1
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I. Es wird darum gestritten, ob die
gesondert und einheitlich festgestellten Einkünfte der
Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen)
aus der Beteiligung als sog. institutionelle Anleger an einer in
England ansässigen Personengesellschaft - einer Limited
Partnership (LP) - in Deutschland nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a
i.V.m. Art. III Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz und Abs. 3 sowie Art.
VIII Abs. 2 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Vereinigten Königreich
Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung
vom 26.11.1964 (BGBl II 1966, 359, BStBl I 1966, 730) i.d.F. des
Revisionsprotokolls vom 23.3.1970 (BGBl II 1971, 46, BStBl I 1971,
140) - DBA-Großbritannien 1964/1970 - steuerfrei sind.
Streitjahr ist 1998.
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Die Klägerin zu 1., eine GmbH, sowie
die F-GmbH als Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2.,
ebenfalls eine GmbH, sind Tochtergesellschaften eines
inländischen Finanzdienstleistungsunternehmens. Sie waren im
Streitjahr neben weiteren institutionellen Anlegern aus
verschiedenen Staaten als sog. limited partners Gesellschafter
eines Unternehmens der E-Unternehmensgruppe, der im Jahre 1994
gegründeten E-LP mit Sitz in London. Sie hielten von dem
Kommanditkapital der E-LP von insgesamt 63 Mio. (britischen) Pfund
Sterling (£) jeweils 5 Mio. £.
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Alleinvertretungsberechtigte
Gründungskomplementärin (general partner) der E-LP war
ursprünglich eine englische Kapitalgesellschaft, die E-Ltd.
Nach dem Gesellschaftsvertrag der E-LP waren die Kommanditisten von
der Geschäftsführung ausgeschlossen. Die
Gesellschafterstellung der E-Ltd. als der Komplementärin wurde
im Mai 1996 auf eine weitere britische Limited Partnership, die
GP-LP, übertragen. Deren Komplementärin war die GP-Ltd.
mit satzungsmäßigem Sitz in Schottland; Hintergrund
dieses Wechsels des Komplementärs war nach Angaben der
Klägerinnen, dass nach schottischem Recht - in Abweichung vom
englischen Recht - eine Partnership als juristische Person
betrachtet wird. Geschäftsführer (directors) der GP-Ltd.
waren im Streitjahr anfangs acht, später sieben Personen,
welche im Streitjahr zugleich Mitarbeiter (directors und
non-executive directors) der EV-Ltd., einer Kapitalgesellschaft mit
Sitz in London, waren. Die EV-Ltd. war 1976 als sog. „Venture
Capital“-Gesellschaft gegründet worden, welche sich als
private equity investor bezeichnete, spezialisiert auf Buy-out,
Buy-in und Development Capital Deals in der
Größenordnung zwischen 10 Mio. £ und 150 Mio.
£. Sie verfügte über eigene Büroräume und
eigenes Büropersonal. In diesen Geschäftsräumen der
EV-Ltd. übten deren Mitarbeiter sowie die erwähnten
Mitarbeiter der GP-Ltd. ihre Tätigkeit für beide
Gesellschaften aus. Die GP-Ltd. verfügte außerdem
über einen secretary, der seine satzungsmäßigen und
gesetzlich vorgeschriebenen Tätigkeiten ebenfalls in den
Räumen der EV-Ltd. wahrnahm.
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Die sieben vorgenannten directors der
GP-Ltd. waren zugleich Gesellschafter (partners) der E-LLP, der
Muttergesellschaft sowohl der GP-Ltd. als auch aller anderen
Gesellschaften der Unternehmensgruppe. Es handelte sich hierbei um
eine in England registrierte Gesellschaft mit Sitz in London, die
die Erlaubnis der Financial Services Authority zu
Finanztransaktionen besaß.
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Die E-LP war als geschlossener Fonds
konzipiert und auf eine Laufzeit grundsätzlich bis zum
31.12.2002 angelegt. Zweck der Gesellschaft war es, „to carry
on the business of an investor“, und zwar die ersten vier
Jahre als Investitionsphase, die folgenden Jahre dann als
Realisationsphase. Investitionsobjekte waren kleinere und
größere Buy-outs in der Form des Management Buy-out
sowie Leveraged Buy-out, offensive (= riskante) Finanzierungen und
risikobehaftete Kaufgelegenheiten; der Investitionsbereich war
grundsätzlich auf Großbritannien beschränkt.
Gewinne sollten aus einer Börseneinführung des erworbenen
jeweiligen Investments (initial public offering) bzw. dessen
Veräußerung erzielt werden. Die Gesamtzahl der ihr
zuzurechnenden Investitionen belief sich bis einschließlich
1998 auf 22 Unternehmensbeteiligungen, von denen zum 31.12.1999
noch 16 Beteiligungen gehalten wurden. Ihre Beteiligungsquote per
31.12.1998 differierte zwischen 3 v.H. und 61,1 v.H. Die E-LP hatte
mit der EV-Ltd. am 11.3.1994 einen Managementvertrag geschlossen,
weil die EV-Ltd. bzw. deren angestellte Manager über die nach
englischem Recht erforderlichen Genehmigungen zur Vornahme von
Finanztransaktionen verfügten.
