1
|
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen
nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem
Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur
Verhinderung der Steuerverkürzung vom 5.12.1966 - DBA-Spanien
- (BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297) in Deutschland besteuert
werden dürfen.
|
|
|
2
|
Die Antragsteller und Beschwerdeführer
(Antragsteller) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2003)
zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie waren bis zum
Streitjahr an der X beteiligt, einer spanischen Gesellschaft in der
Rechtsform einer Sociedad en Commandita (S.C.), deren Struktur der
einer deutschen Kommanditgesellschaft entspricht. Persönlich
haftende Gesellschafterin der X war die Y, eine ebenfalls spanische
Gesellschaft in der Rechtsform der Sociedad Anónima (S.A.),
die mit einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar ist. Die
Antragsteller zählten zu den Gesellschaftern der Y und hielten
ihre Beteiligungen jeweils im Sonderbetriebsvermögen der
X.
|
|
|
3
|
Das Gesellschaftsvermögen der X
bestand im Wesentlichen aus einem Hotelbetrieb in Spanien, der auf
Grund eines von Y eingeräumten Erbbaurechts errichtet worden
und ganz überwiegend verpachtet war. X selbst betrieb in der
Hotelanlage eine Boutique; zudem überwachte sie mit der
Bewirtschaftung, Unterhaltung und Instandsetzung des
Hotelgebäudes beschäftigte Personen. Ob die
Geschäftsleitung der Gesellschaften in der Hotelanlage oder im
Inland ausgeübt wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Nach dem Vortrag des Antragsgegners und Beschwerdegegners
(Finanzamt - FA - ) hat Y in Spanien Steuererklärungen
abgegeben, ausweislich derer sie keine Aktivitäten entfaltet
hat.
|
|
|
4
|
Im Streitjahr veräußerten die
Antragsteller ihre Anteile an X und Y. In der für X
abgegebenen Feststellungserklärung für das Streitjahr
wurde der dabei erzielte Gewinn als nach dem DBA-Spanien steuerfrei
erklärt. Dem folgte das FA im Bescheid zur gesonderten und
einheitlichen Feststellung der Einkünfte nicht; es stellte in
Höhe des erklärten Betrags einen tarifbegünstigten
Veräußerungsgewinn fest. Über den Einspruch gegen
den Feststellungsbescheid ist nach Aktenlage noch nicht entschieden
worden.
|
|
|
5
|
Die Antragsteller beantragten, nachdem das
FA zuvor einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte, beim
Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg eine Aussetzung der
Vollziehung (AdV) des Feststellungsbescheids im Hinblick auf die
Veräußerungsgewinne. Das FG lehnte diesen Antrag ab
(Beschluss vom 2.11.2009 6 V 2234/09). Dagegen richtet sich die vom
FG zugelassene Beschwerde der Antragsteller.
|
|
|
6
|
Das FA beantragt, die Beschwerde
zurückzuweisen.
|
|
|
7
|
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG. Es bedarf in mehrfacher
Hinsicht weiterer Sachaufklärung, dies vor allem dazu, ob es
sich bei den veräußerten Beteiligungen an der X als auch
der Anteile an der Y tatsächlich um Betriebsvermögen bzw.
Sonderbetriebsvermögen der Antragsteller handelte oder aber,
ob die Beteiligungen in deren Privatvermögen gehalten wurden,
weil die X im Streitjahr einer lediglich vermögensverwaltenden
Tätigkeit nachging. Davon kann im Ausgangspunkt die Antwort
auf die Frage abhängen, ob Deutschland oder aber Spanien das
Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen zusteht.
Davon hängt es wiederum maßgeblich ab, ob die in Rede
stehenden Einkünfte nach dem DBA-Spanien in Deutschland
besteuert werden dürfen und ob die Rechtmäßigkeit
des angefochtenen Bescheides ernstlich zweifelhaft i.S. des §
69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist.
|
|
|
8
|
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2
Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die
Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise
aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts
bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das wiederum ist nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Fall,
wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsaktes gewichtige
Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der
Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder
Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen
bewirken (BFH-Beschluss vom 11.6.2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53,
BStBl II 2003, 663 = SIS 03 29 59, m.w.N.).
|
|
|
9
|
Die AdV setzt nicht voraus, dass die gegen die
Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe überwiegen.
Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen
Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im
Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschluss vom 25.8.2009
VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826 = SIS 09 28 98).
|
|
|
10
|
2. Die Beteiligten gehen im Streitfall
übereinstimmend davon aus, dass die im Inland
unbeschränkt steuerpflichtigen Antragsteller sowohl durch die
Veräußerung ihrer Beteiligungen an der X als auch durch
die Veräußerung der Anteile an der Y Einkünfte aus
Gewerbebetrieb i.S. des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG
2002) erzielt haben. Diese Annahme einer Gewerblichkeit wird zwar
nicht abschließend durch Tatsachen und eine dahingehende
Subsumtion unter die einschlägigen Tatbestandsmerkmale des
§ 15 Abs. 2 EStG 2002 gestützt. Sie steht aber in
Einklang damit, dass es sich nach Aktenlage bei der X um eine
gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15
Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 gehandelt hat. Dass Y eine
Kapitalgesellschaft spanischen Rechts ist, hindert die gewerbliche
Prägung der X nicht, da diese auch durch eine
ausländische Kapitalgesellschaft vermittelt werden kann
(BFH-Urteil vom 14.3.2007 XI R 15/05, BFHE 217, 438, BStBl II 2007,
924 = SIS 07 15 01).
