Prägung durch ausländische Kapitalgesellschaft: Eine ausländische Kapitalgesellschaft, die nach ihrem rechtlichen Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Gestaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft entspricht, ist geeignet, eine Personengesellschaft gewerblich i.S. von § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG zu prägen. - Urt.; BFH 14.3.2007, XI R 15/05; SIS 07 15 01
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden im Streitjahr als Ehegatten zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Sie hatten ihren Wohnsitz im
Inland.
Der Kläger war als alleiniger
Kommanditist an vier Personengesellschaften mit Sitz in
Liechtenstein beteiligt, die als Kommanditgesellschaften nach
liechtensteinischem Recht gegründet worden waren
(Kommanditgesellschaften).
Die Kommanditgesellschaften hatten jeweils
Grundbesitz im Inland und übten eine rein
vermögensverwaltende Tätigkeit aus.
Einzige Komplementäre und
Geschäftsführer der Kommanditgesellschaften waren
ebenfalls nach liechtensteinischem Recht gegründete
Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Komplementäre)
mit Sitz in Liechtenstein.
Mit Beschluss vom 23.12.1994 schieden die
Komplementäre aus den Kommanditgesellschaften aus. Der
Kläger übernahm als einziger verbleibender Gesellschafter
das Aktiv- und Passivvermögen der
Kommanditgesellschaften.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) vertrat die Auffassung, die
Kommanditgesellschaften seien gewerblich geprägt i.S. von
§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das Ausscheiden der Komplementäre habe jeweils zu einer
Betriebsaufgabe i.S. von § 16 Abs. 3 EStG
geführt.
Das FA ermittelte Aufgabegewinne in
Höhe von insgesamt 4.750.307 DM und rechnete sie dem
Kläger zu. Nach Verrechnung des Betrags von 4.750.307 DM mit
vorgetragenen Verlusten wurde auf den 31.12.1994 ein
vortragsfähiger Verlust in Höhe von 3.772.956 DM für
die Kläger festgestellt.
Der gegen den Bescheid über die
gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur
Einkommensteuer auf den 31.12.1994 eingelegte Einspruch der
Kläger blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Das FA habe das Ausscheiden der Komplementäre aus den
Kommanditgesellschaften zu Unrecht als Aufgabe eines gewerblichen
Betriebs behandelt. Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz
1 EStG sei nicht anwendbar, wenn eine ausländische
Kapitalgesellschaft ohne Niederlassung im Inland als
persönlich haftende Gesellschafterin an einer
Personengesellschaft beteiligt sei. Dies ergebe sich aus
historischen, systematischen und teleologischen Gründen.
Außerdem lasse sich aus der ab dem Veranlagungszeitraum 1994
für beschränkt steuerpflichtige ausländische
Kapitalgesellschaften geltenden Norm des § 49 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. f Satz 2 EStG mittels eines
„Erst-recht-Schlusses“ herleiten, dass auch bei
ausländischen Personengesellschaften ohne Niederlassung im
Inland ein bis einschließlich 1993 eingetretener Wertzuwachs
im inländischen Grundvermögen nicht der Besteuerung
unterworfen werden dürfe. Das Urteil des FG ist in EFG 2005,
1035 = SIS 05 27 16 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die
unrichtige Auslegung und Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz
1 EStG. Diese Norm müsse nach ihrer Entstehungsgeschichte auch
bei Beteiligung einer ausländischen Kapitalgesellschaft als
alleinige Geschäftsführerin und persönlich haftende
Gesellschafterin einer ausländischen Personengesellschaft zur
Anwendung kommen. Für die gewerbliche Prägung der
Personengesellschaft durch die Kapitalgesellschaft sei nicht
erforderlich, dass die Kapitalgesellschaft eine eigene gewerbliche
Tätigkeit ausübe oder kraft Rechtsform eigene gewerbliche
Einkünfte erziele.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen
sinngemäß, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
Hilfsweise begehren sie die
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung. Hierzu berufen sie sich auf den
Grundsatz von Treu und Glauben und wiederholen dazu ihr Vorbringen
aus dem Klageverfahren. Außerdem vertreten sie die
Auffassung, es seien Verfahren über die einheitliche und
gesonderte Feststellung der Aufgabegewinne der
Kommanditgesellschaften nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 der
Abgabenordnung (AO) durchzuführen. Das FA hätte die
ursprünglich erlassenen Feststellungsbescheide nicht unter
Hinweis auf § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO aufheben
dürfen.
II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das
FG.
1. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Zu
Unrecht hat das FG die vermögensverwaltenden Tätigkeiten
der liechtensteinischen Kommanditgesellschaften nicht als
Gewerbebetriebe i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG
angesehen und deshalb das Ausscheiden der Komplementäre nicht
als Aufgabe von Gewerbebetrieben i.S. von § 16 Abs. 3 EStG
gewürdigt.
a) Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG
gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit
Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer
Personengesellschaft, die der Sache nach nicht gewerblich i.S. des
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG ist, bei der
aber ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften
persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder
Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur
Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte
Personengesellschaft).
Die Fiktion eines Gewerbebetriebs
gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG gilt auch bei
einer vermögensverwaltenden ausländischen
Personengesellschaft, wenn sie nach ihrem rechtlichen Aufbau und
ihrer wirtschaftlichen Gestaltung einer inländischen
Personengesellschaft entspricht (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 17.12.1997 I R 34/97, BFHE 185, 216, BStBl II 1998, 296 =
SIS 98 09 89; Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl., § 15 Rz 215,
m.w.N.). Entgegen der Ansicht des FG ist dabei eine
ausländische Kapitalgesellschaft, die nach ihrem im Ausland
geregelten rechtlichen Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Gestaltung
einer inländischen Kapitalgesellschaft entspricht, ohne
weitere Einschränkungen geeignet, die (ausländische oder
inländische) Personengesellschaft gewerblich i.S. von §
15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG zu prägen (BFH-Urteil in BFHE 185,
216, BStBl II 1998, 296 = SIS 98 09 89; BFH-Beschluss vom
18.12.1989 IV B 37/89, BFH/NV 1990, 570 = SIS 90 13 56; Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen vom 24.9.1999 IV D 3 -S 1301
Ung - 5/99, IStR 2000, 627, FR 2000, 238 = SIS 00 06 48;
Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 216; Piltz in
Debatin/Wassermeyer MA Art. 7 MK 85; ders., in Mössner u.a.,
Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz F 9;
Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., §
9 II, S. 377 Fn. 77; Farnschläder/Kahl, Internationale
Wirtschaftsbriefe, Fach 3 Deutschland Gruppe 3, S. 1179, 1182; Ch.
Schmidt/Blöchle, IStR 2003, 685, 689; Gosch in Kirchhof, EStG,
6. Aufl., § 49 Rz 62, a.E.).
Dies ergibt sich aus dem insoweit offenen
Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG und dem
systematischen Zusammenhang mit anderen Vorschriften des EStG, in
denen der gleichlautende Begriff der
„Kapitalgesellschaft“ verwendet wird. So werden
zu den Kapitalgesellschaften i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG
und § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nach einhelliger Meinung
vergleichbare ausländische Kapitalgesellschaften gezählt
(z.B. BFH-Urteile vom 22.2.1989 I R 11/85, BFHE 156, 170, BStBl II
1989, 794 = SIS 89 12 18; vom 19.3.1996 VIII R 15/94, BFHE 180,
146, BStBl II 1996, 312 = SIS 96 15 17; vom 16.12.1998 I R 138/97,
BFHE 188, 251, BStBl II 1999, 437 = SIS 99 18 88; Schneider, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz B 92;
Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 20 Rz 50).
Aus der Entstehungsgeschichte des § 15
Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG lässt sich entgegen der Ansicht des
FG nicht das Erfordernis entnehmen, dass die ausländische
Kapitalgesellschaft selbst kraft Rechtsform gewerbliche
Einkünfte erzielen oder tatsächlich gewerblich tätig
sein muss, um eine Personengesellschaft prägen zu können.
Es genügt hierfür vielmehr, wenn die ausländische
Kapitalgesellschaft nach ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen
Struktur einer inländischen Kapitalgesellschaft entspricht.
Denn mit der Einfügung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG
wurde die vom BFH durch Beschluss des Großen Senats vom
25.6.1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 = SIS 84 21 08) aufgegebene Gepräge-Rechtsprechung ohne Beschränkung
auf inländische Kapitalgesellschaften gesetzlich verankert, um
sicherzustellen, dass gleichartige und in vergleichbarer Rechtsform
ausgeübte Tätigkeiten steuerrechtlich nicht
unterschiedlich behandelt werden, und um sinnvolle steuerliche
Gestaltungsmöglichkeiten zu erhalten (vgl. Vorbemerkung und
Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf, BTDrucks
10/3663, S. 1 f. und S. 6 ff.; Stellungnahme des Bundesrats hierzu,
BTDrucks 10/3663, S. 10; Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks
10/4513, S. 22; BFH-Urteil vom 20.11.2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471,
BStBl II 2004, 464 = SIS 04 16 93).
Die liechtensteinischen
Kommanditgesellschaften, an denen der Kläger jeweils als
Kommanditist beteiligt war, entsprachen nach ihrer in den Art. 733
ff. des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR)
geregelten rechtlichen Struktur und wirtschaftlichen Gestaltung
einer inländischen GmbH & Co. KG. Die in den Art. 389 ff.
