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Verfassungsmäßigkeit der sog. Mindestbesteuerung bei Definitiveffekten

Verfassungsmäßigkeit der sog. Mindestbesteuerung bei Definitiveffekten: Es wird eine Entscheidung des BVerfG eingeholt, ob § 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003 (BGBl 2003 I, 2840, BStBl 2004 I S. 14) und ob § 10 a Satz 2 GewStG 2002 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23.12.2003 (BGBl 2003 I, 2922, BStBl 2004 I S. 20) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. - Urt.; BFH 26.2.2014, I R 59/12; SIS 14 22 37

Kapitel:
Unternehmensbereich > Körperschaftsteuer
Fundstellen
  1. BFH 26.02.2014, I R 59/12
    BStBl 2014 II S. 1016
    DStR 2014 S. 1761

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 14.11.2014
    JS in DStZ 29/2014 S. 659
    B.H. in DB 50/2014 S. M 5
Normen
[BVerfGG] § 80
[GG] Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1
[GewStG 2002] § 10 a Satz 2
[EStG 2002] § 10 d Abs. 2 Satz 1
[KStG 2002] § 8 Abs. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Berlin-Brandenburg, 18.04.2012, SIS 12 28 63, Verlustvortrag, Verfassung, Mindestbesteuerung, Hinzurechnung, Gewerbesteuer, Gewerbeverlust
  • nach: 2 BvL 19/14 (BVerfG), Mindestbesteuerung, Verlustabzug, Definitiveffekt, Objektives Nettoprinzip
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 7.6.2024, SIS 24 10 44, Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte: Bei der im Aussetzungsverfa...
  • FG Baden-Württemberg 29.4.2024, SIS 24 10 58, Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte durch § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in der Fassung des Jahr...
  • BFH 25.4.2024, SIS 24 13 88, Keine Relevanz der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft für die Feststellung eines im Wege...
  • FG München 15.2.2024, SIS 24 14 91, Trennung von Verfahren, gewerbesteuerliche Organschaft, Ansatz eines laufenden Verlustanteils einer Organ...
  • BFH 1.2.2024, SIS 24 04 86, Einbringungsbedingter Übergang des Gewerbeverlustes von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesell...
  • BFH 12.4.2023, SIS 23 10 79, Zum sachlichen Anwendungsbereich des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG: 1. Das Verlustverrechnungsverbot bei steue...
  • FG Köln 9.3.2023, SIS 24 05 90, Höhe des ausgleichsfähigen Verlustes eines Kommanditisten bei nachträglicher Einlage: 1. Nachträgliche Ei...
  • FG Düsseldorf 21.6.2022, SIS 22 14 71, Anteilsveräußerung, Zuordnung des im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die Kapitalrücklage eingezahlten Auf...
  • FG Mecklenburg-Vorpommern 25.1.2022, SIS 22 09 11, Steuerstundungsmodell: 1. In den Anwendungsbereich des § 15 b EStG fallen alle Objekte, die auf der Basis...
  • BFH 16.12.2021, SIS 22 02 84, Insolvenzverwaltervergütung keine außergewöhnliche Belastung, Bekanntgabeadressat bei angeordneter Nachtr...
  • FG Baden-Württemberg 12.11.2021, SIS 23 12 23, Keine sachliche Unbilligkeit bei Ausschluss der Verrechnung von Verlusten aus Aktienveräußerungen mit Sti...
  • BFH 3.9.2021, SIS 21 16 90, Vorrangige Berücksichtigung des Verlustvortrags vor Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belast...
  • BFH 23.9.2020, SIS 21 01 14, Anforderungen an einen Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO bei Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung: 1. O...
  • FG Münster 4.5.2020, SIS 20 11 83, Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 8 b Abs. 3 KStG: 1. § 8 b Abs. 3 Satz 1 KStG ist mit dem Grundgesetz ...
  • FG Hamburg 20.2.2020, SIS 19 22 43, Verlustabzugsbeschränkung bei Steuerstundungsmodellen gem. § 15 b EStG: 1. Die Beschränkung des Verlustab...
  • FG Münster 22.5.2019, SIS 19 10 59, Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung des Verlustvortrags nach § 10 a Satz 2 GewStG: 1. An der Begrenzung d...
  • BFH 17.1.2019, SIS 19 06 70, Übergang eines Gewerbeverlustes von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft: Überträgt ei...
  • FG Düsseldorf 18.9.2018, SIS 18 18 34, Mindestbesteuerung bei Insolvenz, Berücksichtigung der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 10 d Abs. 2 ...
  • FG Münster 13.9.2018, SIS 18 18 43, Gesellschafterforderung, Rangrücktritt, Passivierungsverbot, Tilgung auch aus freiem Vermögen: 1. Die von...
  • BFH 11.7.2018, SIS 18 14 48, Keine Billigkeitsmaßnahme wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit der Mindestbesteuerung: 1. Eine für den...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 28.2.2018, SIS 18 05 86, Kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz hinsichtlich § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a.F. (keine Verre...
  • Niedersächsisches FG 25.1.2018, SIS 18 06 07, Kapitalverkehrsfreiheit, Rückwirkende Hinzurechnung von Dividenden aus Auslandsbeteiligungen nach § 8 Nr....
  • BFH 23.8.2017, SIS 17 22 41, Organschaft, keine sachliche Unbilligkeit bei verzögerter Registereintragung: Wird eine körperschaftsteue...
  • BFH 4.5.2017, SIS 17 16 18, Unternehmensidentität bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft: 1. Auch bei einer gewerblich g...
  • FG Berlin-Brandenburg 14.3.2017, SIS 17 09 19, Anwendung der Spartenrechnung bei Altverlusten aus dauerdefizitärem Betrieb einer Eigengesellschaft: 1. §...
  • BFH 21.12.2016, SIS 17 10 50, Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995, keine sachliche Unbilligkeit trotz fehlenden Verlustvo...
  • BFH 6.12.2016, SIS 16 28 02, Übergangsregelung zur Verrechnung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien, Verfassun...
  • BFH 21.9.2016, SIS 17 01 72, Abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen, Mindestbesteuerung: Es besteht keine Ermessensreduzierung...
  • FG Köln 16.6.2016, SIS 16 22 36, Abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO: 1. Die Finanzbehörden dürfen für die...
  • FG München 11.4.2016, SIS 16 15 68, Veräußerung von durch Schenkungsvertrag erworbenen GmbH-Anteilen: 1. Bei der Veräußerung von GmbH-Anteile...
  • OFD Frankfurt 30.3.2016, SIS 16 09 07, Mindestgewinnbesteuerung: In dem Verfahren I R 59/12 hat der Bundesfinanzhof dem Bundesverfassungsgericht...
  • FG Münster 13.1.2016, SIS 16 08 12, Keine Überprüfbarkeit der Verfassungsmäßigkeit des § 8 b Abs. 3 KStG durch das FG: 1. § 8 b Abs. 3 KStG i...
  • FG Berlin-Brandenburg 8.12.2015, SIS 16 03 79, Zu den nicht ausgleichsfähigen Einkünften aus einem Steuerstundungsmodell gehören auch nach dem ursprüngl...
  • BFH 14.10.2015, SIS 16 01 39, Verfassungsmäßigkeit der sog. Zinsschranke: Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § ...
  • BFH 28.5.2015, SIS 15 16 59, Vertikale Verlustausgleichsbeschränkung bei Verlusten aus Wertpapiergeschäften: Die Streckung der Nutzung...
  • BVerwG 19.2.2015, SIS 15 13 92, Kein Billigkeitserlass wegen Folgen der Mindestbesteuerung nach § 10 a GewStG: 1. Der Revisionskläger kan...
  • OFD Frankfurt 1.12.2014, SIS 15 08 85, Mindestgewinnbesteuerung: Im Revisionsverfahren I R 59/12 hat der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 26.2....
  • FG Mecklenburg-Vorpommern 29.10.2014, SIS 15 02 64, Abzugsverbot des § 8 b Abs. 3 Satz 3 KStG greift auch bei Teilwertabschreibungen bei Insolvenz der Beteil...
  • FG Düsseldorf 2.9.2014, SIS 15 07 60, Gebot der Besteuerung nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit: Lösen eine Teilwertabschreibung und der nach §...
  • BFH 26.2.2014, SIS 14 24 49, Bilanzierung einer Forderung: 1. Rechtskräftige Urteile, die dem Gläubiger eine bis dahin bestrittene For...
Fachaufsätze
  • LIT 04 28 61 B. J. Fehn/K. Fehn, Stbg 6/2021 S. 239: Die Verfassungswidrigkeit der Definitivbesteuerung - Lit.; B. J. Fehn/K. Fehn, Stbg 6/2021 S. 239; KStG §...
  • LIT 03 00 25 B. Heuermann, DB 50 /2014 S. M5: Was ist eigentlich ein "qualifizierter Fiskalzweck"? - BFH vom 18.12.2013, I B 85/13 = SIS 14 10 54, und ...
  • LIT 03 00 76 D. Hallerbach, FR 22/2014 S. 1040: Verfassungsmäßigkeit der sog. Mindestbesteuerung bei Definitiveffekten - Kommentar zum BFH-Vorlagebeschlu...
  • LIT 02 98 38 M. Ernst, BB 42/2014 S. 2536: Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung bei Definitiveffekten - BB-Kommentar zum BFH-Beschluss vom 26...
Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

