1
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine AG, ist kraft Verschmelzung im Jahre 2000
Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH (F-GmbH). Gegenstand des
Unternehmens der F-GmbH war im Streitjahr 1999 das Halten und
Verwalten von Beteiligungen im In- und Ausland.
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Die F-GmbH hielt die Geschäftsanteile
an einer Schweizer AG (F-CH AG), deren Geschäftszweck
ebenfalls das Halten und Verwalten von internationalen
Beteiligungen war. Die F-CH AG wiederum war zu 26 v.H. an einer
brasilianischen Kapitalgesellschaft (F-B S.A.), sowie zu 85 v.H. an
einer in Hongkong ansässigen Kapitalgesellschaft (F-HK Ltd.),
beteiligt.
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Bei der F-B S.A. handelte es sich um eine
nach brasilianischem Recht gegründete AG. Ihr
Unternehmenszweck war im Streitjahr insbesondere die Herstellung,
Im- und Export sowie Vermarktung von verschiedenen Produkten. Sie
erzielte 1998 einen Bilanzgewinn von ... Brasilianischen Real (R$).
Am 30.11.1998 beschloss die Hauptversammlung der F-B S.A.,
ausschließlich für das zum 31.12.1998 endende
Geschäftsjahr Zinsen auf das Eigenkapital („juro sobre o
capital próprio“) nach Maßgabe der
Brasilianischen Gesetze Nr. 9.249/95 und Nr. 9.430/96 an die
Aktionäre auszuzahlen. Die Zahlung sollte in einer ersten Rate
im Dezember 1998 und in einer zweiten Rate im 1. Quartal 1999
erfolgen. Die Zinsen sollten anstelle der satzungsgemäß
vorgesehenen Dividende gezahlt werden. Am 26.3.1999 konkretisierte
die Hauptversammlung der F-B S.A. die Auszahlung der
Eigenkapitalzinsen. Danach waren am 28.12.1998 bereits ... R$ nach
Abzug der Körperschaftsteuer geflossen; ein weiterer Betrag
von ... R$ abzüglich Körperschaftsteuer sollte
spätestens bis 30.10.1999 gezahlt werden.
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Nach den Feststellungen des Finanzgerichts
(FG) ist die Verzinsung des Eigenkapitals im Gesetz Nr. 9.249/95
geregelt. Anstelle bzw. neben einer regulären Dividende kann
die Gesellschafterversammlung danach die Zahlung einer
Eigenkapitalverzinsung beschließen. Die Verzinsung ist in der
Höhe zweifach begrenzt. Zum einen darf sie den von der
brasilianischen Zentralbank bekannt gegebenen Zinssatz für
langfristige brasilianische Anleihen multipliziert mit dem
Eigenkapital der Gesellschaft nicht überschreiten. Zum anderen
darf maximal die Hälfte des Jahresüberschusses oder die
Hälfte der Gewinnvorträge gezahlt werden. Die
ausschüttende Gesellschaft kann die Eigenkapitalverzinsung
außerbilanziell steuermindernd vom Einkommen abziehen. Die
Auszahlung der Eigenkapitalverzinsung unterliegt einem 15 %igen
Quellensteuerabzug, der für brasilianische Gesellschafter, die
natürliche Personen sind, abgeltende Wirkung hat.
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Der F-CH AG flossen unter
Berücksichtigung ihrer Beteiligung von 26 v.H. und des 15
%igen brasilianischen Steuereinbehalts am 6.1.1999 ... R$ und am
30.6.1999 ... R$ zu. Sie erfasste nur die Nettoerträge in der
Buchhaltung. Die Bruttobeträge (ohne Quellensteuerabzug)
ergaben ... Schweizer Franken (CHF).
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Die Generalversammlung der F-CH AG
beschloss am 30.9.1999 eine Dividendenausschüttung von ...
CHF, die der F-GmbH nach Abzug der Schweizer Quellensteuer mit
Gutschrift auf dem Verrechnungskonto bei der F-CH AG am 25.11.1999
zufloss. Deren Bruttoerträge beliefen sich im Streitjahr auf
... CHF.