PGR normierte Rechtsform der liechtensteinischen Komplementäre
stimmte mit einer inländischen GmbH überein und entsprach
damit dem Typus einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3
Nr. 2 Satz 1 EStG.
b) Durch das Ausscheiden der
liechtensteinischen Komplementäre im Jahr 1994 sind auf der
Ebene der liechtensteinischen Kommanditgesellschaften
Aufgabegewinne gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs.
1 Nr. 1 EStG in der vom FA ermittelten Höhe realisiert worden.
Diese Aufgabegewinne waren dem Kläger in voller Höhe als
steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß
§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zuzurechnen.
aa) Das Ausscheiden der liechtensteinischen
Komplementäre aus den liechtensteinischen
Kommanditgesellschaften hatte zur Folge, dass die bis dahin wegen
§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG jeweils als Gewerbebetrieb
fingierten vermögensverwaltenden Betriebe der
liechtensteinischen Kommanditgesellschaften ihre gewerbliche
Prägung verloren. Außerdem bewirkte das Ausscheiden der
liechtensteinischen Komplementäre, dass dem Kläger als
jeweils einzigem Kommanditisten das Vermögen der
liechtensteinischen Kommanditgesellschaften im Wege der
Gesamtrechtsnachfolge anwuchs, bei ihm zu Privatvermögen wurde
und er fortan daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
erzielte.
Die Beendigung der gewerblichen Tätigkeit
der liechtensteinischen Kommanditgesellschaften und der damit
einhergehende Übergang der
jeweiligen Betriebsvermögen in das Privatvermögen des
Klägers entsprach wirtschaftlich jeweils einer
Betriebsaufgabe i.S. von § 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr.
1 EStG. Eine Betriebsaufgabe ist auch dann anzunehmen, wenn der
Betrieb als wirtschaftlicher Organismus zwar bestehen bleibt, er
aber durch eine Handlung des Steuerpflichtigen oder durch einen
Rechtsvorgang in seiner ertragsteuerlichen Einordnung so
verändert wird, dass die Erfassung der im Buchansatz für
die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens enthaltenen
stillen Reserven nicht mehr gewährleistet ist (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 12.4.1978 I R 136/77, BFHE 125, 157, BStBl II 1978,
494 = SIS 78 02 77, m.w.N.).
bb) Von der Besteuerung der bis
einschließlich 1993 im inländischen Grundvermögen
der liechtensteinischen Kommanditgesellschaften angesammelten
stillen Reserven kann entgegen der Ansicht des FG nicht im Hinblick
auf die ab dem Streitjahr 1994 gültige Regelung in Satz 2 des
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG abgesehen werden. § 49
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG betrifft nur die Besteuerung
einer Körperschaft ohne Sitz oder Geschäftsleitung im
Inland. Im Streitfall geht es jedoch um die Besteuerung des im
Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters einer
ausländischen Personengesellschaft. Hierfür enthält
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG keine Regelung.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat
- von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine tatsächlichen
Feststellungen zu der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage
getroffen, ob der Besteuerung des Aufgabegewinns in Höhe von
4.750.307 DM der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht. Es
wird dies nachzuholen haben. Deshalb war die Sache an das FG
zurückzuverweisen.
Bei der erneuten Entscheidung wird das FG zu
berücksichtigen haben, dass die Finanzbehörde
grundsätzlich selbst dann nicht an eine bei einer
früheren Veranlagung zugrunde gelegte Rechtsauffassung
gebunden ist, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf
disponiert hat (zuletzt BFH-Beschluss vom 12.7.2006 IV B 9/05,
BFH/NV 2006, 2028 = SIS 06 41 23, m.w.N.).
3. Mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils
entfällt die Bindung an die getroffenen Feststellungen. Das FG
wird deshalb im zweiten Rechtsgang auch zu prüfen haben, ob
das FA - wie bisher festgestellt und von den Klägern
vorgetragen - Bescheide für 1994 über die gesonderte und
einheitliche Feststellung der Gewinne der Kommanditgesellschaften
unter Hinweis auf § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO aufgehoben
hatte.
Sollten Feststellungsverfahren für die
Kommanditgesellschaften noch nicht durchgeführt worden sein,
wird das FG im zweiten Rechtsgang das Verfahren gemäß
§ 74 FGO auszusetzen und dem zuständigen FA Gelegenheit
zu geben haben, (positive oder negative) Feststellungsbescheide
für 1994 zu erlassen. Darüber, ob die Voraussetzungen des
§ 180 Abs. 3 Satz 1 AO für ein Absehen von der
gesonderten und einheitlichen Feststellung vorliegen, hat das
für die gesonderte Feststellung zuständige FA
regelmäßig durch Negativbescheid zu entscheiden (§
180 Abs. 3 Satz 2 AO; vgl. BFH-Urteil vom 18.7.1990 I R 39/89,
BFH/NV 1991, 498; BFH-Beschluss vom 12.7.1988 IX B 28/88, BFH/NV
1989, 87).