1
|
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) haben im Streitjahr 2004 geheiratet und wurden
für dieses Jahr zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Für das Streitjahr 2003 wurde der Kläger einzeln zur
Einkommensteuer veranlagt.
|
|
|
2
|
Der am 2.3.1971 geborene Kläger
schloss in den Streitjahren mit einer Versicherungsgesellschaft (V)
die folgenden Verträge über aufgeschobene
Rentenversicherungen gegen Einmalbeitrag ab:
|
|
|
3
|
|
Antrag des Klägers
|
Annahme durch V
|
jährliche Garantierente
|
Rentenbeginn
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Vertrag I
|
28.08.2003
|
31.12.2003
|
14.219 EUR
|
01.12.2019
|
|
|
Vertrag II
|
10.02.2004
|
27.02.2004
|
12.378 EUR
|
01.03.2020
|
|
|
Vertrag III
|
28.05.2004
|
01.07.2004
|
12.378 EUR
|
01.07.2020
|
|
|
Vertrag IV
|
29.07.2004
|
08.09.2004
|
12.378 EUR
|
01.09.2020
|
|
|
|
|
4
|
Für jeden Vertrag hatte der
Kläger einen Einmalbeitrag von jeweils 205.000 EUR zu leisten.
Dieser wurde nach dem Konzept der V in voller Höhe durch ein
Kreditinstitut fremdfinanziert. Für die Kreditvermittlungen
fiel jeweils eine Bearbeitungsgebühr von 2 % des
Darlehensbetrags an. Nach zwei Jahren sollten die Bankkredite durch
Policendarlehen der V abgelöst werden. Bis zum Beginn der
Rentenzahlungen waren die Darlehen tilgungsfrei; der Kläger
hatte lediglich die anfallenden Zinsen zu zahlen. Die späteren
Rentenzahlungen sollten zunächst in vollem Umfang zur Tilgung
der Policendarlehen verwendet werden. Erst die nach
vollständiger Darlehenstilgung fällig werdenden
Rentenleistungen sollten dann an den Kläger ausgezahlt
werden.
|
|
|
|
|
5
|
Die Werbe- und Vertragsunterlagen der V
enthielten umfangreiche Hinweise auf die mit der Konzeption
verbundenen Steuervorteile. Ferner sicherte die V zu, bei etwaigen
Schwierigkeiten mit dem Finanzamt ggf. bis zur letzten Instanz
durch Übernahme der Prozesskosten Hilfe zu leisten.
|
|
|
|
|
6
|
In den vom Kläger unterschriebenen
Antragsformularen war jeweils ein Hinweis auf das gesetzliche Recht
des Klägers enthalten, dem Vertrag bis zum Ablauf von 14 Tagen
nach Zugang des Versicherungsscheins inklusive der
Versicherungsbedingungen und der übrigen
Verbraucherinformationen schriftlich zu widersprechen. V nahm die
Anträge jeweils durch Ausstellung des Versicherungsscheins
an.
|
|
|
|
|
7
|
In den Versicherungsscheinen garantierte V
jährliche Rentenzahlungen von 14.219 EUR (Vertrag I) bzw.
12.378 EUR (Verträge II - IV). Zusätzlich stellte V
unverbindlich Überschussanteile in Aussicht, die jedoch nicht
in den Versicherungsscheinen, sondern nur in
„Ablaufbetrachtungen“, die dem Kläger im Rahmen
der Verkaufsgespräche übergeben wurden, beziffert wurden.
Im Versicherungsschein zum Vertrag IV hieß es zu den
Überschussanteilen (insoweit abweichend von den Verträgen
I - III, in denen ein derartiger Hinweis nicht enthalten war):
„Der Berechnung der Rentenleistungen liegt die von der
Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) veröffentlichte bisherige
Rententafel DAV 1994 R zugrunde. Die DAV hat eine neue Rententafel
DAV 2004 R veröffentlicht, die ab 2005 verbindlich ist und die
gestiegene Lebenserwartung berücksichtigt. Dies hat zur Folge,
dass zur Finanzierung der höheren Lebenserwartung
zusätzliche Rückstellungen benötigt werden. Daher
werden künftige Leistungen aus der Überschussbeteiligung
ab 2005 deutlich geringer ausfallen bzw. ganz entfallen. Die
versicherte garantierte Rente bleibt jedoch erhalten.“ Ferner
hieß es im Versicherungsschein zum Vertrag IV: „Im
Rentenbezug werden die Überschussanteile der Hauptversicherung
als Barauszahlung verwendet“. Demgegenüber enthielten
die Verträge I - III hierzu die Klausel: „Im Rentenbezug
werden die Überschussanteile der Hauptversicherung als
konstante Gewinnrente verwendet.“
|
|
|
|
|
8
|
Zur Verwendung der Überschussanteile
während des Rentenbezugs beim Vertrag IV hat V auf Anfrage des
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - )
erläutert, es handele sich um eine
„Hybridvariante“, bei der sich die Höhe der
späteren Rente nur nach der Garantierente zuzüglich der
während der Aufschubphase angefallenen Überschussanteile
bemesse. Die Überschussanteile der Rentenphase stünden
zusätzlich für Einmalzahlungen zur Verfügung.
Demgegenüber werde die Höhe der Rente bei den
„klassischen“ Verträgen I - III so bemessen, dass
die kalkulatorischen Überschussanteile aus der
Rentenbezugszeit von vornherein einbezogen würden.
|
|
|
|
|
9
|
Der Kläger machte in seinen
Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre
Beträge in Höhe von 14.350 EUR (2003) bzw. 41.000 EUR
(2004) als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen
Einkünften aus Leibrenten geltend. Dabei handelt es sich um
Darlehenszinsen sowie Kreditvermittlungsprovisionen.
|
|
|
|
|
10
|
Das FA versagte in den angefochtenen
Einkommensteuerbescheiden den begehrten Abzug, weil es dem
Kläger an der erforderlichen Einkunftserzielungsabsicht fehle.
