Innergemeinschaftliche Lieferung, Voraussetzungen: 1. Die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6 a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17 a, 17 c UStDV nachzuweisen, ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. - 2. Die Nachweispflichten des Unternehmers sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6 a Abs. 3 UStG und §§ 17 a, 17 c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (Änderung der Rechtsprechung). - 3. Kommt der Unternehmer diesen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6 a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind. - 4. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6 a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die erforderlichen Nachweise nicht entsprechend §§ 17 a, 17 c UStDV erbrachte. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 6.1.2009, IV B 9 - S 7141/08/10001, BStBl 2009 I S. 60 = SIS 09 00 15) - Urt.; BFH 6.12.2007, V R 59/03; SIS 08 10 23
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Rechtsnachfolger einer KG, die im Streitjahr
(1994) Organträger einer Autohaus-GmbH (GmbH) war. Die GmbH
verkaufte als Vertragshändler der A-AG für diese
PKW.
Im Frühjahr 1994 bestellte der
belgische Autohändler B bei der GmbH 20 Vorführwagen der
Marke A zum Preis von insgesamt 1.018.200 DM. Hierüber
schlossen B und die GmbH einen schriftlichen Kaufvertrag ab. B
überwies die Kaufpreise netto auf ein speziell für die
Abwicklung eingerichtetes Konto der GmbH und holte die Fahrzeuge
nach Eingang des Geldes mit einem eigenen Transporter vom Hof der
GmbH ab.
Da der GmbH aus Gebietsschutzgründen
nur für Verkäufe an Abnehmer in der näheren Umgebung
ein Provisionsanspruch gegenüber der A-AG zustand, schaltete
sie den Kfz-Händler S ein. Gegen eine Provision von ... DM pro
Fahrzeug erklärte sich dieser dazu bereit, die
Vorführwagen pro forma an- und weiterzuverkaufen. Die GmbH
schloss daraufhin mit S „Kaufverträge“ über
die o.g. PKW ab und stellte hierüber Rechnungen unter Ausweis
von Umsatzsteuer aus. S überlies der GmbH
Blanko-Rechnungsformulare, auf denen sodann im Namen von S
Rechnungen über die Lieferungen der Vorführwagen an B
ausgestellt wurden.
In seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen
für die Monate Juli, August und September 1994 machte S ihm
von der GmbH in Rechnung gestellte Umsatzsteuer (152.730 DM) als
Vorsteuer geltend; diese sollte anschließend an die GmbH
weitergeleitet werden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) führte im Oktober 1994 eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei S durch. Das FA wertete die
Verkäufe der GmbH an S als Scheinlieferungen, weil S nur
formal als „Strohmann“ zwischengeschaltet gewesen sei.
Daher versagte das FA dem S den Vorsteuerabzug aus den
Rechnungen.
Der Kläger, der den Vorgang
zunächst als steuerpflichtigen Umsatz behandelt hatte, erfuhr
am 15.11.1994 von dem Ergebnis der Umsatzsteuer-Sonderprüfung
und setzte daraufhin S mit Gutschriften vom 23.11.1994 davon in
Kenntnis, dass die Rechnungen vom Juli bis September 1994
„gegenstandslos“ seien. Außerdem stornierte er am
25.11.1994 die jeweiligen Buchungen. Die entsprechenden Erlöse
buchte er sodann auf dem Konto „steuerfreie
innergemeinschaftliche Lieferungen“ und berücksichtigte
diesen Vorgang dementsprechend in der Umsatzsteuer-Voranmeldung
für November 1994.
Das FA erließ am 27.6.1996
gegenüber der KG einen geänderten Umsatzsteuerbescheid
für 1994, in dem es die Umsatzsteuer aus den Rechnungen an S
nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG)
festsetzte, weil diese Lieferungen nicht ausgeführt worden
seien. Diese Umsatzsteuer wurde im Jahr 2001 erlassen.
