1
|
I. Streitig ist, ob die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) für Bauleistungen, die
die Beigeladene an die Klägerin erbracht hat, im Streitjahr
2005 Steuerschuldnerin i.S. des § 13b des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) geworden ist.
|
|
|
2
|
Die Klägerin betreibt laut
Handelsregistereintrag ein Unternehmen, dessen Gegenstand der
Erwerb, die Erschließung und die Bebauung von
Grundstücken ist.
|
|
|
3
|
Am 13.9.2004 beauftragte die Klägerin
die nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung Beigeladene als
Generalunternehmer zur Erstellung eines Wohnhauses mit sechs
Wohnungen zum Pauschalpreis von ... EUR brutto. Laut Vertrag war
die Beigeladene bei der Abrechnung von Abschlagszahlungen und der
Schlussrechnung verpflichtet, die Umsatzsteuer gesondert
auszuweisen.
|
|
|
4
|
Nachdem die Beigeladene in 2004 und 2005
Bauleistungen an die Klägerin erbracht hatte, kam es zur
Kündigung des Vertrages durch die Klägerin. Am 17.11.2005
erteilte die Beigeladene eine Schlussrechnung ohne
Umsatzsteuerausweis, in dem auf die Steuerschuldnerschaft der
Klägerin nach § 13b UStG hingewiesen wurde.
|
|
|
5
|
In ihrer Umsatzsteuererklärung 2004
und in den Voranmeldungen 2005 erklärte die Klägerin
zunächst gemäß § 13b UStG auf die von der
Beigeladenen erhaltenen Bauleistungen Umsatzsteuer in Höhe von
... EUR und führte die Umsatzsteuer an den Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) ab.
|
|
|
6
|
In ihrer Jahreserklärung 2005
erklärte sie jedoch diese Umsatzsteuerbeträge nicht mehr
mit der Begründung, sie erbringe keine Bauleistungen, denn
nach Abschn. 182a Abs. 10 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) sei
dazu erforderlich, dass sie „nachhaltige“ Bauleistungen
erbringe, was nur vorliege, wenn die Bauleistungen im Vorjahr mehr
als 10 % der Gesamtumsätze betrügen. Wegen schwankender
Umsätze habe sie diese Voraussetzung zwar noch im Jahre 2003,
nicht aber 2004 erfüllt. Dies sei nachträglich im Rahmen
der Jahresabschlussarbeiten 2004 aufgefallen. Entgegen dem Vortrag
der Beigeladenen habe sie dieser keine Bescheinigung nach §
48b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgehändigt. Eine
vertragliche Einigung gemäß Abschn. 182a Abs. 17 UStR
über den gesetzlichen Übergang der Steuerschuldnerschaft
habe ebenfalls nicht vorgelegen.
|
|
|
7
|
Das FA ging zwar ebenfalls davon aus, dass
die Klägerin die 10 %-Grenze nach Abschn. 182a Abs. 10 UStR im
Vorjahr nicht überschritten habe. Gleichwohl sei von einer
Einigung i.S. des Abschn. 182a Abs. 17 UStR auszugehen, weil die
Klägerin die Änderung der Verhältnisse nicht
mitgeteilt habe. Daraufhin setzte das FA mit Umsatzsteuerbescheid
vom 14.11.2006 die Umsatzsteuer 2005 auf ... EUR fest.
|
|
|
8
|
Nach Zurückweisung des Einspruchs wies
das Finanzgericht (FG) die Klage ab (veröffentlicht in EFG
2011, 278 = SIS 10 42 01). Zur Begründung führte es aus,
das FA habe den Übergang der Steuerschuld nach § 13b UStG
im Ergebnis zu Recht angenommen. Das FG folge zwar nicht den
Regelungen der UStR in Abschn. 182a Abs. 10 Sätze 2 und 3,
wonach dies nur dann der Fall sei, wenn im vorangegangenen Jahr der
Anteil an Bauleistungen mindestens 10 % betragen habe oder wenn der
Leistungsempfänger dem Leistenden eine
Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG „für
Umsatzsteuerzwecke“ vorgelegt habe (Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 16.10.2009, BStBl I
2009, 1298 = SIS 09 30 52 Rz 2, 3, 5). Das Erfordernis der
Nachhaltigkeit der Bauleistungsumsätze sei dem Gesetz nicht zu
entnehmen. Zudem könne der leistende Unternehmer nicht
verlässlich beurteilen, ob die Voraussetzungen des
Übergangs der Steuerschuldnerschaft vorlägen, weil dies
von dem ihm unbekannten Verhältnis der Bauleistungen zu den
sonstigen Umsätzen des Leistungsempfängers abhänge.