|
|
|
11
|
3. Bei der gebotenen summarischen Prüfung
der Sach- und Rechtslage ist jedoch nicht auszuschließen,
dass die Gewinne der Antragsteller aus der Veräußerung
der Anteile an der X nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1
DBA-Spanien von der deutschen Besteuerung befreit sind. Eine
abschließende Entscheidung bedarf jedoch weiterer
Sachaufklärung und muss dem FG vorbehalten bleiben.
|
|
|
12
|
a) Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1
DBA-Spanien werden bei einer in Deutschland (nach Art. 4 Abs. 1
DBA-Spanien) ansässigen Person u.a. die Einkünfte aus
Quellen innerhalb Spaniens ausgenommen, die nach dem DBA-Spanien in
Spanien besteuert werden können. Das gilt nicht für
Einkünfte, auf die Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Spanien
anzuwenden ist. Es gilt ferner nur mit Einschränkungen
für Dividenden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 3
DBA-Spanien).
|
|
|
13
|
b) Ob die in Rede stehenden Einkünfte
i.S. des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien „in
Spanien besteuert werden können“, ist ernstlich
zweifelhaft i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Der
entgegenstehenden Ansicht des FG pflichtet der Senat nicht bei.
|
|
|
14
|
aa) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien
können Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen
Vermögens i.S. des Art. 6 Abs. 2 DBA-Spanien in dem
Vertragstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt.
Ferner können nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien Gewinne
aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das
Betriebsvermögen einer Betriebstätte darstellt, die ein
Unternehmen eines Vertragstaates in dem anderen Vertragstaat hat,
sowie derartige Gewinne aus der Veräußerung einer
solchen Betriebstätte in dem anderen Staat besteuert werden.
Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien, der das alleinige Besteuerungsrecht
demgegenüber demjenigen Vertragstaat zuweist, in dem der
Veräußerer ansässig ist, betrifft nur die
Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von
Vermögen, das nicht in den Abs. 1 und 2 der Vorschrift genannt
ist. Die in Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA-Spanien getroffenen Regelungen
gehen daher der Regelung in Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien vor.
|
|
|
15
|
bb) Der Anwendungsvorrang von Art. 13 Abs. 2
DBA-Spanien setzt allerdings (zunächst und unbeschadet der
nachfolgend anzustellenden Erwägungen) voraus, dass es sich
bei den betreffenden Gewinnen aus der Veräußerung
beweglichen Vermögens nicht nur aus innerstaatlicher, sondern
auch aus abkommensrechtlicher Sicht um die Veräußerung
von Betriebsvermögen handelt. Daran mangelt es bereits im
Ausgangspunkt, wenn aus Abkommenssicht (bewegliches)
Privatvermögen veräußert wird. Unter den im
Streitfall in Rede stehenden Gegebenheiten ist Letzteres jedenfalls
dann zu bejahen, sollte die X tatsächlich lediglich
vermögensverwaltend und nicht gewerblich tätig gewesen
sein. Davon gehen die Beteiligten zwar nicht aus (s. unter II.2.),
es ist indes nach Aktenlage nicht von vornherein
auszuschließen. Dass es sich nach Lage der Dinge bei der X
nach den Maßstäben des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1
EStG 2002 um eine - durch die Y - gewerblich geprägte
Personengesellschaft handelt, schlösse eine bloße
Vermögensverwaltung der X nicht aus; die innerstaatliche
Gewerbeprägung schlägt auf die Abkommensrechtslage nicht
durch. Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung
(vgl. Bundesministerium der Finanzen - BMF -, Schreiben vom
24.12.1999, BStBl I 1999, 1076 = SIS 00 04 71 Tz. 1.1.5.1, jetzt
BMF-Schreiben vom 16.4.2010, BStBl I 2010, 354 = SIS 10 09 14 Tz.
4.2.1) ist insoweit nicht beizupflichten. Im Einzelnen verweist der
Senat dazu auf sein Urteil vom 28.4.2010 I R 81/09 (zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt = SIS 10 17 74). Es ist Sache des
FG, die tatsächlichen Verhältnisse weiter
aufzuklären. Ggf. sind jene Gewinnanteile, welche auf die
Veräußerung unbeweglichen und in Spanien belegenen
Vermögens herrühren, anteilig zu ermitteln. Ansonsten
gebührt das Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien
von vornherein Deutschland.