 

1

A. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Insolvenzverwalter in dem am 28.7.2005 eröffneten und am 19.11.2012 nach vollzogener Schlussverteilung aufgehobenen Insolvenzverfahren über das Vermögen der B-GmbH. Unternehmensgegenstand der 1992 errichteten B-GmbH war die Erbringung von Dienstleistungen aller Art im Zusammenhang mit der Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme einschließlich des An- und Verkaufs von bebauten und unbebauten Grundstücken, der Erarbeitung von wirtschaftlichen Nutzungskonzepten für Entwicklungsgebiete sowie deren Umsetzung und die Übernahme der wirtschaftlichen Betreuung von Entwicklungs- und Erschließungsmaßnahmen.

 

 

2

Die B-GmbH schloss am 16.10.1992 (mit einem Nachtrag vom 1.1.1998) eine Kooperationsvereinbarung mit der D-GmbH, die vom Land X mit der Durchführung der vorstehend genannten städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme betraut worden war. Die B-GmbH sollte die für die Aufgaben der D-GmbH erforderlichen Grundstücke soweit wie möglich auf eigene Rechnung erwerben. Die Planung ging dahin, dass sich die Gesamtkosten der Entwicklungsmaßnahme einschließlich der der B-GmbH zustehenden Vergütung aus der Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreis der Grundstücke sowie eventuellen Erlösen aus der Grundstücksbewirtschaftung decken lassen würden. Im Übrigen sollte die B-GmbH die Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreis bei den Grundstücksgeschäften unter Abzug der ihr entstandenen Kosten an die D-GmbH abführen. In der Folgezeit kam es zu langwierigen Auseinandersetzungen und Rechtsstreitigkeiten zwischen der B-GmbH und der D-GmbH, die im Ergebnis mit einer „Vereinbarung über die Abgeltung von Ansprüchen“ endeten. Die D-GmbH hat danach „unter Mithaftung des Landes X“ an den Kläger denjenigen Betrag zu zahlen, der der Summe aller im Insolvenzverfahren über das Vermögen der B-GmbH zu berücksichtigenden Masseverbindlichkeiten (Massekosten und sonstige Masseverbindlichkeiten) und Insolvenzforderungen entspricht. Dies folge daraus, dass die B-GmbH zu keinem Zeitpunkt andere wirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt habe und keine anderen Verbindlichkeiten eingegangen sei als solche, die der Erfüllung der in der Kooperationsvereinbarung niedergelegten Aufgaben dienten. Im Zuge der Auseinandersetzungen hatte die B-GmbH eine von ihr (aktivierte) Ausgleichsforderung gegenüber der D-GmbH in Höhe von 44.187.069 EUR zunächst - im Jahresabschluss zum 31.12.2004 - wertberichtigt und vollständig abgeschrieben. Daraus errechnete sich ein Jahresfehlbetrag von 46.618.630 EUR. Im Jahresabschluss zum 31.12.2006 wurde diese Abschreibung infolge Wertaufholung rückgängig gemacht, wodurch sich zum 31.12.2006 ein Jahresüberschuss von 74.691.354 EUR ergab.

 

 

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) setzte die Körperschaftsteuer 2008 auf Basis des hiernach ermittelten Gesamtbetrags der Einkünfte von 78.162.546 EUR nach Maßgabe von § 11 Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) für den Abwicklungszeitraum vom 28.7.2005 bis zum 31.7.2008 erklärungsgemäß fest. Die aufgelaufenen Verluste in Höhe von 72.353.821 EUR berücksichtigte er dabei unter Anwendung von § 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 10d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003 (BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) - EStG 2002 n.F. - nur in Höhe von 47.297.528 EUR. Den nach Maßgabe von § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes in der in den Streitjahren anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23.12.2003 (BGBl I 2003, 2922, BStBl I 2004, 20) - GewStG 2002 n.F. - ermittelten Gewerbeertrag verteilte das FA nach § 16 Abs. 1 und 2 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung 2002 zeitanteilig auf den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 30.7.2008. Es berücksichtigte also in 2006 und in 2007 jeweils 26.054.182 EUR und in 2008 15.198.272 EUR, erhöht um die hälftige Hinzurechnung sog. Dauerschuldentgelte gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 2002 a.F. (in Höhe von 6.005.861 EUR in 2006, von 5.560.866 EUR in 2007 und von 3.243.500 EUR in 2008) und setzte die Gewerbesteuermessbeträge 2006 bis 2008 entsprechend fest. Die aus den Steuerbescheiden resultierenden Forderungen wurden von der D-GmbH bezahlt.

 

 

4

Die (u.a.) dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Sie wurde vom Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg durch Urteil vom 18.4.2012 12 K 12179/09, 12 K 12177/10 abgewiesen; das Urteil ist in DStRE 2013, 413 abgedruckt.

 

 

5

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Gewerbesteuermessbescheide 2006 bis 2008 und den Körperschaftsteuerbescheid 2008 dahingehend abzuändern, dass die Gewerbesteuermessbeträge jeweils auf 0 EUR und die Körperschaftsteuer ebenfalls auf 0 EUR festgesetzt werden.

 

 

6

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

7

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ); es hat sich, ohne einen Antrag zu stellen, in der Sache dem FA angeschlossen.

 

 

8

B. Die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sind gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht geboten. Der Senat ist zwar der Ansicht, dass die sog. Mindestbesteuerung nach § 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. und nach § 10a Satz 2 GewStG 2002 n.F. in ihrer Grundkonzeption der zeitlichen Streckung von Verlustvorträgen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Er ist aber davon überzeugt, dass die Regelungen wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig sind, soweit sie durch den Ausschluss eines Verlustausgleichs den Kernbereich einer Nettoertragsbesteuerung verletzen.

 

 

9

I. Zulässigkeit der Revision

 

Die Revision ist zulässig. Der Kläger ist zur Prozessführung befugt; es handelt sich um einen sog. Aktivprozess, den der Kläger mit Blick auf eine mögliche Nachtragsverteilung (§ 203 Abs. 1 der Insolvenzordnung - InsO - ) für die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöste GmbH auch nach einer Schlussverteilung (§ 196 InsO) und der sich daran anschließenden Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 Abs. 1 InsO) fortführen kann. Der Senat verweist insoweit auf die Gründe seines Urteils vom heutigen Tage in der (abgetrennten) Sache I R 12/14.