Es genüge daher, wenn der Leistungsempfänger nur
gelegentlich Bauleistungen erbringe. Der Übergang der
Steuerschuldnerschaft sei nur dann ausgeschlossen, wenn ein
Unternehmer überhaupt keine Bauleistungen erbringe. Ebenso
wenig überzeugend sei die Regelung des Abschn. 182a Abs. 12
Satz 2 UStR, wonach der Übergang der Steuerschuldnerschaft von
der Vorlage einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG
„für umsatzsteuerliche Zwecke“ abhänge, weil
dann der Übergang entgegen der gesetzlichen Regelung in das
Belieben des Leistungsempfängers gestellt werde.
Maßgebend für den Übergang der
Steuerschuldnerschaft sei vielmehr, ob der Leistungsempfänger
Unternehmer sei, der zumindest gelegentlich selbst Bauleistungen
erbringe und ob dies für den Leistenden erkennbar sei.
|
|
|
9
|
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
der Revision und verteidigt die 10 %-Grenze. Sie habe auch keine
Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG der Beigeladenen
vorgelegt.
|
|
|
10
|
Die Klägerin beantragt, die
Umsatzsteuerfestsetzung 2005 vom 14.11.2006 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 3.7.2008 dahingehend zu ändern,
dass die Umsatzsteuer um ... EUR herabgesetzt wird.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Die Klägerin habe zwar zutreffend
ausgeführt, dass ihr Anteil der Bauleistungen an den
Gesamtumsätzen unter 10 % liege. Sie verfüge aber
für 2005 über eine Freistellungsbescheinigung nach §
48b EStG. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin für das
Jahr 2004 als Bauleistender und für das Streitjahr 2005 nicht
mehr als Bauleistender anzusehen sei. Die Klage sei dennoch
unbegründet, weil die Klägerin mit der Beigeladenen eine
Vereinbarung über die Umkehr der Steuerschuldnerschaft
getroffen habe, was sich daraus ergebe, dass die Klägerin im
Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren 2005 die Umsatzsteuer
erklärt und abgeführt habe.
|
|
|
13
|
Die Beigeladene hat sich nicht
geäußert.
|
|
|
14
|
Der Senat hat mit Beschluss vom 30.6.2011 V
R 37/10 (BFHE 233, 477, BStBl II 2011, 842 = SIS 11 25 84) dem
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
|
|
|
15
|
„1. Umfasst der Begriff der
Bauleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Ermächtigung
2004/290/EG neben Dienstleistungen auch Lieferungen?
|
|
|
16
|
2. Falls sich die Ermächtigung zur
Bestimmung des Leistungsempfängers als Steuerschuldner auch
auf Lieferungen erstreckt:
|
|
|
17
|
Ist der ermächtigte Mitgliedstaat
berechtigt, die Ermächtigung nur teilweise für bestimmte
Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für
Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger
auszuüben?
|
|
|
18
|
3. Falls der Mitgliedstaat zu einer
Untergruppenbildung berechtigt ist: Bestehen für den
Mitgliedstaat Beschränkungen bei der
Untergruppenbildung?
|
|
|
19
|
4. Falls der Mitgliedstaat zu einer
Untergruppenbildung allgemein (siehe oben, Frage 2) oder aufgrund
nicht beachteter Beschränkungen (siehe oben, Frage 3) nicht
berechtigt ist:
|
20
|
a) Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus
einer unzulässigen Untergruppenbildung?