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Für die Einkünfte aus der
Beteiligung an der E-LP haben die Klägerin zu 1. und die
F-GmbH sowohl im Streitjahr als auch in den davor liegenden
Veranlagungszeiträumen in Großbritannien keine
Steuererklärungen abgegeben. In Deutschland begehrten sie die
gesonderte und einheitliche Feststellung steuerfreier
Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Maßgabe von Art. XVIII
Abs. 2 Buchst. a i.V.m. Art. III Abs. 2 DBA-Großbritannien
1964/1970.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) stellte die Besteuerungsgrundlagen gegen die
Klägerinnen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
der Abgabenordnung (AO) im Ergebnis durch geänderten Bescheid
vom 19.4.2010 wie folgt - und der Höhe nach unter den
Beteiligten unstreitig - fest: ausländische Einkünfte aus
Großbritannien über insgesamt 13.290.278 DM, die je zur
Hälfte auf die Klägerin zu 1. und die F-GmbH entfallen
(jeweils 6.645.139 DM); hierin enthaltene Dividendeneinkünfte
in Höhe von 692.883 DM, die je zur Hälfte auf die
Klägerin zu 1. und die F-GmbH entfallen (jeweils 346.441 DM);
hierin enthaltene Zinseinkünfte in Höhe von 273.932 DM,
die je zur Hälfte auf die Klägerin zu 1. und die F-GmbH
entfallen (jeweils 136.966 DM); hierin enthaltene
Veräußerungsgewinne (= Gewinne aus der
Veräußerung von Beteiligungen) in Höhe von
12.323.463 DM, die je zur Hälfte auf die Klägerin zu 1.
und die F-GmbH entfallen (jeweils 6.161.731 DM).
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Das FA ging dabei davon aus, die
Tätigkeit der E-LP als Venture Capital Fonds sei nicht
gewerblicher Art, sondern vermögensverwaltend; die
Tätigkeit einer ausländischen gewerblich geprägten
Personengesellschaft, die ausschließlich
vermögensverwaltend tätig ist, falle nicht unter den
Unternehmensbegriff des DBA-Großbritannien 1964/1970; demnach
gelte hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung von
Beteiligungen an britischen Kapitalgesellschaften die Regelung des
Art. VIII Abs. 3 DBA-Großbritannien 1964/1970, wonach das
Besteuerungsrecht ausschließlich dem Wohnsitzstaat des
Anteilseigners zustehe; hinsichtlich der
Dividendenausschüttungen ergebe sich ein
ausschließliches Besteuerungsrecht Deutschlands aus Art.
XVIII Abs. 2 Buchst. b Unterabs. (i) i.V.m. Buchst. a Satz 3
DBA-Großbritannien 1964/1970 unter Anrechnung der in
Großbritannien gezahlten Steuer.
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9
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Die dagegen gerichtete Klage blieb
überwiegend erfolglos. Das Finanzgericht (FG)
Baden-Württemberg wies sie mit (nicht veröffentlichtem)
Urteil vom 11.5.2010 6 K 285/06 als überwiegend
unbegründet ab. Zwar habe die E-LP gewerbliche Einkünfte
erwirtschaftet und gebühre das Besteuerungsrecht für
solche Einkünfte Großbritannien und nicht Deutschland,
weil die E-LP in Großbritannien über eine
Betriebsstätte verfüge, der die Einkünfte
zuzurechnen seien. Doch falle das Besteuerungsrecht nach Art. XVIII
Abs. 2 Buchst. a 2. Halbsatz DBA-Großbritannien 1964/1970 und
der darin zum Ausdruck kommenden allgemeinen Werteentscheidung der
Vertragsstaaten an Deutschland zurück. Anders verhalte es sich
lediglich hinsichtlich der vereinnahmten Zinsen. Denn diese
hätten in Großbritannien einer Quellensteuer unterlegen,
weshalb sie in Deutschland von der Bemessungsgrundlage auszunehmen
seien.
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Ihre Revisionen stützen die
Klägerinnen auf Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen,
das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen
Feststellungsbescheid 1998 dahin abzuändern, dass die
Einkünfte aus der Beteiligung an der E-LP insgesamt als
steuerfreie ausländische Einkünfte festgestellt
werden.
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Das FA beantragt, die Revisionen
zurückzuweisen.
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II. Die Revisionen sind begründet. Sie
führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Klagenstattgabe. Das FG hat zwar zu Recht angenommen, dass die E-LP
bei isolierter Betrachtung - unbeschadet ihrer gewerblichen
Prägung durch die EV-Ltd. - Einkünfte aus Gewerbebetrieb
erwirtschaftet hat, und dass für diese Einkünfte nach
Art. III Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 sowie Art. VIII Abs. 2 Satz 1
DBA-Großbritannien 1964/1970 Großbritannien als
Betriebsstättenstaat und nicht Deutschland als
Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht gebührte
(nachfolgend unter 2.). Es hat sodann jedoch zu Unrecht angenommen,
das Besteuerungsrecht sei nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 1
2. Halbsatz DBA-Großbritannien 1964/1970 für die
abkommensrechtlich nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a i.V.m. Art. III
Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 sowie Art. VIII Abs. 2 Satz 1
DBA-Großbritannien 1964/1970 freigestellten Einkünfte an
Deutschland zurückgefallen (nachfolgend unter 3.). Ein
vergleichbarer Besteuerungsrückfall ergibt sich - wovon
letztlich in diesem Punkt wiederum zu Recht auch das FG ausgeht -
auch nicht aus § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs.
59a Satz 6 des Einkommensteuergesetzes 2002 i.d.F. des
Jahressteuergesetzes 2007 - EStG 2002 n.F. - (nachfolgend unter
4.).
