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Abgrenzung Bauwerk und Betriebsvorrichtung

Abgrenzung Bauwerk und Betriebsvorrichtung: Betriebsvorrichtungen sind keine Bauwerke i.S. von § 13 b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F. (Hinweis aus BStBl 2015 II S. 682 auf BMF-Schreiben vom 28. Juli 2015 - III C 3 - S 7279/14/10003 = SIS 15 16 09) - Urt.; BFH 28.8.2014, V R 7/14; SIS 14 29 73

Kapitel:
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Abzugsverfahren / Umsatzsteuer, Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers
Fundstellen
  1. BFH 28.08.2014, V R 7/14
    BStBl 2015 II S. 682
    DStR 2014 S. 2290
    BFH/NV 2015 S. 131
    BFHE 246 S. 569

    Anmerkungen:
    P.D. in MwStR 2/2015 S. 62
    Ch.W. in BFH/PR 2/2015 S. 59
Normen
[UStG] § 13 b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1
[BewG] § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
[RL 2006/112/EG] Art. 199 Abs. 1 Buchst. a
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Berlin-Brandenburg, 13.11.2013, SIS 14 06 25, Leistungsempfänger, Steuerschuldner
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Berlin-Brandenburg 22.11.2022, SIS 23 05 95, Keine erweiterte Gewerbeertragskürzung bei Mitvermietung einer als Betriebsvorrichtung anzusehenden Druck...
  • FG Berlin-Brandenburg 20.6.2022, SIS 22 17 66, Bauabzugsteuer, zu sogenannten Fertigungsstraßen in Werkhallen von Automobilherstellern gehörende Roboter...
  • BFH 4.5.2022, SIS 22 10 55, Erwerb einer gemischt genutzten Photovoltaikanlage, volle Zuordnung zum Unternehmen durch Abschluss eines...
  • BFH 7.11.2019, SIS 20 07 71, Bauabzugsteuer bei Errichtung von Freiland-Photovoltaikanlagen: 1. Bauabzugsteuer i.S. des § 48 Abs. 1 Sa...
  • FG Baden-Württemberg 26.7.2018, SIS 21 09 05, Keine Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei der Montage von Auf-Dach-Photovoltaikanlagen durch einen Unter...
  • FG Düsseldorf 10.10.2017, SIS 18 05 88, Steuerabzug für Bauleistungen bei der Installation von Photovoltaikanlagen, Begriff des Bauwerks i.S. des...
  • Hessisches FG 16.5.2017, SIS 17 26 59, Einbehalt von Bauabzugsteuer: Der Begriff des Bauwerks ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des ...
  • Sächsisches FG 1.2.2017, SIS 17 11 20, Keine Berichtigung einer weder unvollständigen noch unrichtigen Rechnung, keine Steuerschuldnerschaft des...
  • OFD Karlsruhe 31.1.2017, SIS 17 04 32, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der im BStBl veröffentlichten Urteile ...
  • BFH 24.5.2016, SIS 16 16 82, Betriebsvorrichtungen in der Umsatzsteuer: Betriebsvorrichtungen sind für die Frage der Steuerschuldnersc...
  • OFD Niedersachsen 22.3.2016, SIS 16 17 56, VZ 2016, Ertragsteuer, Umsatzsteuer, AO-Recht: Die OFD Niedersachsen hat Informationen zu Gesetzes- und R...
  • OFD Karlsruhe 29.2.2016, SIS 16 04 70, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit 1.1.2000 im BStBl veröffentli...
  • FG Düsseldorf 22.1.2016, SIS 17 00 73, Reparaturen an Betriebsvorrichtungen als Leistungen an Bauwerken i.S. d. § 13 b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG ...
  • BMF 28.7.2015, SIS 15 16 09, Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen: Das BFH-Urteil vom 28.8.2014 (BFHE 246 S...
Fachaufsätze
  • LIT 03 44 54 M. Kahsnitz, DStR 23/2017 S. 1272: Überzahlte Umsatzsteuer bei Verträgen ohne explizite Entgeltvereinbarung - Lit.; M. Kahsnitz, DStR 23/201...
  • LIT 03 03 36 J. Grune, AktStR 1/2015 S. 90: Umsatzsteuerliche Behandlung von Bauwerken und Betriebsvorrichtungen - Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 28....
  • LIT 03 01 23 Heu, DStR 46/2014 S. 2292: Abgrenzung Bauwerk und Betriebsvorrichtung - Anmerkung zum BFH-Urteil vom 28.8.2014, V R 7/14 = SIS 14 29...