|
|
|
21
|
b) Führt eine unzulässige
Untergruppenbildung dazu, dass die Vorschrift des nationalen Rechts
nur zugunsten einzelner Steuerpflichtiger oder allgemein nicht
anzuwenden ist?“
|
|
|
22
|
Diese Fragen hat der EuGH am 13.12.2012
C-395/11, BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH (UR 2013, 63 = SIS 13 02 38) wie folgt beantwortet:
|
|
|
23
|
„1. Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung
2004/290/EG des Rates vom 30.3.2004 zur Ermächtigung
Deutschlands zur Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
abweichenden Regelung ist dahin auszulegen, dass der Begriff der
‘Bauleistungen’ in dieser Bestimmung neben den als
Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
- Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2004/7/EG des Rates
vom 20.1.2004 geänderten Fassung eingestuften Umsätzen
auch die Umsätze umfasst, die in der Lieferung von
Gegenständen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie
bestehen.
|
|
|
24
|
2. Die Entscheidung 2004/290 ist dahin
auszulegen, dass die Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist, die
ihr mit dieser Entscheidung erteilte Ermächtigung nur
teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von
Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte
Leistungsempfänger auszuüben. Bei der Bildung dieser
Untergruppen hat dieser Mitgliedstaat den Grundsatz der
steuerlichen Neutralität sowie die allgemeinen Grundsätze
des Unionsrechts, wie insbesondere die Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, zu
beachten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter
Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen
und rechtlichen Umstände zu überprüfen, ob dies im
Ausgangsverfahren der Fall ist, und gegebenenfalls die
Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die
nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit oder der Rechtssicherheit
verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften
auszugleichen.“
|
|
|
25
|
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage
stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Entgegen dem Urteil des FG war die Klägerin für
die von ihr bezogenen Leistungen nicht als Leistungsempfänger
Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 4 UStG in
der im Streitjahr geltenden Fassung.
|
|
|
26
|
1. Die Steuerschuld des
Leistungsempfängers gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2
UStG setzt in Ausübung einer durch das Unionsrecht
eingeräumten Ermächtigung voraus, dass er eine der in
§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG genannten Leistungen
bezieht und diese auch selbst erbringt.
|
|
|
27
|
a) Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG in der
im Streitjahr 2005 geltenden Fassung schuldet in „den in
Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 genannten Fällen ... der
Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist,
der Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG
erbringt“.
|
|
|
28
|
§ 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG hat
folgenden Wortlaut:
|
|
„(1) Für folgende
steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung
der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der
Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats: ...
|
|
4. Werklieferungen und sonstige Leistungen,
die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung
oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs-
und Überwachungsleistungen. ...“
|
|
|
29
|
§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG
erfasst somit im Gegensatz zu § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht
alle „Bauleistungen“, die der Herstellung,
Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von
Bauwerken dienen, sondern nur Werklieferungen und sonstige
Leistungen, die diesen Bauwerksbezug aufweisen.
|
|
|
30
|
b) Die durch § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
Satz 1, Abs. 2 Satz 2 UStG nicht für alle Bauleistungen,
sondern nur für bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige
Leistungen angeordnete Steuerschuld des Leistungsempfängers
beruht unionsrechtlich auf Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung
2004/290/EG des Rates vom 30.3.2004 zur Ermächtigung
Deutschlands zur Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
abweichenden Regelung (Entscheidung 2004/290/EG). Danach besteht
„bei der Erbringung von Bauleistungen an einen
Steuerpflichtigen“ für die Bundesrepublik
Deutschland die Befugnis, den „Empfänger der
Gegenstände oder Dienstleistungen als
Mehrwertsteuerschuldner“ zu bestimmen.
|
|
|
31
|
Dass diese Ermächtigung im nationalen
Recht nicht für alle Bauleistungen und zu Lasten aller
Steuerpflichtigen (Unternehmer), sondern nur für
bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen und dabei
nur zu Lasten der Unternehmer ausgeübt wurde, die selbst
derartige Leistungen erbringen, ist nach dem im Streitfall
ergangenen EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63
= SIS 13 02 38 unbeachtlich. Denn nach den Leitsätzen dieser
Entscheidung umfasst „der Begriff der Bauleistungen in
dieser Bestimmung neben den als Dienstleistungen im Sinne von Art.
