Auf die Revision der Klägerin werden das
Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 20.3.2012 6 K
2143/07 = SIS 12 12 11 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten
vom 19.10.2007 aufgehoben.
Die Einkommensteuer wird unter Abänderung des
Einkommensteuerbescheids des Beklagten vom 23.8.2007 auf 177 EUR
festgesetzt.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) bezog im Streitjahr 2006 von
der Deutschen Rentenversicherung Bund Einkünfte aus einer
Witwenrente sowie einer Altersrente für schwerbehinderte
Menschen. Mit Rentenbescheid vom 2.11.2005 wurde die letztgenannte
Rente neu festgestellt. Der Klägerin wurden im Streitjahr
für die Zeit vom 1.5.1999 bis 31.12.2005 eine Nachzahlung in
Höhe von 10.850,08 EUR netto sowie hierauf entfallende Zinsen
nach § 44 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) in
Höhe von 1.399,75 EUR ausgezahlt.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die Nachzahlung und die
Zinsen im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 23.8.2007
erklärungsgemäß als sonstige Einkünfte i.S.
des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des
Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Besteuerungsanteil von 50
% (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3
EStG).
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Im Einspruchsverfahren begehrte die
Klägerin die Zuordnung der Zinsen nach § 44 SGB I zu den
Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr.
7 EStG, weil nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrages in
Höhe von 51 EUR (§ 9a Satz 1 Nr. 2 EStG) und des
Sparerfreibetrages in Höhe von 1.370 EUR (§ 20 Abs. 4
Satz 1 EStG) keine steuerpflichtigen Einkünfte verbleiben
würden. Das FA wies den Einspruch als unbegründet
zurück.
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Die hiergegen gerichtete Klage hatte
ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage
abgewiesen. Seit der Neufassung durch das
Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) vom 5.7.2004 (BGBl I 2004,
1427, BStBl I 2004, 554) gehörten zu den sonstigen
Einkünften nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst.
aa EStG neben den Leibrenten auch „andere Leistungen“,
die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen erbracht werden. Der
Gesetzeswortlaut erfasse auch die klägerische
Zinsgutschrift.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragt, das angefochtene Urteil der
Vorinstanz aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 vom
23.8.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.10.2007
dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 177 EUR
festgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Nach dem Anwendungsschreiben zum AltEinkG
des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 24.2.2005 IV C 3 - S
2255 - 51/05 (BStBl I 2005, 429 = SIS 05 13 43, Rz 83; zuletzt
aktualisiert durch BMF-Schreiben vom 13.9.2010 IV C 3-S
2222/09/10041, BStBl I 2010, 681 = SIS 10 26 24, Rz 136)
zählten Zinsen zu den anderen Leistungen i.S. des § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Der Gesetzgeber habe
mit der Neufassung durch das AltEinkG auch „andere
Leistungen“ aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfassen
wollen. Dem Wortlaut nach fielen hierunter auch Zinsen.
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II. Die Revision ist begründet. Die
Vorentscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist auch spruchreif. Der
Klage ist stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind
die der Klägerin im Streitjahr zugeflossenen Zinsen nach
§ 44 Abs. 1 SGB I Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
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1. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7
Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art,
wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein
Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur
Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die
Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis
abhängt.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) bezieht Einnahmen aus Kapitalvermögen,
wer Entgelt zur Nutzung überlässt; zu den Einkünften
aus Kapitalvermögen gehören alle Vermögensmehrungen,
die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für eine
Kapitalnutzung sind. Unerheblich ist es, ob der Überlassung
von Kapital ein Darlehensvertrag oder ein anderer Rechtsgrund
zugrunde liegt. Auch die vom Schuldner erzwungene
Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen
führen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Auszahlung des
Kapitals selbst steuerpflichtig ist (BFH-Urteil vom 13.11.2007 VIII
R 36/05, BFHE 220, 35, BStBl II 2008, 292 = SIS 08 10 28, unter
II.1., m.w.N.).
