 34 SGB VI
überschreitender Hinzuverdienst des Rentenberechtigten vor
Erreichen der Regelaltersgrenze zu einer Minderung der nach §
269 Abs. 1 Satz 2 SGB VI statisch feststehenden
Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung führen
würden, existieren nicht.
(c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze
beträgt der monatliche Rentengesamtbetrag ab September 2013
... EUR, der Jahresbetrag folglich ... EUR. Der jährlich
steuerfrei zufließende Teil der Rente ist gemäß
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 6 EStG neu
zu berechnen (zutreffend Myßen/ Emser, Neue
Wirtschafts-Briefe 2015, 2383, 2384 f.). Er beläuft sich auf
jährlich ... EUR (42 %).
(d) Zum Zeitpunkt des Renteneintritts des am
XX.XX.1946 geborenen Klägers am 1.9.2009 war die jüngste
veröffentlichte Sterbetafel des Statistischen Bundesamts
diejenige für den Betrachtungszeitraum 2005 bis 2007
(Veröffentlichung am 15.12.2008 in BStBl I 2008, 989 = SIS 08 44 25). Hiernach betrug für den bei Rentenbeginn 63 Jahre
alten Kläger die durchschnittliche statistische weitere
Lebenserwartung 18,43 Jahre. Bei sowohl taggenauer als auch unter
Berücksichtigung der nach § 118 Abs. 1 SGB VI monatlichen
Zahlweise der Renten zu erfolgender Bestimmung der Rentenlaufzeit
wird der Kläger -durchschnittlich statistisch betrachtet-
insgesamt 221 Zahlungen für den Zeitraum von September 2009
bis einschließlich Januar 2028 beziehen, d.h. für 18
Jahre und fünf Monate.
Nach Abzug des Zeitraums der „Phase
1“ (vier Jahre) wird der Kläger somit
voraussichtlich weitere ... EUR an steuerfrei verbleibenden
Rentenzahlungen vereinnahmen (jährlicher steuerfreier Teil der
Rente von ... EUR x 14 5/12 Jahre).
(3) Die auf den Kläger entfallende
-statistisch voraussichtliche- Gesamtsteuerfreistellung der
Bezüge aus der gesetzlichen Altersrente nebst
Steigerungsbeträgen aus der Höherversicherung
beträgt somit ... EUR.
(4) Der Senat hat mit Urteil vom heutigen Tag
im Verfahren X R 33/19 entschieden, dass bei der Beurteilung, ob
Altersrenten einer verfassungsrechtlich unzulässigen doppelten
Besteuerung unterliegen, steuerfreie Teile einer bei statistischer
Wahrscheinlichkeit zu zahlenden Hinterbliebenenrente einzubeziehen
sind. Hierzu hat er im Wesentlichen angeführt, dass auch eine
künftige Hinterbliebenenrente ihre Grundlage in dem zwischen
dem Rentenberechtigten und der DRV Bund bestehenden
Versicherungsverhältnis hat und die Anwartschaft hierauf durch
die vom Rentenberechtigten geleisteten Beträge miterworben
ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die
Ausführungen unter II.3.b der Entscheidungsgründe im
Verfahren X R 33/19 verwiesen.
(a) Bei statistischer Betrachtung wird die am
XX.XX.1950 geborene Klägerin den Kläger überleben.
Die im Zeitpunkt des Renteneintritts des Klägers
letztverfügbare Sterbetafel des Statistischen Bundesamts
für den Betrachtungszeitraum 2005 bis 2007 weist für die
zu jenem Zeitpunkt 59 Jahre alte Klägerin eine
durchschnittliche statistische weitere Lebenserwartung von 25,49
Jahren aus. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen
statistischen Lebenserwartung des Klägers stünden der
Klägerin dem Grunde nach
Hinterbliebenenversorgungsansprüche für den Zeitraum von
Februar 2028 bis November 2034 zu („Phase
3“).
(b) Der Senat hat bei seinen nachfolgenden
Berechnungen zugunsten der Kläger deren -indes nicht
substantiierten- Einwand berücksichtigt, dass die
Klägerin jedenfalls außerhalb des sog.
Sterbevierteljahres (§ 67 Nr. 6 SGB VI) wegen einer
Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI keine Zahlungen aus
einer großen Witwenrente gemäß § 46 Abs. 2
SGB VI werde beanspruchen können. Dies gilt allerdings nicht
für die Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung
gemäß § 269 Abs. 1 SGB VI. Diese wären -auch
nach dem Vorbringen der Kläger- selbst dann durch die DRV Bund
zu zahlen, wenn ein Zahlungsanspruch auf die große
Witwenrente wegen einer Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI
auf Null herabgesetzt wäre (vgl. von Koch in Kreikebohm, SGB
VI, 5. Aufl., § 269 Rz 6; Kuszynski in BeckOK Sozialrecht, 60.
Edition, § 269 SGB VI Rz 1; Dankelmann in Schlegel/Voelzke,
jurisPK-SGB VI, § 269 Rz 20; Gürtner in Kasseler
Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 269 SGB VI Rz 3).
(c) Demzufolge wird
die Klägerin bei statistischer Betrachtung steuerfrei
bleibende Leistungen aus einer Hinterbliebenenversorgung der
DRV Bund von insgesamt ... € vereinnahmen
können. Im Einzelnen:
|
(aa) Zeitraum Februar
bis April 2028 ("Sterbevierteljahr"; § 67 Nr. 6
SGB VI)
|
Altersrente
(Rentenartfaktor 1,0)
|
... €
|
Steigerungsbeträge Höherversicherung
(Rentenartfaktor 1,0)
|
...