6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG ... eingestuften
Umsätzen auch die Umsätze, die in der Lieferung von
Gegenständen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie
bestehen“. Darüber hinaus ist „die
Bundesrepublik Deutschland berechtigt ..., die ihr mit dieser
Entscheidung erteilte Ermächtigung nur teilweise für
bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und
für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger
auszuüben“.
|
|
|
32
|
2. Im Streitfall hat die Beigeladene an die
Klägerin eine bauwerksbezogene Werklieferung i.S. von §
13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbracht.
|
|
|
33
|
a) Der Begriff der Werklieferung in § 13b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG entspricht dem in § 3 Abs. 4
Satz 1 UStG. Danach sind Werklieferungen Lieferungen, bei denen der
Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes
übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst
beschafft, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder
sonstige Nebensachen handelt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt
dies auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden
fest verbunden werden.
|
|
|
34
|
§ 3 Abs. 4 UStG betrifft nach der
Rechtsprechung des erkennenden Senats einheitliche, aus Liefer- und
Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- und
Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden
Gegenstandes und ist richtlinienkonform entsprechend den
unionsrechtlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von Lieferung
(Art. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG - Richtlinie 77/388/EWG - ) und
Dienstleistung (Art. 6 der Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9.6.2005 V R 50/02, BFHE
210, 182, BStBl II 2006, 98 = SIS 05 39 64, unter II.2.b cc).
|
|
|
35
|
Werklieferungen liegen danach vor, wenn der
Unternehmer dem Abnehmer nicht nur die Verfügungsmacht an
einem Gegenstand verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG), sondern
zusätzlich einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet. So
können z.B. Buchbinderarbeiten als Bearbeitung von nicht dem
Leistenden gehörenden Gegenständen Werklieferungen sein
(BFH-Urteil vom 29.4.1982 V R 132/75, nicht veröffentlicht -
n.v. - ). Nicht ausreichend für die Annahme einer
Werklieferung ist demgegenüber die Be- oder Verarbeitung
eigener Gegenstände des Leistenden. Zwar kann z.B. die
Zubereitung von Speisen in einem Imbissstand als Lieferung
anzusehen sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30.6.2011 V R 35/08, BFHE
234, 491, BStBl II 2013, 244 = SIS 11 27 12, Leitsatz). Bei der
durch den Imbissstandbetreiber ausgeführten Lieferung handelt
es sich aber mangels Be- oder Verarbeitung von für den
Standbetreiber fremden Gegenständen nicht um Werklieferungen
i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Ebenso führt die
Herstellung anderer beweglicher Gegenstände wie z.B. PKW nicht
aufgrund der Vereinbarung besonderer Spezifikationen wie
Sonderausstattungen zu einer Werklieferung.
|
|
|
36
|
b) Im Streitfall hat die Beigeladene mit der
Erstellung eines Wohnhauses eine Werklieferung i.S. von § 3
Abs. 4 UStG an die Klägerin erbracht.
|
|
|
37
|
aa) Wie der Senat bereits mit Urteil vom
24.7.1969 V R 9/66 (BFHE 97, 196, BStBl II 1970, 71 = SIS 70 00 39)
entschieden hat, bewirkt der Unternehmer dadurch, dass er auf dem
ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude
errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer
übergibt, eine Werklieferung. Im Rahmen von § 3 Abs. 4
Satz 2 UStG tritt dabei die feste Verbindung mit Grund und Boden an
die Stelle der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes.
Der BFH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten
und entschieden, dass Bauhandwerker bei der Errichtung eines
Gebäudes für den Grundstückseigentümer
Werklieferungen ausführen (BFH-Urteil vom 24.10.1974 V R
29/74, BFHE 114, 512, BStBl II 1975, 396 = SIS 75 02 38), dass der
Mieter, der Ausbauten, Umbauten und Einbauten auf eigene Kosten
durchführt oder auf dem gemieteten Grundstück ein
Gebäude errichtet, an den Vermieter eine Werklieferung
ausführt (BFH-Urteile vom 15.9.1983 V R 154/75, n.v. zu
Einbauten, und vom 24.11.1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634 zur
Gebäudeerrichtung), und dass der Unternehmer mit der
Herstellung von Erschließungsanlagen auf öffentlichen
Flächen einer Gemeinde gegenüber der Gemeinde eine
entgeltliche Werklieferung ausführt (BFH-Urteil vom 22.7.2010
V R 14/09, BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428 = SIS 10 36 89,
Leitsatz 1). In Übereinstimmung hiermit kann sich die zur
bloßen Verschaffung der Verfügungsmacht hinzutretende
Bearbeitung auch aus dem Einbau des gelieferten Gegenstandes in ein
Gebäude ergeben (zutreffend Abschn. 182a Abs. 3 Satz 2 UStR
2005 zum Einbau von Fenstern, Türen, Bodenbelägen,
Aufzügen etc.).
