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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine AG Schweizer Rechts mit statutarischem
Sitz in der Schweiz, die in den Streitjahren 1999 bis 2001 ihre
Geschäftsleitung in Deutschland hatte. Ihr alleiniger
Aktionär war der in der Schweiz wohnhafte GH.
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1991 erwarb die Klägerin das Eigentum
an einem in Deutschland belegenen Grundstück, das mit einem
Hotel bebaut war. Das Hotel war zunächst an eine GmbH
verpachtet. In den Monaten Januar bis April 1998 und in den
Streitjahren wurde es von der Klägerin von Deutschland aus
betrieben.
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Mit zwei Verträgen vom 1.11.1991
gewährte GH der Klägerin Darlehen in Höhe von
600.000 DM und 150.000 DM zu einem Zinssatz in Höhe von 8 v.H.
Die Verträge sahen vor, dass der Darlehenszins den
wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Beginn eines jeden Jahres
angepasst und der Zins nachschüssig jeweils am 15. Januar
eines jeden Jahres ausgezahlt werden sollte. Die Laufzeiten der
Darlehen waren bis zum 30.9.2001 fest vereinbart, danach sollten
die Kredite in Darlehen von unbestimmter Dauer umgewandelt werden.
In den Jahren 1992 bis 2001 gewährten GH (1993 bis 2001) sowie
die ebenfalls in dessen alleinigem Anteilsbesitz stehende H-AG,
Schweiz, (1992) der Klägerin weitere,
vereinbarungsgemäß jeweils mit 6 v.H. zu verzinsende
Darlehen in Höhe von insgesamt 2.214.623 DM. Die
Darlehensverträge enthalten hinsichtlich der
Rückzahlungstermine die Bemerkung „gem. gegenseitiger
Vereinbarung, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs
Monaten“. Sicherheiten wurden nicht gewährt. Eine
Auszahlung der Zinsbeträge erfolgte nicht, die Zinsen wurden
in den Streitjahren dem Darlehenskonto von GH am Jahresende
gutgeschrieben und wieder verzinst.
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Aufgrund von Verlusten in den Vorjahren
betrug das Eigenkapital der Klägerin in den Streitjahren ./.
2.338.349 DM (1999), ./. 2.664.318 DM (2000) und ./. 2.935.983 DM
(2001).
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Insgesamt machte die Klägerin aus den
vorgenannten Darlehen Zinsen in Höhe von 163.318 DM (1999),
174.006 DM (2000) und 192.865 DM (2001) als Betriebsausgaben
geltend. Alle Zinsen waren nach einem Zinssatz von 6 v.H.
berechnet.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) behandelte die Zinsen hingegen als verdeckte
Gewinnausschüttungen (vGA) und rechnete sie dem Gewinn der
Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999) außerbilanziell
hinzu. Unabhängig davon seien die Darlehenszinsen ohnehin auch
als Fremdkapitalvergütungen i.S. von § 8a Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 KStG 1999 a.F./n.F. zu behandeln.
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Die Klage gegen die hiernach ergangenen
Steuerbescheide war überwiegend erfolgreich. Das Finanzgericht
(FG) verneinte das Vorliegen einer vGA i.S. von § 8 Abs. 3
Satz 2 KStG 1999 und sah die an sich einschlägigen
Vorschriften in § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999 a.F./n.F.
als unanwendbar an, weil sie gegen Art. 25 Abs. 3 des Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem
Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom
11.8.1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des
Protokolls vom 21.12.1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) -
DBA-Schweiz 1971/1992 - verstießen (FG Köln, Urteil vom
22.10.2008 13 K 1164/05, abgedruckt in EFG 2009, 509 = SIS 09 08 22).
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Das FA stützt seine Revision auf
Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Das dem Verfahren beigetretene
Bundesministerium der Finanzen (BMF) unterstützt das FA in der
Sache, hat jedoch keine Anträge gestellt.