€
|
Monatsbetrag
|
... €
|
x drei Monate
|
... €
|
steuerfreier Teil der
Rentenbeträge (42 %)
(§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa Satz 8 EStG)
|
... €
|
(bb) Zeitraum Mai
2028 bis November 2034
|
Steigerungsbeträge Höherversicherung
(Rentenartfaktor 0,6; § 269 Abs. 1 Satz 2
Halbsatz 2 i.V.m. § 255 Abs. 1 SGB VI)
|
... €
|
x 79 Monate
|
... €
|
steuerfreier Teil der
Rentenbeträge (42 %)
|
... €
|
(5) In die Ermittlung des steuerfrei
zufließenden Teils der gesetzlichen Altersrente nebst
Steigerungsbeträgen aus der Höherversicherung sind weder
der Werbungskosten-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) noch
der Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 und 5 EStG) und ebenso wenig
der Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung sowie der Sonderausgaben-Pauschbetrag (§
10c EStG) einzubeziehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird
insoweit auf die Ausführungen des Senats im Urteil vom
heutigen Tag im Verfahren X R 33/19 Bezug genommen (dort unter
II.3.c, d, e und g).
dd) Der voraussichtlichen steuerlichen
Gesamtfreistellung der Alterseinkünfte aus der gesetzlichen
Rentenversicherung in Höhe von ... EUR sind die entsprechenden
steuerbelasteten Vorsorgeaufwendungen, die der Kläger an die
gesetzliche Rentenversicherung geleistet hat,
gegenüberzustellen.
Nach Maßgabe der insoweit nicht mit
Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG geht der
Senat davon aus, dass der Kläger Vorsorgeaufwendungen von
insgesamt ... EUR an die gesetzliche Rentenversicherung geleistet
hat. Hierfür konnte er einen Sonderausgabenabzug von kumuliert
mindestens ... EUR in Anspruch nehmen, sodass von den gesamten
Aufwendungen maximal ... EUR aus versteuertem Einkommen erbracht
worden sind.
(1) Das FG hat durch die Bezugnahme auf die
von den Klägern mit Schreiben vom 21.2.2017 eingereichte
Aufstellung über die in den Jahren 1966 bis 2009 geleisteten
und als Sonderausgaben abzugsfähigen
Altersvorsorgeaufwendungen festgestellt, dass der Kläger unter
Einbeziehung der Beiträge zur Höherversicherung für
den vorgenannten Zeitraum ... EUR an die gesetzliche
Rentenversicherung gezahlt hatte und hiervon ... EUR als
Sonderausgabe abzugsfähig und somit steuerwirksam gewesen
waren (Bl. 12 der Urteilsausfertigung sowie Bl. 105 der FG-Akte Bd.
I).
(2) Sofern die Kläger nunmehr geltend
machen, bereits die verpflichtenden Beiträge des Klägers
an das Versorgungswerk von insgesamt ... EUR hätten den
höchstmöglichen Sonderausgabenabzug für
Altersvorsorgeaufwendungen ausgeschöpft, sodass sämtliche
Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung aus
versteuertem Einkommen erbracht worden seien, überzeugt dieses
Vorbringen nicht. Zum einen ist es nicht mit den von den
Klägern selbst erklärten Zahlen in Einklang zu bringen,
zum anderen ist der Senat -wie das FG- der Auffassung, dass die an
die gesetzliche Rentenversicherung gezahlten Beiträge gleich-
und nicht etwa nachrangig zu den vom Kläger an das
Versorgungswerk erbrachten Altersvorsorgeaufwendungen als
Sonderausgaben zu berücksichtigen waren.
(a) § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG in der seit dem AltEinkG geltenden Fassung gewährt einen
Sonderausgabenabzug u.a. für Beiträge zu den gesetzlichen
Rentenversicherungen und zu berufsständischen
Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen
vergleichbare Leistungen erbringen; eine Begrenzung des Abzugs
findet nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 EStG statt. Im
Gegenzug werden die aus diesen Beiträgen herrührenden
Leibrenten und sonstigen Leistungen in der Auszahlungsphase
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
EStG voll besteuert. Der Wortlaut des Gesetzes differenziert weder
in der Einzahlungs- noch in der Auszahlungsphase zwischen
Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen und solchen
zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen. Ebenso wenig
finden sich Differenzierungen, ob die Beiträge gesetzlich
verpflichtend oder freiwillig erbracht wurden.
(b) Auch in systematischer Hinsicht
begründet sich kein Vorrang des Abzugs verpflichtender
Beiträge zu einer berufsständischen
Versorgungseinrichtung gegenüber freiwilligen
Beitragsleistungen an eine gesetzliche Rentenversicherung. Die
Leistungen aus beiden Altersvorsorgesystemen gehören nach
Maßgabe des oben dargelegten
„Drei-Schichten-Modells“ zur ersten Schicht und
damit zur Basisversorgung. Dies verbietet eine grundsätzlich
unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung, wenn -wie im
Streitfall- ein Steuerpflichtiger Beiträge in beide Systeme
geleistet hat.
(c) Entgegen der Ansicht der Kläger kann
Gegenteiliges auch nicht aus § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI
hergeleitet werden. Dort wird lediglich geregelt, dass sich
Beschäftigte und selbständig Tätige für eine
Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der
sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz
beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen
Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer
Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und
zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer
berufsständischen Kammer sind, unter bestimmten weiteren
Voraussetzungen von einer -gesetzlich bestehenden-
Rentenversicherungspflicht befreien lassen können. Diese
Befreiung wirkt nur sozialversicherungsrechtlich und bedeutet
nicht, dass Pflichtmitglieder einer berufsständischen
Versorgungseinrichtung, die darüber hinaus freiwillige
Beiträge in ein gesetzliches Rentenversicherungssystem zahlen
(vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB VI), diese steuerrechtlich
nachrangig aus versteuertem Einkommen zu erbringen hätten.
Freiwilligkeit bedeutet nicht Nachrangigkeit.
(d) Für dieses Ergebnis sprechen auch die
bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze
zur Gleich- bzw. Nachrangigkeit von Vorsorgeaufwendungen.
So hat der Senat bereits mehrfach entschieden,
dass mit Blick auf den noch bis zum Veranlagungszeitraum 2004
geltenden einheitlichen Höchstbetrag für alle in §
10 Abs. 3 EStG a.F. genannten Vorsorgeaufwendungen die
Beiträge zu den verschiedenen Sparten der gesetzlichen
Sozialversicherung gleichrangig in die Berechnung des abziehbaren
Teils der Altersvorsorgeaufwendungen einzustellen sind (Urteile vom
26.11.2008 - X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 = SIS 08 44 40, unter II.2.c cc; in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567 = SIS 10 06 46, Rz 37; in BFHE 254, 545 = SIS 16 22 02, Rz 51).