|
|
|
38
|
bb) Danach erbrachte der Beigeladene im
Streitfall mit der Errichtung des Wohnhauses auf dem für ihn
fremden Grundstück eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4
Satz 2 UStG.
|
|
|
39
|
3. Die Klägerin ist aber gleichwohl nicht
Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG, da sie die von
der Beigeladenen empfangene Leistung nicht selbst zur Erbringung
einer bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung i.S.
von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG verwendet hat. Das
Urteil des FG war somit aufzuheben und der Klage stattzugeben.
|
|
|
40
|
a) Im Hinblick auf das sich aus dem
Unionsrecht ergebende Erfordernis der Rechtssicherheit ist §
13b Abs. 2 Satz 2 UStG teleologisch einschränkend
auszulegen.
|
|
|
41
|
aa) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG setzt nach
seinem Wortlaut voraus, dass der Leistungsempfänger selbst
bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen i.S. von
§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt.
|
|
|
42
|
bb) Bei der Auslegung des nationalen Rechts
ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch
Richtlinien der Europäischen Union beruht, das Unionsrecht und
die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der
richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 8.3.2012 V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012,
623 = SIS 12 13 67). Daher ist im Streitfall nicht nur zu beachten,
dass der EuGH in dem den Streitfall betreffenden Urteil BLV Wohn-
und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 = SIS 13 02 38 dem nationalen
Gesetzgeber das Recht zugebilligt hat, Art. 2 Nr. 1 der
Entscheidung 2004/290/EG nur teilweise für bestimmte
Untergruppen wie Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger
auszuüben (s. oben II.1.b), sondern auch, dass der so
ermächtigte Mitgliedstaat „bei der Bildung dieser
Untergruppen ... den Grundsatz der steuerlichen Neutralität
sowie die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie
insbesondere die Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, zu
beachten“ hat und es „Sache des vorlegenden
Gerichts [ist], unter Berücksichtigung aller
maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände
zu überprüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist,
und gegebenenfalls die Maßnahmen zu ergreifen, die
erforderlich sind, um die nachteiligen Folgen einer gegen die
Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder
Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden
Vorschriften auszugleichen (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau
GmbH in UR 2013, 63, 2. Leitsatz).
|
|
|
43
|
Der EuGH betont dabei, dass
„Rechtsakte der Union ... eindeutig sein müssen und dass
ihre Anwendung für die Betroffenen vorhersehbar sein
muss“. Der sich hieraus ergebende Grundsatz der
Rechtssicherheit ist von jeder mit der Anwendung des Unionsrechts
betrauten innerstaatlichen Stelle zu beachten und „gilt in
besonderem Maße, wenn es sich um eine Regelung handelt, die
sich finanziell belastend auswirken kann, denn die Betroffenen
müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit
auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen“
(EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 = SIS 13 02 38 Rdnr. 47).
|
|
|
44
|
b) Das EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau
GmbH in UR 2013, 63 = SIS 13 02 38 führt im Rahmen einer
teleologischen Reduktion zu einer den Wortlaut von § 13b Abs.
2 Satz 2 UStG einschränkenden Auslegung.
|
|
|
45
|
aa) Hat der Unternehmer eine bauwerksbezogene
Werklieferung oder sonstige Leistung i.S. von § 13b Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG bezogen, lässt es § 13b Abs. 2
Satz 2 UStG für die an die Stelle der Steuerschuld des
Leistenden tretende Steuerschuld des Leistungsempfängers
ausreichen, dass der Leistungsempfänger selbst derartige
Leistungen erbringt.
|
|
|
46
|
§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG schränkt
das Erfordernis einer Leistungserbringung i.S. von § 13b Abs.