 

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine im Anlagebau tätige Kommanditgesellschaft, entwickelte eine aus 18 Einzelbauteilen bestehende Entrauchungsanlage für industrielle Großfeuerungsanlagen, speziell für sog. Ziehöfen. Die Anlage diente der Abfilterung der von den Ziehöfen ausgehenden Abwärme und der von ihnen abgegebenen Staubpartikel, um einen störungsfreien Betrieb der in den Werk- und Maschinenhallen von Produktionsunternehmen aufgebauten Ziehöfen zu gewährleisten. Die Klägerin baute die von ihr entwickelte Entrauchungsanlage in die Produktionshallen eines Kunden ein. Für den Einbau und die Montage nahm die Klägerin die Leistungen von zwei Fremdunternehmen in Anspruch, die ihre Leistungen gegenüber der Klägerin mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer abrechneten. Die Klägerin nahm hieraus den Vorsteuerabzug in Anspruch.

 

 

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) davon aus, dass die Klägerin für die von ihr von den beiden Firmen für Einbau und Montage bezogenen Leistungen Steuerschuldner nach § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in seiner im Streitjahr (2009) geltenden Fassung (UStG a.F.) gewesen sei und änderte mit den Bescheiden vom 2.12.2009 die Umsatzsteuerfestsetzungen Januar bis April 2009. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

 

 

3

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit seinem in EFG 2014, 596 = SIS 14 06 25 veröffentlichten Urteil statt. Bei der Entrauchungsanlage handele es sich um eine Betriebsvorrichtung, so dass § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 UStG a.F. unter Berücksichtigung der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) nicht anzuwenden sei.

 

 

4

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erging am 14.11.2012 der Umsatzsteuerjahresbescheid 2009, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde.

 

 

5

Mit seiner Revision macht das FA geltend, dass das FG rechtsfehlerhaft entgegen Abschn. 13b.2 Abs. 5 Nr. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) entschieden habe. Es komme auf den Begriff des Bauwerks nach §§ 1 und 2 der Verordnung über die Betriebe des Baugewerbes, in denen die ganzjährige Beschäftigung zu fordern ist (Baubetriebe-Verordnung) an. Zu den Bauleistungen gehöre auch der Einbau von Einrichtungsgegenständen, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden seien und nicht ohne größeren Aufwand getrennt werden könnten, wie es auf Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen und Gaststätteneinrichtungen zutreffe. Auf den Begriff der Betriebsvorrichtung komme es insbesondere aus Gründen der Praktikabilität nicht an. Eine derartige Abgrenzung entspreche nicht dem Unionsrecht.

 

 

6

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

 

 

8

Bei der Auslegung des Begriffs der Bauleistung sei die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu beachten. Zwischen der Leistung und dem Bauwerk müsse ein kausaler Zusammenhang bestehen. Es fehle an der erforderlichen Auswirkung auf die Bausubstanz. Die Anlage sei kein fester Gebäudebestandteil geworden und wirke sich auch nicht auf die Gebäudesubstanz aus. Die gesamte Anlage könne an einem Tag wieder entfernt werden. Die Anlage ergänze bestehende Produktionsanlagen. Die Anlage sei kein Bauwerksbestandteil.

 

 

9

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin nicht als Leistungsempfänger Steuerschuldner für die von ihr bezogene Leistung war.

 

 

10

1. Nach § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F. entsteht bei „Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen“ die Steuer „mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats“. Hierfür schuldet der Leistungsempfänger gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG a.F. „die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 erbringt“.

 

 

11

2. Bauwerke i.S. von § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F. sind unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sachen. Betriebsvorrichtungen (zum Begriff s. § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes - BewG - ; § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) gehören nicht hierzu.

 

 

12

Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Entrauchungsanlage eine Betriebsvorrichtung ist. Dies ergibt sich nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) daraus, dass die Werkshallen, in die die streitgegenständliche Entrauchungsanlage eingebaut wurde, bereits über ein eigenes Klimaanlagensystem verfügten und die Entrauchungsanlage demgegenüber der Herstellung von Reinraumbedingungen für einen betrieblichen Produktionsvorgang (hier: Herstellung von Solarzellenplatten) diente. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - zu § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9.8.2001 III R 43/98, BFHE 196, 429, BStBl II 2002, 100 = SIS 02 03 31 zur Be- und Entlüftungsanlage in einem Friseursalon).