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II. Die Revision ist unbegründet. Das FG
hat in den gewährten Zinszahlungen zu Recht keine vGA
gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1999 gesehen (2.). Es
hat auch zu Recht angenommen, dass § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
KStG 1999 a.F./n.F. gegen das abkommensrechtliche
Diskriminierungsverbot in Art. 25 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/1992
verstößt und deshalb unanwendbar bleibt (3.).
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1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1999 sind
Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung oder ihren
Sitz im Inland haben, unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig. Die Klägerin ist nach den
insoweit für den Senat bindenden Feststellungen (§ 118
Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) eine nach Schweizer
Recht errichtete Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsleitung
sich in den Streitjahren im Inland befand. Auch ausländische
Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland
können unbeschränkt steuerpflichtig sein (vgl.
Senatsurteile vom 23.6.1993 I R 31/92, BFH/NV 1994, 661 = SIS 94 16 60; vom 16.12.1998 I R 138/97, BFHE 188, 251, BStBl II 1999, 437 =
SIS 99 18 88; vom 29.1.2003 I R 6/99, BFHE 201, 463, BStBl II 2004,
1043 = SIS 03 25 03; s. auch Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom
23.6.1992 IX R 182/87, BFHE 168, 285, BStBl II 1992, 972 = SIS 92 20 52; Wassermeyer in Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft, Bd.
20, S. 83).
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2. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3
Satz 2 KStG 1999 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine
Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu
verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst
ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages
gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) - i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999 und für die
Gewerbesteuer mit § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999)
- auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen
Ausschüttung steht (vgl. z.B. Senatsurteile vom 4.9.2002 I R
48/01, BFH/NV 2003, 347 = SIS 03 14 57; vom 22.10.2003 I R 37/02,
BFHE 204, 96, BStBl II 2004, 121 = SIS 03 53 44, jeweils m.w.N.).
Für den größten Teil der entschiedenen Fälle
hat der Senat die Veranlassung durch das
Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die
Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen
Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt
eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem
Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige
Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 16.3.1967 I 261/63, BFHE
89, 208, BStBl III 1967, 626 = SIS 67 03 93). Ist der
begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine
vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine
Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im
Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich
durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige
Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 17.12.1997 I R 70/97, BFHE
185, 224, BStBl II 1998, 545 = SIS 98 12 21, m.w.N.).
Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem
begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S. des § 20
Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (Senatsurteil vom 7.8.2002
I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131 = SIS 03 06 05); diese
Einschränkung spielt jedoch im Streitfall keine Rolle.
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Diesen Anforderungen, die an die Annahme einer
vGA zu stellen sind, genügen die im Streitfall in Rede
stehenden Darlehensverträge und die daraufhin seitens der
Klägerin gezahlten Zinsen nicht. Das hat das FG
erschöpfend und beanstandungsfrei ausgeführt und ist
unter den Beteiligten im Kern auch nicht mehr streitig. Das
beigetretene BMF macht allerdings im Revisionsverfahren geltend,
die geschlossenen Verträge zwischen der Klägerin und GH
seien zivilrechtlich unwirksam. Die Klägerin als Schweizer
Kapitalgesellschaft sei infolge der Verlagerung des Ortes ihrer
tatsächlichen Geschäftsleitung von der Schweiz nach
Deutschland fortan nicht als Kapitalgesellschaft, sondern als
rechtsfähige Personengesellschaft anzusehen, für die - da
GH Alleingesellschafter sei - die Regelungen für
Einzelkaufleute gälten. Das ergebe sich aus internationalem
Gesellschaftsrecht und der danach gegenüber sog. Drittstaaten
- wie hier der Schweiz - fortgeltenden
„Sitztheorie“ (vgl. dazu Bundesgerichtshof,
Urteil vom 8.10.2009 IX ZR 227/06, GmbHR 2010, 211 = SIS 10 17 95,
m.w.N.). Eine natürliche Person, wie vorliegend GH, könne
aber nicht mit sich selbst wirksame Verträge
abschließen. Konsequenz sei die Annahme von vGA.