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In der
Körperschaftsteuererklärung 1999 behandelte die F-GmbH
die Dividende der F-CH AG in Höhe eines Anteils
gemäß § 26 Abs. 5 Satz 2 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999) als direkt von der
Enkelgesellschaft - der F-B S.A. - bezogen und gemäß
Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik
Brasilien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der
Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 27.6.1975
(DBA-Brasilien) i.V.m. § 8b Abs. 5 KStG 1999 als steuerfrei.
Sie errechnete den gesamten steuerfreien Anteil an der Dividende
mit ... DM.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) folgte dem nicht. Er vertrat die Ansicht, der
anteilige Ertrag aus der mittelbaren Beteiligung an der F-B S.A.
sei kein Gewinnanteil i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG 1997), sondern Zins i.S. von §
20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1997. Wegen dieser Qualifizierung der
Einkünfte entfalle ein fiktiver Direktbezug i.S. des § 26
Abs. 5 KStG 1999 ebenso wie die sog. Schachtelvergünstigung
des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien i.V.m. § 8b
Abs. 5 KStG 1999. Das FA behandelte auf dieser Basis die Dividende
der F-CH AG hinsichtlich anderer, unstreitiger Erträge in
Höhe von ... DM als steuerfrei (... DM abzüglich
nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 7 KStG
1999 in Höhe von 5 v.H.); zugleich erhöhte es das
steuerpflichtige Einkommen um ... DM und im Gegenzug die
anrechenbare Schweizer Quellensteuer von ... DM auf ... DM. Im
Ergebnis aus gleichem Grunde sei der Gewerbeertrag zu erhöhen;
eine Kürzung des Gewinns nach § 9 Nr. 7 Satz 2 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999) komme lediglich für die
mittelbare Beteiligung an der F-HK Ltd., nicht jedoch für
diejenige an der F-B S.A. in Betracht.
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Mit ihrer Klage gegen den hiernach
ergangenen Bescheid über Körperschaftsteuer begehrte die
Klägerin, den Gewinn unter Berücksichtigung von § 8b
Abs. 7 KStG 1999 um die Einkünfte aus der F-CH AG zu mindern,
soweit sie anteilig auf den Ausschüttungen aus Brasilien
beruhen. Mit ihrer Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid
begehrte sie die entsprechende Kürzung der Summe des Gewinns
und der Hinzurechnungen nach § 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG 1999
nicht nur für die Beteiligung an der F-HK Ltd., sondern auch
für die Beteiligung an der F-B S.A. Beide Klagen waren
erfolgreich. Das FG Nürnberg gab ihnen durch Urteile vom
14.12.2010 1 K 1955/2008 und 1 K 1958/2008 statt; die Urteile sind
in EFG 2011, 981 = SIS 11 07 73 sowie in IStR 2011, 234 = SIS 11 24 93 veröffentlicht.
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Seine Revisionen stützt das FA auf
Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die FG-Urteile
aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revisionen
zurückzuweisen.
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II. Die - gemäß § 121 Satz 1
i.V.m. § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur
gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Revisionen sind
unbegründet.
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1. Die F-GmbH war im Streitjahr in der
Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässig und
unterfiel hier mit ihrem Welteinkommen der unbeschränkten
Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 KStG 1999). Das betrifft auch ihre
Gewinnanteile aus ihrer unmittelbaren Beteiligung an der Schweizer
F-CH AG; es handelt sich hierbei um Dividenden gemäß
§ 8 Abs. 1 KStG 1999 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997,
für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 GewStG 1999.
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2. Das DBA-Brasilien ändert daran zwar
prinzipiell nichts, obschon nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c
DBA-Brasilien bei einer in Deutschland ansässigen Person
Dividenden von der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind, die unter
Art. 10 des Abkommens fallen und an eine in Deutschland
ansässige Gesellschaft von einer in Brasilien ansässigen
Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 25 v.H.
unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört. Die Anwendung
dieses sog. Schachtelprivilegs scheitert im Streitfall jedoch
daran, dass die F-GmbH nicht selbst an der F-B S.A. beteiligt
war.