1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG in keiner Weise und dabei weder
gegenständlich noch in zeitlicher Hinsicht ein. Nach dem
Wortlaut der Vorschrift würde es für den von dieser
Vorschrift angeordneten Wechsel in der Steuerschuldnerschaft z.B.
ausreichen, dass an den Leistungsempfänger im Inland eine
bauwerksbezogene Werklieferung erbracht wird, während er
selbst lediglich im Ausland ohne Zusammenhang mit diesem
Leistungsbezug eine derartige Werklieferung erbringt. Insoweit ist
zu beachten, dass sich „eine solche finanzielle Belastung
gleichwohl, wie dies in einem Sachverhalt wie dem im
Ausgangsverfahren fraglichen der Fall sein kann, aus der Anwendung
dieser Regelung durch die zuständigen nationalen Behörden
ergeben [könnte], wenn es diese Anwendung den betreffenden
Steuerpflichtigen, zumindest vorübergehend, nicht erlaubt, den
Umfang ihrer Verpflichtungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer
genau zu erkennen“ (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau
GmbH in UR 2013, 63 = SIS 13 02 38 Rdnr. 48).
|
|
|
47
|
Eine derartige, dem Wortlaut von § 13b
Abs. 2 Satz 2 UStG einschränkungslos folgende Auslegung ist
mit den Erfordernissen des Unionsrechts nicht zu vereinbaren, da es
durch das Abstellen auf Umstände, die der Leistende im
Regelfall nicht erkennt und auch nicht erkennen kann, nicht
ermöglicht wird, genau zu erkennen, ob er oder sein
Leistungsempfänger Steuerschuldner ist.
|
|
|
48
|
bb) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist nicht
dahingehend einschränkend auslegbar, dass es für den
Wechsel in der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, dass der
Leistungsempfänger „nachhaltig“ (so aber
Abschn. 182a Abs. 10 Satz 2 UStR) bauwerksbezogene Werklieferungen
und sonstige Leistungen erbringt und dabei die Summe dieser
Leistungen mehr als 10 % seiner steuerbaren Umsätze
beträgt (Abschn. 182a Abs. 10 UStR), wobei die
Finanzverwaltung später präzisiert hat, dass dabei auf
den „Weltumsatz“ des Leistungsempfängers
abzustellen sein soll (Abschn. 13b.3 Abs. 2 Satz 1 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses - UStAE - in der Fassung des
BMF-Schreibens vom 12.12.2011, BStBl I 2011, 1289 = SIS 11 41 62).
|
|
|
49
|
Gegen die einschränkende Auslegung durch
die Finanzverwaltung spricht, dass es auch hierdurch dem Leistenden
nicht ermöglicht wird, zuverlässig zu beurteilen, ob er
oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner für die
erbrachte Leistung ist. Dies zeigt sich nach den Verhältnissen
des Streitfalles auch daran, dass die Klägerin selbst nicht in
der Lage war, die nach der Verwaltungsauffassung maßgebliche
10 %-Grenze zutreffend zeitnah zu ermitteln, sodass
auszuschließen ist, dass der Leistende diese Berechnung
vornehmen kann. Der Senat schließt sich daher der von der
Vorinstanz sowie im Schrifttum geäußerten Kritik an der
sog. „10 % Regel“ in Abschn. 182a Abs. 10 UStR
an (vgl. Ahrens, Umsatzsteuerberater 2004, 331; Hundt-Eßwein
in Offerhaus/Söhn/Lange, § 13b UStG Rz 57;
Küffner/Zugmaier, DStR 2004, 712; Kuplich, UR 2007, 369; Meyer
in Anm. EFG 2010, 280; Stadie in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 13b Rz 384; Langer in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 13b Rz 33.2).
|
|
|
50
|
cc) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist entgegen
Abschn. 182a Abs. 11 UStR dahingehend einschränkend
auszulegen, dass es für den Übergang der
Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, ob der
Leistungsempfänger die an ihn erbrachte bauwerksbezogene
Werklieferung oder sonstige Leistung selbst zur Erbringung einer
derartigen Leistung verwendet.