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Dem ist nicht zu folgen. Die erwähnte
Indizwirkung, die zivilrechtlich unwirksamen Vereinbarungen
zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden
Gesellschafter für die Annahme einer vGA i.S. von § 8
Abs. 3 Satz 2 KStG 1999 beizumessen sein kann (s. z.B. Senatsurteil
vom 23.10.1996 I R 71/95, BFHE 181, 328, BStBl II 1999, 35 = SIS 97 01 22; s. auch BFH-Urteil vom 12.5.2009 IX R 46/08, BFHE 225, 112 =
SIS 09 20 91, zur entsprechenden Rechtslage bei sog.
Angehörigenverträgen, jeweils m.w.N.), greift unter den
beschriebenen Gegebenheiten des Streitfalls unabhängig davon,
ob das BMF in seiner gesellschaftsrechtlichen Einschätzung
richtig liegt, nicht. Denn auch dann bliebe es dabei, dass die
Klägerin als Steuersubjekt existent wäre. Vereinbarungen,
die sie mit ihrem Gesellschafter trifft, sind dementsprechend aus
steuerlicher Sicht zu akzeptieren. Stellt man demgegenüber
allein auf die gesellschaftsrechtliche Existenz und
Rechtsfähigkeit der Gesellschaft und deren etwaiges Fehlen ab,
entfiele andernfalls auch die Eignung des beanstandeten Vorteils,
beim Empfänger eine gesellschaftlich veranlasste Zuwendung als
Kapitaleinkunft i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG
auszulösen. Unabhängig davon kann es weder der
Klägerin noch GH angelastet werden, die komplexe
international-gesellschaftsrechtliche Regelungslage nicht im
Vorwege hinreichend erkannt und durchdrungen zu haben. Auch das
spricht dagegen, in einer etwaigen zivilrechtlichen Unwirksamkeit
ein tragfähiges Beweisanzeichen gegen die Ernstlichkeit des
Vereinbarten zu erblicken (s. auch dazu die zitierten
Rechtsprechungsnachweise).
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In Anbetracht dessen kann unbeantwortet
bleiben, ob die besonderen Anforderungen, die steuerlich an die
Leistungsbeziehung zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren
beherrschenden Gesellschafter gestellt werden, möglicherweise
aus abkommensrechtlichen Gründen des Art. 9 Abs. 1 und Art. 11
Abs. 6 des Musterabkommens der Organisation for Economic
Cooperation and Development - OECD-MustAbk - (hier Art. 9 und Art.
11 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/1992) ohnehin nicht oder nur
eingeschränkt anwendbar sind (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom
9.11.2005 I R 27/03, BFHE 211, 493, BStBl II 2006, 564 = SIS 06 16 45; FG Köln, Urteil vom 22.8.2007 13 K 647/03, EFG 2008, 161 =
SIS 08 12 71, jeweils m.w.N.).
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3. Nach § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG
1999 a.F. (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999, § 7 GewStG 1999)
gelten Vergütungen für Fremdkapital, das eine
unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von einem
nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten
Anteilseigner erhalten hat, der zu einem Zeitpunkt im
Wirtschaftsjahr wesentlich am Grund- oder Stammkapital beteiligt
gewesen ist, dann als vGA, wenn eine in einem Bruchteil des
Kapitals bemessene Vergütung vereinbart ist und soweit das
Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahrs das Dreifache
des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners übersteigt.
Die Hinzurechnung als vGA unterbleibt, wenn die Kapitalgesellschaft
dieses Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von
einem fremden Dritten erhalten hätte.
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Nach § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999
n.F. (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999, § 7 GewStG 1999)
stellen Vergütungen für Fremdkapital, das eine
unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von einem
Anteilseigner erhalten hat, der zu einem Zeitpunkt im
Wirtschaftsjahr wesentlich am Grund- oder Stammkapital beteiligt
gewesen ist, vGA dar, wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals
bemessene Vergütung vereinbart gewesen ist und soweit das
Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahrs das
Eineinhalbfache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners
übersteigt. Zu einer solchen Umqualifizierung kommt es auch
dann, wenn die Vergütung an eine dem Anteilseigner nahe
stehende Person i.S. des § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die
Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) oder
einen Dritten gezahlt worden ist, der auf den Anteilseigner oder
eine diesem nahe stehende Person hat zurückgreifen
können. Auch hier unterbleibt die Hinzurechnung als vGA, wenn
die Kapitalgesellschaft nachweisen kann, dass sie das Fremdkapital
unter sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten
erhalten hätte. Nach § 8a Abs. 1 Satz 2 KStG 1999 n.F.