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13
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1. Die Klägerin zu 1. sowie die F-GmbH
waren im Streitjahr in Deutschland ansässig und hier
unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes - KStG 1996 - ). Sie waren im
Streitjahr an der englischen E-LP als einer partnership beteiligt,
die in Großbritannien als steuerlich transparent behandelt
wird und die aufgrund des Rechtstypenvergleichs ihrer Struktur nach
auch in Deutschland mit einer Personengesellschaft deutschen Rechts
vergleichbar ist. Zu den Einkommen der Klägerin zu 1. und der
F-GmbH gehören auf dieser Basis auch die Einkünfte aus
den Beteiligungen an der E-LP (§ 8 Abs. 1 KStG 1996 i.V.m.
§ 15 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 EStG 1997). Das ist unter den
Beteiligten unstreitig und bedarf keiner weiteren
Erörterung.
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2. Diese Einkünfte sind jedoch nach Art.
XVIII Abs. 2 Buchst. a 1. Halbsatz i.V.m. Art. III Abs. 1 Satz 2
und Abs. 3 sowie Art. VIII Abs. 2 DBA-Großbritannien
1964/1970 von der Bemessungsgrundlage auszunehmen.
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a) Bei den betreffenden
Beteiligungseinkünften der E-LP handelt es sich aus
Abkommenssicht nicht um solche vermögensverwaltender Art,
für die das Besteuerungsrecht nach Art. XV
DBA-Großbritannien 1964/1970 Deutschland zustünde,
sondern um solche aus Gewerbebetrieb. Das Besteuerungsrecht
für gewerbliche Gewinne eines Unternehmens wird nach Art. III
Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 DBA-Großbritannien 1964/1970
Großbritannien und nicht Deutschland zugewiesen, weil die
E-LP als Personengesellschaft ihren im Ausland ansässigen
Gesellschaftern (Mitunternehmern) jeweils eine Betriebsstätte
vermittelt (z.B. Senatsurteile vom 26.2.1992 I R 85/91, BFHE 168,
52, BStBl II 1992, 937 = SIS 92 18 40; vom 7.8.2002 I R 10/01, BFHE
199, 547, BStBl II 2002, 848 = SIS 03 01 72; vom 16.10.2002 I R
17/01, BFHE 200, 521, BStBl II 2003, 631 = SIS 03 11 58) und das
Besteuerungsrecht für gewerbliche Gewinne, soweit sie anteilig
einer solchen Betriebsstätte - nach Maßgabe von Art. III
Abs. 3 und 4 DBA-Großbritannien 1964/1970 - zugerechnet
werden können, in dem Gebiet besteuert werden können, in
welchem die Betriebsstätte gelegen ist. Gleichermaßen
verhält es sich nach Art. VIII Abs. 2 Satz 1
DBA-Großbritannien 1964/1970 für Gewinne aus der
Veräußerung beweglichen Vermögens, das
Betriebsvermögen einer Betriebsstätte darstellt, die ein
Unternehmen eines der Gebiete in dem anderen Gebiet hat.
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aa) Diese Besteuerungszuordnung folgt
allerdings nicht bereits daraus, dass die E-LP nach Maßgabe
des deutschen Steuerrechts als gewerblich geprägt i.S. von
§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG 1997 zu behandeln ist. Denn die
internrechtlich-fiktive Umqualifikation schlägt auf die
abkommensrechtliche Einkunftsqualifikation - entgegen der Annahme
der Finanzverwaltung (vgl. allgemein Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 16.4.2010, BStBl I
2010, 354 = SIS 10 09 14 Tz 2.2.1) - nicht durch.
Abkommensrechtlich ausschlaggebend ist allein die tatsächlich
verwirklichte Einkunftsart. Im Einzelnen verweist der Senat auf
seine mittlerweile ständige Spruchpraxis (z.B. Senatsurteile
vom 28.4.2010 I R 81/09, BFHE 229, 252 = SIS 10 17 74; vom
9.12.2010 I R 49/09, BFHE 232, 145, BStBl II 2011, 482 = SIS 11 06 12 - dort für das DBA-Großbritannien 1964/1970 - ; vom
25.5.2011 I R 95/10, DStR 2011, 1553 = SIS 11 25 92, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt), an welcher festzuhalten ist (s.
auch - speziell zu Private Equity Fonds - Elser/Gütle-Kunz in
Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im
Internationalen Steuerrecht, Rz 11.48).
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bb) Jedoch hat die E-LP im Streitjahr
unabhängig von ihrer - abkommensrechtlich unbeachtlichen -
gewerblichen Prägung „originär“
gewerbliche Einkünfte erwirtschaftet.
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aaa) Die Frage, ob ein Private Equity Fonds in
Gestalt einer (hier ausländischen) Personengesellschaft
vermögensverwaltend oder aber gewerblich tätig wird,
richtet sich im Kern nach denselben Abgrenzungskriterien wie bei
vergleichbaren Inlandsgesellschaften, insbesondere zum
Wertpapierhandel (vgl. Senatsurteil vom 17.12.1997 I R 34/97, BFHE
185, 216, BStBl II 1998, 296 = SIS 98 09 89; Elser/Gütle-Kunz
in Wassermeyer Meyer/Richter/Schnittker, a.a.O., Rz 11.31, m.w.N.).
Ein Gewerbebetrieb erfordert nach § 15 Abs. 2 EStG 1997 eine
selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit der
Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung
am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und keine land-
und forstwirtschaftliche, freiberufliche oder andere
selbständige Tätigkeit ist. Zudem darf es sich nicht um
typische Vermögensverwaltung handeln.