|
|
|
16
|
cc) Sollte sich hiernach jedoch
bestätigen, dass die X unbeschadet der besagten
innerstaatlichen Gewerbeprägung tatsächlich gewerblich
tätig war, ist weiter zu prüfen, ob Art. 13 Abs. 1 und 2
DBA-Spanien der Besteuerungszuweisung in Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien
aus anderen Gründen vorgeht. Das FG hat das verneint. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass sich die
Veräußerung auf Anteile an der X bezogen habe und dass X
eine Personengesellschaft gewesen sei, die - wie zwischen den
Beteiligten unstreitig ist - nach spanischem Steuerrecht wie eine
juristische Person behandelt wurde. Die Veräußerung von
Anteilen an einer solchen nach spanischem Recht
„intransparenten“ Personengesellschaft
unterfalle stets Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien. Diese Ansicht wird
zwar von der deutschen Finanzverwaltung vertreten (BMF-Schreiben
vom 28.5.1998, BStBl I 1998, 557 = SIS 98 14 43, zwischenzeitlich
aufgehoben durch BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 354 = SIS 10 09 14
Tz. 4.2.1 i.V.m. Tz. 4.1.3.3.2) und findet auch im Schrifttum
Gefolgschaft (z.B. Herlinghaus in Debatin/ Wassermeyer,
Doppelbesteuerung, Art. 23 Spanien Rz 15). Sie ist aber nicht
unbestritten (a.A. z.B. FG Hamburg, Urteil vom 22.8.2006 7 K
139/03, EFG 2007, 101 = SIS 07 00 68; Lüdemann/Hruschka, IStR
2000, 25, 27) und bei summarischer Betrachtung nicht zweifelsfrei
zutreffend.
|
|
|
17
|
Denn Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 DBA-Spanien
greift im Streitfall nur dann nicht ein, wenn X den Antragstellern
weder unbewegliches Vermögen i.S. des Art. 6 DBA-Spanien noch
eine in Spanien belegene Betriebstätte vermittelt hat.
Letzteres hat das FG mit der Begründung angenommen, dass
sowohl ein vorhandenes unbewegliches Vermögen als auch eine
etwa in der Hotelanlage belegene Betriebstätte
abkommensrechtlich nicht den Antragstellern, sondern der X
zuzuordnen sei. Diese sei selbst „Person“ i.S.
des Art. 1 DBA-Spanien und als solche abkommensberechtigt, so dass
die Veräußerung der Anteile an der X wie eine
Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu
behandeln sei. Diese Beurteilung begegnet ernstlichen Zweifeln, da
die Einstufung der X als „Person“ von der
Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien abhängt und
diese Vorschrift in dem hier maßgeblichen Punkt nicht
eindeutig ist.
|
|
|
18
|
aaa) Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Spanien
umfasst der Begriff „Person“ natürliche
Personen und Gesellschaften. Als „Gesellschaft“
bezeichnet das DBA-Spanien eine juristische Person oder einen
anderen Rechtsträger, der für die Besteuerung wie eine
juristische Person behandelt wird (Art. 3 Abs. 1 Buchst. f
DBA-Spanien). Diese Definitionen sind für die Auslegung des
DBA-Spanien bindend. Streitig ist aber, ob bei der Frage nach dem
Vorliegen einer „juristischen Person“ oder eines
„wie eine juristische Person besteuerten
Rechtsträgers“ für Zwecke der deutschen
Besteuerung stets auf das deutsche Recht (so z.B. Senatsurteil vom
20.8.2008 I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263 = SIS 08 38 83 zum Abkommen mit den USA; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,
a.a.O., Art. 3 MA Rz 18; Gaffron in Haase, Außensteuergesetz,
Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 3 MA Rz 25; Rosenthal, IStR 2007,
610, 611; ebenso wohl FG Hamburg, Urteil in EFG 2007, 101 = SIS 07 00 68; Suchanek, IStR 2007, 654, 655 f.) oder ggf. auf das Recht
des anderen Vertragstaates abzustellen ist (so. z.B. Reimer in
Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 13 Rz 83; Wilke in
Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 3 OECD-MA Rz 14;
Strunk/Kaminski in Strunk/ Kaminski/Köhler,
Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 3 OECD-MA
Rz 15; vgl. auch Schaumburg, IStR, 2. Aufl., Rz 16.171, m.w.N.).
Zur Auslegung des - insoweit mit Art. 3 DBA-Spanien vergleichbaren
- Musterabkommens der Organisation for Economic
Cooperation and Development zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen (OECD-MustAbk) folgt der dazu ergangene
einschlägige Kommentar (OECD-MustKomm) der zuletzt genannten
Ansicht (OECD-MustKomm Nr. 3 zu Art. 3). Die Finanzverwaltung hat
sich dem angeschlossen. Der Senat hält jedoch angesichts des
Umstands, dass Art. 3 Abs. 2 DBA-Spanien zur Auslegung von im
Abkommen nicht definierten Ausdrücken, wenn der Zusammenhang
nichts anderes erfordert, auf das Recht des Rechtsanwenderstaates
verweist, die erstgenannte Deutung (auch) im Hinblick auf dieses
Abkommen für nicht von vornherein fernliegend.
|
|
|
19
|
bbb) Dagegen spricht nicht, dass Art. 10 Abs.