Bei der Erstellung der Überschussprognosen ermittelte das FA
die steuerpflichtigen Einnahmen für alle vier Verträge
unter Anwendung der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung
des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) vom 5.7.2004 (BGBl I
2004, 1427) enthaltenen Ertragsanteilstabelle, in der deutlich
geringere Ertragsanteile als nach der bis zum 31.12.2004 geltenden
Rechtslage ausgewiesen sind. Hierfür berief das FA sich auf
das Senatsurteil vom 16.9.2004 X R 25/01 (BFHE 207, 515, BStBl II
2006, 228 = SIS 05 04 71, unter II.4.b), in dem es heißt, nach
dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorgenommene Änderungen
der gesetzlichen Ertragsanteile seien im Rahmen der
Überschussprognose nur dann zu berücksichtigen, wenn das
entsprechende Änderungsgesetz im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses entweder bereits verkündet gewesen sei oder
sich zwar noch im Gesetzgebungsverfahren befunden habe, mit einem
entsprechenden Gesetzesbeschluss durch die zuständigen
Staatsorgane aber zu rechnen gewesen sei. Hinsichtlich der
Höhe der voraussichtlichen Einnahmen berücksichtigte das
FA neben den garantierten Rentenbeträgen auch die von V
unverbindlich prognostizierten Überschussbeteiligungen.
Allerdings ließ es beim Vertrag IV die zusätzlichen
„Barauszahlungen“, die V in einer mit
„Feststellung der steuerlichen Gewinnerzielungsabsicht“
überschriebenen Prognoserechnung unverbindlich auf 132.322 EUR
geschätzt hatte, außer Ansatz. Zur Begründung
führte es aus, hierbei dürfte es sich um den Versuch
handeln, die spätestens mit der Verkündung des AltEinkG
vorzunehmende Minderung des Ertragsanteils für Zwecke der
Überschussprognose durch vermeintliche zusätzliche
Überschüsse zu kompensieren.
|
|
|
|
|
11
|
Daraus entwickelte das FA die folgenden
Überschussprognosen:
|
|
|
|
|
12
|
|
Vertrag I
|
Vertrag II
|
Vertrag III
|
Vertrag IV
|
|
|
Vertragsschluss
|
31.12.2003
|
27.02.2004
|
01.07.2004
|
08.09.2004
|
|
|
vollendetes Lebensjahr bei
Vertragsschluss
|
32
|
32
|
33
|
33
|
|
|
restliche Lebenserwartung am vorangehenden
Geburtstag lt. Sterbetafel 2002/04
|
45,00 Jahre
|
45,00 Jahre
|
44,04 Jahre
|
44,04 Jahre
|
|
|
voraussichtliche Rentenlaufzeit bis
|
01.03.2048
|
01.03.2048
|
17.03.2048
|
17.03.2048
|
|
|
Rentenbeginn
|
01.12.2019
|
01.03.2020
|
01.07.2020
|
01.09.2020
|
|
|
Rentenbezugsdauer
|
28,25 Jahre
|
28,00 Jahre
|
27,70 Jahre
|
27,54 Jahre
|
|
|
garantierte Rente
|
14.219 EUR
|
12.378 EUR
|
12.378 EUR
|
12.378 EUR
|
|
|
unverbindliche
Überschussbeteiligung
|
9.433 EUR
|
9.927 EUR
|
9.927 EUR
|
5.155 EUR
|
|
|
unverbindliche Rente während
Tilgungsphase
|
23.652 EUR
|
22.305 EUR
|
22.305 EUR
|
17.533 EUR
|
|
|
Dauer der Tilgungsphase
|
9 Jahre
|
10 Jahre
|
10 Jahre
|
9 Jahre
|
|
|
Einnahmen Tilgungsphase
|
212.868 EUR
|
223.050 EUR
|
223.050 EUR
|
157.797 EUR
|
|
|
unverbindliche Rente während
Restlaufzeit
|
24.076 EUR
|
22.705 EUR
|
22.705 EUR
|
17.874 EUR
|
|
|
Dauer Restlaufzeit
|
19,25 Jahre
|
18,00 Jahre
|
17,70 Jahre
|
18,54 Jahre
|
|
|
Einnahmen Restlaufzeit
|
463.463 EUR
|
408.690 EUR
|
401.879 EUR
|
331.384 EUR
|
|
|
Summe Renteneinnahmen
|
676.331 EUR
|
631.740 EUR
|
624.929 EUR
|
489.181 EUR
|
|
|
vollendetes Lebensjahr bei
Rentenbeginn
|
48
|
48
|
49
|
49
|
|
|
Ertragsanteil lt. AltEinkG
|
32 %
|
32 %
|
31 %
|
31 %
|
|
|
steuerpflichtige Einnahmen
|
216.426 EUR
|
202.157 EUR
|
193.728 EUR
|
151.646 EUR
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
abziehbare Werbungskosten im 1. und 2.
Jahr
|
28.614 EUR
|
26.979 EUR
|
26.979 EUR
|
27.796 EUR
|
|
|
Mehraufwand Umschuldung
|
9.811 EUR
|
|
|
|
|
|
Zinsaufwand während der
Darlehens-Restlaufzeit
|
197.560 EUR
|
200.410 EUR
|
200.410 EUR
|
197.716 EUR
|
|
|
Werbungskosten-Pauschbetrag nach
Darlehenstilgung
|
1.071 EUR
|
1.020 EUR
|
1.020 EUR
|
1.071 EUR
|
|
|
Summe Werbungskosten
|
237.056 EUR
|
228.409 EUR
|
228.409 EUR
|
226.583 EUR
|
|
|
Totalergebnis
|
./. 20.630 EUR
|
./. 26.252 EUR
|
./. 34.681 EUR
|
./. 74.937 EUR
|
|
|
|
|
13
|
Im Einspruchs- und Klageverfahren vertraten
die Kläger die Auffassung, im Rahmen der
Überschussprognose seien bei allen Verträgen für die
gesamte Rentenlaufzeit noch die bis 2004 geltenden höheren
Ertragsanteile (45 % bei einem vollendeten Lebensjahr von 48 Jahren
bzw. 44 % bei einem vollendeten Lebensjahr von 49 Jahren)
anzusetzen, da das AltEinkG erst am 1.1.2005 - nach den
Vertragsschlüssen - in Kraft getreten sei. Das Gesetz sei im
politischen Raum derart umstritten gewesen, dass niemand den
Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens habe vorhersehen können.