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Der An- und Verkauf von Wertpapieren
überschreitet die Grenze zur gewerblichen Betätigung
daher nur in besonderen Fällen. Der An- und Verkauf von
Wirtschaftsgütern ist ein Gewerbebetrieb, wenn sich der
Steuerpflichtige „wie ein Händler“ (Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.12.2000 X R 1/97, BFHE 194,
198, BStBl II 2001, 706 = SIS 01 08 44, m.w.N.) verhält.
Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum „Bild des
Wertpapierhandels“ sind der Umfang der Geschäfte,
das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur
Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes
unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von
Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren
Öffentlichkeit und andere für eine private
Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen
(BFH-Urteil, ebenda, m.w.N.). Bei der rechtlichen Zuordnung anhand
der vorgenannten Kriterien kann nicht isoliert auf einzelne
Merkmale abgestellt werden, vielmehr ist das Gesamtbild
entscheidend, wobei die einzelnen Beweisanzeichen zu gewichten und
gegeneinander abzuwägen sind. Im Einzelnen bezieht sich der
Senat dazu auf die einschlägige Spruchpraxis des BFH,
beispielsweise in den Urteilen in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706
= SIS 01 08 44 und vom 30.7.2003 X R 7/99 (BFHE 204, 419, BStBl II
2004, 408 = SIS 04 13 66).
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bbb) Um die einschlägigen
Abgrenzungsmerkmale bezogen auf sog. Venture Capital und Private
Equity Fonds greifbar zu machen und zu konturieren, hat die
Finanzverwaltung in einem Schreiben des BMF vom 16.12.2003 (BStBl I
2004, 40 = SIS 03 53 71) entsprechende Grundsätze formuliert.
Typischerweise sollen Private Equity Fonds danach nicht gewerblich,
sondern vermögensverwaltend tätig sein, wenn sie die
folgenden Voraussetzungen erfüllen: der Fonds muss den Erwerb
von Anteilen am Zielunternehmen im Wesentlichen aus Eigenmitteln
finanzieren, die Verwaltung des Fondsvermögens darf keine
umfangreiche eigene Organisation erfordern, der Fonds darf sich
nicht eines Marktes bedienen und auf fremde Rechnung unter Einsatz
beruflicher Erfahrungen tätig werden, der Fonds darf
Beteiligungen an den Zielunternehmen nicht gegenüber einer
breiten Öffentlichkeit anbieten oder auf fremde Rechnung
handeln, der Fonds muss die Beteiligungen mindestens mittelfristig
für drei bis fünf Jahre halten, die erzielten
Veräußerungserlöse dürfen nicht reinvestiert,
sondern müssen ausgeschüttet werden, der Fonds darf sich
nicht am aktiven Management der Zielunternehmen beteiligen.
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ccc) Ob diesen - eher in Richtung einer
Vermögensverwaltung tendierenden - Merkmalen angesichts der
Vorgaben des § 15 Abs. 2 EStG 1997 uneingeschränkt zu
folgen ist, kann dahinstehen. Denn die Vorinstanz ist selbst nach
Maßgabe dieser sehr einschränkenden Merkmale und unter
Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls (s. dazu und
zu den Kriterien im Einzelnen - und kritisch - auch
Elser/Gütle-Kunz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, a.a.O., Rz
11.33 ff., 11.42; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, §
15 EStG Rz 1172, m.w.N.) zu dem (zutreffenden) Ergebnis gelangt,
dass die E-LP einen Gewerbebetrieb unterhalten habe und nicht
bloß vermögensverwaltend tätig gewesen sei: Die
E-LP habe ihre Geschäfte aufgrund des Managementvertrages
einschlägig versierten und gewerblich tätigen Personen
übertragen, denen das Betreiben der in Rede stehenden
Finanzdienstleistungen durch die britische Aufsichtsbehörde
erlaubt worden ist. Die jeweiligen Beteiligungen seien
grundsätzlich max. nur vier Jahre gehalten worden, bevor die
E-LP sie veräußert oder an die Börse gebracht habe.
Die für die E-LP handelnden Personen hätten sich aktiv an
dem Management der Portfolio-Gesellschaften zumindest teilweise
beteiligt. Die E-LP habe durchweg auf fremde Rechnung gehandelt.
Der Kreis der Gesellschafter der E-LP setze sich sämtlich aus
sog. institutionellen Anlegern zusammen und die E-LP habe
ihrerseits mit derartigen institutionellen Anlegern als
Geschäftspartnerin gehandelt; sie sei deswegen als
Finanzunternehmen i.S. des § 1 Abs. 3 des Gesetzes über
das Kreditwesen (KredWG) anzusehen und habe als solches am
Marktgeschehen teilgenommen. Für einen rein
vermögensverwaltend tätigen Fonds, welcher Transaktionen
lediglich anonym über eine Depotbank tätige, sei das aber
eher untypisch; das FG bezog sich dabei auf das BFH-Urteil vom
2.4.1971 VI R 149/67 (BFHE 102, 261, BStBl II 1971, 620 = SIS 71 03 17).
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Diese tatrichterliche Würdigung ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie deckt sich mit den
zugrunde liegenden, den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2
FGO) Feststellungen und ist zumindest möglich: Die Gesamtzahl
der der E-LP zuzurechnenden Investitionen belief sich nach diesen
Feststellungen bis einschließlich 1998 auf 22
Unternehmensbeteiligungen zwischen 3 v.H. und 61,1 v.H., von denen
zum 31.12.1999 noch 16 Beteiligungen gehalten wurden. Dieser
Umstand und die durchschnittliche Beteiligungsdauer von vier Jahren
verdeutlicht, dass ein Substanzumschlag im Vordergrund der
Aktivitäten stand und dass die Fruchtziehung aus dem
Beteiligungsbesitz demgegenüber zu vernachlässigen ist.