4 Satz 2 DBA-Spanien die von einer sociedad de personas - also
einer spanischen Personengesellschaft - an ihre Gesellschafter
ausgeschütteten Gewinne den Dividenden zuordnet. Darin kommt
zwar zum Ausdruck, dass das Abkommensrecht sich insoweit an der
Behandlung jener Gesellschaften im spanischen Steuerrecht
orientiert. Es ist aber offen, ob diese Regelung klarstellender
Natur ist oder ob sie im Gegenteil von der Annahme ausgeht, dass
ohne eine solche Sonderbestimmung die dort behandelten
Ausschüttungen in Deutschland - dem System des deutschen
Einkommensteuerrechts entsprechend - als Entnahmen und folglich
nicht als Dividenden zu behandeln wären. Letzterenfalls
könnte die Vorschrift sogar als Beleg dafür herangezogen
werden, dass für Zwecke der Besteuerung in Deutschland die
Frage der „Besteuerung wie eine juristische
Person“ i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien
ausschließlich nach deutschem Steuerrecht zu beantworten,
eine spanische Personengesellschaft also unabhängig von ihrer
steuerrechtlichen Behandlung in Spanien nicht als
„Gesellschaft“ anzusehen ist. Daher muss diese
Frage bei summarischer Prüfung als offen angesehen werden.
|
|
|
20
|
dd) Richtet sich im Streitfall die
abkommensrechtliche Behandlung nach den Maßstäben des
deutschen Steuerrechts, so ist im Hinblick auf die Anwendung des
Art. 13 DBA-Spanien maßgeblich, dass in Deutschland
Personengesellschaften nicht nach den für juristische Personen
geltenden Regeln besteuert werden.
|
|
|
21
|
Das deutsche Recht geht vielmehr davon aus,
dass die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte
stets deren Gesellschaftern zuzurechnen und bei diesen zu besteuern
sind. Das hat abkommensrechtlich zur Folge, dass sowohl ein von
einer Personengesellschaft betriebenes Unternehmen als auch die
Betriebstätten eines solchen Unternehmens unmittelbar den
Gesellschaftern der Personengesellschaft zugeordnet werden (vgl.
Senatsurteile vom 18.12.2002 I R 92/01, BFHE 201, 447 = SIS 03 23 72; vom 17.10.2007 I R 96/06, BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953 =
SIS 08 12 28; in BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263 = SIS 08 38 83,
m.w.N.).
|
|
|
22
|
Daraus würde zunächst folgen, dass
das von X betriebene Unternehmen für die Beurteilung des
Streitfalls als deutsches Unternehmen i.S. des Art. 13 Abs. 2
DBA-Spanien anzusehen wäre. Denn dann wären die in Rede
stehenden Gewinne aus abkommensrechtlicher Sicht von einem
Unternehmen erzielt worden, das von den im Inland ansässigen
Antragstellern betrieben wurde, und nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g
DBA-Spanien richtet sich die territoriale Zuordnung eines
Unternehmens nach der Ansässigkeit der das Unternehmen
betreibenden Person. Das Besteuerungsrecht Spaniens hinge dann
davon ab, ob und inwieweit die veräußerten Anteile an
der X entweder in Spanien belegenes unbewegliches Vermögen
(Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien) oder Betriebsvermögen einer in
Spanien unterhaltenen Betriebstätte (Art. 13 Abs. 2 Satz 1
DBA-Spanien) verkörperten. Das kann im summarischen Verfahren
wiederum nicht abschließend beurteilt werden.
|
|
|
23
|
aaa) Zunächst ist
aufklärungsbedürftig, inwieweit der bei der
Veräußerung der Anteile erzielte Kaufpreis auf den Wert
eines in Spanien belegenen unbeweglichen Vermögens
entfällt. Das unbewegliche Vermögen der X bestand nach
Aktenlage ursprünglich in einem von Y eingeräumten
Erbbaurecht. Dieses Erbbaurecht war aber im Jahre 1988 bestellt und
dabei auf 15 Jahre befristet worden; es könnte daher im
Zeitpunkt der Veräußerung abgelaufen gewesen sein oder
zumindest kurz vor dem Ablauf gestanden haben. Das wiederum
lässt unklar erscheinen, ob die Anteile an der X im Zeitpunkt
ihrer Veräußerung unbewegliches Vermögen i.S. des
Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien repräsentiert haben. Dies aber
wäre Voraussetzung dafür, dass die Veräußerung
als „Veräußerung unbeweglichen
Vermögens“ i.S. jener Vorschrift angesehen werden
könnte.
|
|
|
24
|
bbb) In Hinblick auf die Anwendung des Art. 13
Abs. 2 DBA-Spanien ist zwischen den Beteiligten streitig, ob im
Zusammenhang mit dem Betrieb der X in Spanien eine
Betriebstätte unterhalten worden ist, der ein
veräußertes bewegliches Vermögen zugeordnet werden
könnte. Insoweit hat das FA zwar zu Recht darauf hingewiesen,
dass die von X errichtete Hotelanlage verpachtet war und dass ein
verpachteter Betrieb regelmäßig nicht als
Betriebstätte des Verpächters angesehen werden kann
(Senatsurteil vom 13.6.2006 I R 84/05, BFHE 214, 178, BStBl II
2007, 94 = SIS 06 44 14, m.w.N.). Ferner ist dem FA dahin zu
folgen, dass bei summarischer Beurteilung zwar die von X in der
Hotelanlage betriebene Boutique aus abkommensrechtlicher Sicht eine
Betriebstätte der Antragsteller darstellte, dieser
Betriebstätte aber zweifelsfrei nicht das gesamte
Vermögen der X zuzurechnen ist. Es ist jedoch nicht
ausgeschlossen, dass sich in der verpachteten Anlage eine weitere
den Antragstellern zuzurechnende Betriebstätte befand und dass
die veräußerten beweglichen Vermögenswerte dieser
Betriebstätte als „Betriebsvermögen“
i.S. des Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien zuzuordnen sind.