Durch weiteren
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1994 vom 12.2.1998
gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger der KG
erhöhte das FA die steuerpflichtigen Umsätze um 1.018.200
DM. Es versagte dem Kläger für die Lieferung der
Vorführwagen an B die Steuerfreiheit, weil die dafür
erforderlichen Aufzeichnungen nicht laufend und unmittelbar nach
Ausführung des jeweiligen Umsatzes vorgenommen worden
seien.
Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid
hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung
des FA. Sein Urteil ist in EFG 2004, 301 = SIS 03 10 01
abgedruckt.
Auf die Revision des Klägers hat der
Senat das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss vom 10.2.2005 V R 59/03,
BFHE 208, 502, BStBl II 2005, 537 = SIS 05 17 52):
„1.
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Darf die Finanzverwaltung die
Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung, die
zweifelsfrei vorliegt, allein mit der Begründung versagen, der
Steuerpflichtige habe den dafür vorgeschriebenen Buchnachweis
nicht rechtzeitig geführt?
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2.
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Kommt es zur Beantwortung der Frage darauf
an, ob der Steuerpflichtige zunächst bewusst das Vorliegen
einer innergemeinschaftlichen Lieferung verschleiert
hat?“
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Der EuGH hat
diese Fragen wie folgt beantwortet (EuGH-Urteil vom 27.9.2007 Rs.
C-146/05, Collée, UR 2007, 813, IStR 2007, 747 = SIS 08 00 30, BFH/NV Beilage 2008, 34, HFR 2007, 1256):
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„Art. 28c
Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des
Rates vom 16.12.1991 geänderten Fassung ist in dem Sinn
auszulegen, dass er der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats
verwehrt, die Befreiung einer tatsächlich ausgeführten
innergemeinschaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer allein mit
der Begründung zu versagen, der Nachweis einer solchen
Lieferung sei nicht rechtzeitig erbracht worden.
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Bei der
Prüfung des Rechts auf Befreiung einer solchen Lieferung von
der Mehrwertsteuer muss das vorlegende Gericht die Tatsache, dass
der Steuerpflichtige zunächst bewusst das Vorliegen einer
innergemeinschaftlichen Lieferung verschleiert hat, nur dann
berücksichtigen, wenn eine Gefährdung des
Steueraufkommens besteht und diese vom Steuerpflichtigen nicht
vollständig beseitigt worden ist.“
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1994 vom 12.2.1998
dahin gehend zu ändern, dass Umsätze in Höhe von
1.018.200 DM als steuerfrei behandelt werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Es sieht davon
ab, sich zu dem EuGH-Urteil zu äußern.
Beide Beteiligten
haben auf eine mündliche Verhandlung
verzichtet.
II. Die
Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die streitigen Lieferungen sind entgegen der
Auffassung des FG steuerfrei.
1. Eine - gemäß § 4 Nr. 1
Buchst. b UStG steuerfreie - innergemeinschaftliche Lieferung liegt
nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die
folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
1.
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Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den
Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet
befördert oder versendet;
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2.
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der Abnehmer ist
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a)
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ein Unternehmer, der den Gegenstand der
Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
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b)
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eine juristische Person, die nicht Unternehmer
ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr
Unternehmen erworben hat, oder
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c)
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bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch
jeder andere Erwerber
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und
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3.
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der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung
unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den
Vorschriften der Umsatzbesteuerung.
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a) Diese Vorschrift steht im Einklang mit der
gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe des Art. 28c Teil A Buchst. a
Unterabs. 1 der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG). Danach befreien die Mitgliedstaaten u.a. die
Lieferungen, die durch den Erwerber nach Orten außerhalb des
Inlandes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder
befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen
Steuerpflichtigen bewirkt werden, der als solcher in einem anderen
Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versandes oder der
Beförderung des Gegenstandes handelt.
Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die
innergemeinschaftliche Lieferung - in Übereinstimmung mit den
nationalen Grundsätzen - neben den Anforderungen an den
Abnehmer voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer
über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber
übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat
in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist
(EuGH-Urteile vom 27.9.2007 Rs. C-409/04, Teleos u.a., UR 2007, 774
= SIS 08 00 38 Randnrn. 42, 70; vom 27.9.2007 Rs. C-184/05, Twoh,
UR 2007, 782 = SIS 08 00 32 Randnr. 23). Hingegen ist nicht
erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb
tatsächlich besteuert worden ist (EuGH-Urteil Teleos u.a. in
UR 2007, 774 = SIS 08 00 38 Randnrn. 69 ff.).
b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG
müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom
Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen
(BMF) kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung
bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat
(§ 6a Abs. 3 Satz 2 UStG).
Dazu ist in § 17a Abs. 1 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 (UStDV) geregelt
worden, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der
Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege
nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der
Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert
oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und
leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).
Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1
UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer
im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der
Steuerbefreiung einschließlich
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers
buchmäßig nachweisen muss; die Voraussetzungen
müssen gemäß § 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV
„eindeutig und leicht nachprüfbar aus der
Buchführung zu ersehen“ sein (sog.
Buchnachweis).
c) Zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen
Lieferung hat der EuGH ausgeführt:
„Hinsichtlich der Nachweise, die die
Steuerpflichtigen für eine Mehrwertsteuerbefreiung zu
führen haben, ist festzustellen, dass die Sechste Richtlinie
keine Vorschrift enthält, die sich unmittelbar mit dieser
Frage befasst. Sie bestimmt lediglich in Art. 28c Teil A erster
Halbsatz, dass die Mitgliedstaaten die Bedingungen für die
Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von Gegenständen
festlegen“ (EuGH-Urteil Collée in UR 2007, 813 =
SIS 08 00 30 Randnr. 24, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256, BFH/NV
Beilage 2008, 34).
„Art. 22 der Sechsten Richtlinie
regelt zwar bestimmte formelle Pflichten der Steuerschuldner in
Bezug auf Aufzeichnungen, Rechnungen, Steuererklärungen und
die der Finanzverwaltung vorzulegende Aufstellung. Nach Abs. 8
dieses Artikels können die Mitgliedstaaten jedoch weitere
Pflichten vorsehen, die sie als erforderlich erachten, um eine
genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und
Steuerhinterziehungen zu verhindern ...
Aus der ständigen Rechtsprechung
ergibt sich, dass die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten nach
Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie erlassen dürfen, um
eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und
Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das
hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieser Ziele
erforderlich ist ... Sie dürfen daher nicht so eingesetzt
werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage
stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige
Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems
ist“ (EuGH-Urteil Collée in UR 2007, 813 = SIS 08 00 30 Randnrn. 25, 26, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256, BFH/NV
Beilage 2008, 34).
Der Grundsatz der Neutralität erfordert
es, dass „die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird,
wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn
der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht
genügt hat. Anders verhielte es sich nur, wenn der
Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren
Nachweis verhinderte, dass die materiellen Anforderungen
erfüllt wurden“ (EuGH-Urteil Collée in UR
2007, 813 = SIS 08 00 30 Randnr. 31, IStR 2007, 747, HFR 2007,
1256).
„Bei der Ausübung ihrer
Befugnisse müssen die Mitgliedstaaten ... die allgemeinen
Rechtsgrundsätze beachten, zu denen u. a. die Grundsätze
der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit
gehören“ (EuGH-Urteil Twoh in UR 2007, 782 = SIS 08 00 32 Randnr. 25).
d) Hieraus ergibt sich, dass die Verpflichtung
des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen
einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der
§§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, mit dem
Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. bereits Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.7.2002 V R 3/02, BFHE 199, 80,
BStBl II 2003, 616 = SIS 02 93 30, unter II. 2. b; vom 1.2.2007 V R
41/04, BFH/NV 2007, 1059 = SIS 07 61 27, unter II. 2. b).