Lediglich nachrangig zu den Beiträgen der
gesetzlichen Sozialversicherung sind im zeitlichen
Anwendungsbereich der bis zum Veranlagungszeitraum 2004 geltenden
Rechtslage dagegen Beiträge zu kapitalbildenden
Lebensversicherungen abzuziehen. Der Senat hat dies damit
begründet, eine gleichrangige Betrachtung einer solchen
Kapitalanlage mit den Aufwendungen für die Basisversorgung
führe dazu, dass für Letztere ein geringeres
Sonderausgaben-Abzugsvolumen übrigbliebe, d.h. ein
höherer Anteil aus versteuertem Einkommen geleistet würde
und somit ungerechtfertigterweise die Schwelle zur
unzulässigen doppelten Besteuerung früher
überschritten wäre (Urteil in BFHE 259, 311, BStBl II
2018, 62 = SIS 17 21 23, Rz 30). Gleiches gilt für
Beiträge zu privaten Rentenversicherungen, weil die Leistungen
hieraus auch für Veranlagungszeiträume ab 2005 steuerlich
begünstigt -nämlich nur mit dem Ertragsanteil (§ 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG)- zu
berücksichtigen sind (s.a. Kulosa, DStR 2018, 1413, 1417;
Schuster, DStR 2018, 2106, 2108).
Gerade Letzteres zwingt nach Ansicht des
Senats zum Rückschluss, dass Altersvorsorgeaufwendungen, die
vom Steuerpflichtigen in verschiedene Vorsorgesysteme eingezahlt
werden, im Rahmen des Sonderausgabenabzugs gleichrangig zu
behandeln sind, wenn die späteren Leistungen hieraus nach der
Systematik des Gesetzes gleich zu besteuern sind. Hiermit setzt
sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom
17.11.2015 - X R 40/13 (BFH/NV 2016, 388 = SIS 16 02 51, Rz 22
ff.). Der dort befürwortete Vorrang der Beiträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber denjenigen an eine
berufsständische Versorgungseinrichtung bezog sich nur auf den
sachlichen Anwendungsbereich der Öffnungsklausel i.S. von
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG,
nicht aber auf das Rangverhältnis der jeweiligen Beiträge
für den Sonderausgabenabzug.
ee) Aus alledem folgt, dass sich bei der
für das Streitjahr gebotenen Nichtanwendung der
Öffnungsklausel eine auf die statistisch wahrscheinliche
Gesamtlaufzeit der Altersrente erstreckende doppelte Besteuerung
von rechnerisch ... EUR ergibt.
Dieser Betrag ist nach Auffassung des Senats
nicht linear auf den Zeitraum von 2009 bis 2034, sondern nach
Maßgabe des jeweiligen Verhältnisses von der
jährlichen zur gesamten Steuerfreistellung zu verteilen. So
ist zu berücksichtigen, dass in Anbetracht der nur
viermonatigen Laufzeit der Rente im Streitjahr der steuerfrei
vereinnahmte Teil von ... EUR (... EUR x vier Monate x 42 %)
lediglich 1,4 % der voraussichtlichen Gesamtsteuerfreistellung (...
EUR) ausmacht. Daher beträgt die doppelte Besteuerung im
Streitjahr rechnerisch 42 EUR.
b) Der Senat braucht nicht zu beurteilen, ob
die Kläger jene Doppelbelastung als Bagatellbetrag hinzunehmen
hätten oder ob im Hinblick auf die Vorgabe des BVerfG, eine
doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und
-einkünften „in jedem Fall“ zu vermeiden
(BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73 = SIS 02 04 93, unter D.II.), die
Geltung jeglicher Bagatellgrenzen ausgeschlossen ist (offengelassen
im Senatsurteil in BFHE 254, 545 = SIS 16 22 02, Rz 46; vgl. aber
auch Schuster, juris - Die Monatszeitschrift 2017, 119, 122). Denn
der vorgenannte Betrag liegt unterhalb der Begünstigung der
Kläger in Höhe von ... EUR, die diese durch die
rechtswidrige Anwendung der Öffnungsklausel und der hiermit
verbundenen Herabsetzung der Renteneinkünfte des Klägers
durch den Einkommensteuerbescheid vom 6.1.2015 erfahren haben.
aa) Streitgegenstand im finanzgerichtlichen
Verfahren gegen eine Steuerfestsetzung ist nicht das einzelne
Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des die
Steuer festsetzenden Steuerbescheides. Zwar ist das Gericht
gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO an einer
Schlechterstellung des Klägers gehindert
(Verböserungsverbot). Es ist aber nicht nur berechtigt,
sondern verpflichtet, einen den Kläger begünstigenden
Fehler des FA oder des FG im Rahmen der Klageanträge zu seinen
Lasten zu berücksichtigen, sog. Saldierungsgebot
(BFH-Entscheidungen vom 26.11.1987 - IV R 171/85, BFHE 152, 95,
BStBl II 1988, 490 = SIS 88 05 17, unter 5.; vom 19.4.2005 - III B
19/04, juris, unter 1.; vom 26.9.2005 - XI B 57/04, BFH/NV 2006,
517 = SIS 06 11 61, unter 2.a, sowie vom 16.7.2008 - X B 25/08,
BFH/NV 2008, 1673 = SIS 08 35 86, unter 3.; vgl. auch Lange in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz 198, m.w.N.).
bb) Das Saldierungsgebot, das über §
121 Satz 1 FGO auch im Revisionsverfahren gilt (Senatsurteil in
BFHE 259, 311, BStBl II 2018, 62 = SIS 17 21 23, Rz 44, m.w.N.),
verpflichtet den Senat somit, die rechtswidrige doppelte
Besteuerung der gesetzlichen Altersrente des Klägers von 42
EUR mit der ebenfalls rechtswidrigen, sich aber gegenläufig
betragsmäßig höher zugunsten der Kläger
auswirkenden Minderung der Renteneinkünfte von ... EUR zu
verrechnen. Eine aus der doppelten Besteuerung herrührende
Rechtsverletzung der Kläger ist daher ausgeschlossen.