|
|
|
25
|
aaaa) Der Begriff
„Betriebstätte“ wird für Zwecke des
DBA-Spanien in Art. 5 DBA-Spanien definiert. Danach umfasst er u.a.
einen Ort der Leitung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien). Dieser
liegt dort, wo eine das Unternehmen leitende Person
Leitungsaufgaben wahrnimmt und in diesem Zusammenhang
Entscheidungen von einigem Gewicht trifft (Wassermeyer in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 5 MA Rz 67). Im Streitfall ist in
tatsächlicher Hinsicht unklar, ob sich in Spanien ein solcher
Ort befunden hat.
|
|
|
26
|
Die Antragsteller haben dazu vorgetragen, dass
in der Hotelanlage ein der X vorbehaltenes Büro vorhanden war
und dass dieses Büro für Zwecke der Leitung der X genutzt
wurde. Sie haben ferner behauptet, dass der Antragsteller und ein
weiterer Gesellschafter der X anstehende Entscheidungen im
Zusammenhang mit der Hotelanlage stets vor Ort getroffen haben. Das
FA hat diese Angabe zwar in Zweifel gezogen. Die insoweit
maßgeblichen Umstände können aber im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes nicht näher aufgeklärt
werden. Zudem hat das FG ausdrücklich unterstellt, dass sich
in Spanien eine den Antragstellern zuzurechnende Betriebstätte
befand; dem Gesamtzusammenhang seiner Entscheidung ist zu
entnehmen, dass es damit nicht die von X betriebene Boutique,
sondern einen Leitungsort gemeint hat. Daher geht der Senat im
vorliegenden Verfahren davon aus, dass in Spanien ein solcher
Leitungsort vorhanden war. Ob die genannten Angaben der
Antragsteller zutreffen, welche Aufgaben im Zusammenhang mit dem
Betrieb der X ggf. in Spanien wahrgenommen wurden und was daraus
für die Zuordnung des Betriebsvermögens folgt, wird im
Verfahren zur Hauptsache aufgeklärt und entschieden werden
müssen.
|
|
|
27
|
bbbb) Im Streitfall ist daher zu Gunsten der
Antragsteller davon auszugehen, dass der hier angenommene Betrieb
der X insgesamt in Spanien geleitet worden ist und dass sich
außerhalb Spaniens keine weitere Betriebstätte der X
befunden hat. Unter dieser Voraussetzung liegt einerseits die
Annahme nahe, dass das gesamte Betriebsvermögen der X
abkommensrechtlich einer in Spanien belegenen Betriebstätte
der Antragsteller zuzuordnen ist. Das würde wiederum dazu
führen, dass der Gewinn aus der Veräußerung des
beweglichen Betriebsvermögens gemäß Art. 13 Abs. 2
Satz 1 DBA-Spanien insgesamt in Spanien besteuert werden
dürfte.
|
|
|
28
|
c) Eine sich daraus ergebende Befreiung des
Gewinns von der deutschen Steuer (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1
DBA-Spanien) würde nicht notwendig durch Art. 23 Abs. 1
Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien ausgeschlossen oder
beschränkt. Zum einen bezieht sich Art. 23 Abs. 1 Buchst. b
Doppelbuchst. ee DBA-Spanien lediglich auf Einkünfte aus
unbeweglichem Vermögen und aus diesem Vermögen selbst und
damit auf Einkünfte gemäß Art. 6 Abs. 1
DBA-Spanien, Veräußerungsgewinne gemäß Art.
13 Abs. 1 DBA-Spanien werden hingegen nicht in Bezug genommen (vgl.
Senatsurteil vom 19.5.1982 I R 257/78, BFHE 136, 363, BStBl II
1982, 768 = SIS 82 20 38; FG Münster, Urteil vom 16.2.2009 9 K
463/04 K,F, EFG 2009, 1222 = SIS 09 19 94; Herlinghaus in Debatin/
Wassermeyer, a.a.O., Art. 23 Spanien Rz 25; Suchanek, IStR 2007,
654, 657; Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/
Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht,
2010, Rz 7.73; Mensching/Tyarks, daselbst, Rz 10.14; anders
Oberfinanzdirektion - OFD - Frankfurt, Verfügung vom
15.3.2001, BB 2001, 869 = SIS 01 08 25; OFD Münster,
Verfügung vom 29.11.1999, DStR 2000, 522 = SIS 00 06 46). Zum
anderen nimmt die Vorschrift unbewegliches Vermögen, das zu
einer in Spanien gelegenen Betriebstätte gehört, von der
dort vorgesehenen Steueranrechnung aus; soweit es um in Spanien zu
besteuernde Betriebstätteneinkünfte geht, bleibt es
mithin auch im Bereich des unbeweglichen Vermögens bei der
Steuerbefreiung nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien. Um
solche Einkünfte würde es indessen im Streitfall
zumindest dann gehen, wenn sich in Spanien die einzige
Betriebstätte der Antragsteller im Zusammenhang mit dem
Betrieb der X befunden hätte.