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3. Dieser Mangel am Tatbestand bleibt indessen
wirkungslos. Grund dafür ist die in § 26 Abs. 5 KStG 1999
angeordnete Unmittelbarkeitsfiktion.
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Nach dieser Regelung wird auf Antrag der
anteilige Gewinnbezug einer Muttergesellschaft, die über eine
Tochtergesellschaft mindestens zu einem Zehntel an einer
Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz
außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes
(Enkelgesellschaft) mittelbar beteiligt ist, steuerlich so
behandelt, als hätte sie in dieser Höhe Gewinnanteile
unmittelbar von der Enkelgesellschaft bezogen. Voraussetzung
hierfür ist, dass die Enkelgesellschaft in dem Wirtschaftsjahr
an die Tochtergesellschaft ausgeschüttet hat, in dem diese
auch an die Muttergesellschaft ausschüttet. Der Direktbezug
gilt für denjenigen Teil des Gewinnbezugs der
Muttergesellschaft, der der nach ihrer mittelbaren Beteiligung auf
sie entfallenden Gewinnausschüttung der Enkelgesellschaft
entspricht. Hat die Tochtergesellschaft in dem betreffenden
Wirtschaftsjahr neben den Gewinnanteilen einer Enkelgesellschaft
noch andere Erträge bezogen, so findet Satz 1 des § 26
Abs. 5 KStG 1999 nur Anwendung für den Teil der
Ausschüttung der Tochtergesellschaft, der dem Verhältnis
dieser Gewinnanteile zu der Summe dieser Gewinnanteile und der
übrigen Erträge entspricht, höchstens aber in
Höhe des Betrags dieser Gewinnanteile. Die Anwendung der
vorstehenden Vorschriften setzt voraus, dass die Enkelgesellschaft
in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung
vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder
fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des
Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen
(Außensteuergesetz - AStG - ) fallenden Tätigkeiten
bezieht oder die Tochtergesellschaft unter den Voraussetzungen des
§ 8 Abs. 2 AStG am Nennkapital der Enkelgesellschaft beteiligt
ist. Weitere Voraussetzung ist nach § 26 Abs. 4 KStG 1999,
dass die Muttergesellschaft für die mittelbar gehaltenen
Anteile alle steuerlichen Nachweispflichten erfüllt, die ihr
bei der Anwendung der Abs. 2 und 3 für unmittelbar gehaltene
Anteile obliegen.
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4. Infolge der derart angeordneten
steuerlichen Gleichbehandlung der nur mittelbaren mit der
unmittelbaren Beteiligung gelangt die F-GmbH auf ihren Antrag hin
für die Dividendeneinkünfte aus der Beteiligung an der
F-B S.A. in den Vorteil (auch) der abkommensrechtlichen
Schachtelprivilegien (vgl. Abschn. 76 Abs. 25 der
Körperschaftsteuer-Richtlinien), hier nach Art. 24 Abs. 1 Satz
1 Buchst. c DBA-Brasilien i.V.m. der nach § 8b Abs. 5 KStG
1999 gegenüber der abkommensrechtlich verlangten
Mindestbeteiligungsquote von 25 v.H. unilateral auf 10 v.H.
abgesenkten Beteiligungsquote.
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a) Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 5
KStG 1999 sind ebenso wie die Nachweispflichten des § 26 Abs.
4 KStG 1999 erfüllt. Darüber besteht unter den
Beteiligten bis auf das Merkmal „Gewinnanteil“
der Enkelgesellschaft Einvernehmen, und das bedarf auch deswegen
keiner weiteren Erörterung. Aber auch das Tatbestandsmerkmal
„Gewinnanteil“ der Enkelgesellschaft in §
26 Abs. 5 Satz 1 KStG 1999 ist gegeben. Was das Begriffliche
anbelangt, besteht insoweit Übereinstimmung mit § 20 Abs.