cc) Fehlt es vorliegend bereits an einer
Rechtsverletzung der Kläger, bedarf die weitere Frage, ob ein
Steuerpflichtiger, der auf die antragsabhängige
Öffnungsklausel und damit auf ein gesetzliches Instrument zur
Vermeidung einer doppelten Besteuerung bewusst verzichtet, insoweit
überhaupt einer verfassungswidrigen Besteuerung ausgesetzt
ist, keiner Entscheidung des Senats.
dd) Mit ihrem Einwand, die doppelte
Besteuerung der Altersrente müsse auch ohne Anwendung der
Öffnungsklausel zu einer abweichenden Steuerfestsetzung aus
Billigkeitsgründen gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1
der Abgabenordnung führen, können die Kläger nicht
gehört werden. Billigkeitsmaßnahmen nach dieser
Vorschrift sind Gegenstand eines gesonderten Verwaltungsverfahrens
und werden von der vorliegenden -allein die Steuerfestsetzung
betreffenden- Revision nicht erfasst (vgl. hierzu Senatsurteil vom
1.10.2015 - X R 32/13, BFHE 251, 298, BStBl II 2016, 139 = SIS 15 26 29, Rz 18).
4. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden,
dass die vom Kläger bezogene
„Rürup“-Rente der A-AG im Streitjahr keiner
doppelten Besteuerung ausgesetzt war. Der von den Klägern
insofern ermittelte Betrag von zuletzt 56 EUR (vgl. Bl. 217 f.
BFH-Akte) ist den vom FG getroffenen Feststellungen nicht zu
entnehmen.
a) Der voraussichtlich steuerfrei zu
vereinnahmende Teil aus dieser, der Basisversorgung
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zuzuordnenden
Rente beläuft sich auf ... EUR.
Für den Kläger bestand unter
Beachtung der am 19.10.2006 veröffentlichten Sterbetafel des
Statistischen Bundesamts für den Betrachtungszeitraum 2003 bis
2005 am Tag des Rentenbeginns (1.2.2007) eine durchschnittlich
weitere voraussichtliche Lebenserwartung von 19 Jahren und ...
Tagen (XX.XX.2006: Vollendung des 60. Lebensjahres = 20,27 =
interpolierend fortentwickelt auf den 1.2.2007 = 19 Jahre und ...
Tage [19,..]).
Der vom FG festgestellte steuerfreie Teil der
Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa Sätze 4 und 5 EStG beträgt jährlich
... EUR. Legt man eine jährliche Zahlungsweise zugrunde, wird
der Kläger bei Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung
zumindest 19 Rentenzahlungen vereinnahmen und somit einen
steuerfrei gestellten Betrag von insgesamt ... EUR.
b) Der steuerfrei bleibende Rententeil liegt
nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden
Feststellungen des FG betragsmäßig höher als der
aus versteuertem Einkommen geleistete Beitrag, einerlei ob dieser
im Jahr 2006 oder erst im Jahr 2007 erbracht wurde.
aa) Geht man davon aus, dass der Einmalbeitrag
von ... EUR -wie von den Klägern vorgetragen- bereits im Jahr
2006 gezahlt wurde (Vertragsschluss vom 29.12.2006), führt
dies nach Maßgabe der von den Klägern im
erstinstanzlichen Verfahren erklärten und vom FG so auch
festgestellten Zahlen (vgl. Bl. 20 der Urteilsausfertigung; Bl. 105
der FG-Akte) zu einer Quote des Sonderausgabenabzugs für
sämtliche Altersvorsorgeaufwendungen der Basisversorgung jenes
Jahres von 50,03 % (... EUR). Folglich wäre ein Teilbetrag von
... EUR aus versteuertem Einkommen erbracht worden, der unterhalb
des voraussichtlich steuerfrei zu vereinnahmenden Rententeils von
... EUR läge.
bb) Nichts anderes ergäbe sich,
würde man -wie vom FG zutreffend dargelegt- unterstellen, der
Kläger hätte den Beitrag erst zu Beginn des Jahres 2007
verausgabt. In diesem Fall beliefe sich die
Sonderausgabenabzugsquote nach den eigenen Berechnungen der
Kläger auf 54,09 % (... EUR); der aus versteuertem Einkommen
erbrachte Beitrag betrüge nur ... EUR.
c) Soweit die Kläger die doppelte
Besteuerung der „Rürup“-Rente der A-AG
darauf zurückführen, dass die den Maximalabzugsbetrag
für Altersvorsorgeaufwendungen im Jahr 2006 von 40.000 EUR
übersteigenden ... EUR zwingend aus versteuertem Einkommen
geleistet worden seien, unterstellen sie zu Unrecht, dass jener
Betrag ausschließlich auf den Erwerb des Bezugsrechts jener
Rente entfällt. Diese Annahme beachtet allerdings nicht den
oben dargelegten Grundsatz, dass alle diejenigen
Altersvorsorgeaufwendungen, die zum Aufbau von
Versorgungsansprüchen der ersten Schicht dienen, gleichrangig
als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind.
5. Das weitere Vorbringen der Kläger, das
FG habe zu Unrecht entschieden, regelmäßige Anpassungen
der „Rürup“-Rente/n des Klägers seien
in voller Höhe bei den Alterseinkünften des Klägers
zu erfassen, greift nicht durch.
a) § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa Sätze 4 und 5 EStG sehen vor, dass der
steuerfreie Teil einer Rente der Basisversorgung in einem
lebenslang geltenden grundsätzlich gleichbleibenden Freibetrag
festgeschrieben wird. Regelmäßige Rentenanpassungen
führen nicht zu einer Erhöhung des steuerfreien Teils der
Rente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7
EStG). Konsequenterweise ist durch das Gesetz angelegt, dass
spätere reguläre Rentenerhöhungen
uneingeschränkt der Besteuerung unterworfen werden.