 

 

10

II. Anwendung der sog. Mindestbesteuerung im Streitfall

 

Die Revision ist aber nach der Maßgabe einfachen Rechts nicht begründet und wäre daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

 

 

11

1. Zum einen hat das FA bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer 2008 (Abwicklungszeitraum 28.7.2005 bis 31.7.2008) sowie der Gewerbesteuermessbeträge 2006 bis 2008 ohne Rechtsfehler berücksichtigt, dass die Einbuchung einer Forderung der B-GmbH gegen die D-GmbH erfolgswirksam und nicht als ergebnisneutrale Berichtigung eines früheren Bilanzierungsfehlers in der ersten noch offenen Schlussbilanz zu berücksichtigen ist. Im Einzelnen ergibt sich auch das aus dem Urteil des Senats vom heutigen Tage über das Revisionsverfahren I R 12/14, auf das insoweit verwiesen wird.

 

 

12

2. Zum anderen - und vor allem - hat das FA die gesetzlichen Regelungen der sog. Mindestbesteuerung (§ 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F., § 10a Satz 1 und 2 GewStG 2002 n.F.) ohne Rechtsfehler angewendet. Dies wird auch von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen.

 

 

13

a) Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz beseitigte der Gesetzgeber zwar die bestehenden Einschränkungen des innerperiodischen Verlustausgleichs im Rahmen von § 2 Abs. 3 EStG 2002. Er verschärfte aber die Beschränkung des überperiodischen Verlustabzugs nach § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F.: Verluste, die weder im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung noch im Wege des Verlustrücktrags ausgeglichen werden konnten, sind ab dem Veranlagungszeitraum 2004 (§ 52 Abs. 25 Satz 3 EStG 2002 n.F.) im Rahmen des Verlustvortrags nur noch begrenzt verrechnungsfähig. Gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. können sie nur noch bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. EUR unbeschränkt abgezogen werden. Darüber hinaus gehende negative Einkünfte aus früheren Veranlagungszeiträumen sind nur noch in Höhe von 60 % des 1 Mio. EUR übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte ausgleichsfähig. Im Ergebnis werden 40 % des positiven Gesamtbetrags der laufenden Einkünfte eines Veranlagungszeitraums unabhängig von etwaigen Verlusten in früheren Perioden der Besteuerung unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. EUR überschreiten.

 

 

14

b) Diese Neuerungen im Bereich der Einkommensteuer (sog. Mindestbesteuerung) sind auch bei der Veranlagung der B-GmbH zur Körperschaftsteuer im Streitjahr zu beachten (§ 8 Abs. 1 KStG 2002; § 11 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 und 6 KStG 2002), ebenso die eigenständige (aber in der Sache gleichlautende) Einschränkung des gewerbesteuerrechtlichen Verlustvortrags bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags der B-GmbH durch § 10a Satz 1 und 2 GewStG 2002 n.F. Dabei ist auch im mehrjährigen körperschaftsteuerrechtlichen Besteuerungszeitraum der Abwicklung einer Kapitalgesellschaft nach § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG 2002 (im Streitfall: 28.7.2005 bis 31.7.2008) der sog. Sockelbetrag der Mindestbesteuerung von 1 Mio. EUR nur einmal und nicht mehrfach - für jedes Kalenderjahr des verlängerten Besteuerungszeitraums - anzusetzen (Senatsurteil vom 23.1.2013 I R 35/12, BFHE 240, 140, BStBl II 2013, 508 = SIS 13 08 24).

 

 

15

III. Verfassungsrechtliche Beurteilung

 

Auf der Grundlage der vorstehenden Auslegungsergebnisse müsste der erkennende Senat, die Verfassungsmäßigkeit des § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. und des § 10a Satz 2 GewStG 2002 n.F. unterstellt, die Revision als unbegründet zurückweisen. Der Senat hält in diesem Zusammenhang auch daran fest, dass die sog. Mindestbesteuerung in ihrer Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags ungeachtet von dadurch ausgelösten Zins- und Liquiditätsnachteilen nicht gegen Verfassungsrecht verstößt, da insoweit die Abzugsfähigkeit von Verlusten nicht in ihrem Kernbereich betroffen oder gänzlich ausgeschlossen wird. Dieser Kernbereich wird nach Auffassung des Senats indessen durch § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. und § 10a Satz 2 GewStG 2002 n.F. dann verletzt, wenn ein sog. Definitiveffekt eintritt, d.h. wenn es zu einer vollständigen Beseitigung der Abzugsmöglichkeit oder zu einem Ausschluss des Verlustausgleichs kommt. Der Senat ist deswegen davon überzeugt, dass die Mindestbesteuerung in derartigen Situationen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

 

 

16

1. Die sog. Mindestbesteuerung in ihrer Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags verstößt ungeachtet von dadurch ausgelösten Zins- und Liquiditätsnachteilen nicht gegen Verfassungsrecht.

 

 

17

a) Die normative und systematische Grundlegung sowie die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG und des Bundesfinanzhofs (BFH) und die Auseinandersetzung im Schrifttum stellen sich für den streitigen Gesamtkomplex der Mindestbesteuerung wie folgt dar:

 

 

18

aa) Aus dem generellen verfassungsrechtlichen Maßstab des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) lässt sich für die direkten Steuern sowohl ein systemtragendes Prinzip ableiten - die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts - als auch das Gebot, dieses Prinzip bei der Ausgestaltung des einfachen Rechts folgerichtig umzusetzen (s. nur BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 = SIS 10 36 57, Rz 50 f., m.w.N.). Zur Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts bedarf es eines Ausgleichs zwischen den vom ihm erwirtschafteten besteuerbaren Einnahmen und den zur Erzielung dieser Einnahmen aufgewendeten Ausgaben. Das damit beschriebene („objektive“) Nettoprinzip ist jedenfalls einfachgesetzlich in § 2 Abs. 2 EStG 2002 angelegt (s. BVerfG-Beschluss vom 12.5.2009 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 = SIS 09 21 10, Rz 27 f.) und auf der Grundlage der Verweisung in § 8 Abs. 1 KStG 2002 auch im Bereich der Körperschaftsteuer anzuwenden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 224 = SIS 10 36 57, Rz 57 f.; s.a. Hey, DStR 2009, Beihefter zu Nr. 34, 109, 110; Heger, ebenda, S. 117, 118; Heuermann, FR 2012, 435, 436). Für die Gewerbesteuer gilt infolge der Verweisung in § 7 Satz 1 GewStG 2002 auf die Grundsätze der ertragsteuerrechtlichen Gewinnermittlung als Grundlage für die Ermittlung des Gewerbeertrags (vor Hinzurechnungen bzw. Kürzungen) nichts anderes (BFH-Beschluss vom 27.1.2006 VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150 = SIS 06 21 73, zu II.2.a bb; Hey, DStR 2009, Beihefter zu Nr. 34, 109, 115; Kube, DStR 2011, 1781, 1789; Desens, FR 2011, 745, 746; Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, 2010, S. 232; s.a. FG Hamburg, [Vorlage-]Beschluss vom 29.2.2012 1 K 138/10, EFG 2012, 960 = SIS 12 08 75, Rz 99, 101); allerdings hält das BFH-Urteil vom 20.9.2012 IV R 36/10 (BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51) unter Hinweis auf den „Charakter der Gewerbesteuer“ insoweit Einschränkungen für möglich.