Auch in der Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD)
Düsseldorf vom 9.5.2005 (FR 2005, 1057) sei angeordnet, dass
für Verträge, die vor Verkündung des AltEinkG
(9.7.2004) abgeschlossen worden seien, in der
Überschussprognose für die gesamte Rentenlaufzeit die
früheren (höheren) Ertragsanteile anzusetzen seien. Zudem
sei der Kläger bereits bei Unterzeichnung des Antrags zum
Vertrag I zum Abschluss der weiteren Verträge entschlossen
gewesen. Die Aufteilung auf vier selbständige Verträge
habe lediglich dazu dienen sollen, im Falle eines späteren
Kapitalbedarfs einen einzelnen Vertrag unter Fortbestand der
übrigen Verträge kündigen zu können. Die
zusätzlichen „Barauszahlungen“ beim Vertrag IV
seien in der Überschussprognose als Einkünfte aus
Kapitalvermögen in voller Höhe - nicht nur mit dem
Ertragsanteil - anzusetzen, weil in ihnen kein
Kapitalrückzahlungsanteil enthalten sei.
|
|
|
|
|
14
|
Beide Kläger haben für beide
Streitjahre Klage erhoben, obwohl die Einspruchsentscheidung
für das Streitjahr 2003 nur an den - damals noch nicht mit der
Klägerin verheirateten - Kläger gerichtet war.
|
|
|
|
|
15
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Maßgebend für die Überschussprognose bei Leibrenten
seien die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren
Verhältnisse. Als Vertragsschluss sei hier der Zeitpunkt
anzusehen, in dem V das jeweilige Angebot des Klägers durch
Ausstellung des Versicherungsscheins angenommen habe. Ab der
Einbringung des Entwurfs des AltEinkG in den Bundestag (Dezember
2003) habe der Kläger nicht mehr auf die Fortgeltung der
früheren Rechtslage vertrauen können. Der gegenteiligen
Auffassung der OFD Düsseldorf sei nicht zu folgen. Auch nach
der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
sei es zumutbar, sich bei Vertragsabschlüssen von einigem
wirtschaftlichen Gewicht über die Inhalte aktueller
Gesetzesänderungen und deren steuerliche Folgen zu
informieren. Zwar sei das AltEinkG politisch umstritten gewesen;
dies gelte aber nicht für die Absenkung der
Ertragsanteile.
|
|
|
|
|
16
|
Hinsichtlich des Vertrags IV ließ das
FG offen, ob zwischen dem Kläger und V überhaupt eine
wirksame Vereinbarung über die Barauszahlung zusätzlicher
Überschussanteile zustande gekommen sei. Jedenfalls seien
diese zusätzlichen Überschussanteile nicht mit
hinreichender Gewissheit prognostizierbar. Selbst wenn dies der
Fall sein sollte, wären sie aber mit dem Ertragsanteil zu
bewerten, so dass sich weiterhin keine positive
Überschussprognose ergäbe.
|
|
|
|
|
17
|
Mit ihrer Revision behaupten die
Kläger, der Kläger habe alle vier Anträge bereits am
28.8.2003 unterzeichnet. Zu diesem Zeitpunkt habe noch kein
Gesetzentwurf des AltEinkG existiert. An seine Anträge sei der
Kläger seitdem gemäß § 145 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs gebunden gewesen. Er habe weder auf
die spätere Gesetzgebung reagieren noch den Zeitpunkt der
Annahme der Anträge durch V beeinflussen können. Auch
hätte V nicht zugelassen, nachträgliche Änderungen
am vorgegebenen Vertragsinhalt vorzunehmen. Aufgrund der
gestiegenen Lebenserwartung sei nicht mit einer Senkung, sondern
mit einer Erhöhung der Ertragsanteile zu rechnen gewesen. Es
sei nicht hinnehmbar, dass in Niedersachsen anders verfahren werde
als im Bereich der OFD Düsseldorf.
|
|
|
|
|
18
|
Die Kläger beantragen
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2003 vom 9.3.2009 sowie den
Einkommensteuerbescheid 2004 vom 1.11.2010 dahingehend zu
ändern, dass bei den sonstigen Einkünften aus Leibrenten
Werbungskostenüberschüsse in Höhe von 14.350 EUR
(2003) bzw. 41.000 EUR (2004) angesetzt werden.
|
|
|
|
|
19
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
|
|
20
|
Es vertritt die Auffassung, eine
vertragliche Bindung des Klägers sei aufgrund des gesetzlichen
Widerrufsrechts erst 14 Tage nach Ausstellung des
Versicherungsscheins eingetreten. Nach der neueren Rechtsprechung
des BVerfG müsse ein Gesetzentwurf, unabhängig davon, ob
er politisch umstritten sei, bei wirtschaftlichen Dispositionen
jedenfalls insoweit berücksichtigt werden, als
Anpassungsklauseln zu vereinbaren seien.
|
|
|
|
|
21
|
II. Die Revision der Klägerin ist in
Bezug auf das Streitjahr 2003 mit der Maßgabe
zurückzuweisen, dass die Klage insoweit bereits
unzulässig war.
|
|
|
|
|
22
|
Da die Kläger im Jahr 2003 noch nicht
miteinander verheiratet waren, hat das FA den
Einkommensteuerbescheid für 2003 und die entsprechende
Einspruchsentscheidung - zutreffend - allein gegen den Kläger
erlassen. Gleichwohl haben beide Kläger sowohl gegen die
Bescheide und Einspruchsentscheidungen für 2003 als auch
für 2004 Klage erhoben. Da gegen die Klägerin für
das Streitjahr 2003 keine belastenden Verwaltungsakte ergangen
waren, war ihre Klage insoweit mangels Beschwer (§ 40 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) unzulässig. Die
Entscheidung des FG war in diesem Punkt richtigzustellen.
|
|
|
|
|
23
|
II. Im Übrigen ist die Revision
unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO
zurückzuweisen, weil das FG die Klage zu Recht als
unbegründet abgewiesen hat.
|
|
|
|
|
24
|
1. Auch die Erzielung von Einkünften aus
Leibrenten nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG setzt die
Absicht voraus, auf die voraussichtliche Dauer der Betätigung
oder Vermögensnutzung einen Totalüberschuss der Einnahmen
über die Werbungskosten zu erwirtschaften. Dabei ist die
Einkunftserzielungsabsicht für jede Einkunftsquelle getrennt
festzustellen. Der Zeitraum, für den die
Überschussprognose vorzunehmen ist, entspricht bei den
Einkünften aus Leibrenten im Regelfall der Gesamtdauer der
Vermögensnutzung. Einzubeziehen sind allein die im Zeitpunkt
des Vertragsschlusses erkennbaren Verhältnisse, weil sich der
Rentenberechtigte bereits zu diesem Zeitpunkt endgültig
gebunden hat (zum Ganzen vgl. Senatsurteile in BFHE 207, 515, BStBl
II 2006, 228 = SIS 05 04 71, unter II.3., und vom 20.6.2006 X R
3/06, BFHE 214, 185, BStBl II 2006, 870 = SIS 06 34 80, unter
II.1., m.w.N.).