Hintergrund dessen ist die vom Gesetzgeber gesehene Notwendigkeit,
der ansonsten in der Übergangsphase eintretenden erneuten
Vergrößerung der Besteuerungsunterschiede zwischen
Sozialversicherungsrenten und Beamtenpensionen entgegenzuwirken
(BTDrucks 15/2150, 41). Der Senat hat bereits entschieden, dass die
mit der Festschreibung des steuerfreien Teils der Rente
einhergehende Vollversteuerung regelmäßiger
Rentenanpassungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist
(Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 = SIS 08 44 40, unter
II.3.b aa; vgl. auch Senatsentscheidungen vom 6.3.2013 - X B
113/11, BFH/NV 2013, 929 = SIS 13 14 00, Rz 9, sowie vom 3.12.2019
- X R 12/18, BFHE 266, 319, BStBl II 2020, 386 = SIS 20 01 60, Rz
22 ff. zur Verfassungsmäßigkeit der Anpassung des
aktuellen Rentenwertes (Ost)).
b) Das hiergegen gerichtete Vorbringen der
Kläger hat keinen Erfolg, wobei der Senat offenlassen kann, ob
die gerügte Vollbesteuerung der Anpassung der
„Rürup“-Rente der A-AG von ... EUR die
Höhe der Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres
überhaupt zu Lasten der Kläger beeinflusst hat.
aa) Bereits unzutreffend ist die Behauptung
der Kläger, das FG habe sich ihrer Ausführungen nicht
angenommen. Bl. 19 der Urteilsausfertigung (dort unter bb) belegt
das Gegenteil. Das FG hat sich in seiner Entscheidung der
Rechtsprechung, derzufolge Rentenanpassungen in vollem Umfang zu
besteuern seien, ausdrücklich angeschlossen.
bb) Die verfassungsrechtlichen Erwägungen
der Kläger greifen nicht durch. Wenn sie meinen, die
Vollbesteuerung der Rentenanpassungen führe zu einer
verfassungswidrigen doppelten Besteuerung von
Altersvorsorgeaufwendungen und -einkünften, verkennen sie die
Systematik dieser Berechnung. Denn die Vollbesteuerung der
Anpassungsbeträge hat bei der Prüfung einer doppelten
Besteuerung keine unmittelbare Bedeutung. Verglichen werden -wie
oben dargelegt (vgl. 3.a aa)- nur die aus versteuertem Einkommen
erbrachten Beiträge mit den voraussichtlich steuerfrei
zufließenden Rentenbezügen. Regelmäßige
Rentenanpassungen sind dagegen den (voll) steuerbelasteten
Bezügen zuzuordnen und werden daher nicht als
Vergleichsparameter herangezogen. Der Umstand, dass die Anpassungen
durch den gesetzlichen Besteuerungsanteil nicht zumindest teilweise
steuerfrei belassen werden, kann somit nur mittelbar Grund
dafür sein, dass im jeweiligen Einzelfall die Grenze einer
unzulässigen doppelten Besteuerung betragsmäßig
eher erreicht wird.
cc) Der Einwand eines Verstoßes gegen
das Leistungsfähigkeitsprinzip liegt neben der Sache.
Grundsätzlich darf und muss jeder Zuwachs an wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit -voll- besteuert werden, somit auch eine
Rentenanpassung. Der Hinweis auf eine faktische Rentenkürzung
durch eine Vollbesteuerung der Rentenanpassungen bei gleichzeitig
steigender Inflation ist -anders als die Kläger meinen- kein
verfassungsrechtliches Problem in Gestalt des Eigentumsschutzes
(Art. 14 des Grundgesetzes -GG-), sondern vorrangig eine Aufgabe,
der sich der Gesetzgeber anzunehmen hat. Zudem trifft dieses
Problem nicht nur Sozialversicherungsrentner, sondern auch die
Bezieher von Beamtenpensionen und ebenso aktiv Beschäftigte,
sofern eine Einkommenserhöhung geringer ist als die
Geldentwertung.
dd) Der Gesetzgeber hat auch nicht -wie die
Kläger schlicht behaupten- gegen das Folgerichtigkeitsgebot
verstoßen, sondern es vielmehr beachtet. Die Vollbesteuerung
von regelmäßigen Rentenanpassungen entspricht exakt dem
Prinzip der nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften
aus der Basisversorgung. Dies gilt auch in der Übergangsphase.
Steuerlichen Bestandsschutz mit einem geringeren Besteuerungsanteil
kann es nur für die Rentenbeträge in der zum 31.12.2004
vorliegenden Höhe geben. Wertzuwächse in der Zeit vom
1.1.2005 bis 31.12.2039 genießen keinen besonderen
Besteuerungsschutz. dies wäre gegenüber der
Vollversteuerung von zwischenzeitlichen Erhöhungen der
Beamtenpensionen und anderen Erwerbseinkommen nicht zu
rechtfertigen.
ee) Aus vorgenannten Erwägungen vermag
der Senat auch nicht die von den Klägern beanstandete
Verletzung der Gesetzessystematik zu erkennen. Ihr Hinweis auf die
Gesetzesbegründung zum Steuerneuordnungsgesetz 1954 (BTDrucks
2/481, 86 f.) hilft nicht weiter. Dort wurde ausführlich
dargelegt, weshalb private Leibrenten (nur) mit dem Ertragsanteil
zu versteuern seien. Darum geht es im Streitfall im Hinblick auf
die „Rürup“-Rente gerade nicht.
ff) Für den von ihnen angeführten
Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1
GG) bilden die Kläger unzutreffende Vergleichsgruppen. Der
Vergleich zwischen „Rentnern der ‘ersten
Schicht’„ und „Rentnern der ‘dritten
Schicht’„ ist untauglich, da beide Gruppen hinsichtlich
der Besteuerung unterschiedlichen Systemen unterworfen sind
(nachgelagerte versus vorgelagerte Besteuerung). Der
verfassungsrechtlich maßgebliche Vergleich kann nur zu
Pensionären gezogen werden, die ihre Altersbezüge nach
§ 19 EStG voll zu besteuern haben; dies war auch der
Maßstab der Entscheidung des BVerfG in dessen Entscheidung 2
BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73 = SIS 02 04 93, unter C.).