Die Aktivitäten der E-LP entsprachen hiernach eher dem
„Bild des Gewerbebetriebs“ in der Form des
Handels als einer privaten Vermögensverwaltung (s. auch zum
Erwerb und zur Veräußerung von GmbH-Anteilen BFH-Urteil
vom 25.7.2001 X R 55/97, BFHE 195, 402, BStBl II 2001, 809 = SIS 01 13 14, m.w.N.; abgrenzend dazu Watrin/Goksch, DB 2002, 341). Die
E-LP hat die Beteiligungserwerbe zudem fremdfinanziert. Das dadurch
indizierte „händlertypische“ Verhalten
liegt in der mit der Aufnahme von Fremdtiteln verbundenen
Ausnutzung des sog. Leverageeffekts, welcher eintritt, wenn der
Fonds aufgrund der Kreditaufnahmen einen höheren Betrag in
Portfoliogesellschaften investiert, als er ihm aufgrund des
Zeichnungskapitals zur Verfügung steht. Die Fremdkapitalkosten
werden dann - nur - durch die Beteiligungsumschichtung
neutralisiert und ermöglichen - nur - dadurch eine Gewinnmarge
(vgl. Rodin/Veith/ Bärenz, DB 2004, 103, 104 f.; krit.
demgegenüber z.B. Wiese/Klass, FR 2004, 324, 329 f.). Dass die
E-LP sich der EV-Ltd. als Managementgesellschaft
„bedient“ hat, um ihre Aufgaben zu
erfüllen, ist für sich genommen unbeachtlich.
Maßgebend ist, dass die EV-Ltd. sowohl die sächlichen
als auch personellen sowie aufsichtsrechtlichen Voraussetzungen
erfüllte, um die in Rede stehenden Geschäfte (sowie die
erforderlichen usancentypischen Vorbereitungsmaßnahmen wie
beispielsweise das „Screening“ und
„Monitoring“ der ins Auge gefassten
Beteiligungsunternehmen) zu tätigen, und dass diese
Gegebenheiten von der E-LP ausgenutzt wurden und ihr zuzurechnen
waren. Zu berücksichtigen bleibt überdies, dass Private
Equity Fonds nach ihrem typischen - und auch im Streitfall in Rede
stehenden - Geschäftsmodell des sog. Management und Leveraged
Buy-out in erster Linie darauf abzielen, durch Umschichtung von
Vermögenswerten und durch die Verwertung von
Vermögenssubstanz („buy to sell“) zugunsten
der Anleger möglichst hohe Renditen zu erwirtschaften.
Primäres Ziel ist auch deshalb nicht die
(vermögensverwaltende) Nutzung von Kapitalanlagen zum Zwecke
der Fruchtziehung aus den eingegangenen Engagements und
Investments, sondern deren Veräußerung; der Fonds wirkt
als „Händler“ und tritt nach der
Verkehrsauffassung typischerweise „wie“ ein
solcher und zugleich wie ein Finanzunternehmen nach dem KredWG (s.
auch Reiß in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 15 Rz 132a
[Fußnote 2]) am Markt auf. So gesehen lässt sich das
Geschäftsmodell der Private Equity Fonds durchaus mit
demjenigen von Flugzeugleasingmodellen vergleichen, für welche
der BFH in seinem Urteil vom 26.6.2007 IV R 49/04 (BFHE 217, 150,
BStBl II 2009, 289 = SIS 07 29 03) ebenfalls einen Gewerbebetrieb
angenommen hat; die Finanzverwaltung ist dem gefolgt (BMF-Schreiben
vom 1.4.2009, BStBl I 2009, 515 = SIS 09 11 93; s. auch -
abgrenzend zu dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 40 = SIS 03 53 71
- Anzinger/Voelskow, FR 2009, 1089; Klass/Süß, FR 2009,
653, 658; Reiß in Kirchhof, ebenda [Rz 132a]).
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b) Die E-LP hat eine in Großbritannien
belegene Betriebsstätte i.S. von Art. II Abs. 1 Buchst. l
Unterabs. (i) DBA-Großbritannien 1964/1970 unterhalten, der
die gewerblichen Einkünfte zuzurechnen sind. Dass sie dazu die
Räumlichkeiten und das Personal der EV-Ltd. als
Managementgesellschaft nutzte, ist unbeachtlich. Ausschlaggebend
ist, dass sie mittels der vertraglichen Überantwortung von
Aufgaben und dadurch mittels eines entsprechenden sachlichen und
personellen „Apparats“ in der Lage war, ihrer
unternehmerischen Tätigkeit „operativ“
nachzugehen, und dass sie infolgedessen Zugriff in Gestalt einer
Verfügungsmacht über die fraglichen Räumlichkeiten
hatte. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 22.4.2009 I B
196/08 (BFH/NV 2009, 1588 = SIS 09 29 15) die bloße
Mitnutzung der Räume eines Vertragspartners nicht hat
ausreichen lassen, um eine Betriebsstätte annehmen zu
können, liegt dem eine andere Situation zugrunde, als diese
vorliegend zu beurteilen ist. Infolge des Managementvertrages war
die E-LP auch ohne ein ihr vertraglich eingeräumtes eigenes
Nutzungsrecht nicht nur gelegentliche Mitnutzerin der Räume
der EV-Ltd. (s. auch Senatsurteil vom 23.2.2011 I R 52/10, BFH/NV
2011, 1354 = SIS 11 23 47, zu einem inländischen
Immobilienfonds; im Ergebnis auch Senatsurteil vom 13.10.2010 I R
61/09, BFHE 231, 152, BStBl II 2011, 249 = SIS 10 40 19, zu einer
Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Irland).