|
|
|
|
|
25
|
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat
das FG bei seiner Überschussprognose zu Recht für alle
vier Verträge die durch das AltEinkG herabgesetzten
Ertragsanteile zugrunde gelegt (dazu unten 2.). Auch die
zusätzliche „Barauszahlung“ führt
nicht dazu, dass sich für den Vertrag IV eine positive
Überschussprognose ergibt (unten 3.).
|
|
|
|
|
26
|
2. Für die Überschussprognosen sind
die in der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG in der Fassung des AltEinkG genannten
Ertragsanteile heranzuziehen.
|
|
|
|
|
27
|
a) Wie bereits ausgeführt, sind nach den
von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten
Grundsätzen im Rahmen der Überschussprognose unter
Vertrauensschutzgesichtspunkten allein die im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses erkennbaren Verhältnisse maßgebend.
Spätere Änderungen dieser Verhältnisse haben keinen
Einfluss auf die Beurteilung der Frage, ob der Steuerpflichtige im
maßgebenden Zeitpunkt des Eintritts seiner rechtlichen Bindung
mit Einkunftserzielungsabsicht handelte.
|
|
|
|
|
28
|
Als Datum des
„Vertragsschlusses“ ist der Tag anzusehen, an
dem das Versicherungsunternehmen den vom Steuerpflichtigen jeweils
für den einzelnen Versicherungsvertrag gestellten Antrag
angenommen hat. Diese Annahme geschieht bei
Versicherungsverträgen regelmäßig durch Ausstellung
und Übersendung des Versicherungsscheins (so auch Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 22.8.2002, BStBl I
2002, 827 = SIS 02 93 57, Rz 8; vgl. auch § 5 des Gesetzes
über den Versicherungsvertrag in der zum Zeitpunkt der hier zu
beurteilenden Vertragsschlüsse geltenden Fassung - VVG a.F. -
; einen vergleichbaren Inhalt weist § 5 VVG in der seit dem
1.1.2008 geltenden Fassung - VVG n.F. - auf).
|
|
|
|
|
29
|
Diese rechtliche Beurteilung ist unter
Vertrauensschutzgesichtspunkten schon deshalb unproblematisch, weil
der Antragsteller dem Vertrag bis zwei Wochen nach dem Zeitpunkt,
zu dem ihm der Versicherungsschein mit allen erforderlichen Anlagen
zugegangen ist, ohne Angabe von Gründen widersprechen kann
(vgl. § 5a VVG a.F.; seit 1.1.2008 § 8 VVG n.F.). Bis zu
diesem Zeitpunkt ist der Antragsteller daher rechtlich weder an
seinen Antrag noch an den mit Zusendung des Versicherungsscheins
vorläufig zustande gekommenen Vertrag gebunden. V hatte den
Kläger in allen vier von diesem unterzeichneten
Antragsformularen auf dessen gesetzliches Widerspruchsrecht
hingewiesen.
|
|
|
|
|
30
|
b) Die Revision kann keinen Erfolg damit
haben, die vom FG festgestellten Zeitpunkte der Anträge des
Klägers und der Übersendung der Versicherungsscheine
durch V in Zweifel zu ziehen.
|
|
|
|
|
31
|
Der Kläger behauptet nunmehr, er habe
alle vier Anträge bereits am 28.8.2003 - vor Einbringung des
Entwurfs des AltEinkG in das Gesetzgebungsverfahren -
unterzeichnet. Abgesehen davon, dass der Senat gemäß
§ 118 Abs. 2 FGO an die anderslautenden - nicht mit
Verfahrensrügen angegriffenen - Tatsachenfeststellungen des FG
gebunden ist, steht diese Behauptung des Klägers in
Widerspruch sowohl zu den in den Akten enthaltenen Kopien der vom
Kläger unterzeichneten und datierten Anträge als auch zu
der ausdrücklichen Mitteilung der V über die Zeitpunkte
der Stellung der jeweiligen Anträge und der Ausstellung der
Versicherungsscheine, ferner zum eigenen Vorbringen des
Klägers während des Klageverfahrens (Schreiben vom
4.9.2008).
|
|
|
|
|
32
|
c) Nach der Rechtsprechung des erkennenden
Senats ist als steuerpflichtiger Ertragsanteil im Rahmen der
Überschussprognose für die gesamte Vertragslaufzeit
grundsätzlich derjenige Wert anzusetzen, der in der im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Ertragsanteilstabelle
ausgewiesen ist. Spätere Änderungen sind nur dann zu
berücksichtigen, wenn das Änderungsgesetz im Zeitpunkt
des Vertragsschlusses entweder bereits verkündet war oder sich
zwar noch im Gesetzgebungsverfahren befunden hat, mit einem
entsprechenden Gesetzesbeschluss durch die zuständigen
Staatsorgane aber zu rechnen war (Senatsurteil in BFHE 207, 515,
BStBl II 2006, 228 = SIS 05 04 71, unter II.4.b).
|
|
|
|
|
33
|
Danach ist für die
Überschussprognose, die in Bezug auf den Vertrag IV
vorzunehmen ist, schon deshalb die durch das AltEinkG
geänderte Ertragsanteilstabelle anzuwenden, weil der
Vertragsschluss (8.9.2004) - und im Übrigen auch die
Antragstellung durch den Kläger (29.7.2004) - nach dem
Zeitpunkt der Verkündung des Änderungsgesetzes (BGBl I
Nr. 33 vom 9.7.2004) lag.
|
|
|
|
|
34
|
Im Ergebnis dasselbe gilt aber auch für
die Verträge I - III (Vertragsschlüsse am 31.12.2003,
27.2.2004 bzw. 1.7.2004), weil zu den maßgebenden Zeitpunkten
mit einem Gesetzesbeschluss hinsichtlich der Änderung der
Ertragsanteilstabelle zu rechnen war.