6. Die vom FG ermittelte doppelte
Besteuerung von neun der vom Kläger im Streitjahr bezogenen
Leibrenten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der
Basisversorgung erweist sich bereits vom systematischen Ansatz her
als unzutreffend. Das FA hat jene Renten dem Grunde und der
Höhe nach zutreffend mit dem Ertragsanteil gemäß
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG
besteuert (unten a). Der Rechtsfehler der Vorinstanz ist allerdings
nicht entscheidungserheblich (unten b).
a) Das FG hat die dem Kläger im
Streitjahr zugeflossenen Renten aus privaten Versicherungen zu
Unrecht der Prüfung einer doppelten Besteuerung nach
Maßgabe der für nachgelagert zu besteuernde Renten der
Basisversorgung geltenden Methode unterzogen.
aa) Die Leibrenten aus privaten
Versicherungen außerhalb der Basisversorgung unterliegen
-dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig- der vorgelagerten
Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb EStG, und zwar unter Berücksichtigung der in
Satz 4 der Vorschrift ausgewiesenen Ertragsanteile. Dies gilt
unabhängig davon, ob die jeweiligen Rentenrechte per
Einmalbeitrag erworben wurden und neben einer garantierten
Mindestrente auch nicht garantierte Überschussbeteiligungen
gezahlt werden (hierzu Senatsurteil vom 17.4.2013 - X R 18/11, BFHE
241, 27, BStBl II 2014, 15 = SIS 13 17 69, Rz 54 ff.; noch
offengelassen im Senatsurteil vom 20.6.2006 - X R 3/06, BFHE 214,
185, BStBl II 2006, 870 = SIS 06 34 80, unter II.3.d).
bb) Als der in § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG benannte „Ertrag des
Rentenrechts (Ertragsanteil)“ gilt nach Satz 3 der
Vorschrift der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der
Rente und dem Betrag, der sich bei gleichmäßiger
Verteilung des Kapitalwerts der Rente auf ihre voraussichtliche
Laufzeit ergibt, wobei der Kapitalwert nach dieser Laufzeit zu
berechnen ist. Besteuert wird somit -nur- der
gleichmäßig auf die nach biometrischen
Durchschnittswerten bemessene Dauer des Rentenbezugs verteilte
Zinsanteil einer Kapitalrückzahlung (Senatsurteile vom
8.3.1989 - X R 16/85, BFHE 156, 432, BStBl II 1989, 551 = SIS 89 13 03, unter 2.a, sowie in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 = SIS 08 44 40, unter II.1.b bb). Hierdurch soll sichergestellt werden, dass
bei jeder Rentenzahlung, die anteilig einen Betrag enthält,
der wirtschaftlich den Gegenwert der eingezahlten Beträge
darstellt, keine Vermögensumschichtung, sondern nur die
Verzinsung dieses Vermögens in Gestalt des Ertragsanteils als
gesetzlich pauschalierter Zinsanteil besteuert wird (s.
Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 = SIS 08 44 40,
unter II.1.b aa).
cc) Der Gesetzgeber hat im Rahmen des AltEinkG
bei Neuausrichtung der Besteuerung der Alterseinkünfte an der
Ertragsanteilsbesteuerung von Renten aus privaten
Kapitalanlageprodukten festgehalten. Erwägung hierfür
war, dass solche Rentenversicherungen zu unterschiedlichen Zwecken
abgeschlossen würden und sich die Beiträge in einem von
Fall zu Fall unterschiedlichen Maß -oftmals gar nicht- als
Sonderausgaben ausgewirkt hätten. Demzufolge sei es
sachgerechter und praktikabler, die hieraus herrührenden
Leibrenten weiterhin pauschal mit dem Ertragsanteil zu besteuern
(BTDrucks 15/2150, 41 f.). Hierbei erwog der Gesetzgeber
ausdrücklich, dass es sich um Renten handeln könne, die
durch den Einsatz von ausschließlich versteuertem Einkommen
erworben worden seien (BTDrucks 15/2150, 25, dort unter 6.). Diesen
Umstand führte er zudem u.a. dafür an, den Rechnungszins,
der der Ermittlung der gesetzlichen Ertragsanteile zugrunde liegt,
mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2005 von 5,5 % auf 3 %
abzusenken (BTDrucks 15/2150, 25 f.).
dd) Die Prämissen der
Ertragsanteilsbesteuerung einerseits und der für
Basisversorgungsrenten geltenden nachgelagerten Besteuerung
andererseits unterscheiden sich grundlegend.
Die nachgelagerte Besteuerung der
Basisversorgung verlangt nach Maßgabe des Prinzips der
intertemporalen Korrespondenz, dass die Beiträge in der
Erwerbsphase aus steuerunbelastetem Vermögen zu erbringen
sind. Dies rechtfertigt den vollen Steuerzugriff in der
Auszahlungsphase. Gleichzeitig ist damit der Ausschluss einer
doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und
-bezügen gewährleistet. Allerdings bedarf es in der
derzeitigen gesetzlichen Übergangsphase bis zur
vollständigen Freistellung der Aufwendungen der
Einzelfallprüfung, da durch die unterschiedliche steuerliche
Entlastung der Beiträge in der Ansparphase
gesetzessystematisch nicht ohne Weiteres sichergestellt ist, dass
der allein vom Renteneintrittsjahr abhängige
Besteuerungsanteil der Rente eine doppelte Besteuerung
zuverlässig vermeidet.