 

 

19

bb) Das Periodizitätsprinzip des § 2 Abs. 7 Satz 1 und 2 EStG 2002 (bzw. des § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 KStG 2002, § 14 Satz 2 GewStG 2002) beschränkt das Nettoprinzip des § 2 Abs. 2 EStG 2002 nicht: Ein Abzug von Erwerbsaufwendungen ist auch dann zuzulassen, wenn die Erwerbsaufwendungen nicht im Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum des Zugangs der Erwerbseinnahmen anfallen (BVerfG-Beschlüsse vom 22.7.1991 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423; vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05). Dies kommt einfachgesetzlich in Regelungen zum sog. periodenübergreifenden Verlustausgleich zum Ausdruck (§ 10d EStG 2002, § 10a GewStG 2002). Die Möglichkeit des periodenübergreifenden Verlustausgleichs begründet aber nicht ihrerseits eine Bedingung der (Ertrags-)Besteuerung in der Weise, dass jene erst dann gerechtfertigt ist, wenn das Steuersubjekt gemessen an der Gesamtdauer seines einkommensbezogenen Tätigwerdens bzw. seiner wirtschaftlichen Existenz tatsächlich einen Zuwachs wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erzielt (s. Desens, FR 2011, 745, 746 f.; s.a. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17.12.2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73; Heuermann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rz A 86; derselbe, FR 2012, 435, 440 f.; Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 103 f.). Eine solche Bedingung würde einem sachangemessenen Ausgleich der widerstreitenden Prinzipien (im Sinne einer wechselseitigen Begrenzung von Periodizitäts- und Nettoprinzip, s. insbesondere BVerfG-Beschluss in HFR 1992, 423) nicht entsprechen (Desens, FR 2011, 745, 747 f.; Heuermann, FR 2012, 435, 436 ff.; Drüen, a.a.O., S. 96 ff.).

 

 

20

cc) Die sog. Mindestbesteuerung beschränkt die Wirkung des periodenübergreifenden Verlustausgleichs (nur) „der Höhe nach“. Die Begründung zum Regierungsentwurf des § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. (BTDrucks 15/1518, S. 13) weist darauf hin, dass durch die sog. Mindestbesteuerung „keine Verluste endgültig verloren“ gingen (zur „zeitlichen Streckung des Verlustabzugs“ s.a. die Stellungnahme der Bundesregierung, BTDrucks 17/4653, S. 2). Seine eigentlichen Beweggründe für die Regelungsänderung offenbart der Gesetzgeber dann aber darin, dass „der Grund für die Beschränkung ... in dem gewaltigen Verlustvortragspotential der Unternehmen zu sehen (sei), das diese vor sich herschieben. Um das Steueraufkommen für die öffentlichen Haushalte kalkulierbar zu machen, ist es geboten, den Verlustvortrag zu strecken. Nur so ist auf Dauer eine Verstetigung der Staatseinnahmen gewährleistet“. Damit ist dem Regierungsentwurf zu § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. (ebenso zu § 10a GewStG 2002 n.F.: BTDrucks 15/1517, S. 19) eine ausschließlich fiskalischen Interessen geschuldete Begründung beigestellt worden (s.a. Dorenkamp, Systemgerechte Neuordnung der Verlustverrechnung - Haushaltsverträglicher Ausstieg aus der Mindestbesteuerung, in Institut „Finanzen und Steuern“, Schrift Nr. 461, 2010, S. 27 ff.). Später wird allerdings ergänzend in einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage ausgeführt, die „zeitliche Streckung des Verlustabzugs soll(e) eine Mindestgewinnbesteuerung aktiver Einkünfte sicherstellen. Die Maßnahme dient der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, trifft dabei aber insbesondere diejenigen Steuerpflichtigen, die Steuervergünstigungen und Steuerschlupflöcher ausnutzen“ (Bundesregierung, BTDrucks 17/4653, S. 2 [zu Frage 1]).

 

 

21

dd) Das BVerfG hat sich bereits mehrfach - wenn auch noch nicht mit Blick auf § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. - zu Einschränkungen des periodenübergreifenden Verlustausgleichs bzw. der Verlustverrechnung geäußert. Danach ist ein uneingeschränkter Verlustvortrag verfassungsrechtlich nicht garantiert. Die Beschränkung des Verlustvortrags auf bestimmte Einkunftsarten und damit der Ausschluss anderer Einkunftsarten von jeglichem Verlustvortrag ist ebenso wenig verfassungsrechtlich zu beanstanden (BVerfG-Beschluss vom 8.3.1978 1 BvR 117/78, HFR 1978, 293) wie die Beschränkung des Verlustvortrags auf bestimmte, durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Betriebsverluste (BVerfG-Beschluss in HFR 1978, 293; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 30.10.1980 1 BvR 785/80, HFR 1981, 181). Nach der Rechtsprechung des BVerfG bestehen ferner unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit keine Bedenken gegen eine Beschränkung des Verlustabzugs auf einen einjährigen Verlustrücktrag und einen fünfjährigen Verlustvortrag (BVerfG-Beschluss in HFR 1992, 423). Allerdings hat das Gericht im Beschluss in BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05 den völligen Ausschluss der Verlustverrechnung bei laufenden Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände (§ 22 Nr. 3 Satz 3 EStG 1983) für verfassungswidrig erklärt.

 

 

22

ee) Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. dazu insbesondere die Nachweise im Senatsurteil vom 22.8.2012 I R 9/11, BFHE 238, 419, BStBl II 2013, 512 = SIS 12 30 99) bestehen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Verlustausgleichsbeschränkung, als der Verlustausgleich nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird. Eine Verlagerung des Verlustausgleichs auf spätere Veranlagungszeiträume ist im Hinblick darauf nicht zu beanstanden, dass das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG seine Wirkung grundsätzlich veranlagungszeitraumübergreifend entfaltet. Es genügt, wenn die Verluste überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden. Insbesondere erstarkt die bei ihrer Entstehung gegebene bloße Möglichkeit, die Verluste später ausgleichen zu können, nicht zu einer grundrechtlich geschützten Vermögensposition (Art. 14 Abs. 1 GG; s. BVerfG-Beschluss in HFR 1992, 423; dies relativierend Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73, zu D.II.2.). Dementsprechend hat der BFH in seinem Beschluss vom 29.4.2005 XI B 127/04 (BFHE 209, 379, BStBl II 2005, 609 = SIS 05 25 19) eine Beschränkung des Verlustvortrags grundsätzlich gebilligt, wenn der Vortrag zeitlich über mehrere Veranlagungszeiträume gestreckt wird. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass damit nicht zugleich über die Konstellation entschieden sei, dass „negative Einkünfte aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen“ in einem solchen System „nicht mehr vorgetragen werden können“. Darüber hinaus hat der XI. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 6.9.2006 XI R 26/04 (BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167 = SIS 06 44 12) hervorgehoben, dass die sog. Mindeststeuer durchaus den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG berühre; auch wenn in mehreren summarischen Verfahren nach § 69 Abs. 2 und 3 FGO wegen der die Veranlagungszeiträume übergreifenden Wirkung des Art. 3 Abs. 1 GG die Norm als verfassungsgemäß angesehen worden sei, sei nicht zu verkennen, dass die Begrenzung des vertikalen Verlustausgleichs (im dortigen Streitfall durch § 2 Abs. 3 EStG 2002) trotz der Streckung der Verlustverrechnung nicht nur bei einer kleinen Zahl von Steuerpflichtigen mit gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu nennenswerten Belastungsunterschieden führen könne. Auch bestehe naturgemäß keine Gewissheit, die Verluste in Zukunft verrechnen zu können.

