Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 12.09.2019 - 2 K 2161/16
= SIS 19 16 17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
1
|
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger), ein Einzelunternehmer, war Mehrheitsgesellschafter
bei verschiedenen Kapitalgesellschaften. Hierzu gehörte die
X-GmbH (GmbH). Die GmbH erbrachte Bauleistungen an
Schwestergesellschaften für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Umsätze im Rahmen von
Bauträgertätigkeiten. Die GmbH beauftragte ihrerseits
andere Unternehmer (Drittunternehmer), an denen der Kläger
nicht beteiligt war, mit der Erbringung von Bauleistungen. Die
Drittunternehmer und die GmbH gingen dabei von einer
Steuerschuldnerschaft der GmbH nach § 13b Abs. 2 Satz 2 i.V.m.
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG (ab 01.07.2010: § 13b Abs. 5 Satz 2
i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG) aus.
|
|
|
2
|
Im Anschluss an mehrere
Außenprüfungen nahm der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) an, dass zwischen dem
Kläger als Organträger sowie der GmbH und ihren
Schwestergesellschaften als Organgesellschaften eine Organschaft
nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG gegeben sei. Am 24.06.2014 ergingen
Änderungsbescheide für die Streitjahre (2008 bis 2011),
mit denen das FA vom Bestehen einer Organschaft ab dem 01.04.2010
ausging. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Am
13.04.2015 ergingen während des Einspruchsverfahrens
Änderungsbescheide, in denen das FA nunmehr die Organschaft
für alle Streitjahre anerkannte und die Steuerschuld für
die von der GmbH bezogenen Bauleistungen beim Kläger erfasste.
Im Einspruchsverfahren machte der Kläger hiergegen geltend,
dass die Voraussetzungen für eine Steuerschuldnerschaft des
Leistungsempfängers auf der Grundlage des Urteils des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.08.2013 - V R 37/10 (BFHE 243, 20,
BStBl II 2014, 128 = SIS 13 31 06) nicht gegeben seien. Zwar habe
die GmbH die von den Drittunternehmern bezogenen Bauleistungen dazu
verwendet, gegenüber ihren Schwestergesellschaften
Bauleistungen zu erbringen. Aufgrund der Organschaft sei dies aber
als Innenumsatz unbeachtlich. Maßgeblich sei daher, dass die
von der GmbH als Organgesellschaft bezogenen Bauleistungen vom
Organkreis für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie
Grundstückslieferungen verwendet worden seien. Mit
Einspruchsentscheidung vom 13.06.2016 wies das FA den Einspruch
insoweit als unbegründet zurück.
|
|
|
3
|
Demgegenüber hatte die Klage zum
Finanzgericht (FG) Erfolg. Nach dem in EFG 2019, 1802 = SIS 19 16 17 veröffentlichten Urteil des FG liegen die Voraussetzungen
für eine Steuerschuld des Klägers nach § 13b Abs. 2
Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG (ab 01.07.2010: § 13b
Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG) nicht vor, da die bezogenen
Bauleistungen nicht für die Erbringung von Bauleistungen,
sondern für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie
Grundstücksumsätze verwendet worden seien. Auf
Innenumsätze innerhalb des Organkreises komme es nicht
an.
|
|
|
4
|
Hiergegen wendet sich das FA mit der
Revision, mit der es geltend macht, dass für die
Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nur auf das
Erbringen von Bauleistungen durch den Leistungsempfänger
abzustellen sei, nicht aber auch auf die Steuerpflicht dieser
Leistungen, wie sich auch aus der Maßgeblichkeit eines
Weltumsatzes ergebe. Abschn. 13b.3 Abs. 7 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) sehe eine Aufspaltung des
Organkreises vor. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wirke die
Organschaft nur im Innenverhältnis zwischen den verbundenen
Unternehmen. In Fällen der Organschaft bestehe für den
Leistenden ansonsten keine Möglichkeit, rechtssicher zu
bestimmen, ob er oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner
sei. Damit komme es zu einem Verstoß gegen das
Rechtsstaatsprinzip.
|
|
|
5
|
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
6
|
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
7
|
Die Voraussetzungen einer
Steuerschuldnerschaft als Leistungsempfänger lägen im
Hinblick auf die Außenwirkung der Organschaft nicht
vor.
|
|
|
8
|
II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend entschieden,
dass der Kläger für die von der GmbH als
Organgesellschaft bezogenen Bauleistungen nicht Steuerschuldner
ist. Bei einer Organschaft bezieht der Organträger, nicht aber
die Organgesellschaft die Eingangsleistung, so dass es bei §
13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG auf die dem
Organträger zuzuordnenden Außenumsätze und nicht
auf nichtsteuerbare Innenumsätze der Unternehmen des
Organkreises ankommt.
|
|
|
9
|
1. Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 UStG (ab 01.07.2010: § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m.
Abs. 2 Nr. 4 UStG) ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner
für Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der
Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder
Beseitigung von Bauwerken dienen, wenn er ein Unternehmer ist, der
diese Leistungen erbringt. Ausgenommen sind Planungs- und
Überwachungsleistungen.
|
|
|
10
|
Für die Entstehung der Steuerschuld beim
Leistungsempfänger kommt es darauf an, dass der
Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder
sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung,
Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient,
seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet
(BFH-Urteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 = SIS 13 31 06).
Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung zur
damaligen Rechtslage weiter fest.
|
|
|
11
|
2. Bezieht eine Organgesellschaft eine
Bauleistung und verwendet sie diese für eine Bauleistung an
eine andere mit ihr organschaftlich verbundenen Gesellschaft, so
kommt es für die Leistungsverwendung i.S. des BFH-Urteils in
BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 = SIS 13 31 06 nicht auf diesen
Innenumsatz, sondern darauf an, für welchen - dem
Organträger zuordenbaren - Außenumsatz die bezogene
Bauleistung verwendet wird.
|
|
|
12
|
a) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung
führt die durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG angeordnete
Unselbständigkeit der Organgesellschaft dazu, dass deren
Tätigkeit dem Organträger zuzurechnen ist. Im Rahmen der
Organschaft kommt der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG
angeordneten Behandlung der inländischen Unternehmensteile als
ein Unternehmen Vorrang gegenüber der sich aus § 2 Abs. 2
Nr. 2 Satz 2 UStG ergebenden Beschränkung der Organschaft auf
Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen
des Organkreises zu (BFH-Urteil vom 29.10.2008 - XI R 74/07, BFHE
223, 498, BStBl II 2009, 256 = SIS 08 43 30, unter II.2.d). Daraus
folgt nicht nur die Nichtsteuerbarkeit von sog. Innenumsätzen
zwischen den Mitgliedern des Organkreises; vielmehr hat der
Organträger auch die Umsätze der Organgesellschaften als
Außenumsätze zu versteuern. Damit wirkt sich die
organschaftliche Verbindung nicht nur im Innenverhältnis aus -
z.B. bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs, der sich nach der
Verwendung von Eingangsleistungen für Außenumsätze
des Organkreises (und nicht nach der Verwendung für
Innenumsätze) richtet -, sondern auch auf die dem
Organträger zuzuordnenden Außenumsätze und deren
umsatzsteuerrechtliche Qualifikation (vgl. beispielhaft die
BFH-Urteile in BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256 = SIS 08 43 30,
unter II.2.d; vom 06.05.2010 - V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II
2010, 1114 = SIS 10 31 62, Leitsatz 3; vom 10.08.2017 - V R 64/16,
BFHE 259, 166, BStBl II 2019, 455 = SIS 17 20 11, unter II.2.b, und
vom 01.03.2018 - V R 23/17, BFHE 261, 369, BStBl II 2018, 503 = SIS 18 08 75, unter II.2.a bb).
|
|
|
13
|
b) Die organschaftliche Zusammenfassung ist
auch bei § 13b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG
(ab 01.07.2010: § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG)
zu beachten, so dass es auf die dem Organträger zuzuordnenden
Außenumsätze und nicht auf nichtsteuerbare
Innenumsätze der Unternehmen des Organkreises ankommt.
|
|
|
14
|
Bestätigt wird dies durch den Wortlaut
der gesetzlichen Regelung. Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2
Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG (ab 01.07.2010: § 13b
Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG) ist der
Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer ist, der die dort
beschriebenen Bauleistungen erbringt. Die Unternehmereigenschaft
richtet sich dabei nach der allgemeinen Unternehmerdefinition in
§ 2 UStG. Mithin ist auch insoweit die Sonderregelung zur
Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu beachten.
Unternehmer im Rahmen der Organschaft ist nur der Organträger,
da die Organgesellschaften ihre Tätigkeiten nicht
selbständig ausüben. Daher hat im Streitfall aufgrund der
Organschaft der Kläger als Organträger, nicht aber die
GmbH als Organgesellschaft die Bauleistung, auf die das FA §
13b UStG anwenden will, bezogen.
|
|
|
15
|
Hierfür spricht auch die unionsrechtliche
Grundlage der Organschaft in Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des
Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem,
wonach die miteinander verbundenen Personen als ein
Steuerpflichtiger zu behandeln sind. Der Gegenauffassung von
Stadie, in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, §
13b Rz 384, auf die sich das FA bezogen hat, schließt sich
der erkennende Senat daher nicht an.
|
|
|
16
|
c) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des
FA greifen nicht durch. Insbesondere kommt es nach dem BFH-Urteil
in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 = SIS 13 31 06 nicht auf die
Überlegungen zu einem Weltumsatz an. Soweit das FA auf Abschn.
13b.3 Abs. 7 UStAE hinweist, ergibt sich daraus nur ein Erfordernis
des (nachhaltigen) Erbringens von Bauleistungen, ohne dass sich die
Finanzverwaltung weitergehend dazu äußert, ob sie damit
bei einer Organschaft deren Innen- oder Außenumsätze
meint. Sollte sie dabei auf Innenumsätze abstellen, folgt dem
der erkennende Senat aus den vorstehend aufgeführten
Gründen nicht. Die vom FA angeführte Problematik der
rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners bestand im
Übrigen nach der in den Streitjahren bestehenden Rechtslage
allgemein (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 =
SIS 13 31 06, unter II.3.b cc) und ist erst aufgrund der
Einführung eines Bescheinigungsverfahrens durch § 13b
Abs. 5 Satz 2 UStG in seiner ab 01.10.2014 geltenden Fassung (Art.
8 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb des Gesetzes zur Anpassung des
nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur
Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014,
BGBl I 2014, 1266) gemindert. Dieses Bescheinigungsverfahren
ermöglicht nunmehr auch in Fällen der Organschaft eine
rechtssichere Bestimmung des Steuerschuldners.
|
|
|
17
|
3. Auf die Frage der Vereinbarkeit der
Organschaft mit dem Unionsrecht (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse
vom 11.12.2019 - XI R 16/18, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt, DStR 2020, 645 = SIS 20 02 82, und vom 07.05.2020 - V R
40/19, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, DStR 2020,
1367 = SIS 20 06 63) kommt es im Streitfall, in dem der vom FA
geltend gemachte Steueranspruch auch auf der Grundlage einer
Organschaft nicht besteht, nicht an.
|
|
|
18
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|