Ein solcher Vergleich von Steuerbelastung in
der Erwerbsphase und Steuerentlastung in der Auszahlungsphase
verbietet sich für ertragsanteilsbesteuerte Renten bereits vom
systematischen Ansatz (vgl. Senatsurteil vom 5.4.2017 - X R 50/14,
BFHE 257, 393, BStBl II 2017, 1184 = SIS 17 09 87, Rz 35). Grund
hierfür ist, dass die Besteuerung mit dem Ertragsanteil gerade
auf dem Leitbild beruht, der Rentenanspruch sei durch aus
versteuertem Einkommen gezahlten Beiträgen erworben worden
(vgl. Senatsurteil vom 5.6.2002 - X R 1/00, BFH/NV 2002, 1438 = SIS 02 97 91, unter II.1.c). Besteuert wird damit lediglich der erst in
der Auszahlungsphase entstehende Zinsertrag, der gesetzlich
typisiert wird.
ee) Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass
in der Vergangenheit im Einzelfall auch bei der
Ertragsanteilsbesteuerung von Leibrenten eine unzulässige
„Überbesteuerung“ erwogen wurde. Diese
Frage nahm allerdings -systematisch konsequent- nicht in den Blick,
ob und in welcher Höhe Beiträge für den Erwerb des
Rentenrechts steuerfrei gestellt wurden. Vielmehr wurde sie
für solche Konstellationen erörtert, in denen bei
privaten Leibrentenversicherungen neben einer garantierten
Grundrente eine nicht garantierte Überschussbeteiligung
gezahlt wurde. Im Fall einer unterhalb des Rechnungszinsfußes
des gesetzlichen Ertragsanteils liegenden Verzinsung der Grundrente
sowie einer -seinerzeit rechtlich noch ungeklärten-
abspaltenden Zuordnung der Überschussbeteiligung zu den
sonstigen wiederkehrenden Bezügen i.S. von § 22 Nr. 1
Satz 1 EStG hätte eine Vollversteuerung des
Überschussanteils überbesteuernde Wirkung haben
können, d.h. es wäre unzulässigerweise auch ein Teil
der Kapitalrückzahlung besteuert worden (vgl. Senatsurteil in
BFHE 214, 185, BStBl II 2006, 870 = SIS 06 34 80, unter II.3.b;
BMF-Schreiben vom 26.11.1998, BStBl I 1998, 1508 = SIS 99 02 01;
s.a. Kulosa, HFR 2005, 316, 319). Dies ist allerdings nicht der
Fall der Kläger, die die von ihnen behauptete
„doppelte Besteuerung“ darauf stützen, dass
die auf Grundlage der grob pauschalierenden
Ertragsanteil-Vomhundertsätze ermittelte Steuerfreistellung im
Einzelfall geringer ausfällt als die Höhe des jeweils
geleisteten Beitrags.
ff) Der Senat sieht auch sonst keinen Anlass,
die Vereinbarkeit der Ertragsanteilsbesteuerung mit
höherrangigem Recht in Zweifel zu ziehen. Obwohl sich der
Ertrags- und Tilgungsanteil einer Leibrente jährlich mit dem
steigenden Lebensalter des Berechtigten ändert, hat sich der
Gesetzgeber aus Vereinfachungsgründen für die Fiktion
entschieden, dass Ertrags- und Tilgungsanteil während der
gesamten Laufzeit der Rente unverändert bleiben; der
Ertragsanteil knüpft an das Lebensalter des Berechtigten bei
Rentenbeginn an. Ein solches Besteuerungssystem ist von der
Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt (Senatsurteil vom
4.2.2010 - X R 52/08, BFH/NV 2010, 1253 = SIS 10 18 16, Rz 41 ff.).
Ebenso wenig rechtfertigen es die individuellen Verhältnisse
des Rentenberechtigten bzw. das Vorhandensein anderen und neueren
statistischen Materials, von den verbindlich festgelegten
gesetzlichen -grob pauschalierenden-
Ertragsanteils-Vomhundertsätzen abzuweichen (Senatsurteil in
BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 = SIS 08 44 40, unter II.1.b bb
mit Hinweis auf BVerfG-Beschluss vom 23.10.1987 - 1 BvR 573/86, HFR
1988, 649). Entgegen der -allerdings nicht belegten- Ansicht der
Kläger bestehen für den Senat auch keine Anhaltspunkte
dafür, dass die Höhe der gesetzlich festgelegten
Ertragsanteile, die an den Beginn einer Rente anknüpfen, im
Streitjahr 2009 nicht realitätsgerecht ausgestaltet gewesen
sein sollten.
gg) Kann sich im Streitfall somit bereits dem
Grunde nach keine doppelte Besteuerung der Renten aus den privaten
Versicherungen des Klägers ergeben, bedarf die weitere
streitige Frage, anhand welcher Sterbetafel des Statistischen
Bundesamts die Berechnung des voraussichtlich steuerfrei
zufließenden Rententeils vorzunehmen ist, keiner
Beantwortung.
b) Der Rechtsfehler der Vorinstanz, eine
doppelte Besteuerung von neun dieser Renten festzustellen, war
nicht entscheidungserheblich. Das FG hielt den von ihm ermittelten
Betrag von insgesamt ... EUR für geringfügig und damit
nicht berücksichtigungsfähig.
7. Das FG ist dagegen rechtsfehlerfrei davon
ausgegangen, dass auch die Überschussbeteiligungen des
Klägers aus mehreren privaten Leibrentenversicherungen neben
den garantierten Renten mit den jeweiligen gesetzlichen
Ertragsanteilen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG zu besteuern sind.
a) § 153 Abs. 1 des
Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) legt fest, dass der
Versicherungsnehmer bei Lebens- bzw. Rentenversicherungen
grundsätzlich Anspruch sowohl auf den von dem
Versicherungsunternehmen erwirtschafteten Überschuss als auch
auf die sog. Bewertungsreserven hat (Überschussbeteiligung);
anderes gilt bei einem ausdrücklich vereinbarten Ausschluss
der Überschussbeteiligung. Der Kläger hat im Streitjahr
aus acht seiner 19 privaten Leibrentenversicherungen im Streitjahr
Überschussbeteiligungen von insgesamt ... EUR bezogen.
b) Überschussbeteiligungen sind
Bestandteil der Leibrente und mit dem nach § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG maßgeblichen
Ertragsanteil in Ansatz zu bringen. Unerheblich ist, dass die
Überschussbeteiligungen -anders als der garantierte Teil der
Leibrente- nicht mit hinreichender Gewissheit prognostizierbar
sind.
