Rechnung, Angabe des Lieferzeitpunkts: In einer Rechnung ist der Zeitpunkt der Lieferung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG 2005) außer in den Fällen des § 14 Abs. 5 Satz 1 UStG 2005 auch dann zwingend anzugeben, wenn er mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch ist. - Urt.; BFH 17.12.2008, XI R 62/07; SIS 09 07 00
I. Die Beteiligten streiten um die
Berechtigung zum Vorsteuerabzug.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Fleischerei.
Sie reichte am 10.1.2006 eine Umsatzsteuervoranmeldung für
November 2005 ein. In dieser waren Vorsteuern in Höhe von
4.636,46 EUR aus einer Rechnung der Firma X vom 30.11.2005
über netto 28.977,90 EUR enthalten. Die Rechnung betrifft die
Lieferung einer Kochstrecke inklusive Montage.
Auf der Rechnung ist als Auftragsdatum der
15.11.2005 und als Ausstellungsdatum der 30.11.2005 vermerkt. Eine
Angabe des Lieferdatums oder einen Hinweis auf einen Lieferschein
enthält die Rechnung nicht. Im Rahmen des
Festsetzungsverfahrens legte die Klägerin einen Lieferschein
über die Lieferung der Kochstrecke vor. Dieser enthält
mit den Rechnungsangaben übereinstimmende Angaben hinsichtlich
Auftragsdatum und Auftragsnummer. Ferner ergibt sich aus dem
Lieferschein, dass er am 28.11.2005 ausgestellt worden ist. Angaben
zum Lieferzeitpunkt enthält der Lieferschein nicht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) versagte den Vorsteuerabzug aus der Rechnung und
setzte mit Bescheid vom 7.2.2006 die Umsatzsteuervorauszahlung
für November 2005 auf ./. 1.943,01 EUR fest. Dagegen legte die
Klägerin Einspruch mit der Begründung ein, dass das
Lieferdatum zwischen Auftragserteilung und Rechnungsstellung liegen
müsse. Während des Klageverfahrens setzte das FA die
Umsatzsteuer 2005 mit Bescheid vom 22.8.2006 auf 40.439,60 EUR
fest, wobei es den umstrittenen Vorsteuerbetrag nicht
berücksichtigte.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil
ist abgedruckt in EFG 2007, 1998 = SIS 07 30 59.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt
hierzu im Wesentlichen vor, nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut
von § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 des Umsatzsteuergesetzes 2005
(UStG) müsse in der Rechnung das Lieferdatum nur dann
angegeben werden, wenn es nicht mit dem Ausstellungsdatum der
Rechnung übereinstimme. Die Auffassung des Finanzgerichts
(FG), aus Kontrollgründen müsse das Lieferdatum stets
angegeben werden, sei vom Wortlaut des Gesetzes nicht gedeckt. Der
Zweck der Regelung bestehe ausschließlich darin, dass der
zutreffende Voranmeldungszeitraum aus der Rechnung ersichtlich sein
solle. Daher müsse das Ausstellungsdatum der Rechnung nicht
taggenau mit dem Leistungsdatum übereinstimmen.
Auch der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) habe in seiner Entscheidung vom 21.4.2005 Rs.
C-25/03 - HE - (Slg. 2005, I-3123 = SIS 05 19 06) dem
Neutralitätsprinzip und damit der wirtschaftlichen
Betrachtungsweise den Vorzug vor einer wörtlichen Auslegung
des Gesetzes gegeben, indem der Vorsteuerabzug eines
Gemeinschafters zugelassen worden sei, obwohl eine den gesetzlichen
Anforderungen entsprechende Rechnung nicht vorgelegen habe.
Die Klägerin meint ferner
sinngemäß, die Angabe eines vom Rechnungsdatum
abweichenden Lieferdatums sei nur dann erforderlich, wenn sich
daraus steuerliche Folgen ergäben. Sofern dies nicht der Fall
sei, verstoße es gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Angabe des
Lieferdatums dennoch zu verlangen. Die Klägerin verweist
hierzu auf das EuGH-Urteil vom 11.5.2006 Rs. C-384/04 - Federation
of Technological Industries - (Slg. 2006, I-4191 = SIS 06 24 65).
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den
Bescheid über die Umsatzsteuer 2005 vom 22.8.2006 dahingehend
zu ändern, dass zusätzliche Umsatzsteuer als abziehbare
Vorsteuer in Höhe von 4.636,46 EUR berücksichtigt
wird.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass der Vorsteuerabzug zu versagen ist, weil die Rechnung das
Lieferdatum nicht enthält.
1. a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz
1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer
für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen
Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind,
als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt
nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der
Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte
Rechnung besitzt.
b) Eine nach § 14 UStG ausgestellte
Rechnung liegt vor, wenn diese die nach § 14 Abs. 4 UStG
erforderlichen Pflichtangaben enthält.
Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG muss
eine Rechnung folgende Angabe enthalten: „... den
Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung oder der
Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts in den
Fällen des Absatzes 5 Satz 1, sofern dieser Zeitpunkt
feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung
identisch ist“.
aa) Dieser Wortlaut ist insofern nicht
eindeutig, als es danach auch möglich erscheint, dass die
Angabe des Zeitpunkts der Leistung entbehrlich ist, sofern dieser
mit dem Rechnungsdatum übereinstimmt. Dass das Leistungsdatum
auch in diesem Fall zwingend anzugeben ist, ergibt sich jedoch
sowohl aus einer richtlinienkonformen Auslegung als auch aus dem
Zweck des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG.
bb) § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG hat
seine gemeinschaftsrechtliche Grundlage in Art. 22 Abs. 3 Buchst. b
Unterabs. 1 7. Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG
des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie
77/388/EWG) in der im Streitjahr geltenden Fassung. Danach muss
eine Rechnung für Mehrwertsteuerzwecke u.a. folgende Angabe
enthalten: „... das Datum, an dem die Lieferung der
Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt bzw. abgeschlossen
wird, oder das Datum, an dem die Vorauszahlung nach Buchstabe a)
Unterabsatz 2 geleistet wird, sofern dieses Datum feststeht und
nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch
ist“. Diese Bestimmung unterscheidet nach ihrem Wortlaut
zwischen dem Leistungsdatum und dem Datum einer An- oder
Vorauszahlung. Der letzte Halbsatz dieser Norm („sofern
dieses Datum feststeht ...“) bezieht sich dabei nur auf
die zweite Alternative, also auf das Datum einer An- bzw.
Vorauszahlung. Andernfalls hätte der Richtliniengeber
formuliert: „sofern diese Daten feststehen
...“.
cc) Auch aus dem Zweck des § 14 Abs. 4
Satz 1 Nr. 6 UStG folgt, dass das Leistungsdatum grundsätzlich
anzugeben ist.
Die Pflichtangaben in § 14 Abs. 4 Satz 1
Nr. 1 bis 9 UStG und damit auch die Angabe des Leistungsdatums nach
§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG verfolgen das Ziel, die Erhebung
der Umsatzsteuer und ihre Überprüfung sicherzustellen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
müssen die Rechnungsangaben daher eine eindeutige und leicht
nachprüfbare Feststellung der Voraussetzungen für den
Vorsteuerabzug ermöglichen (vgl. BFH-Urteil vom 6.12.2007 V R
61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695 = SIS 08 16 95, unter
II.3.b, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 6.4.2006 V B 22/06, HFR 2006,
1023 = SIS 06 34 72, unter II.2.a). Sofern eine Rechnung kein
Leistungsdatum enthält, ist für die Finanzverwaltung
nicht ersichtlich, wann die hiermit zusammenhängende
Umsatzsteuer und der damit korrespondierende Anspruch auf
Vorsteuerabzug entstanden ist. Wäre ein Leistungsdatum -
entsprechend der Auffassung der Klägerin - bei identischem
Leistungs- und Rechnungsdatum entbehrlich, bestünde für
die Finanzverwaltung bei einer Rechnung ohne Leistungsdatum stets
die Ungewissheit, ob das Leistungsdatum mit dem Rechnungsdatum
übereinstimmt oder Ersteres aus anderen Gründen fehlt.
Eine leichte und einfache Erkennbarkeit des zutreffenden
Voranmeldungszeitraums wäre mit einem derartigen
Verständnis von § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG nicht zu
vereinbaren.
Vor dem Hintergrund dieses Normzwecks
erschließt sich auch, weshalb der Gesetzgeber auf die Angabe
eines Datums nur in den eng begrenzten Ausnahmefällen der
Voraus- und Anzahlungsrechnungen verzichten wollte. Bei diesen ist
dem leistenden Unternehmer nämlich die Angabe des Datums der
Zahlung regelmäßig nicht möglich, da hier der
Leistungsempfänger grundsätzlich erst nach oder
gleichzeitig mit der Rechnungsstellung zahlt. Hingegen erfolgt bei
allen übrigen Sachverhalten die Rechnungsstellung in der Regel
nach Leistungserbringung, so dass die Angabe des Leistungsdatums
dem Unternehmer grundsätzlich auch keine Schwierigkeiten
bereitet.
Dieses Normverständnis wird auch
bestätigt durch die Neufassung des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr.
6 UStG durch Art. 7 Nr. 7 des Jahressteuergesetzes 2007 vom
13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878). Danach muss die Rechnung enthalten:
„... den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung;
in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der
Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern
der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem
Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt“. Nach
der Gesetzesbegründung handelt es sich hierbei nur um eine
redaktionelle Änderung (vgl. BTDrucks 16/2712, S. 76).
2. Im Streitfall enthält die Rechnung
keine Angabe des Leistungszeitpunkts und berechtigt daher nicht zum
Vorsteuerabzug. Zwar hat die Klägerin einen Lieferschein
vorgelegt, der die gleiche Auftragsnummer und das gleiche
Auftragsdatum wie die Rechnung aufweist. Jedoch ergibt sich auch
daraus nicht der Leistungszeitpunkt. Dem Lieferschein ist lediglich
ein Ausstellungsdatum zu entnehmen. Das Ausstellungsdatum eines
Lieferscheins ist aber nicht zwingend identisch mit dem
Leistungsdatum. In der Praxis wird der Lieferschein nämlich
regelmäßig vor der tatsächlichen Warenauslieferung
erstellt.
Da der Lieferschein das Leistungsdatum nicht
enthält, ist auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage
nicht entscheidungserheblich, ob § 31 Abs. 1 Satz 2 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 2005 insofern von der
Ermächtigung in § 14 Abs. 6 UStG gedeckt ist, als danach
in einem Dokument alle anderen Dokumente bezeichnet sein
müssen, aus denen sich die Pflichtangaben nach § 14 Abs.
4 UStG ergeben.
3. Es verstößt, entgegen der
Auffassung der Klägerin, auch nicht gegen den
europarechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz,
dass der Leistungszeitpunkt in einer Rechnung anzugeben ist.
Der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit gehört nach ständiger
Rechtsprechung des EuGH zu den allgemeinen Grundsätzen des
Gemeinschaftsrechts. Hierbei ist zu prüfen, ob eine Regelung
zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten konkreten Ziels
erforderlich und geeignet ist und die Ziele und Grundsätze der
Richtlinie 77/388/EWG nicht mehr als erforderlich
beeinträchtigt (vgl. EuGH-Urteile vom 19.9.2000 Rs. C-177/99
und C-181/99 - Ampafrance und Sanofi -, Slg. 2000, I-7013 = SIS 00 12 79, Randnrn. 42 f., und vom 21.2.2008 Rs. C-271/06 - Netto
Supermarkt -, HFR 2008, 408 = SIS 08 16 63, Randnrn. 18 f.).
Die zwingende Angabe des Leistungszeitpunkts
ist aufgrund der oben aufgeführten Gründe erforderlich
und geeignet, die korrekte Erhebung der Umsatzsteuer
sicherzustellen. Sie beeinträchtigt die Interessen des
Leistungsempfängers schon deshalb nicht mehr als erforderlich,
weil dieser, wenn er eine Rechnung ohne Angabe des
Leistungszeitpunkts erhält, vom leistenden Unternehmer eine
korrigierte, den Anforderungen des § 14 UStG entsprechende
Rechnung verlangen kann.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht
aus der von der Klägerin zitierten EuGH-Rechtsprechung,
insbesondere nicht aus dem Urteil in Slg. 2005, I-3123 = SIS 05 19 06. Der EuGH hat in diesem Fall den Vorsteuerabzug zugelassen,
obwohl die Rechnung den Leistungsempfänger nicht korrekt
bezeichnete. Die Angabe des Leistungsempfängers gehörte
damals jedoch nicht zu den gemeinschaftsrechtlich zwingend
vorgeschriebenen Pflichtangaben. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UStG
in der damals geltenden Fassung beruhte vielmehr auf einer
Maßnahme nach Art. 22 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie
77/388/EWG in der Fassung der Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom
16.12.1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems
und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die
Beseitigung der Steuergrenzen. Im Streitfall hingegen hat § 14
Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG seine Grundlage in zwingend anzuwendendem
Gemeinschaftsrecht.