|
|
|
|
|
35
|
aa) Die letztlich vom Gesetzgeber beschlossene
neue Ertragsanteilstabelle war bereits im ursprünglichen
Gesetzentwurf vom 9.12.2003 (BTDrucks 15/2150, 10) enthalten,
dessen erste Lesung im Bundestag am 12.12.2003 stattfand
(Plenarprotokoll 15/83, 7283). Der Gesetzgeber hat die Absenkung
der Ertragsanteile in diesem Entwurf damit begründet, dass der
Diskontierungsfaktor für die Berechnung der Ertragsanteile in
Reaktion auf die zu niedrige Besteuerung der
Sozialversicherungsrenten in der Vergangenheit mehrfach erhöht
worden sei. Da Sozialversicherungsrenten künftig von der
Ertragsanteilsbesteuerung ausgenommen würden, könne
für die Bestimmung der Ertragsanteile bei den verbleibenden,
unter Doppelbuchst. bb fallenden Renten wieder ein zutreffender
niedrigerer Diskontierungsfaktor herangezogen werden (BTDrucks
15/2150, 42). Aus dieser Begründung wird deutlich, dass es
sich bei der Herabsetzung der Ertragsanteile um eine eher
technische Änderung handelte, die eine systematisch gebotene
Konsequenz aus der - wie auch immer im Detail zu gestaltenden -
Herauslösung der Sozialversicherungsrenten aus der bisherigen
Ertragsanteilsbesteuerung war. Im weiteren Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens sind keine Änderungen an den in dieser
Tabelle ausgewiesenen Ertragsanteilen oder an dem systematischen
Anwendungsbereich der Ertragsanteilsbesteuerung in Bezug auf
private Leibrentenverträge vorgenommen worden.
|
|
|
|
|
36
|
Die im Gesetzgebungsverfahren ergangene
Stellungnahme des Bundesrates vom 13.2.2004 (BTDrucks 15/2563, 8)
enthielt zwar kritische Anmerkungen zu einigen Randbereichen der
vom Bundestag angestrebten gesetzlichen Neuordnung der Besteuerung
der Alterseinkünfte, stellte jedoch die grundsätzliche
Systematik dieser Neuordnung nicht in Frage.
Änderungswünsche hinsichtlich der im Gesetzentwurf
enthaltenen neuen Ertragsanteilstabelle hat der Bundesrat nicht
geäußert. Gleiches gilt für die vom
Bundestags-Finanzausschuss am 28.1.2004 durchgeführte
Sachverständigenanhörung. Auch in der Beschlussempfehlung
des Finanzausschusses blieb die Ertragsanteilstabelle im Vergleich
zum Gesetzentwurf unverändert (BTDrucks 15/2986, 20); im
36-seitigen Bericht des Finanzausschusses vom 29.4.2004 wird sie
nur in einer einzigen Zeile erwähnt (BTDrucks 15/3004, 3), was
erkennen lässt, dass der Finanzausschuss diese Änderung
für unproblematisch hielt.
|
|
|
|
|
37
|
Der Bundesrat hat zwar am 14.5.2004 zu dem vom
Bundestag beschlossenen AltEinkG den Vermittlungsausschuss
angerufen (BTDrucks 15/3160). Umstritten waren hierbei jedoch
ausschließlich bestimmte Einschränkungen, die für
private steuerbegünstigte Altersvorsorgeprodukte (§ 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) gelten sollten, die Besteuerung von
Erträgen aus Kapitallebensversicherungen gemäß
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG, die Vereinfachung der Regelungen zur
Ermittlung des steuerfreien Anteils der unter § 22 Nr. 1 Satz
3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG fallenden Renten während der
Übergangsphase und der Dotierungsrahmen des § 3 Nr. 63
EStG. Von diesen Streitpunkten war weder die neue
Ertragsanteilstabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb EStG noch der systematische Grundansatz des
AltEinkG betroffen.
|
|
|
|
|
38
|
Bei der Beurteilung der Frage, ob im
maßgebenden Zeitpunkt der jeweiligen Vertragsschlüsse mit
einem Gesetzesbeschluss hinsichtlich der Absenkung der
Ertragsanteile zu rechnen war, ist auch zu berücksichtigen,
dass der Gesetzgeber durch das Urteil des BVerfG vom 6.3.2002 2 BvL
17/99 (BVerfGE 105, 73 = SIS 02 04 93) aufgrund der mit Art. 3 Abs.
1 des Grundgesetzes unvereinbaren Ungleichbehandlung der Bezieher
von Versorgungsbezügen einerseits und der
Sozialversicherungsrentner andererseits verpflichtet war,
spätestens mit Wirkung zum 1.1.2005 eine Neuregelung zu
treffen. Wenn der Gesetzgeber nicht das Außerkrafttreten der
gesetzlichen Bestimmungen über die Besteuerung der
Versorgungsbezüge hinnehmen wollte, musste er tätig
werden. Im gesamten Gesetzgebungsverfahren stand daher nicht
ernstlich zur Disposition der gesetzgebenden Körperschaften,
ob es zu einer Neuregelung kommen würde. Auch das grundlegende
Ziel dieser Neuregelung - die Gleichbehandlung von
Versorgungsbezügen und Sozialversicherungsrenten - war aus
verfassungsrechtlichen Gründen bereits vorgegeben. Daher war
bereits im Zeitpunkt der im Streitfall maßgebenden
Vertragsschlüsse erkennbar, dass es zu einer Herausnahme der
Sozialversicherungsrenten aus der Ertragsanteilsbesteuerung - in
welcher Form auch immer - kommen würde. Diese Herausnahme der
Sozialversicherungsrenten brachte dann aber - in systematisch
folgerichtiger und vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannter
Weise - die Herabsetzung der Ertragsanteile für diejenigen
Leibrenten mit sich, die auch in Veranlagungszeiträumen ab
2005 noch unter die Ertragsanteilsbesteuerung fallen sollten.
|
|
|
|
|
39
|
Schließlich hatte bereits die vom BMF im
Anschluss an das vorgenannte BVerfG-Urteil einberufene
Sachverständigenkommission zur Neuordnung der
steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und
Altersbezügen in ihrem Abschlussbericht vom 11.3.2003
(BMF-Schriftenreihe, Heft 74, S. 28) die Herabsetzung der
Ertragsanteile für den verbleibenden Anwendungsbereich der
Ertragsanteilsbesteuerung empfohlen.