 

 

23

Der IV. Senat des BFH hat sich in seinem Urteil in BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51 mit Blick auf die Einschränkung der gewerbesteuerrechtlichen Verlustverrechnung dem Senatsurteil in BFHE 238, 419, BStBl II 2013, 512 = SIS 12 30 99 ausdrücklich angeschlossen: Die Beschränkung der Verrechnung von vortragsfähigen Gewerbeverlusten durch Einführung einer jährlichen Höchstgrenze mit Wirkung ab 2004 sei mit dem Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar; insbesondere sei mit dieser Regelung den Anforderungen, die an die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers zu stellen sind, entsprochen worden. Das gelte auch, soweit es im Einzelfall wegen der Begrenzung zu einem endgültig nicht mehr verrechenbaren Verlust komme (s. insoweit auch BFH-Urteile vom 20.9.2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BStBl II 2013, 505 = SIS 12 32 50; vom 20.9.2012 IV R 43/10, BFH/NV 2013, 408 = SIS 13 04 43; vom 20.9.2012 IV R 60/11, BFH/NV 2013, 410 = SIS 13 04 44). Dabei hat der IV. Senat auch auf die Besonderheit des Gewerbesteuerrechts abgestellt, dass ein Verlustrücktrag ausgeschlossen ist (§ 10a GewStG 2002 erwähnt nur einen Verlustvortrag): Komme es zur Definitivbelastung, weil einem beschränkten Verlustabzug keine weiteren positiven Gewerbeerträge folgen, lasse sich im Jahr der Mindestbesteuerung nicht erkennen, ob und aus welchen Gründen kein weiteres Potenzial für die Verrechnung des gestreckten Verlusts entstehen werde. Würde sich rückwirkend die beschränkte Verlustverrechnung als Ursache für die Definitivbelastung erweisen, könnte die Belastung nur durch eine Korrektur der seinerzeitigen Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags beseitigt werden. Dies käme aber einem Verlustrücktrag nahe, der in dem System der Gewerbesteuer bewusst nicht vorgesehen sei. Im Übrigen könnten im Einzelfall bei unverhältnismäßigen und unzumutbaren Benachteiligungen Billigkeitsmaßnahmen eingreifen; eine ungerechtfertigte Härte liege allerdings nicht vor, wenn der Unternehmer durch eigenes Verhalten (dort: das Hinwirken auf einen Forderungsverzicht des Gläubigers) einen Gewerbeertrag ausgelöst habe, der nicht vollständig mit vortragsfähigen Gewerbeverlusten verrechnet werden könne.

 

 

24

ff) In der Literatur wird die sog. Mindestbesteuerung teilweise für verfassungskonform gehalten (z.B. Heuermann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10d Rz A 85, 88; derselbe, FR 2012, 435, 439 ff.; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 10d Rz 4; Seiler in Hey [Hrsg.], Einkünfteermittlung, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - Band 34 [2011], S. 61, 82; Gassen in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 10d Rz 6; Müller-Gatermann, Die Wirtschaftsprüfung 2004, 467, 468): Die im Einzelfall eintretende Einschränkung des objektiven Nettoprinzips habe der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot in vertretbarer Weise ausgestaltet, da sich Beschränkungen des Verlustvortrags in betragsmäßiger oder zeitlicher Hinsicht jedenfalls im Grundsatz als verfassungskonform erwiesen hätten.

 

 

25

Dem wird von anderer Seite entgegengehalten, die durch die „Deckelung“ des Abzugsbetrags bewirkte zeitliche Streckung des Verlustvortrags sei schon „als solche“ verfassungswidrig (z.B. Lang/Englisch, Steuer und Wirtschaft - StuW - 2005, 3, 21 ff.; Röder, a.a.O., S. 263 ff., 355 ff., und derselbe, StuW 2012, 18, 22 ff.; Mönikes, Die Verlustverrechnungsbeschränkungen des Einkommensteuergesetzes im Lichte der Verfassung, 2006, S. 223 ff.; Hey, StuW 2011, 131, 140 f.; dieselbe in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 8 Rz 68; Dorenkamp, a.a.O., S. 12; derselbe, FR 2011, 733, 736 ff.; Raupach in Lehner [Hrsg.], Verluste im nationalen und internationalen Steuerrecht, 2004, S. 53, 60 f.; Eckhoff in von Groll [Hrsg.], Verluste im Steuerrecht, DStJG Band 28 [2005], S. 11, 34; Jü. Lüdicke, DStZ 2010, 434, 436; Kaminski in Korn, § 10d EStG Rz 30.9; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, DB 2012, 1704, 1707; Esterer/Bartelt, Unternehmensbesteuerung - Ubg - 2012, 383, 392; Bareis, DB 2013, 144; Gens, Unternehmensverluste/Verlustabzug und Mindestbesteuerung, 2014, S. 158 ff.; s.a. die Stellungnahme des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren, BTDrucks 15/1665, S. 2).

 

 

26

Wiederum andere Literaturstimmen nehmen einen Verfassungsverstoß der sog. Mindestbesteuerung nur in den Fällen an, in denen ein Verlust nicht nur zeitlich gestreckt, sondern von einer Wirkung auf die Ermittlung des Einkommens endgültig ausgeschlossen wird („Definitiveffekte“, z.B. Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Rz 13; Schmidt/Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 10d Rz 10; Wendt, DStJG Band 28, S. 41, 74 ff.; Fischer, FR 2007, 281, 283 ff.; Desens, FR 2011, 745, 748 ff.; Klomp, GmbHR 2012, 675, 676 f.; Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61, 65 f.; wohl auch Kempf/Vogel in Lüdicke/Kempf/Brink [Hrsg.], Verluste im Steuerrecht, 2010, S. 81; Blümich/Schlenker, § 10d EStG Rz 6, 24; Drüen, ebenda, § 10a GewStG Rz 21, 112; derselbe, FR 2013, 393, 402; Kube, DStR 2011, 1781, 1789 ff.; Buciek, FR 2011, 79; Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 10d EStG Rz 147; s.a. BMF-Schreiben vom 19.10.2011, BStBl I 2011, 974 = SIS 11 34 29, Tz. 1), wobei insoweit auch eine verfassungskonforme Reduktion des Wortlauts des § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. für möglich gehalten wird (z.B. Wendt, DStJG Band 28, S. 41, 78). Solche Definitiveffekte können sowohl auf tatsächlichen als auch auf rechtlichen Gründen beruhen (s. nur das BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 974 = SIS 11 34 29, Tz. 1); im Unternehmensbereich können sie insbesondere bei der Liquidation körperschaftsteuerpflichtiger Unternehmen auftreten, aber ebenso bei Umstrukturierungen und rechtlichen Hindernissen für eine (weitere) Verlustnutzung (z.B. § 8c KStG 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.8.2007, BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630 - KStG 2002 n.F. - ), darüber hinaus aber auch dann, wenn es um zeitlich begrenzt bestehende Projektgesellschaften geht, ebenfalls aber auch etwa um bestimmte Unternehmensgegenstände (z.B. bei langfristiger Fertigung) und in Sanierungsfällen (s. Lang/Englisch, StuW 2005, 3, 21 ff.; s.a. Dorenkamp, a.a.O., S. 33 f.; Orth, FR 2005, 515, 530; Küspert, BB 2013, 1949, 1951 f.; BMF-Bericht der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ vom 15.9.2011, S. 52 mit Fußn. 57; BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 974 = SIS 11 34 29, Tz. 1).

 

 

27

b) Dem Maßstab, dass die Abzugsfähigkeit von Verlusten nicht in ihrem Kernbereich betroffen und gänzlich ausgeschlossen sein darf (s. zu dieser Grenzbestimmung bereits Senatsurteile vom 11.2.1998 I R 81/97, BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485 = SIS 98 16 36; vom 5.6.2002 I R 115/00, BFH/NV 2002, 1549 = SIS 03 02 22; Senatsbeschluss vom 26.8.2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826 = SIS 10 33 11), werden § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. und § 10a Satz 2 GewStG 2002 n.F. nach Ansicht des Senats unter Berücksichtigung der beschriebenen Ausgangslage und vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung und des einschlägigen Meinungsbildes im Schrifttum jedenfalls dann gerecht, wenn nicht ein sog. Definitiveffekt eintritt.