 

 

13

a) § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F. definiert den Begriff des Bauwerks nicht. Eine unionsrechtskonforme Auslegung dieses Begriffs ist nur eingeschränkt möglich. Die ursprüngliche Ermächtigungsgrundlage für § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 UStG a.F., Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30.3.2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Art. 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 22.8.2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 = SIS 13 31 06, unter II.1.b) verwendete den Begriff des Bauwerks nicht. Der im Streitjahr geltende Art. 199 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL stellt auf Leistungen „im Zusammenhang mit Grundstücken“ ab.

 

 

14

b) Nach allgemeinem Begriffsverständnis ist ein Bauwerk eine unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9.10.2013 VIII ZR 318/12, NJW 2014, 845, unter II.1.a zur Frage der Verjährung von Mängelansprüchen nach § 438 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - bei Bauwerken). Auch die Finanzverwaltung geht davon aus, dass zu den Bauwerken neben Gebäuden auch andere mit dem Erdboden verbundene Anlagen wie z.B. Brücken oder Straßen gehören (vgl. Abschnitt 182a Abs. 3 der Umsatzsteuerrichtlinien 2008 - UStR 2008 - und später Abschnitt 13b.2 Abs. 1 UStAE).

 

 

15

c) In das Bauwerk eingebaute Anlagen sind nur dann Bestandteil des Bauwerks, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind. Die Anlage muss hierfür eine Funktion für das Bauwerk selbst haben. Dient die Anlage demgegenüber eigenen Zwecken, indem sie z.B. durch Stromerzeugung eine Einnahmequelle verschaffen soll, ist sie kein Bauwerksbestandteil (vgl. BGH-Urteil in NJW 2014, 845, unter II.1.b zu § 438 BGB). Nicht zu den Bauwerksbestandteilen gehören danach Betriebsvorrichtungen. Sie dienen gegenüber dem Bauwerk eigenständigem Zweck. Sie haben keine Funktion für das Bauwerk, sondern sind dort lediglich untergebracht (vgl. auch BGH-Urteil vom 15.5.1997 VII ZR 287/95, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1998, 89, unter II.2.b). Ihr Einbau führt zu keiner Änderung des Bauwerks.

 

 

16

Dass Betriebsvorrichtungen für die Frage der Steuerschuldnerschaft keine Bauwerks- und damit auch keine Grundstücksbestandteile sind, wird durch das Unionsrecht bestätigt. So beschränkt sich die Befugnis, eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers anzuordnen, nach Art. 199 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL auf Leistungen „im Zusammenhang mit Grundstücken“. Bei der Entscheidung, welche Anforderungen an diesen Zusammenhang zu stellen sind, ist zu berücksichtigen, dass zwar die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL steuerfrei ist, sich diese Steuerfreiheit aber nach Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL nicht auch auf dauerhaft eingebaute „Vorrichtungen und Maschinen“ und damit nicht auf eigenen Zwecken dienende Betriebsvorrichtungen erstreckt.

 

 

17

d) Demgegenüber kommt entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschnitt 182a Abs. 4 Satz 2 UStR 2008 und Abschnitt 13b.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE) eine Auslegung entsprechend der Baubetriebe-Verordnung, die nach ihrem § 1 Abs. 1 zur Durchführung von § 101 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dient, nicht aber zur Anwendung von § 13b UStG a.F. ergangen ist, nicht in Betracht.

 

 

18

Soweit die Finanzverwaltung schließlich in Abschnitt 182a Abs. 7 Nr. 2 UStR 2008 und Abschnitt 13b.2 Abs. 5 Nr. 2 UStAE davon ausgehen sollte, dass, wie es das FA annimmt, Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen und Gaststätteneinrichtungen auch dann als Teile eines Bauwerks anzusehen sein sollen, wenn es sich bei ihnen um Betriebsvorrichtungen i.S. von § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG handelt, schließt sich der erkennende Senat dem nicht an.

 

 

19

3. Danach ist die Revision des FA unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Einbau von Betriebsvorrichtungen in ein Gebäude und damit in ein Bauwerk im Hinblick auf die eigenständige Betriebsfunktion der Betriebsvorrichtung weder eine Werklieferung noch eine Leistung ist, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient.