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2. Gegenstand des Rechtsstreits ist vor diesem
Regelungshintergrund zum ersten die für den gesetzlichen
Tatbestand der Kürzung nach § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002
erhebliche Frage, ob die Beteiligung an der polnischen E-Sp. z.o.o.
eine Mindestbeteiligungsdauer für den betreffenden
Erhebungszeitraum erfordert (s. dazu einerseits z.B. Schnitter in
Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 GewStG Rz 211;
Sarrazin in Lenski/ Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 7 Rz 24,
andererseits z.B. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7.
Aufl., § 9 Nr. 7 Rz 2; Odenthal in Flick/Wassermeyer/Baumhoff,
Außensteuerrecht, § 9 Nr. 7 GewStG Rz 21 ff.; Gosch in
Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 GewStG Rz 309;
Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die
Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz 29). Zum zweiten ist
dies die Frage danach, ob die Klägerin eine
hinzurechnungsrelevante Kapitalbeteiligung i.S. des § 8 Nr. 5
GewStG 2002 gehalten hat. Und zum dritten fragt sich, ob das sog.
abkommensrechtliche Schachtelprivileg nach Maßgabe von Art.
21 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 DBA-Polen 1972 der unilateral
gewährten Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG 2002
regelungssystematisch vorgeht und im Gegensatz zur Letzteren nicht
die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG 2002 auslöst. Die
ersten beiden Fragen können im Ergebnis unbeantwortet bleiben;
die Hinzurechnung scheidet mangels Tatbestandsmäßigkeit
des § 8 Nr. 5 GewStG 2002 schon deswegen aus, weil die
Klägerin das sog. abkommensrechtliche Schachtelprivileg
beanspruchen kann und das Gewerbesteuergesetz hierfür keine
Hinzurechnung anordnet.
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b) Der Senat pflichtet dem im Ergebnis bei (so
auch die überwiegende Schrifttumsmeinung, s. z.B. Haas, DB
2002, 549, 551; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 8 GewStG
Rz 576; Prinz/Simon, DStR 2002, 149, 150; Eilers/Wienands in
Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 8b KStG Rz 91;
Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 8b KStG Rz
24; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 5 Rz
2; Mielke in Linklaters Oppenhoff & Rädler, DB 2002, Beil.
1, 11; Hageböke, IStR 2009, 473, 477; Otto, Die Besteuerung
von gewinnausschüttenden Körperschaften und
Anteilseignern nach dem Halbeinkünfteverfahren, 2007, S. 346;
Dinkelbach, Besteuerung des Anteilsbesitzes an
Kapitalgesellschaften im Halbeinkünfteverfahren, 2006, S. 36;
Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger
Unternehmen, 3. Aufl., Rz E 374; Grotherr in Gosch/
Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 23A/23B OECD-MA Rz 326/1; Chr.
Schmidt/Blöchle in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art.
23A/B OECD-MA Rz 109; Grotherr/Herfort/Strunk, Internationales
Steuerrecht, 3. Aufl., S. 206; Haase, Internationales Steuerrecht,
2. Aufl., Rz 278; Dallwitz/Mattern/Schnitger, DStR 2007, 1697,
1700; Salzmann, IStR 2006, 318, 319; Köhler, DStR 2002, 1341,
1343; Strunk/Kaminski, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Fach 4,
4731, 4733; Schmidt/Kieker, NWB Fach 5, 1523, 1525; s. auch Gosch,
KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 40; Heurung/Seidel/Pippart in
Baumhoff/Dücker/Köhler [Hrsg.], Besteuerung,
Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Festschrift
für Krawitz, 2010, S. 103; Ernst, Die Unternehmensbesteuerung
2010, 494, jeweils m.w.N.); die Gegenmeinung (vertreten z.B. von
Sarrazin in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 8 Nr. 5 Rz 26;
Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 8b
KStG Rz 29; Schnitter in Frotscher/Maas, a.a.O., § 8 GewStG Rz
180; Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer, 14. Aufl., S. 574; wohl
auch Kessler/Knörzer, IStR 2008, 121, 122) überzeugt
nicht:
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Wie der Senat in seinem Urteil vom 14.1.2009 I
R 47/08 (BFHE 224, 126 = SIS 09 09 86) entschieden hat, stehen das
sog. nationale Schachtelprivileg des § 8b Abs. 1 KStG 2002
einerseits und das sog. abkommensrechtliche Schachtelprivileg (hier
nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 DBA-Polen 1972) andererseits
im Ausgangspunkt selbständig nebeneinander und schließen
sich wechselseitig nicht aus. Gleichwohl läuft die
abkommensrechtliche Freistellung in ihrer Wirkung gemeinhin leer.