 

 

28

aa) Die Grundkonzeption der zeitlichen Streckung des Verlustvortrags entspricht auch angesichts des Zins- bzw. Liquiditätsnachteils den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Insoweit entnimmt der Senat der neueren Rechtsprechung des BVerfG eine Unterscheidung zwischen temporären und endgültigen Steuereffekten (s. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 111 = SIS 09 21 10; s.a. BFH-Urteil vom 25.2.2010 IV R 37/07, BFHE 229, 122, BStBl II 2010, 784 = SIS 10 15 76; zustimmend Dorenkamp, a.a.O., S. 61 f.; Desens, FR 2011, 745, 747; Heuermann, FR 2012, 435, 439; Lang, GmbHR 2012, 57, 61; ablehnend z.B. Röder, StuW 2012, 18, 24 f.; Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61, 62 f., m.w.N.). Wenn sich danach der maßgebliche Zeitpunkt der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung eines gewinnmindernden Aufwands, also das Wann, nicht das Ob der Besteuerung, nicht mit Hilfe des Maßstabs wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit oder des objektiven Nettoprinzips bestimmen lässt, ist eine „Verluststreckung“ verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Maßgabe, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen abzubilden, entspricht daher einerseits nur eine Konzeption, die die Möglichkeit eines vom jährlichen Abschnittsteuerprinzip suspendierenden Verlustausgleichs vorsieht, schließt aber andererseits eine Begrenzung dieser Möglichkeit (im Sinne der Ermittlung einer „durchschnittlichen mehrjährigen Leistungsfähigkeit“ – s. Bundesregierung, BTDrucks 17/4653, S. 7 [zu Frage 6]) nicht aus. Dabei liegt es auch innerhalb der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis (zu dieser z.B. BVerfG-Beschluss vom 17.11.2009 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1 = SIS 10 02 74, BGBl I 2010, 326), dass die zeitliche Streckung des Verlustvortrags das Risiko für den einkommenswirksamen Abzug des Verlusts erhöht, da „naturgemäß keine Gewissheit besteht, die Verluste in Zukunft verrechnen zu können“ (Senatsurteil vom 1.7.2009 I R 76/08, BFHE 225, 566, BStBl II 2010, 1061 = SIS 09 28 67; BFH-Beschluss in BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167 = SIS 06 44 12). Diesem Ergebnis steht auch die Existenz verschiedener gesetzlicher Regelungen nicht entgegen, die als Rechtsfolge eine „Vernichtung“ von Verlustvorträgen in bestimmten Fallsituationen vorsehen (z.B. im Zuge einer Anteilsübertragung: § 8c KStG 2002 n.F.). Dies gilt sinnentsprechend z.B. auch für die Situation der Beendigung der persönlichen Steuerpflicht angesichts der fehlenden Möglichkeit der „Verlustvererbung“ (BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73).

 

 

29

bb) Der Gesetzgeber hat durch das Grundkonzept der Mindestbesteuerung die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht willkürlich überschritten; er kann sich für diese Ausgestaltung des Verlustabzugs vielmehr auf den im Gesetzgebungsverfahren erteilten Hinweis auf eine Verstetigung des Steueraufkommens (s.a. BMF-Bericht der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“, vom 15.9.2011, S. 18) infolge der Dämpfung der Steuerauswirkungen konjunktureller Schwankungen berufen (s. oben zu III.1.a cc; zur Steueraufkommenswirkung s. BTDrucks 17/4653, S. 17, bzw. BMF-Bericht der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“, vom 15.9.2011, S. 43 f.). Denn damit hat der Gesetzgeber nicht nur auf den (nicht in ausreichender Weise rechtfertigenden) Einnahmezweck (Erzielung von Steuermehreinnahmen), sondern auf einen in der Konzeption der Regelung angelegten „qualifizierten Fiskalzweck“ (Desens, FR 2011, 745, 749; s.a. Kube, DStR 2011, 1781, 1789 und 1790) verwiesen (s.a. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1150 = SIS 06 21 73; Heuermann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10d Rz A 85; ablehnend z.B. Hey, StuW 2011, 131, 141 f.; Röder, StuW 2012, 18, 25 f.; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, DB 2012, 1704, 1707). Daher kann insoweit - mit Blick auf § 10a Satz 2 GewStG 2002 n.F. - offenbleiben, ob die dortige Beschränkung (auch) dadurch gerechtfertigt werden kann, dass auf diese Weise die kommunale Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) sichergestellt werden konnte (so FG Hamburg, Urteil vom 2.11.2011 1 K 208/10, EFG 2012, 434 = SIS 12 02 35 - als Vorinstanz zum BFH-Urteil in BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51 - ; s.a. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1150 = SIS 06 21 73) bzw. dass die besondere Ausgestaltung der gewerbesteuerrechtlichen Verlustberücksichtigung (kein Verlustrücktrag) zu berücksichtigen war (BFH-Urteil in BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51).

 

 

30

2. Der Senat ist aber davon überzeugt, dass § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. und § 10a Satz 2 GewStG 2002 n.F. den benannten Kernbereich einer Ausgleichsfähigkeit von Verlusten dann verletzen, wenn - wie im Streitfall - auf der Grundlage eines inneren Sachzusammenhangs bzw. einer Ursachenidentität zwischen Verlust und Gewinn der sog. Mindestbesteuerung im Einzelfall („konkret“) die Wirkung zukommt, den Verlustabzug gänzlich auszuschließen (s. dazu bereits Senatsbeschluss in BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826 = SIS 10 33 11) und eine leistungsfähigkeitswidrige Substanzbesteuerung auszulösen. Diese Grundrechtsverletzung kann nicht durch einzelfallbezogene sachliche Billigkeitsmaßnahmen im Verwaltungswege kompensiert werden.

 

 

31

a) Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass der (im Grundsatz) ausgleichsfähige Verlust aus der stichtagsbezogenen (31.12.2004) Teilwertabschreibung einer Forderung herrührt, und der Ertrag aus der zeitlich nachfolgenden ebenfalls stichtagsbezogenen (31.12.2006) Teilwertzuschreibung eben dieser Forderung folgt. Insoweit beruhen Aufwand und Ertrag auf demselben Rechtsgrund (der Kooperationsvereinbarung) und sie entsprechen sich der Höhe nach: Der Ertrag erscheint dabei nur als zeitverschobener actus contrarius zum Aufwand. Teilwertabschreibung und Werterholung eines Bilanzpostens lösen daher wegen der unterschiedlichen Ermittlungsperioden im Zusammenhang mit der Mindestbesteuerung eine Steuerschuld aus („Besteuerung von per Saldo nicht erzielten Gewinnen“ – so Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M. vom 20.6.2013, DB 2013, 1696). Die in der Besteuerungspraxis der Auflösung von Kapitalgesellschaften (Liquidation, Insolvenzverfahren) häufig auftretenden bilanzsteuerrechtlichen „Umkehreffekte“ (z.B. auch die Auflösung von zunächst gewinnmindernd berücksichtigten Rückstellungen) haben allerdings weder einen entsprechenden Liquiditätszufluss noch einen Zuwachs an besteuerungswürdiger Leistungsfähigkeit zur Folge (s.a. Farle/Schmitt, DB 2013, 1746, 1747 f.).

 

 

32

b) Typisierungs- oder Vereinfachungserfordernisse können nicht rechtfertigen, dass der Gesetzgeber auf der Rechtsfolgenseite der Normen eine Differenzierung nach Verlustursachen bzw. nach Zusammenhängen mit der Gewinnentstehung vollständig unterlassen hat.

 

 

33

aa) Auch wenn in der Begründung des Gesetzentwurfs davon die Rede ist, Zielpunkt der Normen sei nur eine Verluststreckung, nicht aber ein Verlustausschluss (s. zu § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F.: BTDrucks 15/1518, S. 13), lassen die Gesetzesmaterialien erkennen, dass die an der Gesetzgebung beteiligten Organe die Möglichkeit einer zweckwidrigen Definitivbesteuerung infolge der Mindeststeuer erkannt haben (s. dazu die Nachweise zur Sachverständigen-Anhörung im maßgebenden Gesetzgebungsverfahren im BFH-Urteil in BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51). Der Gesetzgeber hat sich allerdings angesichts der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten (sachverständigen) Bedenken damit begnügt, angesichts der in bestimmten Situationen drohenden Substanzbesteuerung den sog. Sockelbetrag von 100.000 EUR auf 1 Mio. EUR zu verzehnfachen und den Prozentsatz für den Restbetrag von 50 % auf 60 % anzuheben. Damit wurde erreicht, dass „eine große Zahl kritischer Fälle nun von einer Definitivbesteuerung verschont“ bleiben würde (BFH-Urteil in BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51); zugleich wurde dem Umstand Rechnung getragen, „dass durch eine gesetzliche Regelung eine Definitivbelastung in allen verbleibenden denkbaren Einzelfällen (nicht) hätte ausgeschlossen werden können, ohne das System der Mindestbesteuerung insgesamt aufzugeben und ohne zugleich weitere Verletzungen des Gleichheitssatzes zu bewirken“ (so BFH-Urteil in BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51). Auch wenn der Gesetzgeber nicht gehalten ist, allen Besonderheiten im sachlichen Anwendungsbereich von Normen Rechnung zu tragen: Es wird deutlich, dass der Gesetzgeber allenfalls die Anzahl der Streitfälle reduziert hat, ohne aber auch nur im Ansatz zu versuchen, einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Gesichtspunkten der verfassungsrechtlich durchaus zulässigen überperiodischen Verluststreckung und dem Kernbereich der Verlustverrechnung als Grundprinzip einer Ertragsbesteuerung herzustellen (gl.A. Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Rz 13). Der sog. Sockelbetrag ist auch, wie in der Literatur hervorgehoben wird, in unternehmensteuerrechtlichen Zusammenhängen bei großen Gesellschaften und Konzernen „regelmäßig völlig bedeutungslos“ (Esterer/Bartelt, Ubg 2012, 383, 390; s.a. Roser, Der GmbH-Steuerberater - GmbH-StB - 2013, 53, 57). Im Übrigen hätte der Gesetzgeber in Rechnung stellen müssen, dass „Definitiveffekte“ im Zusammenhang insbesondere mit stetig anwachsenden gesetzlichen Einschränkungen der interperiodischen Verlustkompensation stehen (z.B. Desens, FR 2011, 745, 750; Drüen, FR 2013, 393, 402; Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61, 66).

 

 

34

bb) Die auch Definitiveffekte einschränkungslos erfassenden Regelungen sind nicht im Sinne eines Missbrauchsverhinderungszwecks oder einer Begrenzung von übermäßiger Subventionsinanspruchnahme gerechtfertigt (ausführlich Gens, a.a.O., S. 156 ff.). Zwar wird von der Bundesregierung angeführt, getroffen würden „insbesondere diejenigen Steuerpflichtigen, die Steuervergünstigungen und Steuerschlupflöcher ausnutzen“ (Bundesregierung, BTDrucks 17/4653, S. 2 [zu Frage 1]). Diese Einschätzung ist aber nicht substantiiert und erscheint angesichts der in der Fachliteratur diskutierten und dem Senat bisher bekannt gewordenen Streitfälle als unbegründet (im Ergebnis ebenso Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Rz 13; Esterer/Bartelt, Ubg 2012, 383, 392). Auch der hier zu entscheidende Streitfall bietet keinen Anlass für eine entsprechende Würdigung.

 

 

35

c) Der erkennende Senat folgt dem IV. Senat des BFH (in seinem Urteil in BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51) für Körperschaften als Gewerbebetriebe kraft Rechtsform (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG 2002) nicht darin, dass die Besonderheiten der Gewerbesteuer eine weitere und zugleich ausreichende Rechtfertigung für die Mindestbesteuerung in § 10a Satz 2 GewStG 2002 n.F. rechtfertigen können. Während für Einzelunternehmen und Personengesellschaften eine Unternehmensidentität und eine Unternehmeridentität für den Verlustabzug nach § 10a GewStG 2002 n.F. vorausgesetzt wird und es auf den Zeitraum der „werbenden Tätigkeit“ des Gewerbebetriebs ankommt, ist für Körperschaften einheitlich sowohl für die Körperschaftsteuer als auch für die Gewerbesteuer auf die Maßgaben der wirtschaftlichen Identität in § 8 Abs. 4 KStG 2002 (§ 10a Satz 4 GewStG 2002) bzw. § 8c KStG 2002 n.F. (§ 10a Satz 10 GewStG 2002 n.F.) während ihrer rechtlichen Existenz verwiesen. Eine besondere objektsteuerbezogene Komponente folgt daraus für den Gewerbeverlust der Körperschaft nicht; insoweit besteht kein abweichender Maßstab zur allgemeinen Ertragsteuer (so im Ergebnis auch Kube, DStR 2011, 1781, 1789; Kessler/Hinz, BB 2012, 555, 556; Klomp, GmbHR 2012, 675, 679; Esterer/Bartelt, Ubg 2012, 383, 386). Darüber hinaus lässt sich der Ausschluss des gewerbesteuerrechtlichen Verlustrücktrags in einem System, das den gewerbesteuerrechtlichen Verlustvortrag ohne zeitliche Einschränkung anerkennt (s. dazu die Darlegungen des IV. Senats des BFH in seinem Urteil in BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51), weniger mit einem objektsteuerartigen Bezug als vielmehr im Wesentlichen mit dem Interesse der Gemeinden an einer funktionierenden Haushaltspolitik begründen (s.a. Bundesregierung, BTDrucks 17/4653, S. 10 [zu Frage 17]). Im Übrigen könnte zwar in Situationen, in denen die beschränkte Verlustverrechnung (in Vorjahren) als Ursache für die Definitivbelastung zu identifizieren ist, die Belastung nur durch eine Korrektur der seinerzeitigen Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags beseitigt werden, was „einem Verlustrücktrag nahe (käme), der in dem System der Gewerbesteuer bewusst nicht vorgesehen ist“ (BFH-Urteil in BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51). Dabei mag bezweifelt werden, ob die für eine solche Konstellation diskutierte Möglichkeit einer verfahrensrechtlichen Änderung kraft rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO -, dazu insbesondere Klomp, GmbHR 2012, 675, 681; FG Köln, Urteil vom 11.4.2013 13 K 889/12, EFG 2013, 1374 = SIS 13 20 68; Graw, EFG 2013, 1377, 1378) unter Hinweis auf gewerbesteuerrechtliche Besonderheiten ausgeschlossen sein kann. Jedenfalls für die streitgegenständliche Situation der Anwendung der Mindestbesteuerung in einem Gewinnjahr kommt es darauf aber nicht an.

 

 

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d) Die verfassungsrechtliche Bewertung wird nicht dadurch beeinflusst, dass auf der Grundlage der §§ 163, 227 AO bei sog. Definitiveffekten die verfahrensrechtliche Möglichkeit besteht, im Einzelfall im Wege der Billigkeit eine Steuerfestsetzung in einer Höhe zu erreichen, die einer Nichtanwendung der Mindestbesteuerung entspricht.

 

 

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aa) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (z.B. Senatsurteil vom 21.10.2009 I R 112/08, BFH/NV 2010, 606 = SIS 10 08 45; BFH-Urteil vom 23.7.2013 VIII R 17/10, BFHE 242, 134, BStBl II 2013, 820 = SIS 13 24 88). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (Senatsurteil in BFH/NV 2010, 606 = SIS 10 08 45; BFH-Urteil in BFHE 242, 134, BStBl II 2013, 820 = SIS 13 24 88).