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b) Unter Anwendung dieser Grundsätze
führen Zinsen nach § 44 Abs. 1 SGB I, die für eine
verspätet gezahlte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gezahlt
werden, zu steuerpflichtigen Einnahmen i.S. von § 20 Abs. 1
Nr. 7 EStG. Nach § 44 Abs. 1 SGB I sind
sozialversicherungsrechtliche Ansprüche auf Geldleistungen
nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt ihrer
Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung
mit 4 % zu verzinsen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl.
BTDrucks 7/868, S. 30) sollen mit der Zinszahlung Nachteile
ausgeglichen werden, die der Berechtigte, für den die sozialen
Geldleistungen regelmäßig die Lebensgrundlage bilden,
durch die verspätete Zahlung der Sozialleistungen erleidet.
Die Zinsen werden insoweit für das unberechtigte Vorenthalten
der Rentenbezüge und zum Ausgleich der mit der
verspäteten Zahlung verbundenen Nachteile geleistet.
Wirtschaftlich betrachtet sind die Zinsen damit auch Entgelt
für die verspätete Zahlung, d.h. die Vorenthaltung von
Kapital, und unterliegen deshalb der Besteuerung nach § 20
Abs. 1 Nr. 7 EStG (BFH-Urteil in BFHE 220, 35, BStBl II 2008,
29).
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2. An dieser Rechtsprechung hält der
Senat auch nach Änderung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG durch das AltEinkG fest. Zinsen nach §
44 SGB I stellen keine „anderen Leistungen“ im
Sinne dieser Norm dar (entgegen BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 681
= SIS 10 26 24, Rz 136).
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a) Zwar wurde der Wortlaut des § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a EStG - soweit hier entscheidend - dahingehend
geändert, dass neben „Leibrenten“ auch
„andere Leistungen“, die aus gesetzlichen
Rentenversicherungen erbracht werden, zu den in § 22 Nr. 1
Satz 1 EStG bezeichneten Einkünften gehören.
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b) Bei der Auslegung einer Norm ist jedoch
nicht allein deren Wortlaut entscheidend. Maßgebend ist
vielmehr der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des
Gesetzgebers. Dieser ist neben der Auslegung aus dem Wortlaut
heraus auch aus dem systematischen Zusammenhang der Norm, ihrem
Zweck und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte
der Norm zu ermitteln (vgl. z.B. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 9.11.1988 1 BvR 243/86,
BVerfGE 79, 106 = SIS 89 07 02, unter B.II.1. der Gründe;
BFH-Urteil vom 25.9.2014 IV R 44/11, BFHE 246, 470, BStBl II 2015,
470 = SIS 14 30 34, m.w.N.).
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c) Aus der Systematik des § 22 Nr. 1 EStG
folgt, dass Zinsen, die unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen,
nicht als „andere Leistungen“ nach Satz 3
Buchst. a steuerpflichtig sein können, da § 22 Nr. 1 EStG
subsidiär zu anderen Einkunftsarten ist.
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Nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG sind sonstige
Einkünfte „Einkünfte aus wiederkehrenden
Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis
6 bezeichneten Einkunftsarten gehören“.
Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1
Nr. 7 EStG gehören jedoch zu den Einkünften nach § 2
Abs. 1 Nr. 5 EStG. Die Formulierung von § 22 Nr. 1 Satz 3
„Zu den in Satz 1 bezeichneten Einkünften
gehören auch“ führt - entgegen der Auffassung
des FA - nicht zu einer Rückausnahme der in Satz 1
angeordneten Subsidiarität. Vielmehr handelt es sich um eine
Konkretisierung der in Satz 1 als Oberbegriff genannten
„wiederkehrenden Bezüge“ (Killat-Risthaus
in Herrmann/Heuer/Raupach, § 22 EStG Rz 53;
Blümich/Nacke, § 22 EStG Rz 29).
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Umgekehrt gilt die in § 20 Abs. 3 EStG
angeordnete Subsidiarität für Einkünfte aus
Kapitalvermögen nicht im Hinblick auf die sonstigen
Einkünfte des § 22 EStG. Selbst wenn die Zinsen daher den
Tatbestand der „anderen Leistungen“
erfüllten, würde § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG
hinter § 20 EStG zurücktreten.