Während § 8b Abs. 1 KStG 2002 nämlich im Grundsatz
keine Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse stellt,
enthält das Abkommensprivileg in aller Regel
einschränkende tatbestandliche Voraussetzungen, im Falle des
DBA-Polen 1972 eine Mindestbeteiligungsquote von 25 v.H. der
stimmberechtigten Anteile. Die Tatbestands- und
Rechtsfolgenkonkurrenz beider nationaler Regelungen ist also
regelmäßig unbeschadet der völkerrechtlichen
Verankerung der Abkommensvorschrift zu Lasten des
DBA-Schachtelprivilegs aufzulösen (s. auch Gosch in
Kessler/Förster/Watrin, Unternehmensbesteuerung, Festschrift
für Herzig, 2010, S. 63, 85 ff.; anders z.B. Hageböke,
IStR 2009, 473, 477 ff.). Nur dann, wenn § 8b Abs. 1 KStG 2002
aufgrund einer besonderen gesetzlichen Anordnung unanwendbar
bleibt, verhält es sich anders und tritt das Abkommensprivileg
(wieder) eigenständig in Erscheinung (Senatsurteil in BFHE
224, 126 = SIS 09 09 86).
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Das ist auch folgerichtig und verwirklicht die
Wertungen des § 2 der Abgabenordnung, der den prinzipiellen
Vorrang völkerrechtlicher Verträge i.S. des Art. 59 Abs.
2 Satz 1 des Grundgesetzes gegenüber den Steuergesetzen
bestimmt: Zwar dienen die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen -
auch jene nach § 8 Nr. 5 GewStG 2002 - der Durchführung
der (innerstaatlichen) Besteuerung (vor dem Hintergrund der
besonderen, mit der Gewerbesteuer verbundenen Zielsetzungen, also
dem Äquivalenz- und Objektsteuergedanken) und werden als
solche von der abkommensrechtlichen Vermeidung der
Doppelbesteuerung nicht umfasst (s. auch Vogel in Vogel/Lehner,
DBA, 5. Aufl., Art. 2 Rz 62). Gehört jedoch - wie nach Art. 2
Abs. 3 DBA-Polen 1972 - auch die Gewerbesteuer zum sachlichen
Regelungsbereich des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
und wird auch sie prinzipiell von der darin bestimmten Freistellung
von der Bemessungsgrundlage erfasst, liefe eine Hinzurechnung der
betreffenden Gewinnanteile zum Gewinn aus Gewerbebetrieb und damit
die Einbeziehung in den Gewerbeertrag als die gewerbesteuerliche
Besteuerungsgrundlage (vgl. § 6 GewStG 2002) bezogen auf Art.
21 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 DBA-Polen 1972 faktisch auf ein sog.
Treaty override hinaus, dessen Verfassungskonformität ohnehin
Zweifel rechtfertigt (s. Senatsbeschluss vom 19.5.2010 I B 191/09,
DStR 2010, 1224 = SIS 10 17 73), das aber zumindest als solches
durch einen entsprechenden ausdrücklichen Abkommensvorbehalt
nach außen hin kenntlich zu machen ist (z.B. Gosch, IStR
2008, 413, m.w.N.); auch daran fehlt es hier. Bestätigt wird
der daraus abzuleitende Vorrang des DBA-Privilegs schließlich
durch § 8 Nr. 5 GewStG 2002 selbst: Indem diese Vorschrift mit
§ 9 Nr. 2a und Nr. 7 GewStG 2002
Hinzurechnungsausschlüsse formuliert, die abkommensrechtliche
gewerbesteuerliche Privilegierung des § 9 Nr. 8 GewStG 2002
dabei jedoch ausspart, wird mittelbar deutlich, dass die
Hinzurechnung abkommensrechtliche Privilegien durchgängig
unberührt belässt; dadurch begünstigte Gewinne sind
der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von vornherein entzogen.
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