1 Nr. 1 EStG 1997 (Senatsurteil vom 14.10.1992 I R 1/91, BFHE 169,
213, BStBl II 1993, 189 = SIS 93 04 27) ebenso wie mit dem
„Gewinn aus Anteilen“ i.S. von § 9 Nr. 2a
GewStG 1999 (Senatsurteil vom 15.9.2004 I R 16/04, BFHE 208, 277,
BStBl II 2005, 297 = SIS 05 11 93). Und danach handelt es sich hier
wie dort um alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert, die dem
Gesellschafter - entweder von der Kapitalgesellschaft selbst oder
von einem Dritten - aufgrund seines Gesellschaftsverhältnisses
zufließen, soweit die Vorteilszuwendungen nicht als
Kapitalrückzahlung zu werten sind. Unerheblich ist, ob die
Bezüge zu Lasten des Gewinns oder zu Lasten der
Vermögenssubstanz der Gesellschaft geleistet würden; auch
kommt es nicht darauf an, in welche zivilrechtliche Form die
Vorteilsgewährung gekleidet ist.
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b) Nach diesen Grundsätzen sind die sog.
Zinsen auf das Eigenkapital („juro sobre o capital
próprio“) als Gewinnanteil zu beurteilen: Die
Zinsen errechnen sich aus der Multiplikation eines von der
brasilianischen Notenbank jährlich festgelegten langfristigen
Zinssatzes mit dem Eigenkapital, das sich seinerseits aus der Summe
des Aktienkapitals, der Kapitalreserven, der Gewinnvortragsreserven
sowie des Jahresgewinns bzw. -verlusts gemäß
Vorjahresschlussbilanz errechnet. Sie sind sonach durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst; nur Gesellschafter
können diese erhalten. Weitere Besonderheiten jener
„Zinsen“ aus Sicht des brasilianischen
Steuerrechts sind für die Auslegung von § 26 Abs. 5 KStG
1999 unbeachtlich. Ausschlaggebend hierfür ist das nationale
Steuerrecht. Dass § 26 Abs. 5 KStG 1999 im Zusammenhang mit
dem sog. Schachtelprivileg des DBA-Brasilien dieses in seinen
Voraussetzungen - vor allem dem dortigen
Unmittelbarkeitserfordernis - modifiziert und zum Vorteil des
Steuerpflichtigen „überschreibt“,
ändert daran nichts, auch wenn erst dadurch der
Anwendungsbereich des Abkommens eröffnet wird. Die
betreffenden Gewinnanteile, welche die F-GmbH aus der Schweiz
erhalten hat, gelten damit, soweit diese auf die Ausschüttung
der F-B S.A. entfielen, als direkt von dieser bezogen.
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c) Es handelt sich bei den Gewinnanteilen
gleichermaßen um Dividenden i.S. von Art. 10 DBA-Brasilien,
welche nach der Anordnung in Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c
DBA-Brasilien nicht nur für den Quellenstaat (hier:
Brasilien), sondern auch für den Ansässigkeitsstaat
(hier: Deutschland) bedeutsam sind.