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d) Auch die Gesetzesmaterialien lassen nicht
erkennen, dass der Gesetzgeber entgegen der in § 22 Nr. 1 Satz
1 EStG angeordneten Subsidiarität auch Zinszahlungen der
gesetzlichen Rententräger oder diesen gleichgestellten
Einrichtungen als „andere Leistungen“ behandelt
wissen wollte. Durch die Einfügung der „anderen
Leistungen“ sollte vielmehr eine Gesetzeslücke im
Hinblick auf Einmalzahlungen in Folge von (Teil-)Kapitalisierungen
berufsständischer Versorgungseinrichtungen geschlossen werden.
So ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zum AltEinkG, dass der
Begriff der „anderen Leistungen“ im
ursprünglichen Gesetzentwurf nicht enthalten war (BTDrucks
15/2150, S. 9). Der Gesetzestext wurde insoweit erst durch den
Finanzausschuss des Deutschen Bundestages (Finanzausschuss) mit der
Begründung geändert, die berufsständischen
Versorgungseinrichtungen stellten ein auf
öffentlich-rechtlicher Grundlage beruhendes Ersatzsystem zur
gesetzlichen Rentenversicherung dar (BTDrucks 15/3004, S. 17).
Infolgedessen seien die an die Versorgungswerke geleisteten
Beiträge nicht mehr wie Beiträge zugunsten privater
Leibrentenprodukte zu behandeln, sondern gemäß § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wie Beiträge zugunsten der
gesetzlichen Rentenversicherung, sofern vergleichbare Leistungen
gewährt werden. Auf der Leistungsseite wurde aus diesem Grund
in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG der Besteuerungsgegenstand
um die „anderen Leistungen“ erweitert. Zur
Begründung wies der Finanzausschuss ausdrücklich darauf
hin (BTDrucks 15/3004, S. 19), dass bei berufsständischen
Versorgungseinrichtungen und Pensionskassen Teilkapitalisierungen
zulässig seien, die andernfalls nicht steuerbar wären
(vgl. auch BFH-Urteil vom 23.10.2013 X R 3/12, BFHE 243, 287, BStBl
II 2014, 58 = SIS 13 32 16).
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e) Der Zweck des AltEinkG erfordert ebenfalls
keine Einbeziehung der Zinsen in die sonstigen Einkünfte des
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG.
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Mit dem AltEinkG wurde die
einkommensteuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und
Altersbezügen grundlegend umgestaltet. Als tragendes Element
sollte bei Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen die
sog. nachgelagerte Besteuerung eingeführt werden, nachdem das
BVerfG mit Urteil vom 6.3.2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73, BStBl
II 2002, 618 = SIS 02 04 93) entschieden hatte, dass die
unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19
EStG und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG mit dem Gleichheitssatz des
Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist. Im System der
nachgelagerten Besteuerung sollen die Beiträge zu den
gesetzlichen Rentenversicherungen und diesen gleichgestellten
Versicherungen bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR als
Sonderausgaben in voller Höhe steuermindernd geltend gemacht
werden können (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des
AltEinkG). Dementsprechend unterliegen die später folgenden
Auszahlungen aus diesen Versicherungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3
EStG in voller Höhe der Besteuerung (BTDrucks 15/2150, S. 1
und 22). Die Umgestaltung dieses Systems erfordert jedoch nicht,
Zinsen, die wegen verspäteter Auszahlung einer Rente vom
Rententräger geschuldet werden, nunmehr als sonstige
Einkünfte zu behandeln. Der Zinsanspruch nach § 44 Abs. 1
SGB I entsteht zusätzlich zu dem normalen Rentenanspruch und
findet auch im Bereich der Sonderausgaben keinen korrespondierenden
Ausgabentatbestand, der eine Einbeziehung in die sonstigen
Einkünfte erforderlich machen würde.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.
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