Der Senat hat in BFHE 241, 27, BStBl II 2014,
15 = SIS 13 17 69 bereits entschieden, dass die garantierte
Mindestrente und die nicht garantierte Überschussbeteiligung
(i.S. von § 153 Abs. 1 VVG) auf einem einheitlichen
Rentenrecht beruhen und steuerrechtlich als Einheit anzusehen sind
(so auch bereits Senatsurteil in BFHE 214, 185, BStBl II 2006, 870
= SIS 06 34 80, unter II.3.c für eine nicht garantierte
„Bonusrente aus der
Überschussbeteiligung“). Die
Überschussbeteiligungen sind im Verhältnis zur
garantierten Rente kein aliud, sondern rechtlich und wirtschaftlich
untrennbarer konzeptioneller Bestandteil des Vertragstypus
(Senatsurteil in BFHE 241, 27, BStBl II 2014, 15 = SIS 13 17 69, Rz
52 ff.).
Der Einwand der Kläger, die
Überschussbeteiligungen seien zwar tatsächlicher, aber
mit dem gesetzlichen Ertragsanteil abgegoltener Ertrag, kann
deshalb nicht überzeugen. Die garantierte Rente und die
Überschussbeteiligungen sind insgesamt mit dem Ertragsanteil
zu besteuern. Weshalb es -so das rechtliche Vorbringen der
Kläger- dem Willen des Gesetzgebers entsprochen haben soll,
die Überschussbeteiligungen als mit dem Ertragsanteil für
die garantierte Rentenzahlung abgegolten anzusehen,
erschließt sich dem Senat nicht und wird von den Klägern
auch nicht weiter belegt.
c) Von diesen Grundsätzen ist im Ergebnis
auch das FG ausgegangen. Zwar enthält das angefochtene Urteil
keine konkreten Feststellungen, für welche Leibrente welche
Überschussbeteiligung zugeflossen ist. Ebenso wenig findet
sich in den Gründen eine tiefergehende Auseinandersetzung mit
dem gegenteiligen Vorbringen der Kläger. Allerdings wird noch
hinreichend deutlich, dass das FG den Zufluss der
Überschussbeteiligungen als steuerbar ansieht. Denn bei der
Berechnung einer doppelten Besteuerung für sieben von acht
privaten Leibrenten, bei denen der Kläger
Überschussbeteiligungen bezogen hat, hat es diese mit dem
Ertragsanteil in die Besteuerung einbezogen (Bl. 25 der
Urteilsausfertigung [unter aa], Bl. 26 [bb], Bl. 26 [cc], Bl. 26 f.
[dd], Bl. 28 [hh], Bl. 28 [ii], Bl. 29 [jj]).
8. Die Verfahrensrügen der Kläger
greifen nicht durch. Die geltend gemachten Mängel liegen
entweder nicht vor oder sind nicht entscheidungserheblich.
a) Soweit die Kläger anführen, das
FG habe die von ihnen beanstandete doppelte Besteuerung der
gesetzlichen Altersrente nicht geprüft, liegt kein
entscheidungserheblicher Sachaufklärungsmangel i.S. von §
76 Abs. 1 Satz 1 FGO, sondern ein materieller Mangel vor. Der Senat
hat diesen Mangel beseitigt, indem er die Prüfung der
doppelten Besteuerung im Einzelfall vorgenommen hat.
b) Gleiches gilt für den geltend
gemachten Verfahrensmangel, das FG habe sich nicht mit dem
rechtlichen Vorbringen der Kläger auseinandergesetzt, der
Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen sei bereits
durch die verpflichtend zu erbringenden Beiträge an das
Versorgungswerk ausgeschöpft, sodass sämtliche
Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung aus
versteuertem Einkommen hätten erbracht werden müssen.
c) Unzutreffend ist die Behauptung der
Kläger, das FG habe verfahrensfehlerhaft nicht deren Argumente
zur teilweisen steuerlichen Freistellung der
regelmäßigen Rentenanpassungen zur Kenntnis genommen.
Das Gegenteil ist -wie oben ausgeführt (vgl. unter 5.b aa)-
der Fall.
d) Die Kläger rügen ferner, das FG
habe sich nicht mit ihrem Begehren auseinandergesetzt, die
Überschussbeteiligungen bei diversen privaten
Leibrentenversicherungen nicht gesondert mit dem Ertragsanteil zu
besteuern. Der hiermit geltend gemachte Begründungsmangel i.S.
von § 119 Nr. 6 FGO liegt nicht vor, da der Entscheidung -wie
unter 7.c dargelegt- noch hinreichend sicher entnommen werden kann,
dass das FG von einer mit dem Ertragsanteil zu bewertenden
Steuerbarkeit der Überschussbeteiligungen ausgegangen ist.
e) Der weitere Einwand, das FG sei in der
angefochtenen Entscheidung nicht auf alle Klageanträge
eingegangen, geht ins Leere. Das FG hat über den in der
mündlichen Verhandlung vom 28.5.2018 zu Protokoll gegebenen
Anfechtungsantrag umfassend befunden. Die zahlreichen weiteren, im
schriftlichen Verfahren angeführten Anträge haben die
Kläger in der mündlichen Verhandlung, in der sie
fachkundig vertreten waren, nicht mehr aufgegriffen, sondern sich
auf den -prozessual einzig zulässigen- Anfechtungsantrag
beschränkt.
f) Wenn die Kläger schließlich
beanstanden, das FG habe bei einer der den privaten
Kapitalanlageprodukten zuzuordnenden Leibrente („Rente Nr.
23“) die Anzahl der voraussichtlich zu erwartenden
Rentenzahlungen unzutreffend ermittelt, fehlt diesem Einwand die
Entscheidungserheblichkeit. Eine doppelte Besteuerung jener Rente
kann sich -wie oben dargelegt (s. 6.)- nicht stellen, sodass die
prognostische Gesamthöhe der zu vereinnahmenden Rente
rechtlich belanglos ist.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.