|
|
|
51
|
Zwar vermag auch diese Auslegung nicht alle
Schwierigkeiten, die für den Leistenden bei der Zuordnung der
Steuerschuldnerschaft bestehen, auszuräumen. So ist im
Hinblick auf das Erfordernis, dass der Leistungsempfänger
selbst eine bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung
erbringt, z.B. danach zu unterscheiden, ob der
Leistungsempfänger ein Generalunternehmer oder Bauträger
ist. Während der Generalunternehmer regelmäßig auf
einem seinem Auftraggeber gehörenden Grundstück baut,
bebaut der Bauträger in der Regel eigene Grundstücke
(vgl. hierzu z.B. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.5.2010 10
AZR 190/11, MDR 2012, 1046, unter I.2.c bb). Dementsprechend
erbringt im Hinblick auf das Erfordernis der Be- oder Verarbeitung
einer fremden Sache nur der ein fremdes Grundstück bebauende
Generalunternehmer, nicht aber der ein eigenes Grundstück
bebauende Bauträger eine bauwerksbezogene Werklieferung, die
zur Anwendung von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG führt (s. oben
II.2.a und b aa). Gleichwohl gewährleistet die Auslegung nach
der Verwendung der bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen
Leistung durch den Leistungsempfänger auf der jeweiligen
Baustelle noch am ehesten eine rechtssichere Beurteilung.
|
|
|
52
|
Für die auf die Verwendung durch den
Leistungsempfänger abstellende Auslegung, nach der
insbesondere zwischen Generalunternehmern, die selbst
bauwerksbezogene Werklieferungen ausführen, und
grundstücksveräußernden Bauträgern, bei deren
Leistungen es sich umsatzsteuerrechtlich um Lieferungen handelt,
sprechen zudem die für Bauträger bestehenden
Sonderregelungen des Gewerberechts, auf deren Grundlage auch im
Rechtsverkehr zwischen diesen beiden Unternehmergruppen zu
unterscheiden ist. So war gemäß § 34c der
Gewerbeordnung (GewO) in ihrer im Streitjahr geltenden Fassung die
Tätigkeit als Makler, Bauträger oder Baubetreuer
erlaubnispflichtig. Dies galt nach § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst.
a GewO a.F. (später § 34c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a der GewO
in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des
Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom
6.12.2011, BGBl I 2011, 2481) insbesondere für diejenigen, die
als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung
Bauvorhaben vorbereiten oder durchführen und dazu
Vermögenswerte von Erwerbern, Mietern, Pächtern oder
sonstigen Nutzungsberechtigten oder von Bewerbern um Erwerbs- oder
Nutzungsrechte verwenden. Nach dem hierzu auf der Grundlage von
§ 34c Abs. 3 GewO ergangenen § 3 der Verordnung über
die Pflichten der Makler, Darlehensvermittler, Bauträger und
Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung) bestanden dabei
besondere Sicherungspflichten für Bauträger, wenn in den
Fällen des § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewO
„dem Auftraggeber Eigentum an einem Grundstück
übertragen werden soll“.
|
|
|
53
|
dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im
Streitfall, ob die Anordnung der Steuerschuldnerschaft des
Leistungsempfängers in § 13b Abs. 2 Sätze 2 und 3
UStG für Leistungen, die der Empfänger für seinen
nichtunternehmerischen Bereich verwendet, mit dem Erfordernis der
Leistungserbringung „an einen Steuerpflichtigen“
i.S. von Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG vereinbar
ist.
|
|
|
54
|
ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des
FA greifen nicht durch.
|
|
|
55
|
(1) Entgegen der Auffassung des FA (vgl.