|
|
|
29
|
4. Im Ergebnis geht der Senat mithin davon
aus, dass die von den Antragstellern erzielten
Veräußerungsgewinne möglicherweise nach Art. 23
Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien von der deutschen Steuer
freizustellen sind. Vorausgesetzt, die X war eigengewerblich und
nicht lediglich vermögensverwaltend tätig, rechtfertigt
das die beantragte AdV. Dem steht § 50d Abs. 9 i.d.F. des
Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BGBl I 2006, 2878, BStBl I
2007, 28 - EStG 2002 n.F. - nicht entgegen.
|
|
|
30
|
a) Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG
2002 n.F. wird eine in einem Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung vorgesehene Steuerbefreiung nicht gewährt,
wenn der andere Vertragstaat das Abkommen so anwendet, dass die in
diesem Staat erzielten Einkünfte von der dortigen Besteuerung
auszunehmen sind. Diese Situation liegt im Streitfall vor. Denn da
das spanische Steuerrecht Personengesellschaften nach Art der X wie
Kapitalgesellschaften behandelt, unterliegen Gewinne aus der
Veräußerung von Anteilen an einer solchen Gesellschaft
aus der Sicht Spaniens grundsätzlich Art. 13 Abs. 3
DBA-Spanien. Anderes gilt allenfalls dann, wenn die Anteile
ihrerseits zu einer in Spanien belegenen Betriebstätte eines
weiteren Unternehmens gehören; um einen solchen Sachverhalt
geht es im Streitfall nicht. In der hier gegebenen Situation weist
das DBA-Spanien deshalb nach dem Verständnis Spaniens das
Besteuerungsrecht ausschließlich der Bundesrepublik
Deutschland zu. Dem entsprechend sind denn auch im Streitfall die
Gewinne der Antragsteller aus der Veräußerung der
Anteile an der X in Spanien nicht besteuert worden. Das FA macht
deshalb zu Recht geltend, dass die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr.
1 EStG 2002 n.F. genannte Voraussetzung im Streitfall erfüllt
ist.
|
|
|
31
|
b) Indessen ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1
EStG 2002 n.F. erst durch das Jahressteuergesetz 2007 geschaffen
worden. Dieses Gesetz ist am 14.12.2006 - und damit nach dem Ende
des Streitjahres - in Kraft getreten (Art. 20 Abs. 1 JStG 2007).
Nach § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. ist § 50d Abs. 9
Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. zwar für alle
Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch
nicht bestandskräftig sind. Es ist aber ernstlich zweifelhaft,
ob die hiernach vorgesehene Anwendung der Neuregelung auf den
Streitfall mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist.
|
|
|
32
|
aa) Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bedarf es vor dem
Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) einer besonderen
Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der
Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich
belastend ändert. Insbesondere ist eine steuerbegründende
oder steuererhöhende Bestimmung in der Regel mit dem
Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, wenn und soweit sie für einen
Veranlagungszeitraum gelten soll, der im Zeitpunkt der
Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossen war
(BVerfG-Entscheidung vom 19.12.1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261).
Das gilt auch im Zusammenhang mit Rechtsänderungen im Bereich
der DBA (BVerfG-Beschlüsse vom 10.3.1971 2 BvL 3/68, BStBl II
1973, 431 = SIS 73 02 18; vom 14.5.1986 2 BvL 2/83, BStBl II 1986,
628 = SIS 86 25 18).
|
|
|
33
|
bb) § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F.
entfaltet, soweit er eine Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG 2002
n.F. für das Streitjahr anordnet, möglicherweise eine
„echte“ Rückwirkung in diesem Sinne. Diese
könnte darin bestehen, dass die Regelung mit Wirkung für
abgelaufene Veranlagungszeiträume eine Steuerbefreiung
ausschließt, die sich vor ihrer Geltung u.a. aus Art. 23 Abs.
1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien ergab.
|
|
|
34
|
aaa) Ausweislich der Gesetzesmaterialien hat
der Gesetzgeber allerdings angenommen, dass die in § 50d Abs.
9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. getroffene Regelung klarstellender
Natur sei (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/2712, S.
61). Er ist mithin davon ausgegangen, dass jene Regelung nur
verdeutliche, was ohnehin aus den einzelnen DBA abzuleiten sei.
Dies entspricht dem Verständnis des OECD-Musterkommentars, der
die in den DBA verwendete Formulierung „nach diesem
Abkommen besteuert werden können“ nicht allein auf
die Auslegung des jeweiligen Abkommens durch den
Rechtsanwenderstaat bezieht, sondern darüber hinaus die Sicht
des jeweils anderen Vertragstaates berücksichtigt
(OECD-MustKomm Nr. 32.1 ff. zu Art. 23). Nach diesem
Regelungsverständnis soll namentlich dann, wenn beide
Vertragstaaten einen bestimmten Abkommensbegriff auf Grund
unterschiedlicher systematischer Vorverständnisse
unterschiedlich auslegen und deshalb im Ausgangspunkt sich keiner
von beiden für steuerberechtigt hält („negativer
Qualifikationskonflikt“), der betreffende Vorgang nicht
„nach dem Abkommen besteuert werden können“
und mithin eine an diese Voraussetzung geknüpfte
Steuerbefreiung ausscheiden (OECD-MustKomm Nr. 32.6 zu Art. 23).