unterbleibt eine Hinzurechnung zudem dann, wenn die Vergütung
bei dem Anteilseigner im Inland im Rahmen einer Veranlagung erfasst
worden ist.
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a) Die Beteiligten gehen übereinstimmend
davon aus, dass die Voraussetzungen dieser Regelungen erfüllt
sind. Der Senat hat auch in diesem Punkt keine Veranlassung, etwas
anderes anzunehmen. Die Zinsen, welche die Klägerin in den
Streitjahren an GH gezahlt hat, waren folglich dem Gewinn der
Klägerin als vGA außerbilanziell hinzuzurechnen.
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b) Das FG hat der Klage der Klägerin
dennoch entsprochen, weil es in der Umqualifizierung der Zinsen in
vGA nach Maßgabe von § 8a KStG 1999 in seinen jeweiligen
für die Streitjahre einschlägigen Fassungen einen
Verstoß gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot
des Art. 25 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/1992 angenommen hat. Dem ist
beizupflichten (ebenso - bezogen auf die entsprechende Regelung des
Art. 24 Abs. 5 OECD-MustAbk - z.B. Hageböke in
Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 24 OECD-MA Rz 108.1;
Rust in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 24 Rz 165a; Obser,
Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern,
2005, S. 41 ff.; Hirsch, Gesellschafterfremdfinanzierung
inländischer Kapitalgesellschaften durch ausländische
Anteilseigner, 1999, S. 295; Gosch, KStG, 1. Aufl., § 8a Rz
29).
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aa) Die Unternehmen eines Vertragsstaats,
deren Kapital ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar,
einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder
mehreren solchen Personen gehört oder ihrer Kontrolle
unterliegt, dürfen nach Art. 25 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/1992
in dem erstgenannten Vertragsstaat weder einer Besteuerung noch
einer damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen
werden, die anders oder belastender sind als die Besteuerung und
die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen andere
ähnliche Unternehmen des erstgenannten Staats unterworfen sind
oder unterworfen werden können. Das ist unter den hier in Rede
stehenden Gegebenheiten der Fall.
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aaa) Die Klägerin ist ein Unternehmen
eines Vertragsstaats i.S. von Art. 25 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 Abs. 1
Buchst. f DBA-Schweiz 1971/1992. Sie hat ihren Sitz in der Schweiz,
hatte jedoch ihre Geschäftsleitung in den Streitjahren in
Deutschland und war damit nach Lage der Dinge in beiden
Vertragsstaaten unbeschränkt steuerpflichtig und zugleich i.S.
von Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 in beiden Vertragsstaaten
ansässig. Eine derart doppelansässige Gesellschaft gilt
aus Abkommenssicht als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem
sich der Mittelpunkt ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung
befindet (Art. 4 Abs. 8 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992). Dies war
nach den tatrichterlichen Feststellungen in den Streitjahren in
Deutschland. Die Klägerin kann also den Diskriminierungsschutz
des Art. 25 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/1992 beanspruchen.
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bbb) Für die der Klägerin
nachteilige Umqualifizierung der geleisteten Zinsen in vGA
unterscheiden sowohl § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999 a.F.
als auch § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 KStG 1999 n.F.
in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen im Ergebnis danach, ob es
sich um eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige
Körperschaft mit einem nicht zur Anrechnung von
Körperschaftsteuer berechtigten Anteilseigner bzw. mit einem
im Inland veranlagten Anteilseigner handelt. Ist dies der Fall,
unterbleibt die Umqualifizierung und Hinzurechnung. Damit werden
stets und insbesondere diejenigen Unternehmen eines Vertragsstaats,
deren Kapital ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar einer
in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder mehreren
solchen Personen gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt,
gegenüber entsprechenden Unternehmen mit im Inland
ansässigen Anteilseignern steuerlich benachteiligt. Dass die
tatbestandlichen Unterscheidungsmerkmale der fehlenden
Anrechnungsberechtigung zur Körperschaftsteuer (in § 8a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999 a.F.) bzw. der fehlenden Veranlagung
(in § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 KStG 1999 n.F.)
unmittelbar nicht auf die Ansässigkeit der Anteilseigner
abstellen, tut insoweit nichts zur Sache. Vielmehr ist unbeschadet
aller sonstigen Unterschiede zwischen den unionsrechtlichen
Diskriminierungsverboten einerseits und den abkommensrechtlichen
Diskriminierungsverboten andererseits jedenfalls in diesem Punkt
vollumfänglich auf die insoweit - was den
Vergleichsmaßstab anbelangt - parallele
gemeinschaftsrechtliche Sicht zu verweisen (s. auch Senatsurteil in
BFHE 201, 463, BStBl II 2004, 1043 = SIS 03 25 03), wie sie sich
aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften, jetzt Gerichtshof der Europäischen Union, vom
12.12.2002 C-324/00 „Lankhorst-Hohorst“ (Slg.
2002, I-11779 = SIS 03 09 16) ergibt. Ausschlaggebend ist hier wie
dort, dass sowohl von der fehlenden Nichtanrechnungsberechtigung
als auch von der fehlenden Veranlagungsmöglichkeit vorrangig
im anderen Vertragsstaat ansässige Anteilseigner betroffen
sind und dadurch im Ergebnis eine diskriminierende
Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften mit in- und
ausländischen Anteilseignern bewirkt wird. Damit ist die
steuerliche Behandlung von Inlandsgesellschaften mit in der Schweiz
ansässigen Anteilseignern i.S. von Art. 25 Abs. 3 DBA-Schweiz
1971/1992 - und zwar unmittelbar und nicht lediglich mittelbar -
anders oder belastender als die Besteuerung, denen - nach
Tätigkeit ebenso wie nach Rechtsform (vgl. dazu z.B. Rust in
Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 24 Rz 168) - „andere
ähnliche Unternehmen“ in Deutschland unterworfen
sind oder unterworfen werden können. Der Umstand, dass §
8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999 a.F./n.F. in bestimmten
Situationen gleichermaßen auch für Gesellschaften mit
inländischen Anteilseignern einschlägig werden kann,
tritt dahinter zurück; Zielrichtung der genannten Vorschriften
zur steuerlichen Beschränkung der
Gesellschafter-Fremdfinanzierung bei Kapitalgesellschaften ist nach
Regelungssinn und –zweck in erster Linie und in der
tatsächlichen Auswirkung die Erfassung
grenzüberschreitender Sachverhalte der
Gesellschafter-Fremdfinanzierung mit ausländischen
Anteilseignern. Konsequenz dieser Ungleichbehandlung und des daraus
abzuleitenden Verstoßes gegen Art. 25 Abs. 3 DBA-Schweiz
1971/1992 ist die Nichtanwendung der diskriminierenden
Steuerregelungen.
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bb) Das Vorbringen der Revision ist nicht
geeignet, an diesem Ergebnis etwas zu ändern. Das betrifft
namentlich das Vorbringen, eine schädliche Ungleichbehandlung
scheide schon deswegen aus, weil die durch § 8a KStG 1999
a.F./n.F. bewirkte Rechtsfolge - die Umqualifizierung der Zinsen in
vGA und deren außerbilanzielle Hinzurechnung - in Einklang
mit den allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätzen stünde,
wie sie in Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 6 OECD-MustAbk und in
Einklang damit auch in Art. 9 und Art. 11 Abs. 4 DBA-Schweiz
1971/1992 niedergelegt seien.
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Diese Abkommensregelungen betreffen den sog.