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c) Schließlich erfasst das
Besteuerungsrecht Großbritanniens nach Maßgabe von Art.
III Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 sowie Art. VIII Abs. 2 Satz 1
DBA-Großbritannien 1964/1970 die Gewinne der E-LP insgesamt,
auch insoweit, als sich diese aus vereinnahmten Dividenden
zusammensetzen. Letzteres folgt aus dem sog.
Betriebsstättenvorbehalt, welcher - in Anlehnung an die
entsprechenden Regelungen im Musterabkommen der Organisation for
Economic Cooperation and Development - OECD-Musterabkommen
(OECD-MustAbk) - (Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 7 OECD-MustAbk) -
gleichermaßen in Art. VI Abs. 5 DBA-Großbritannien
1964/1970 für Dividenden angeordnet ist. Danach gelten die
vorangegangenen Artikel über die Besteuerungszuordnung und
über das Quellenbesteuerungsrecht nicht, wenn eine in einem
der Gebiete ansässige Person in dem anderen Gebiete durch eine
dort gelegene Betriebsstätte gewerblich tätig ist und die
Dividenden dieser Betriebsstätte zuzurechnen sind; in diesem
Fall können die Dividenden in dem Gebiet besteuert werden, in
dem die Betriebsstätte gelegen ist. Die den Dividenden
zugrunde liegenden Forderungsrechte sind - als Stammrechte - nach
den tatrichterlich festgestellten Gegebenheiten in der - auch
für das DBA-Großbritannien 1964/1970 gebotenen (vgl.
Senatsbeschluss vom 20.12.2006 I B 47/05, BFHE 216, 276, BStBl II
2009, 766 = SIS 07 07 64; s. auch Senatsbeschluss vom 19.12.2007 I
R 66/06, BFHE 220, 173, BStBl II 2008, 510 = SIS 08 15 03, zum
DBA-Niederlande) - tatsächlich-funktionalen Hinsicht
sämtlich der E-LP zuzurechnen und deswegen insgesamt als
gewerbliche Gewinne zu qualifizieren.
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In Einklang damit handelt es sich insgesamt um
Einkünfte aus Quellen innerhalb des Vereinigten
Königreichs, die nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 1 1.
Halbsatz DBA-Großbritannien 1964/ 1970 in Deutschland von der
Bemessungsgrundlage der Steuer auszunehmen sind. Die
Einkunftsqualifikation nach Art. III Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. VI
Abs. 5 DBA-Großbritannien 1964/1970 schlägt auf jene
nach Art. XVIII Abs. 2 DBA-Großbritannien 1964/1970 durch,
beide Qualifikationen stimmen insoweit überein.
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Diese Übereinstimmung ist allerdings
nicht unumstritten. Teilweise (insbesondere von Wassermeyer in
Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz 160 ff.;
derselbe in Lüdicke [Hrsg.], Besteuerungspraxis bei
grenzüberschreitender Tätigkeit, 2003, S. 207 ff.;
derselbe in Achatz/Ehrke-Rabel/Heinrich/ Leitner/Taucher [Hrsg.],
Steuerrecht, Verfassungsrecht, Europarecht, Festschrift für
Ruppe, 2007, S. 681, 686 f.; s. auch Gosch in Gocke/Gosch/Lang
[Hrsg.], Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht,
Doppelbesteuerung, Festschrift für F. Wassermeyer, 2005, S.
262, 276 ff.; Kluge, daselbst, S. 663, jeweils m.w.N.) wird - im
Anschluss an das Senatsurteil in BFHE 199, 547, BStBl II 2002, 848
= SIS 03 01 72, das diese Frage aufgeworfen, jedoch nicht
abschließend beantwortet hatte (ebenso im Senatsbeschluss in
BFHE 220, 173, BStBl II 2008, 510 = SIS 08 15 03) - namentlich
für Dividendeneinkünfte geltend gemacht, Art. 23A Abs. 2
OECD-MustAbk sei dahin zu verstehen, dass der
Betriebsstättenvorbehalt in Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 7
OECD-MustAbk von vornherein nur im Quellenstaat zum Tragen komme,
während der Ansässigkeitsstaat weiterhin nach
Maßgabe einer isolierenden Betrachtungsweise die Existenz von
Dividenden anzunehmen habe, was ihn allenfalls zur
Steueranrechnung, aber nicht zur Einkünftefreistellung zwinge.