Abschn. 182a Abs. 17 UStR) ist nicht entscheidungserheblich, ob
sich die Beteiligten über die Handhabung der
Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren oder nicht,
denn das Gesetz stellt den Übergang der Steuerschuldnerschaft
zur Sicherung des Steueranspruchs nicht zur Disposition der
Vertragsparteien (zutreffend Küffner/Zugmaier, DStR 2004, 712;
Mößlang in Sölch/Ringleb, UStG, § 13b Rz 11:
bloße Begleitsregelung).
|
|
|
56
|
(2) Der mit § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG
verfolgte Zweck der Bekämpfung von Steuerausfällen im
Baugewerbe rechtfertigt im Hinblick auf die vorrangig zu beachtende
rechtssichere Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift
keine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung. Zwar mag es
sein, dass durch die Entscheidung 2004/290/EG
„Steuerhinterziehungen oder Umgehungen möglichst
umfassend verhütet werden“ sollten. Im Hinblick auf
die nur eingeschränkte Ausübung der durch diese
Entscheidung eingeräumten Befugnisse durch das nationale Recht
(s. oben II.2.b) ergibt sich aus den weiter gehenden Befugnissen
des Unionsrechts und den damit verfolgten Zwecken aber keine
erweiternde Auslegung des nationalen Rechts.
|
|
|
57
|
Dass der nationale Gesetzgeber trotz der ihm
durch das Unionsrecht eingeräumten Befugnisse bei der
Umsetzung nicht auch eine Steuerschuldnerschaft für die
Leistungsempfänger angeordnet hat, die Gebäude oder
Gebäudeteile mit dazugehörigem Grund und Boden vor dem
Erstbezug liefern (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie
77/388/EWG) oder die - entsprechend § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG
und in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung
2004/290/EG - Unternehmer sind, ist daher nicht im Wege der
Gesetzesauslegung änderbar.
|
|
|
58
|
(3) Auch die Überlegungen des FA zu
innergemeinschaftlichen Lieferungen rechtfertigen keine abweichende
Beurteilung. Denn dem Lieferer ist es bei innergemeinschaftlichen
Lieferungen im Hinblick auf das Bestätigungsverfahren zur
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (vgl. § 18e UStG)
möglich, personenbezogene Merkmale seines Abnehmers zu
überprüfen. Eine derartige Möglichkeit besteht bei
§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG nicht.
|
|
|
59
|
c) Im Streitfall hat die Klägerin die von
ihr empfangene bauwerksbezogene Werklieferung für nach §
4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferungen,
nicht aber zur Erbringung einer eigenen bauwerksbezogenen
Werklieferung verwendet. Dabei scheitert die Annahme einer durch
die Klägerin erbrachten Werklieferung bereits daran, dass die
Klägerin ein eigenes, nicht aber ein fremdes Grundstück
bebaut und sodann veräußert hat (s. oben II.2.a und b
aa). Ohne Bedeutung ist daher, ob die Erwerber der von der
Klägerin veräußerten Wohnungen entsprechend einer
später veröffentlichten Verwaltungsregelung (Abschn.
13b.3 Abs. 8 Sätze 6 und 7 UStAE in der Fassung des
BMF-Schreibens in BStBl I 2011, 1289 = SIS 11 41 62)
„Einfluss auf Bauausführung und
Baugestaltung“ genommen haben, da eine derartige
Einflussnahme bei der Bebauung eines im Eigentum des
Bauträgers stehenden Grundstücks nicht dazu führt,
dass der Bauträger nunmehr für ihn fremde
Gegenstände - als Voraussetzung der Werklieferung
gemäß § 3 Abs. 4 UStG - bearbeitet.
|
|
|
60
|
d) Die danach enge Auslegung von § 13b
Abs. 2 Satz 1 UStG schränkt diesen Tatbestand nicht
übermäßig ein.
|
|
|
61
|
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass
§ 13b UStG keine umfassende Steuerschuldnerschaft für an
Unternehmer im Bausektor erbrachte Bauleistungen anordnet. So
bestehen nach § 13b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Nr. 3 UStG und
§ 13b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG jeweils
eigenständige Regelungen für die Zuordnung der
Steuerschuldnerschaft bei grunderwerbsteuerbaren Umsätzen und
bei Bauleistungen. Daher sind z.B. Grundstücksverkäufer,
die Grundstücke bebauen und nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG
steuerfrei liefern, nicht Steuerschuldner für die von ihnen
bezogenen Bauleistungen (insoweit zutreffend Abschn. 13b.3 Abs. 8
Satz 5 UStAE). Danach ist im Streitfall das Urteil des FG
aufzuheben und der Klage stattzugeben.
|