Fremdvergleichsgrundsatz („dealing at arm’s
length“) bei Unternehmen oder Personen, die nach
Maßgabe qualifizierter, auch im Streitfall zwischen der
Klägerin und der H-AG gegebener Merkmale miteinander verbunden
sind (Art. 9 DBA-Schweiz 1971/1992), oder Schuldner und
Gläubiger, zwischen denen - wie im Streitfall zwischen der
Klägerin und ihrem Alleingesellschafter GH - besondere
Beziehungen bestehen (Art. 11 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/1992). Sind
solche miteinander verbundene Unternehmen oder Personen in ihren
kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte
oder auferlegte Bedingungen gebunden, die von denen abweichen, die
unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden,
dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese
Bedingungen erzielt hätte, wegen jener Bedingungen aber nicht
erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet oder
entsprechend besteuert werden (Art. 9 DBA-Schweiz 1971/1992).
Entsprechendes regelt Art. 11 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/1992 für
Schuldner und Gläubiger, zwischen denen besondere Beziehungen
bestehen: Übersteigen wegen dieser Beziehungen die gezahlten
Zinsen, gemessen an den zugrunde liegenden Forderungen, den Betrag,
den Schuldner und Gläubiger ohne diese Beziehungen vereinbart
hätten, so wird Art. 11 DBA-Schweiz 1971/1992 nur auf diesen
letzten Betrag angewandt (Art. 11 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz
1971/1992) und kann der übersteigende Betrag nach dem Recht
jedes Vertragsstaats und unter Berücksichtigung der anderen
Bestimmungen dieses Abkommens besteuert werden (Art. 11 Abs. 4 Satz
2 DBA-Schweiz 1971/1992).
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Den wiedergegebenen abkommensrechtlichen
Berichtigungserlaubnissen soll nach Ansicht der Finanzverwaltung
auch § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999 a.F./n.F. unterfallen.
Denn in Nr. 3 des OECD-Musterkommentars (OECD-MustKomm) 2008 zu
Art. 9 OECD-MustAbk wird die Auffassung vertreten, dass
„zwischen den Abkommen und den innerstaatlichen Regelungen
über die Unterkapitalisierung eine Wechselwirkung (besteht),
die für den Anwendungsbereich des Artikels von
Bedeutung“ ist. Diese Auffassung ist seit 1992 in den
OECD-Musterkommentar aufgenommen worden. Es mag dahinstehen, ob sie
gleichwohl auch für das ursprünglich schon im Jahre 1971
vereinbarte DBA-Schweiz 1971/1992 bedeutsam ist (vgl. zu einem
derartigen sog. dynamischen in Abgrenzung zu einem sog. statischen
Verständnis aber auch z.B. Senatsbeschluss vom 19.5.2010 I B
191/09, BFHE 229, 322 = SIS 10 17 73). Es mag ebenfalls
dahinstehen, ob dann, wenn man dies bejahen würde, § 8a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999 a.F./n.F. infolge der in § 8a
Abs. 1 Satz 2 KStG 1999 a.F./§ 8a Abs. 1 Satz 3 KStG 1999 n.F.
enthaltenen, dem Steuerpflichtigen eingeräumten
Nachweismöglichkeit, dass die Zinszahlung mit dem
Fremdvergleichsmaßstab übereinstimmt, tatsächlich
in Einklang mit Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 6 OECD-MustAbk
stünde (vgl. dazu z.B. Rust in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 24
Rz 147; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 9 MA Rz
107; Gosch, a.a.O., § 8a Rz 29; Köplin/Koch in
Erle/Sauter, KStG, 2. Aufl., § 8a KStG Rz 19 ff.; ferner
Wunderlich in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA, Art. 24
Rz 42, jeweils m.w.N.). Und dahinstehen mag schließlich, ob
es sich bei § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999 a.F./n.F.
bezogen auf vorgängig abgeschlossene Abkommen zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung nicht im Ergebnis um ein faktisches sog.