Begründet wird dies mit der Formulierung des Art. 10 Abs. 4
OECD-MustAbk, wonach unter den Voraussetzungen der Vorschrift nur
die Abs. 1 und 2 nicht anzuwenden sind, Abs. 3 hingegen nicht. Das
spreche dafür, dass aus der Sicht des sog. Methodenartikels,
dessen alleiniger Adressat der Ansässigkeitsstaat sei, Art. 10
Abs. 3 OECD-MustAbk uneingeschränkt anwendbar bleibe. Dem ist
wiederum entgegengehalten worden, in Art. 10 Abs. 4 OECD-MustAbk
sei eine Inbezugnahme auch dessen Abs. 3 entbehrlich, weil dann
Abs. 3 lediglich eine allgemein - für den Ansässigkeits-
ebenso wie für den Quellenstaat - geltende Begriffsbestimmung
enthalte. Es sei widersprüchlich, wenn Art. 10 Abs. 4
OECD-MustAbk die Dividendenbesteuerung im Ansässigkeitsstaat
über den Betriebsstättenvorbehalt ausschließe, sie
sodann über den Methodenartikel aber wieder restituiere (vgl.
z.B. M. Lang, Steuer und Wirtschaft International 2003, 319;
derselbe in Kirchhof/K. Schmidt/Schön/Vogel [Hrsg.], Steuer-
und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl,
Festschrift für Raupach, 2006, S. 601 ff.; Jacobs,
Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl., S. 534,
Strunk/Kaminski, IStR 2003, 181; Wolff in Festschrift F.
Wassermeyer, a.a.O., S. 647; Niehaves in Haase, AStG/DBA, Art. 7 MA
Rz 203; Kleineidam, IStR 2004, 1; Gradel in
Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 86;
Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Tz. 16.531,
16.543; Vogel in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Vor Art. 10-12 Rz 32;
Wagner, Internationale Wirtschafts-Briefe Fach 3 Gruppe 2, S. 1067;
s. auch Gosch, ebenda, jeweils m.w.N.).
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Letzterem ist beizupflichten. Ausschlaggebend
ist, dass die betreffenden Betriebsstätteneinkünfte
aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts in Art. 10 Abs. 4
i.V.m. Art. 7 Abs. 1 OECD-MustAbk im Quellenstaat in ihrer
Gesamtheit besteuert werden können, was wiederum
spiegelbildlich die Freistellung der betreffenden Einkünfte im
Ansässigkeitsstaat nach Maßgabe von Art. 23A Abs. 1
OECD-MustAbk auslöst; sollte aus dem Senatsurteil in BFHE 199,
547, BStBl II 2002, 848 = SIS 03 01 72 anderes herauszulesen sein
(s. z.B. Strunk/ Kaminski, IStR 2003, 181; aber auch Gosch,
ebenda), wird dies in diesem Sinne klargestellt. Für die im
Streitfall zu beurteilende Situation des DBA-Großbritannien
1964/1970 kommt hinzu, dass dieses (auch) in den hier in Rede
stehenden Punkten von den Vorgaben des OECD-Musterabkommens in
maßgebender Weise abweicht: Art. 23A Abs. 1 und Abs. 2
OECD-MustAbk unterscheidet - mit den unterschiedlichen Rechtsfolgen
der Freistellung und der Anrechnung - ausdrücklich zwischen
Einkünften, die eine in dem einen Vertragsstaat ansässige
Person bezieht und die in dem anderen Vertragsstaat besteuert
werden können, und solchen Einkünften, die nach Art. 10
OECD-MustAbk im anderen Vertragsstaat besteuert werden können.
Eine derartige Unterscheidung der verschiedenen Einkünfte
trifft für die Methode der Vermeidung von der
Doppelbesteuerung zwar auch Art. XVIII Abs. 2
DBA-Großbritannien 1964/1970. Doch werden dort - in Buchst. a
Satz 1 1. Halbsatz der Vorschrift - die von der Besteuerung
freizustellenden Einkünfte aus Quellen innerhalb des
Vereinigten Königreichs, die in Übereinstimmung mit
diesem Abkommen im Vereinigten Königreich besteuert werden
können, lediglich - in Buchst. b Unterabs. (i) der Vorschrift
- von den „nicht in Buchst. a genannten
Dividenden“ abgegrenzt; eine ausdrückliche
Bezugnahme auf die in Art. VI Abs. 4 DBA-Großbritannien
1964/1970 gegebene Dividendendefinition fehlt. Das Abkommen geht
also ersichtlich davon aus, dass als i.S. von Art. XVIII Abs. 2
Buchst. a Satz 1 1. Halbsatz DBA-Großbritannien 1964/1970
freizustellende Dividenden durchaus auch solche in Betracht kommen,
die in Übereinstimmung mit dem Abkommen im Vereinigten
Königreich besteuert werden können, was wiederum
zuvörderst dann der Fall ist, wenn die betreffenden Dividenden
die Voraussetzungen des Betriebsstättenvorbehalts in Art. VI
Abs. 5 i.V.m. Art. III Abs. 1 bis 3 DBA-Großbritannien
1964/1970 erfüllen.
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3. Das Besteuerungsrecht Großbritanniens
ist nicht nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a 2. Halbsatz
DBA-Großbritannien 1964/1970 an Deutschland
zurückgefallen. Denn diese Ausnahme von der in Art. XVIII Abs.
2 Buchst. a 1. Halbsatz DBA-Großbritannien 1964/1970
prinzipiell angeordneten Steuerfreistellung betrifft nur den Fall,
dass in Deutschland als Ansässigkeitsstaat freigestellte
Gewinne im Vereinigten Königreich nicht steuerpflichtig sind.
Doch beschränkt sich diese Ausnahme - mit der Rechtswirkung
eines Rückfalls des Besteuerungsrechts an Deutschland -
erklärtermaßen auf die in Art. VIII Abs. 1
DBA-Großbritannien 1964/1970 genannten Gewinne aus der
Veräußerung unbeweglichen Vermögens i.S. des Art.