Folgt man dem, so stellt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002
n.F. nur die unmittelbar in den entsprechenden Abkommen zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung verankerte Rechtslage klar (so
z.B. Vogel, IStR 2007, 225, 228; Thiel in
Kessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung,
Festschrift für Herzig, 2010, S. 1023). Das gilt auch im
Hinblick auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien.
|
|
|
35
|
bbb) Eine solche Sicht der Dinge begegnet
indessen bei summarischer Betrachtung ernstlichen Zweifeln. Denn in
der Zeit vor der Geltung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG
2002 n.F. sind Rechtsprechung und Schrifttum stets davon
ausgegangen, dass eine abkommensrechtliche Steuerfreistellung
regelmäßig auch dann eingreift, wenn die in Deutschland
freigestellten Einkünfte im anderen Vertragstaat nicht
besteuert werden. Es sollte insoweit ein „Verbot der
virtuellen Doppelbesteuerung“ gelten (Senatsurteile vom
14.12.1988 I R 148/87, BFHE 155, 374, BStBl II 1989, 319 = SIS 89 07 58; vom 17.12.2003 I R 14/02, BFHE 204, 263, BStBl II 2004, 260
= SIS 04 09 26; Schaumburg, a.a.O., Rz 16.534). Vor diesem
Hintergrund stellt sich nunmehr die Frage, ob dieser Grundsatz u.a.
die hier in Rede stehende Situation des (negativen)
Qualifikationskonflikts erfasst oder ob er nur dann eingreift, wenn
der andere Vertragstaat aus anderen als abkommensrechtlichen
Gründen von einer Besteuerung absieht. Nimmt man ersteres an,
so führt die in § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F.
getroffene Anwendungsregelung zu einer „echten“
Rückwirkung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002
n.F.
|
|
|
36
|
Im Schrifttum ist die damit angesprochene
Frage streitig. Das u.a. im OECD-Musterkommentar vertretene
Verständnis des Ausdrucks „nach diesem Abkommen
besteuert werden können“ wird von zahlreichen
Stimmen angezweifelt (z.B. Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im
Internationalen Steuerrecht, 2009, S. 235 ff.; Gosch in Kirchhof,
EStG, 9. Aufl., § 50d Rz 41; Wassermeyer in
Debatin/Wasermeyer, a.a.O., Art. 1 MA Rz 28g; M. Lang, IStR 2007,
606, 608; vgl. auch ders., IStR 2010, 114). Darüber hinaus
wird die Ansicht vertreten, dass die im Jahr 2000
veröffentlichte Passage des OECD-Musterkommentars (Nr. 32.6 zu
Art. 23 OECD-MustAbk) jedenfalls nicht für die
„dynamische“ Auslegung von schon zuvor in Kraft
getretenen DBA maßgeblich sei (z.B. Wassermeyer in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 23A MA Rz 46; ders., IStR 2007,
413, 414; Gosch in Schaumburg/Piltz [Hrsg.],
Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht,
2004, S. 103, 117; ders. in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz 41).
Vor diesem Hintergrund ist die Annahme verbreitet, dass die in
§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 6
EStG 2002 n.F. getroffene Regelung rechtsändernd wirke (so
z.B. Suchanek/Herbst, FR 2006, 1112, 1118; Rosenthal, IStR 2007,
610, 612; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz 40;
Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff,
Außensteuerrecht, § 50d Abs. 9 EStG Rz 33; zweifelnd
auch Loschelder in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 29. Aufl.,
§ 50d Rz 56) und eine rückwirkende Anwendung daher aus
verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig sei (Gosch,
IStR 2008, 413, 416).
|
|
|
37
|
ccc) Unabhängig davon ist auch in
materiell-rechtlicher Hinsicht ernstlich zu bezweifeln, ob §
50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. den verfassungsrechtlichen
Anforderungen, die nicht nur durch Art. 20 Abs. 3 GG, sondern auch
durch den prinzipiellen Vorrang des Völkervertragsrechts vor
„einfachem“ Recht zu verlangen sind,
uneingeschränkt gerecht wird. Denn aufgrund des vorstehend
unter II.4.b bb aaa beschriebenen Abkommensverständnisses
spricht manches dafür, dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1
EStG 2002 n.F. unilateral und konstitutiv die mit Spanien in Art.
23 Abs. 1 DBA-Spanien vereinbarte Methode zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung mittels „virtueller“
Freistellung (als sog. treaty override)
„überschreibt“. Das mag prinzipiell in
Einklang damit stehen, dass sowohl das Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung infolge dessen Transformation in nationales Recht
(vgl. im Hinblick auf das DBA-Spanien: Zustimmungsgesetz vom
16.1.1968, BGBl II 1968, 9) als auch das Einkommensteuergesetz in
der Normenhierarchie gleichrangig auf derselben Stufe stehen (vgl.
z.B. Senatsurteil vom 13.7.1994 I R 120/93, BFHE 175, 351, BStBl II
1995, 129 = SIS 94 24 27). Es fragt sich indessen, ob nicht
gleichwohl abkommensrechtlich und verfassungsrechtlich
durchschlagende Gründe dafür ersichtlich sein
müssen, die die Durchbrechung der völkerrechtlich
verbindlich getroffenen Vereinbarungen (Art. 59 Abs. 2 GG)
erzwingen und (ausnahmsweise) rechtfertigen können (vgl.
jeweils m.w.N. z.B. Vogel in Vogel/Lehner, a.a.O., Einl. Rz 193
ff.; Gosch, IStR 2008, 413).
|
|
|
38
|
ddd) Die verfassungsrechtliche Beurteilung des
§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 6
EStG 2002 n.F. kann im summarischen Verfahren nicht
abschließend vorgenommen werden. Gegen einen lediglich
klarstellenden Charakter der Vorschrift könnte u.a. sprechen,
dass die für die Steuerfreistellung maßgebliche Regelung
im OECD-Musterabkommen im Jahr 2000 um eine ausdrückliche
Bestimmung (Art. 23A Abs. 4 OECD-MustAbk) ergänzt worden ist,
die inhaltlich § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F.
entspricht; das könnte darauf hindeuten, dass es nach den
allgemeinen Grundsätzen der Abkommensauslegung einer solchen
positiven Bestimmung bedarf, wenn ein negativer
Qualifikationskonflikt zu einem ansonsten nicht bestehenden
Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates führen soll.
Nicht zuletzt deshalb sind die im Schrifttum geäußerten
Bedenken gegen die rückwirkende Anwendung des § 50d Abs.
9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. so gewichtig, dass deren
verfassungsrechtliche Zulässigkeit ernstlich zweifelhaft
erscheint. Damit erscheint gleichermaßen zweifelhaft, ob
diese Vorschrift im Streitfall berücksichtigt werden kann. Sie
kann daher die aus abkommensrechtlichen Gründen gebotene AdV
nicht hindern; nach den Umständen des Einzelfalles kommt dem
Interesse der Antragsteller an der Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am
Vollzug des Gesetzes zu (vgl. zu diesem Abwägungsmaßstab
zuletzt BFH, Beschluss vom 1.4.2010 II B 168/09, BFH/NV 2010, 1033
= SIS 10 08 14 - zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt -,
m.w.N.).
|
|
|
39
|
5. Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf
die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der Y.
Denn nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass erstens die
Antragsteller nicht nur an X, sondern auch an Y beteiligt waren und
dass zweitens Y sich auf die Leitung der X beschränkt und
keinen eigenen operativen Geschäftsbetrieb unterhalten hat.
Bei einem solchen Sachverhalt gehören nach deutschem
Steuerrecht die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (Y) zum
Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters der
Personengesellschaft (X). Das wiederum hat nach der Rechtsprechung
des Senats zur Folge, dass die Beteiligung abkommensrechtlich einer
durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebstätte des
Gesellschafters zuzurechnen ist (Senatsurteil vom 13.2.2008 I R
63/06, BFHE 220, 415, BStBl II 2009, 414 = SIS 08 20 68; Gosch in
Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Art. 13 OECD-MA Rz 80, jeweils
m.w.N.). Dieser Grundsatz muss möglicherweise auch im
Streitfall gelten. Daraus würde wiederum folgen, dass die
Anteile der Antragsteller an der Y einer in Spanien belegenen
Betriebstätte zuzuordnen sind und die Gewinne aus ihrer
Veräußerung daher gemäß Art. 23 Abs. 1
Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien in
Deutschland nicht besteuert werden dürfen. Bis zur
abschließenden Klärung dieser Frage ist auch insoweit
die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids als
ernstlich zweifelhaft anzusehen und deshalb seine Vollziehung
auszusetzen.
|
|
|
40
|
Auch insoweit muss der Sachverhalt -
vorausgesetzt, X ist tatsächlich einer gewerblichen
Betätigung nachgegangen - weiter aufgeklärt werden.
Andernfalls greift abermals die Besteuerungszuordnung des Art. 13
Abs. 3 DBA-Spanien.
|
|
|
41
|
6. Der Beschluss der Vorinstanz, die
verschiedentlich abweichende Rechtsauffassungen vertreten hat, ist
aufzuheben. Es bedarf für eine abschließende
Entscheidung aus den ausgeführten Gründen umfangreicher
weiterer Sachaufklärung, insbesondere zu der vorrangig zu
prüfenden Frage danach, ob die X tatsächlich gewerblich
oder aber nur vermögensverwaltend tätig war. Davon
hängt die Entscheidung über die Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes schon im weichenstellenden
Ausgangspunkt ab. Der Senat hält es angesichts dessen für
sachgerecht, die Sache an das FG zurückzuverweisen (zur
Zurückverweisung im Verfahren auf AdV s. z.B. Gosch in
Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 309; Birkenfeld in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 69 FGO Rz 998 ff.,
jeweils m.w.N.).
|