|
|
|
|
|
40
|
bb) In Übereinstimmung mit den
vorstehenden Ausführungen hat der Senat auch in seiner
Entscheidung zur Erhöhung der Ertragsanteile durch das Gesetz
zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom
23.6.1993 (BGBl I 1993, 944) die Erkennbarkeit der gesetzlichen
Neuregelung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bejaht, obwohl der
Vertrag im dortigen Fall bereits kurz nach Einbringung dieses
Gesetzes abgeschlossen worden war und zahlreiche andere
Einzelpunkte des Gesetzes im politischen Raum umstritten waren
(vgl. Senatsurteil in BFHE 207, 515, BStBl II 2006, 228 = SIS 05 04 71, unter II.4.b). Entscheidend für diese Beurteilung war,
dass es sich hinsichtlich der Ertragsanteile ebenfalls um eine eher
technische Änderung gehandelt hatte.
|
|
|
|
|
41
|
Das BVerfG hat zur Frage des
Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen in seiner neueren
Rechtsprechung Folgendes ausgeführt (Beschluss vom 7.7.2010 2
BvL 1/03, 57, 58/06, BVerfGE 127, 31 = SIS 10 22 37, unter C.II.1.a
aa): „Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im
Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ werden geplante
Gesetzesänderungen öffentlich. Ab diesem Zeitpunkt sind
mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten
Umrissen allgemein vorhersehbar. Deshalb können
Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen,
das gegenwärtig geltende Recht werde auch im Folgejahr
unverändert fortbestehen; es ist ihnen vielmehr
grundsätzlich möglich, ihre wirtschaftlichen
Dispositionen durch entsprechende Anpassungsklauseln auf
mögliche zukünftige Änderungen einzustellen. Dem
kann nicht entgegengehalten werden, die Beschaffung von
Informationen über laufende Gesetzgebungsverfahren sei den
Steuerpflichtigen nicht zumutbar. Die Schwierigkeiten,
Informationen über bereits im Bundestag in Gang gesetzte
Gesetzgebungsverfahren zu erlangen, übersteigen die für
den durchschnittlichen Steuerpflichtigen bestehenden Probleme
verlässlicher Orientierung über das geltende
Einkommensteuerrecht nicht in erheblichem Ausmaß. Gerade im
Zusammenhang mit speziellen Vertragsabschlüssen von einigem
wirtschaftlichen Gewicht, zu denen Abfindungsvereinbarungen
zählen, ist es zudem gebräuchlich, zweckmäßig
und regelmäßig auch zumutbar, professionelle Beratung
über deren steuerliche Folgen in Anspruch zu
nehmen.“
|
|
|
|
|
42
|
Diese Äußerungen bezogen sich auf
Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002,
das im politischen Raum sehr umstritten war und bei dem
während des Gesetzgebungsverfahrens eine Landtagswahl
stattgefunden hatte, die letztlich zu einem Wechsel der politischen
Mehrheit im Bundesrat geführt hat. Gleichwohl zerstört
die Einbringung eines Gesetzentwurfs das bisher vorhandene
Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung auch in
einem solchen - beim AltEinkG hinsichtlich der Änderung der
Ertragsanteilstabelle noch nicht einmal gegebenen - Fall. Die
Erwägung des BVerfG, es sei gebräuchlich und zumutbar, im
Zusammenhang mit Vertragsabschlüssen von einigem
wirtschaftlichen Gewicht professionelle Beratung über deren
steuerliche Folgen in Anspruch zu nehmen, gilt erst recht, wenn es
- wie hier - um Vertragsabschlüsse geht, die in
maßgebender Weise durch steuerliche Erwägungen motiviert
waren und bei denen sogar der Vertragspartner steuerliche
Hilfestellung zusagt.
|
|
|
|
|
43
|
d) Auf die Verfügung der OFD
Düsseldorf vom 9.5.2005 (FR 2005, 1057) kann der Kläger
seine Dispositionen schon deshalb nicht gestützt haben, weil
diese Verwaltungsanweisung erst lange nach den hier zu
beurteilenden Vertragsschlüssen - und auch lange nach Ablauf
der Widerspruchsfristen zu den einzelnen Verträgen - ergangen
ist. Im Übrigen wäre weder der erkennende Senat an eine
derartige Verwaltungsanweisung gebunden noch kann eine Anweisung
für den Bereich der OFD Düsseldorf im föderalen
System der Bundesrepublik Deutschland Bindungswirkung für den
Bereich der niedersächsischen Finanzverwaltung beanspruchen
(zum fehlenden Anspruch auf Gleichbehandlung durch unterschiedliche
Verwaltungsträger vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 1.7.2009 I R 81/08, BFHE 226, 90, BStBl II 2011, 379 = SIS 09 30 14, unter II.2.d cc bbb bbbb).
|
|
|
|
|
44
|
3. Hinsichtlich des Vertrags IV ergibt sich
auch unter dem Gesichtspunkt der zusätzlichen
„Barauszahlungen“ keine positive
Überschussprognose.
|
|
|
|
|
45
|
a) Zunächst ist dem FG darin zuzustimmen,
dass erhebliche Zweifel an der Realitätsnähe der Aussagen
der V zu den zusätzlichen Barauszahlungen bestehen.
|
|
|
|
|
46
|
aa) Ertragsprognosen der
Versicherungsunternehmen sind einer Überprüfung durch das
Tatsachengericht zugänglich. In diesem Zusammenhang ist zu
prüfen, ob die Prognose die Dauer der Kapitalanlage, das
Zinsrisiko sowie den Umstand, dass Überschussanteile nicht
garantiert sind, hinreichend berücksichtigt (BFH-Urteil vom
7.12.1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825 = SIS 00 56 10, unter
II.3.). Ferner ist festzustellen, ob zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses die angegebenen Überschussanteile auf
tragfähiger Grundlage und mit ausreichender Gewissheit
prognostiziert werden konnten. Allein mit der Behauptung, es
würden Überschussanteile in bestimmter Höhe
erwartet, kann der Steuerpflichtige jedenfalls keine positive
Totalüberschussprognose belegen (Senatsurteil vom 19.1.2010 X
R 2/07, BFH/NV 2010, 1251 = SIS 10 18 15, unter II.b bb), weil
ansonsten die steuerrechtliche Würdigung in das Belieben der
Anbieter entsprechender Vertragsmodelle gestellt würde.