Die Nachweispflichten sind aber keine
materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als
innergemeinschaftliche Lieferung. Soweit die bisherige
Rechtsprechung (BFH-Beschlüsse vom 2.4.1997 V B 159/96, BFH/NV
1997, 629 = SIS 97 17 57; vom 5.2.2004 V B 180/03, BFH/NV 2004, 988
= SIS 04 23 23; BFH-Urteil vom 30.3.2006 V R 47/03, BFHE 213, 148,
BStBl II 2006, 634 = SIS 06 24 58, unter II. 2. a) von anderen
Grundsätzen ausgegangen ist, hält der Senat angesichts
der dargelegten neueren Rechtsprechung des EuGH daran nicht mehr
fest.
Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und
§§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und
wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat.
Daraus folgt: Kommt der Unternehmer seinen
Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon
auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen
Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas
anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der
Nichterfüllung der - formellen - Nachweispflichten aufgrund
der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des
§ 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu
gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3
UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte.
2. Danach sind die streitigen Lieferungen auch
ohne rechtzeitig erbrachten Buchnachweis steuerfrei.
a) Wie dargelegt, hat der EuGH im vorliegenden
Verfahren durch Urteil vom 27.9.2007 entschieden, dass Art. 28c
Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinn
auszulegen ist, dass er der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats
verwehrt, die Befreiung einer tatsächlich ausgeführten
innergemeinschaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer allein mit
der Begründung zu versagen, der Nachweis einer solchen
Lieferung sei nicht rechtzeitig erbracht worden, wie dies im
Streitfall geschehen ist.
b) Soweit der EuGH in diesem Urteil ferner
entschieden hat, bei der Prüfung des Rechts auf Befreiung
einer solchen Lieferung von der Mehrwertsteuer müsse das
vorlegende Gericht die Tatsache, dass der Steuerpflichtige
zunächst bewusst das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen
Lieferung verschleiert hat, nur dann berücksichtigen, wenn
eine Gefährdung des Steueraufkommens bestehe und diese vom
Steuerpflichtigen nicht vollständig beseitigt worden sei,
liegt eine solche Gefährdung im Streitfall nicht vor.
Dazu hat der EuGH festgestellt, dass die
Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf eine innergemeinschaftliche
Lieferung, die zunächst zu Unrecht als im Inland
ausgeführte Lieferung qualifiziert wurde, die
grundsätzlich zu einer Erhebung von Mehrwertsteuer
geführt hätte, nicht als eine Gefährdung des
Steueraufkommens angesehen werden kann, weil solche Einnahmen dem
Mitgliedstaat zustehen, in dem der Endverbrauch erfolgt (Randnr.
37). Überdies trat im Streitfall jedenfalls deshalb keine
Gefährdung des Steueraufkommens auf, weil das FA dem S den
Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der GmbH an S über die
fingierten Kfz-Lieferungen an ihn (von vornherein) versagte und
zudem der Kläger die unrichtigen Rechnungen an S mit
Gutschriften vom 22.11.1999 ihm gegenüber als
„gegenstandslos“ bezeichnet hat, also den
Rechnungsinhalt widerrufen hat.
Der EuGH hat ferner ausgeführt, in einem
Fall wie dem des Ausgangsverfahrens könne die Einschaltung
eines Zwischenhändlers, um einen Provisionsanspruch zu
erlangen, nicht mit einer Steuerhinterziehung oder einer
missbräuchlichen Anwendung der gemeinschaftlichen Regeln
gleichgesetzt werden, wenn feststehe, dass der betreffende Umsatz
nicht zur Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils
getätigt wurde (Randnr. 39).
3. Die Berechnung der Umsatzsteuer wird
gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO
dem FA übertragen, weil das FA in dem ersten
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1994 vom 27.6.1996
Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG festgesetzt hat, die es
(erst) nach Erlass des im vorliegenden Verfahren angefochtenen
zweiten Umsatzsteuer-Änderungsbescheids vom 12.2.1998 erlassen
hat.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.