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aa) Solche Dividenden sind nach der
abkommenseigenen (und Art. 10 Abs. 3 des Musterabkommens der
Organisation for Economic Cooperation and Development zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und Vermögen entsprechenden) Definition in Art. 10
Abs. 5 DBA-Brasilien - erstens - Einkünfte aus Aktien,
Genussrechten oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder
- zweitens - Einkünfte aus anderen Rechten - ausgenommen
Forderungen - mit Gewinnbeteiligung sowie - drittens - aus
sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach
dem Steuerrecht des Staates, in dem die ausschüttende
Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien
gleichgestellt sind. Hiervon ausgehend hat die Vorinstanz die -
ihrer Höhe nach begrenzte - Eigenkapitalverzinsung nach
Maßgabe der brasilianischen Regelungslage als Dividenden im
Sinne der ersten begrifflichen Alternative angesehen, und dem ist
beizupflichten: Kennzeichen von Zinsen i.S. von § 20 Abs. 1
Nr. 7 EStG 1997 sind laufzeitabhängige
Nutzungsvergütungen für eine Kapitalüberlassung. Sie
setzen das Bestehen einer auf die Hauptleistung gerichteten
Kapitalschuld voraus und bilden neben dieser eine Nebenleistung
(ständige Spruchpraxis, vgl. z.B. Bundesfinanzhof, Urteile vom
13.10.1987 VIII R 156/84, BFHE 151, 512, BStBl II 1988, 252 = SIS 88 04 01; vom 21.10.1997 VIII R 18/96, BFH/NV 1998, 582). Davon
kann bezogen auf die fiktive Eigenkapitalverzinsung keine Rede
sein. Die Zahlung hängt vom entstandenen Gewinn der
brasilianischen Gesellschaft ab. Eine Forderung oder
Nutzungsüberlassung von Kapital durch den (inländischen)
Anteilseigner fehlt, ebenso wie ein fester Anspruch auf
Zinszahlungen. Vielmehr räumt das brasilianische Recht den
Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft die Möglichkeit ein,
auf Basis von Gesellschafterbeschlüssen, nicht von
schuldrechtlichen Vereinbarungen, statt der
„offenen“ Gewinnausschüttung die Verzinsung
der Gesellschaftereinlage zu wählen. Das Stammrecht, aus dem
sich der betreffende Ertrag ableitet, ist hier wie dort die
Beteiligung am Gesellschaftskapital, der Ertrag verkörpert
hier wie dort eine Eigenkapitalverzinsung. Dass das deutsche
Gesellschaftsrecht (in § 57 Abs. 2 des Aktiengesetzes) eine
derartige Verzinsung - aus Haftungsgründen - ausdrücklich
untersagt, widerspricht dem nicht, sondern bestätigt dies,
weil das Verbot die strukturelle Gesellschaftsbezogenheit der
Verzinsung verdeutlicht. Die betreffenden Einkünfte
resultieren demnach unbeschadet ihrer Ausgestaltung im Einzelnen
aus den verbrieften Aktienrechten und sind - so das FG -
„nach der Rechtsfigur (...) Einkünfte (...) aus
Aktien“ i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997 (ebenso
Krabbe in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 Brasilien
Rz 12; Fischbach, Internationale Wirtschafts-Briefe - IWB - Fach 8
Brasilien Gruppe 2, 149; aus Verwaltungssicht: Morlock in
Grundmann/Drüen [Hrsg.], Jahrbuch der Fachanwälte
für Steuerrecht - JbFStR - 2007/2008, 645, 697 ff., und dem
zustimmend Risse und Buciek, ebenda; Braunagel in
Bergemann/Wingler, GewStG, § 9 Rz 273; s. auch
Deutsch-Brasilianische Industrie- und Handelskammer [Hrsg.],
Besteuerung von Unternehmen in Brasilien, 2010, S. 17 ff., sowie
aus Schweizer Sicht: Widmer, Institut für Finanzwissenschaft
und Finanzrecht - Forum für Steuerrecht - IFF FStR - 2011,
287).
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22
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bb) Das entspricht auf Basis jener
Dividendendefinition und in Einklang mit dieser jedenfalls der
insoweit maßgebenden (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Brasilien)
Betrachtungsweise Deutschlands als - aus Sicht der Klägerin -
des sog. Anwenderstaates. Ob dieses Begriffsverständnis
zugleich und vorbehaltlos dem brasilianischen
Rechtsverständnis entspricht, oder ob dort eine Behandlung als
Zins und eine Anwendung von Art. 11 DBA-Brasilien als möglich
erscheint, ist unbeachtlich. Art. 10 Abs. 5 i.V.m. Art. 24 Abs. 1
Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien ist vielmehr abkommensautonom zu
verstehen. Es zielt darauf ab, im Anwenderstaat eine
gleichmäßige Besteuerung einschlägiger
Kapitaleinkünfte sicherzustellen (und nach gegenwärtiger
Regelungslage beispielsweise die Steuerbefreiung gemäß
§ 8b Abs. 1 KStG 2002 zu gewähren oder nach früherer
Regelungslage gemäß § 8a KStG 2002 in verdeckte
Gewinnausschüttungen umqualifizierten Zinsaufwand zu
besteuern); darauf, nach welchen Maßstäben diese
Einkünfte im anderen Vertragsstaat beurteilt werden, kommt es
dafür prinzipiell nicht an. Soweit Art. 10 Abs. 5
DBA-Brasilien auf das Steuerrecht des Quellenstaates Rückgriff
nimmt, geschieht dies allein in der beschriebenen dritten
Untergruppe des Dividendenbegriffs, nicht jedoch allgemein auch
bezogen auf die beiden anderen Untergruppen (vgl. z.B. Wassermeyer
in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 91a f.; Gaffron in
Haase, AStG/DBA, Art. 10 Rz 96; Gradel in
Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 10 Rz 57 f.;
Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz
154; Piltz, DStR 1989, 133, 135; wohl auch Henkel in Mössner
u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl.,
Rz E 232; aus Schweizer Sicht ebenso Widmer, IFF FStR 2011, 287,
289 ff.).
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23
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Wenn Gegenteiliges dennoch vertreten wird
(vgl. z.B. Tischbirek in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 10 Rz
186; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 16.331),
um - aus Gründen einer „den DBA immanenten
Regelungshomogenität“ (so Schaumburg, ebenda) - eine
einheitliche Beurteilung für alle drei Untergruppen der
Abkommensdefinition zu ermöglichen, widerspricht dies dem
unmissverständlichen Regelungstext. Eine übergreifende
sog. Qualifikationsverkettung nach den steuerrechtlichen
Maßstäben des Quellenstaats ist gerade für die
Gewährung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs nicht
geboten, weil Regelungsadressat für dessen Gewährung
primär der Ansässigkeitsstaat ist und eine solche
„Qualifikationsverkettung“, die sich an der
Rechtsauffassung des Quellenstaats orientiert, stets einer
besonderen Anordnung bedarf, an der es hier aber fehlt (zutreffend
Wassermeyer, ebenda). Auch der Grundsatz der Entscheidungsharmonie
beider Vertragsstaaten gebietet schon deswegen nichts anderes, weil
nach den tatrichterlichen Feststellungen keineswegs gesichert ist,
dass die Eigenkapitalverzinsung in Brasilien dem sog. Zinsartikel
des Art. 11 DBA-Brasilien unterworfen wird (vgl. zu jener
Ungewissheit auch Schild/Ehlermann, IWB Fach 8 Brasilien Gruppe 2,
101). Unabhängig davon schlüge eine anderweitige
Behandlung auf der Ebene der ausschüttenden Gesellschaft nicht
- auch nicht über den Gesichtspunkt einer
„harmonischen“ Abkommensauslegung - auf die
Behandlung beim Gesellschafter durch. Denn weder aus dem
Abkommensrecht noch aus dem deutschen Steuerrecht ergibt sich ein
entsprechendes allgemeines Korrespondenzgebot und ist die
steuerliche Behandlung bei der Kapitalgesellschaft hiernach nicht
zwingend mit jener beim Kapitalgesellschafter verknüpft. Und
nicht zuletzt und aus gleichem Grunde gibt namentlich eine
Abziehbarkeit der geleisteten Vergütungen vom Gewinn im
Quellenstaat nichts für die Frage der Qualifizierung als
Dividende her, zum einen wegen besagter Unterscheidung der
Besteuerungsebenen angesichts des korporativen Trennungsprinzips,
zum anderen deswegen, weil es Staaten gibt, die Dividenden
bestimmter Kapitalgesellschaften bei deren Besteuerung ohnehin zum
Abzug zulassen und die internrechtliche Abziehbarkeit bei der
ausschüttenden Gesellschaft so gesehen kein essentielles
Merkmal für den Dividendenbegriff darstellt (vgl. dazu
Tischbirek in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 10 Rz. 189).