Dementsprechend wird auch in der Literatur vertreten, dass die der
Prognoserechnung zugrunde liegenden Annahmen realistisch sein
müssen (Meyer-Scharenberg, DStR 1993, 1808, 1812, und in DStR
2000, 670, 673). Eine Bindung der Finanzverwaltung und -gerichte an
die von den Versicherungsunternehmen unverbindlich prognostizierten
Überschussanteile besteht nicht, auch wenn in vielen
Fällen kein konkreter Anlass bestehen mag, diese Prognosen -
sofern sie aus aktuellen sowie vergangenheitsbezogenen Daten
abgeleitet sind - in Zweifel zu ziehen.
|
|
|
|
|
47
|
bb) Vorliegend hat das FG zutreffend erkannt,
dass die Prognose der V hinsichtlich der zusätzlichen
Barauszahlungen Anlass zu Zweifeln gibt, weil sie in
offensichtlichem Widerspruch zum Vertragsinhalt steht.
|
|
|
|
|
48
|
So hat V erstmals beim Vertrag IV im
Versicherungsschein darauf hingewiesen, dass die
Überschussbeteiligung ab 2005 „deutlich geringer
ausfallen bzw. ganz entfallen“ werde. Es handelt sich
dabei nicht etwa um einen unverbindlichen Warnhinweis, sondern -
ausweislich ihres Wortlauts - um eine feststehende Aussage, die zum
Vertragsbestandteil geworden ist. Dies wird auch daran deutlich,
dass die Verringerung bzw. der Wegfall der
Überschussbeteiligung konkret damit begründet wird, die
neue Rententafel sei „verbindlich“.
|
|
|
|
|
49
|
Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass
V in ihrer unverbindlichen Prognoserechnung zum Vertrag IV - die
nicht Vertragsbestandteil geworden ist, sondern allein den Zweck
hatte, dem Kläger die Argumentation gegenüber dem FA
hinsichtlich seiner Einkunftserzielungsabsicht zu erleichtern - die
Konsequenzen aus ihren Angaben im Versicherungsschein und der
verbindlichen Anwendung der neuen, für die Versicherungsnehmer
ungünstigeren Rententafel gezogen hätte. V prognostiziert
für den Vertrag IV im Jahr des Rentenbeginns einen
Rentenbetrag von 23.795 EUR. Dieser liegt höher als die
für die - älteren - Verträge I - III bei gleichem
Beitrag prognostizierten Rentenbeträge, obwohl in den dort
ausgestellten Versicherungsscheinen nicht von einer
„deutlich geringeren bzw. ganz entfallenden“
Überschussbeteiligung die Rede war.
|
|
|
|
|
50
|
b) Letztlich kann der Senat - ebenso wie das
FG - diese Zweifel aber dahinstehen lassen, da sich selbst dann,
wenn die von V behaupteten zusätzlichen
„Barauszahlungen“ der Überschussprognose
zugrunde zu legen wären, kein Totalüberschuss ergeben
würde. Denn auch diese „Barauszahlungen“
wären nur mit dem Ertragsanteil zu versteuern.
|
|
|
|
|
51
|
aa) Nach der eigenen Prognoserechnung der V
handelt es sich - nicht anders als bei der Garantierente und der
„klassischen“ Überschussbeteiligung aus der
Ansparphase - bei den zusätzlichen
„Barauszahlungen“ um weitgehend konstante
Beträge. Diese sollen sich anfänglich auf gut 6.000 EUR
jährlich belaufen und in der Folgezeit nur geringfügig
absinken. Nach den hierzu von den Klägern bzw. von V gegebenen
Erläuterungen stellen sowohl die
„Barauszahlungen“ als auch die konstante
Überschussbeteiligung nur verschiedene Varianten des
Überschussverwendungssystems der V dar; die
„Barauszahlungen“ ermitteln sich aus dem Ertrag
des - im Laufe der Rentenzahlungsphase allmählich sinkenden -
Deckungskapitals der Versicherten.
|
|
|
|
|
52
|
Der Senat hat bereits entschieden, dass eine
garantierte Mindestrente und eine nicht garantierte
Überschussbeteiligung, die beide auf einem einheitlichen
Rentenrecht beruhen, das gegen Einmalbeitrag erworben wurde, als
Einheit anzusehen sind (Urteil in BFHE 214, 185, BStBl II 2006, 870
= SIS 06 34 80, unter II.3.). Danach sind die Gesamtzahlungen auch
bei der im Streitfall gewählten „hybriden“
Gestaltung bei wertender Betrachtung noch als gleichmäßig
im Sinne der zu § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG entwickelten
Grundsätze anzusehen.
|
|
|
|
|
53
|
bb) In der vorstehend zitierten Entscheidung
hat der Senat noch offengelassen, ob (1.) die
Überschussbeteiligung unmittelbar unter § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a EStG fällt, ob (2.) der in ihr enthaltene Zinsanteil
zwar dem Grunde nach zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu
rechnen, der Höhe nach aber in sinngemäßer Anwendung
der Ertragsanteilstabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG
zu bemessen ist, oder ob (3.) Einkünfte aus
Kapitalvermögen in Anlehnung an finanz- bzw.
versicherungsmathematische Grundsätze dadurch zu ermitteln
sind, dass die aktuelle Sterbetafel und ein Zinsfuß von 5,5 %
herangezogen wird, was tendenziell zu etwas höheren
steuerlichen Einkünften als nach den Varianten 1 oder 2
führen würde.
|
|
|
|
|
54
|
Der Senat entscheidet diese Frage nunmehr -
entsprechend der ständigen Praxis der Finanzverwaltung (vgl.