XII Abs. 2 DBA-Großbritannien 1964/1970 (s. z.B. Senatsurteil
in BFHE 232, 145, BStBl II 2011, 482 = SIS 11 06 12). Solche stehen
nach den tatrichterlichen Feststellungen im Streitfall aber nicht
in Rede. Die Annahme der Vorinstanz, die Vertragsstaaten
hätten sich in dem Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung darüber hinaus auf eine wechselseitige
Einmalbesteuerung im Ansässigkeits- oder aber im Quellenstaat
verständigt, und diese Wechselwirkung entspreche einer
abkommensrechtlichen „Werteentscheidung“, ist
unrichtig. Sie bezeugt ein ausgesprochenes Unverständnis
gegenüber der Methode der Freistellung von
Quelleneinkünften. Denn diese Methode baut im Gegenteil auf
dem Gedanken einer bloß virtuellen Doppelbesteuerung auf und
macht die Freistellung im Ansässigkeitsstaat von einer
konkreten steuerlichen Inanspruchnahme im Quellenstaat nach
Maßgabe des dortigen Steuerrechts gerade unabhängig. Von
diesem Grundsatz wird im DBA-Großbritannien 1964/1970
abweichend von dem OECD-Musterabkommen lediglich - und
ausnahmsweise - für die beschriebenen Gewinne aus der
Veräußerung unbeweglichen Vermögens Abstand
genommen.
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4. Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 50d
Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. allerdings unilateral die
Möglichkeit geschaffen, von der abkommensrechtlich
vereinbarten Freistellung der betreffenden Einkünfte dann
abzusehen, wenn der andere Vertragsstaat - hier
Großbritannien - das Abkommen so anwendet, dass die
Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind
oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz
besteuert werden können; die Neuregelung ist nach § 52
Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. auch rückwirkend für alle
noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen anzuwenden.
Der dadurch angeordnete Wechsel von der Freistellungs- zur
Anrechnungsmethode baut also auf einem sog. (negativen)
Qualifikationskonflikt auf. Dazu kann es kommen, wenn die
Vertragsstaaten von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen
(Subsumtionskonflikt), wenn sie Abkommensbestimmungen
unterschiedlich auslegen (Auslegungskonflikt) oder wenn sie
aufgrund einer Art. 3 Abs. 2 OECD-MustAbk entsprechenden
Abkommensvorschrift (wie hier Art. II Abs. 3
DBA-Großbritannien 1964/1970) Abkommensbegriffe nach ihrem
nationalen Steuerrecht unterschiedlich auslegen (Konflikt infolge
abweichenden innerstaatlichen Rechts). Auslöser für den
beschriebenen Methodenwechsel als Rechtsfolge ist sonach im
Einklang mit dem Gesetzeswortlaut des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr.
1 EStG 2002 n.F. ein (negativer) Qualifikationskonflikt im
weitesten Sinne (vgl. zur Gesetzesbegründung BTDrucks 16/2712,
S. 61. Jankowiak, Doppelte
Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, S.
231 ff.). Ursache für die Nichtbesteuerung muss aber immer die
Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens sein. Nicht ausreichend
und den tatbestandlichen Anforderungen genügend ist hingegen
eine rein internrechtliche Steuermaßnahme, wie beispielsweise
der Verzicht auf das abkommensrechtlich zugewiesene
Besteuerungsrecht (ebenso z.B. Schönfeld in
Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 50d Abs. 9 Rz 71 ff., 81
ff.. Jankowiak, ebenda; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz
41a).
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So verhält es sich aufgrund der
tatrichterlichen Feststellungen aber im Streitfall. Denn danach
steht fest, dass die Fondseinkünfte aufgrund einer
„einseitigen nationalen Maßnahme“ des
britischen Gesetzgebers „mit
Subventionscharakter“ nicht besteuert worden sind. Die
dagegen angestellten Überlegungen des FA zum Begriff des
Gewerbebetriebs und der gewerblichen Einkünfte nach englischem
Steuerrecht („trade“) betonen eher den
Gleichklang in diesem Punkt mit dem deutschen Steuerrecht
(„Handel“) und ändern an den
tatrichterlichen Feststellungen nichts. Den Revisionen - und der
Vorinstanz - ist also darin beizupflichten, dass § 50d Abs. 9
Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. nicht einschlägig ist und sich
daraus ein „Besteuerungsrückfall“ unter den
zu beurteilenden Gegebenheiten nicht ergeben kann.
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In Anbetracht dessen kann unbeantwortet
bleiben, ob § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. als sog.
Treaty override und überdies, ob die in § 52 Abs. 59a
Satz 6 EStG 2002 n.F. angeordnete (auch auf das Streitjahr)
rückwirkende Anwendung gegen Verfassungsrechte verstoßen
(vgl. zu diesbezüglichen ernstlichen Zweifeln Senatsbeschluss
vom 19.5.2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156 = SIS 10 17 73).
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5. Die Vorinstanz hat im Ergebnis - bis auf
die von der E-LP vereinnahmten Zinsen, die in Großbritannien
einer Quellensteuer unterlegen haben - eine abweichende
Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Der
angefochtene Bescheid ist antragsgemäß dahin
abzuändern, dass die Einkünfte der Klägerin zu 1.
sowie der F-GmbH aus den Beteiligungen an der E-LP insgesamt - und
nicht nur hinsichtlich der Zinsen - als steuerfreie
ausländische Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a AO einheitlich und gesondert festgestellt werden.
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