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5. Der F-GmbH ist damit das sog.
Schachtelprivileg zu gewähren; die über die F-CH AG
vereinnahmten Eigenkapitalvergütungen sind von der
Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer
auszunehmen. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 i.d.F. des
Jahressteuergesetzes 2007 - EStG 2002 n.F. - steht dem nicht
entgegen. Allerdings wird danach die Freistellung von
Einkünften ungeachtet eines Abkommens zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung nicht gewährt, wenn der andere Staat diese
Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in
diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem
durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden
können. Diese Neuregelung ist nach § 52 Abs. 59a Satz 6
EStG 2002 n.F. auf alle noch nicht bestandskräftigen
Veranlagungen - und damit auch auf den Streitfall - anzuwenden.
Doch liegen jene tatbestandlichen Erfordernisse nicht vor: Zwar
werden die Eigenkapitalvergütungen in Brasilien nach den
tatrichterlichen Feststellungen nur mit einem abgeltenden
Quellensteuersatz von 15 v.H. besteuert. Es ist nach diesen
Feststellungen aber nichts dafür ersichtlich, dass Brasilien
dabei die Bestimmungen des DBA-Brasilien so anwendet, dass die
betreffenden Vergütungen nur nach dem durch das Abkommen in
Art. 10 Abs. 2 (bei Annahme von Dividenden) oder Art. 11 Abs. 2
Buchst. b DBA-Brasilien - also, wie nach § 50d Abs. 9 Satz 1
Nr. 1 EStG 2002 n.F. vonnöten: „nur zu einem durch
das Abkommen“ - begrenzten Steuersatz besteuert werden
könnten. Vielmehr handelt es sich hierbei nach Lage der Dinge
um einen abgeltenden Steuersatz nach nationalem brasilianischen
Steuerrecht, der unbeeinflusst von den abkommensrechtlichen
Begrenzungen angesetzt wird und der insofern gleichermaßen
für Dividenden wie für Zinsen Anwendung findet. Brasilien
ist nicht aufgrund seiner Einkünfteeinordnung in die
DBA-Regelungen daran gehindert, einen höheren Steuersatz
anzuwenden, und eine Begünstigung in Brasilien durch eine
abweichende Anwendung des Abkommens ist in Brasilien nicht gegeben.
Die dortige Besteuerung nach nationalem Recht aufgrund des Gesetzes
Nr. 9.249/95 ist, wovon die Vorinstanz zutreffend ausgeht, im
Gegenteil für den Anteilseigner ungünstiger als die
dortige nationale Besteuerung von „normalen“
Dividenden. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. ist
mithin nicht einschlägig, und das FA hält seine
ursprüngliche Rechtsmeinung dazu mittlerweile (s. aber noch
Morlock, JbFStR 2007/2008, 645, 703) denn auch nicht länger
aufrecht.
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Es erübrigt sich folglich (abermals, s.
z.B. Senatsbeschluss vom 19.5.2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl
II 2011, 156 = SIS 10 17 73), an dieser Stelle darauf einzugehen,
ob die Regelung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F.
gegen das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerte
Rechtsstaatsgebot verstößt, weil sie als sog. Treaty
override völker- und verfassungsrechtswidrig ist, und ob
unabhängig davon die rückwirkende Normanwendung einen
Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz
herbeiführt (s. dazu Senatsbeschluss, ebenda, m.w.N.;
Drüen und Buciek, JbFStR 2007/2008, 706 f.; Gosch in Kirchhof,
EStG, 11. Aufl., § 50d Rz 42; s. auch Senatsbeschluss vom
10.1.2012 I R 66/09, BFHE 236, 304, BFH/NV 2012, 1056 = SIS 12 12 75, zur Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
- BVerfG - über ein sog. Treaty override, Az. BVerfG 2 BvL
1/12).