Treaty override handelt, dessen völkerrechtliche und
verfassungsrechtliche Zulässigkeit bezweifelt werden kann
(vgl. auch dazu Senatsbeschluss in BFHE 229, 322 = SIS 10 17 73; s.
zu § 8a KStG auch Knobbe-Keuk, DB 1993, 60).
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Denn unabhängig davon kann von einem
derartigen tatbestandlichen Vorbehalt für das DBA-Schweiz
1971/1992 keine Rede sein. Es trifft zwar zu, dass solche
Regelungsvorbehalte in Art. 24 Abs. 4 OECD-MustAbk enthalten sind.
Nach dessen Satz 1 sind u.a. Zinsen, die ein Unternehmen eines
Vertragsstaats an eine im anderen Vertragsstaat ansässige
Person zahlt, bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Gewinne
dieses Unternehmens unter den gleichen Bedingungen wie Zahlungen an
eine im erstgenannten Staat ansässige Person zum Abzug
zuzulassen, vorausgesetzt, es ist nicht Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs.
6 oder Art. 12 Abs. 4 OECD-MustAbk anzuwenden. Unterstellt, §
8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999 a.F./n.F. ist mit Art. 9 Abs. 1
und Art. 11 Abs. 6 OECD-MustAbk vereinbar, entfiele folglich auch
ein Verstoß gegen Art. 24 Abs. 4 OECD-MustAbk (s. dazu Rust,
ebenda; s. auch Nr. 79 und Nr. 74 OECD-MustKomm 1992/2008 zu Art.
24 Abs. 4 OECD-MustAbk). Eine derartige Abkommensregelung, wie sie
Art. 24 Abs. 4 OECD-MustAbk vorgibt, fehlt im DBA-Schweiz 1971/1992
indessen. Aus diesem Fehlen lässt sich jedoch keineswegs
ableiten, dass hinsichtlich von Zinszahlungen ein
Diskriminierungsschutz nach dem Willen der Vertragsstaaten des
DBA-Schweiz 1971/1992 von vornherein entzogen wäre: Das
OECD-Musterabkommen stellt, wie schon das Wort
„Musterabkommen“ belegt, keine zwingende
inhaltliche Verständigungsvorgabe für die Vertragsstaaten
dar; etwaige Abweichungen lassen mithin keinen Rückschluss auf
inhaltliche Einschränkungen zu. Es gibt deshalb auch keinen
Grund, Zinszahlungen vom Anwendungsbereich des Art. 25 Abs. 3
DBA-Schweiz 1971/1992 auszunehmen. Überdies wurde Art. 24 Abs.
4 OECD-MustAbk erst seit 1977 Bestandteil des Musterabkommens und
war darin vordem - und damit auch bei Abschluss des DBA-Schweiz
1971 in seiner ursprünglichen und insoweit maßgeblichen
Fassung - nicht enthalten (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,
a.a.O., Art. 24 MA Rz 9). Auch für die Annahme eines
entsprechenden - ungeschriebenen - Anwendungsvorrangs von Art. 9
Abs. 1 sowie Art. 11 Abs. 6 OECD-MustAbk (hier Art. 9 und Art. 11
Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/1992) zum Nachteil von Art. 24 Abs. 5
OECD-MustAbk (und hier von Art. 25 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/1992)
ist nicht nur vom Regelungswortlaut her „auf den ersten
Blick“ (so aber neuerdings Nr. 79 Satz 1 OECD-MustKomm
2008 zu Art. 24 Abs. 5 OECD-MustAbk), sondern auch in historischer
und systematischer Sicht nichts ersichtlich. Es verbleibt deswegen
allein bei denjenigen Anforderungen an eine
Abkommensgleichbehandlung, wie sie in Art. 25 Abs. 3 DBA-Schweiz
1971/1992 enthalten sind (ebenso zu Art. 24 Abs. 5 OECD-MustAbk
z.B. Rust in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 24 Rz 165a; von Pannwitz in
Haase, AStG/DBA, Art. 24 MA Rz 7; unklar Wassermeyer in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 24 MA Rz 102). Und diese
Voraussetzungen sind, wie dargestellt, hier erfüllt.
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