BMF-Schreiben vom 26.11.1998, BStBl I 1998, 1508 = SIS 99 02 01) -
dahingehend, dass die gesamten Rentenzahlungen (Garantierente,
konstante Überschussbeteiligung aus der Ansparphase,
zusätzliche Überschussbeteiligung der Rentenphase)
unmittelbar unter § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG fallen.
|
|
|
|
|
55
|
(1) Hierfür spricht zunächst die
Einheitlichkeit des vertraglichen Anspruchs. Die Aufspaltung in
drei Einzelbeträge mag versicherungstechnische und
versicherungsaufsichtsrechtliche Gründe haben. Dies
ändert aber nichts daran, dass der gesamte Rentenanspruch auf
dem einheitlichen Versicherungsvertrag beruht und durch die
einmalige Zahlung des Klägers erworben wurde. Die
Überschussbeteiligungen sind im Verhältnis zur
Garantierente nicht etwa ein aliud - was eine unterschiedliche
steuerrechtliche Behandlung rechtfertigen könnte -, sondern
rechtlich und wirtschaftlich untrennbarer konzeptioneller
Bestandteil des hier verwendeten Vertragstypus. Die rechtliche
Einheit folgt in erster Linie aus den entsprechenden gesetzlichen
Regelungen (vgl. §§ 153 ff. VVG n.F.; für die
Streitjahre § 172 Abs. 1 Satz 2 VVG a.F.). Wirtschaftlich
sinnvoll wird ein Vertragsschluss für die Versicherungsnehmer
überhaupt erst durch die - von den Versicherungsunternehmen in
ihren Prognoserechnungen und Werbeaussagen genährte - Hoffnung
auf Überschussbeteiligungen, da sich eine Rendite in Höhe
der Garantieverzinsung regelmäßig auch mit anderen
Anlageformen erwirtschaften ließe, die keine derart
langfristige Kapitalbindung mit sich bringen, wie sie
Leibrentenverträgen eigen ist.
|
|
|
|
|
56
|
In Übereinstimmung damit hat der Senat im
Urteil vom 22.8.2012 X R 47/09 (BFHE 239, 213, BStBl II 2013, 158 =
SIS 12 33 45, unter II.1.d) ausgeführt,
Rentenerhöhungsbeträge seien dann nicht als
eigenständige Renten anzusehen, wenn sie die in der Rente
bereits angelegte Funktion und ihren Zweck lediglich umsetzen.
|
|
|
|
|
57
|
(2) Hinzu kommt, dass auch
Praktikabilitätserwägungen für eine einheitliche
steuerrechtliche Behandlung der Rentenzahlungen sprechen. Eine
Zuordnung des einheitlichen Zahlbetrags zu zwei verschiedenen
Einkunftsarten - mit unterschiedlichen Freibetragskonzeptionen -,
erst recht aber eine gesonderte Einkünfteermittlung für
Teilbeträge des einheitlichen Zahlbetrags würde mit dem
Gedanken der Steuervereinfachung nicht in Übereinstimmung zu
bringen sein und eine seit Langem gefestigte Rechtspraxis
erschüttern.
|
|
|
|
|
58
|
(3) Für die einheitliche Zuweisung sowohl
der Garantierente als auch der Überschussbeteiligung zu den
Einkünften aus Leibrenten sprechen auch die Erwägungen im
Senatsurteil vom 18.5.2010 X R 32-33/01 (BFHE 230, 305, BStBl II
2011, 675 = SIS 10 31 59, unter II.3.c bb). Dort hat der Senat zum
einen darauf hingewiesen, dass der Rentenertrag nicht allein aus
Zinsen besteht. Zum anderen hat er hervorgehoben, dass der
Leibrentenvertrag eine Vermögensumschichtung darstellt, bei
der die Vermögensbildung bereits abgeschlossen ist,
während der Sparer-Freibetrag gerade in der Ansparphase eine
Anreizwirkung hervorrufen soll.
|
|
|
|
|
59
|
(4) Das BFH-Urteil vom 9.2.1994 IX R 110/90
(BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47 = SIS 94 22 06) steht dem nicht
entgegen, da es dort nicht um eine (gleichmäßige bzw. -
wie im vorliegend zu beurteilenden Fall - jedenfalls bei wertender
Betrachtung als gleichmäßig anzusehende) Leibrente ging,
sondern um eine (abänderbare) dauernde Last. Zudem beruht die
Entscheidung in BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47 = SIS 94 22 06 auf
Besonderheiten, die im Bereich des Werbungskostenabzugs von
Zahlungen, die als dauernde Last anzusehen sind, durch die
unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Behandlung von
Anschaffungskosten einerseits und Finanzierungskosten andererseits
hervorgerufen werden.
|
|
|
|
|
60
|
4. Die vom FA in den Einspruchsentscheidungen
aufgestellten - und vom FG keiner ausdrücklichen eigenen
Überprüfung unterzogenen - Überschussprognosen sind
zwar in einzelnen Punkten noch zu korrigieren. Die damit
einhergehenden Änderungen sind aber so geringfügig, dass
sich auch dann für keinen der Verträge eine positive
Überschussprognose ergibt.
|
|
|
|
|
61
|
So war die vom FA herangezogene Sterbetafel
2002/2004 im Zeitpunkt des Abschlusses der hier maßgebenden
Verträge noch nicht veröffentlicht. Beim Abschluss der
Verträge I und II war vielmehr die Sterbetafel 1999/2001 die
letztverfügbare, beim Abschluss der Verträge III und IV
die Sterbetafel 2000/2002. Da in diesen Sterbetafeln aber geringere
durchschnittliche Lebenserwartungen ausgewiesen waren als in der
vom FA verwendeten Sterbetafel 2002/2004, hat sich diese
Ungenauigkeit nicht zum Nachteil der Kläger ausgewirkt.
|
|
|
|
|
62
|
Bei der Restlaufzeit hat das FA nicht
berücksichtigt, dass die Rente für den angefangenen Monat
immer in voller Höhe gezahlt wird, auch wenn der
Bezugsberechtigte während dieses Monats stirbt. Diese
Ungenauigkeit hat sich in der Prognoserechnung - sehr
geringfügig - zu Lasten der Kläger ausgewirkt.
|
|
|
|
|
63
|
Das FA hat nur für das jeweils erste und
zweite Vertragsjahr - zutreffend - berücksichtigt, dass die
Werbungskosten lediglich zu 99,7 % abziehbar sind, da die
restlichen 0,3 % nach den Angaben der V auf den Risikoanteil
entfallen. Diese Kürzung der abziehbaren Werbungskosten um 0,3
% wäre aber auch auf den Zinsaufwand der restlichen
Darlehenslaufzeit anzuwenden.
|
|
|
|
|
64
|
Der Werbungskosten-Pauschbetrag ist stets in
Höhe voller Jahresbeträge anzusetzen, nicht aber
taggenau.
|
|
|
|
|
65
|
Dahinstehen kann, ob das FA beim Vertrag I den
„Mehraufwand Umschuldung“ zu Recht
einkünftemindernd in die Prognose einbezogen hat, da sich auch
dann, wenn diese Frage zu verneinen wäre, kein
Totalüberschuss ergeben würde.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|