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6. In Konsequenz des vorstehend
Ausgeführten ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen
im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags der F-GmbH nach §
7 Satz 1 und § 9 Nr. 7 Satz 2 (i.V.m. § 6 und § 14)
GewStG 1999 nicht nur um die Gewinnanteile aufgrund der Beteiligung
an der F-HK Ltd., sondern auch für die Beteiligung an der F-B
S.A, soweit diese in den Gewinnanteilen der F-CH AG enthalten sind,
zu kürzen.
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27
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Diese Kürzung erfolgt nach § 9 Nr. 7
Satz 2 GewStG 1999, um die Gewinne aus Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz
außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, an deren
Nennkapital das Unternehmen seit Beginn des Erhebungszeitraums
ununterbrochen mindestens zu einem Zehntel beteiligt ist
(Tochtergesellschaft) und die ihre Bruttoerträge
ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter
§ 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten und aus
unter § 8 Abs. 2 AStG fallenden Beteiligungen bezieht, wenn
die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG
1999) angesetzt worden sind. Bezieht ein Unternehmen, das über
eine Tochtergesellschaft mindestens zu einem Zehntel an einer
Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz
außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes
(Enkelgesellschaft) mittelbar beteiligt ist, in einem
Wirtschaftsjahr Gewinne aus Anteilen an der Tochtergesellschaft und
schüttet die Enkelgesellschaft zu einem Zeitpunkt, der in
dieses Wirtschaftsjahr fällt, Gewinne an die
Tochtergesellschaft aus, so gilt auf Antrag des Unternehmens das
Gleiche für den Teil der von ihm bezogenen Gewinne, der der
nach seiner mittelbaren Beteiligung auf das Unternehmen
entfallenden Gewinnausschüttung der Enkelgesellschaft
entspricht.
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Die Tatbestandsmerkmale des § 9 Nr. 7
Satz 2 GewStG 1999 sind (auch) hinsichtlich desjenigen Teils der
Ausschüttung, der auf die Beteiligung an der F-B S.A.
entfällt, erfüllt. Darüber besteht unter den
Beteiligten Einvernehmen und der vom FG festgestellte Sachverhalt
gibt keinen Grund, dieses in Abrede zu stellen. Das gilt nach den
vorangehenden Ausführungen zur Körperschaftsteuer
gleichermaßen für die Qualifizierung der
Eigenkapitalzinsen als Gewinnanteile i.S. von § 9 Nr. 7 GewStG
1999 sowie - auf dieser Basis - für den vom FG hiernach
berechneten Kürzungsumfang.
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7. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer
Klageanträge akzeptiert, dass die nach Maßgabe der
Abkommensregeln steuerfrei bleibenden Gewinnanteile nach § 8b
Abs. 7 KStG 1999 in Höhe von 5 v.H. als nichtabzugsfähige
Betriebsausgaben und insofern als steuerpflichtig behandelt worden
sind. Darüber, ob dem uneingeschränkt Folge zu leisten
ist oder ob eine noch weiter gehende Schachtelbegünstigung
zugunsten der F-GmbH im Hinblick auf deren hier in Rede stehenden
Auslandsbeteiligungen möglich gewesen wäre (vgl. insoweit
einerseits Senatsurteil vom 26.11.2008 I R 7/08, BFHE 224, 50,
BFH/NV 2009, 766 = SIS 09 09 88[die dagegen gerichtete
Verfassungsbeschwerde des dort beteiligten FA wurde
gemäß §§ 93a, 93b des Gesetzes über das
Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen,
Beschluss vom 11.4.2012 2 BvR 862/09, juris]; FG Köln, Urteil
vom 22.11.2011 13 K 2853/07, EFG 2012, 1085 = SIS 12 05 02, sowie
Beschluss vom 6.9.2011 13 K 482/07, Vorlage an den Gerichtshof der
Europäischen Union, dortiges Az. C-47/12 „Kronos
International“; andererseits Bundesministerium der
Finanzen, Schreiben vom 30.9.2008, BStBl I 2008, 940 = SIS 08 38 51), braucht der Senat deswegen nicht mehr zu entscheiden.
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