 

 

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bb) Zwar hat der IV. Senat des BFH in seinen Urteilen in BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51 und in BFH/NV 2013, 410 = SIS 13 04 44 ausgeführt, die Möglichkeit von Billigkeitsmaßnahmen in besonderen Einzelfällen flankiere die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers und gestatte ihm, eine typisierende Regelung zu treffen, bei der Unsicherheiten über Zahl und Intensität der von der typisierenden Regelung nachteilig betroffenen Fälle mit zumutbarem Aufwand nicht beseitigt werden könnten (dies offenlassend der Senatsbeschluss vom 28.3.2011 I B 152/10, BFH/NV 2011, 1284 = SIS 11 23 06). Darauf baut auch der Hilfsantrag des Klägers im hier anhängigen Revisionsverfahren auf. Allerdings ist nach dem gerade Ausgeführten im Rahmen der „sachlichen Unbilligkeit“ als Voraussetzung einer Billigkeitsmaßnahme eine strukturelle Gesetzeskorrektur ausgeschlossen (z.B. Drüen, Steuerberater-Jahrbuch - StbJb - 2012/2013, S. 123, 160; s.a. Wendt, DStJG Band 28, S. 41, 78; Küspert, BB 2013, 1949, 1953; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Rz 13). Von einer solchen Korrektur wäre aber zu sprechen, wenn man - wie der Senat - davon ausgeht, dass der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Wirkung der Mindestbesteuerung als Verlustnutzungsausschluss ausschließlich durch eine Anhebung des Sockelbetrags und des Prozentsatzes für den Restbetrag Rechnung tragen wollte.

 

 

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IV. Verfassungskonforme Auslegung

 

Eine die Verfassungswidrigkeit vermeidende verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich.

 

 

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1. Die verfassungskonforme Gesetzesauslegung gebietet es, bei mehreren Möglichkeiten der Normauslegung diejenige maßgeblich sein zu lassen, bei der die Regelung mit der Verfassung konform geht. Der Grundsatz verbindet somit die Normtextauslegung mit einer Normenkontrolle (Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I, 10. Aufl., Rz 100) und findet als Auslegungskriterium seine Grenze dort, wo er mit dem Wortlaut der Norm und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (z.B. BVerfG-Beschluss vom 27.3.2012 2 BvR 2258/09, BVerfGE 130, 372). Im Wege der verfassungskonformen Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Vorschrift nicht grundlegend neu bestimmt und das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (BVerfG-Beschluss vom 26.4.1994 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263).

 

 

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2. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. und des § 10a GewStG 2002 n.F. in der Situation sog. Definitiveffekte - die der Senat im Beschluss in BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826 = SIS 10 33 11 bei summarischer Prüfung der Rechtslage noch für möglich erachtete - ist nach der nunmehr gebildeten Überzeugung des Senats ausgeschlossen (a.A. z.B. Wendt, DStJG Band 28, S. 41, 78; Fischer, FR 2007, 281, 285 f.; wohl auch Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61, 66; Drüen, FR 2013, 393, 402; derselbe, StbJb 2012/2013, S. 123, 158 f.). Der Gesetzgeber hat - wie bereits oben ausgeführt - auf der Rechtsfolgenseite der Normen eine Differenzierung nach Verlustursachen bzw. nach Zusammenhängen mit der Gewinnentstehung nicht vorgesehen; es kommt auch nicht in Betracht, den Begriff der „negativen Einkünfte“ so auszulegen, dass Definitiveffekte ein Anwendungshindernis darstellen würden. Wenn damit aber der „Untergang von Verlustvorträgen“ in entsprechenden Sachsituationen vom gesetzgeberischen Willen gedeckt ist, ist „eine Gesetzesreparatur im Wege telelogischer Reduktion verbaut“ (so Hey, StuW 2011, 131, 141; im Ergebnis übereinstimmend z.B. Desens, FR 2011, 745, 750 f.; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Rz 13).

 

 

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Jedenfalls lässt sich den Regelungen zur Mindestbesteuerung auch kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, nach welchen Kriterien bei einer verfassungskonformen Auslegung wiederum begrenzend zu differenzieren sein könnte. So dürfte allein der Umstand, dass ein „Definitiveffekt“ eintritt, keine ausreichende Rechtfertigung für eine Einschränkung der Rechtsfolge darstellen. Es könnte in Betracht kommen, in Fällen, in denen der endgültige Wegfall der gestreckten Verlustvorträge vom Steuerpflichtigen (anders als im Streitfall, einem Insolvenzfall) durch eigenen Willensentschluss veranlasst ist (z.B. bei Kapitalgesellschaften in Liquidationsfällen), eine „schützenswerte“ Definitivsituation abzulehnen (s.a. BFH-Urteil in BFHE 238, 518, BStBl II 2013, 505 = SIS 12 32 50; Gosch, BFH/PR 2011, 10, 11; Roser, GmbH-StB 2013, 53, 55 f.; z.T. abweichend wohl BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 974 = SIS 11 34 29, Tz. 1; s.a. Farle/Schmitt, DB 2013, 1746, 1749; Braun/Geist, BB 2013, 351, 354): Es hätte sich dann eventuell (nur) das steuerrechtliche Risiko einer Grenze der Verlustnutzung realisiert, das im systemtragenden Subjektsteuerprinzip angelegt ist. Dies könnte auch die einkommensteuerrechtliche Situation des Versterbens des Steuerpflichtigen betreffen („keine Vererbung des Verlustvortrags“, s. BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73). Im Übrigen könnten Sachsituationen auszusparen sein, in denen eine solche Wirkung auf ein Zusammenspiel der Mindestbesteuerung mit einer Regelung zurückzuführen ist, die einem Missbrauchsverhinderungszweck dient (s. bereits Senatsbeschluss in BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826 = SIS 10 33 11; insoweit zustimmend BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 974 = SIS 11 34 29, Tz. 1). Nicht zuletzt lässt sich aus der Norm die Frage nicht eindeutig beantworten, in welchem Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum der infolge des Definitiveffekts nicht mehr vortragsfähige Verlust zu berücksichtigen ist: In Betracht kommt sowohl das Jahr des Eintritts des Definitiveffekts, wobei es aber, wenn der Effekt auf rechtliche Gründe zurückzuführen ist (z.B. im Falle des sog. schädlichen Beteiligungserwerbs in § 8c KStG 2002 n.F. oder der Umwandlung beim übertragenden Rechtsträger nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes 2002/2006), auch nicht auszuschließen ist, eine unverhältnismäßige Rechtsfolge (nämlich die von der Mindestbesteuerung verursachten Verlustvorträge nicht auszusparen) jener Norm zuzuweisen (s. insoweit auch Buciek, FR 2011, 79; Desens, FR 2011, 745, 751; Möhlenbrock, Ubg 2010, 256, 258). In Betracht kommt (kommen) allerdings auch das frühere Jahr (die früheren Jahre) einer Steuerfestsetzung infolge der Mindestbesteuerung (s.a. BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 974 = SIS 11 34 29, Tz. 2; Desens, ebenda; Klomp, GmbHR 2012, 675, 678). Im Streitfall käme allerdings durch das Fehlen einer mindestbesteuerungsbedingten Belastung in Vorjahren ausschließlich die erste Lösung zur Anwendung.

 

 

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V. Entscheidungserheblichkeit der Vorlage

 

Die dem BVerfG gestellte Vorlagefrage ist auch entscheidungserheblich: Ist die sog. Mindestbesteuerung in § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. und § 10a Satz 2 GewStG 2002 n.F. auch bei Eintritt eines Definitiveffekts verfassungsgemäß, ist die Revision des Klägers unbegründet (s. insoweit zu II. der Gründe). Hält sie das BVerfG hingegen für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, hätte die Revision jedenfalls teilweisen Erfolg: Die festgesetzte Körperschaftsteuer 2008 wäre herabzusetzen. Gleiches gälte für die festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge 2006 bis 2008, und das unabhängig davon, ob die insoweit weitere unter den Beteiligten streitige Rechtsfrage danach, ob dem Gewinn der betreffenden Erhebungszeiträume bei der Ermittlung der Gewerbeerträge sog. Dauerschuldentgelte nach Maßgabe von § 8 Nr. 1 GewStG 2002 hinzuzurechnen sind, bejaht wird oder nicht; die Antwort auf diese Rechtsfrage kann im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens also vorerst unbeantwortet bleiben.

 

 

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VI. Entscheidung des Senats

 

In Anbetracht der vom Senat angenommenen Verfassungswidrigkeit von § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. und § 10a Satz 2 GewStG 2002 n.F. beim Eintreten sog. Definitiveffekte war das Revisionsverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und ist die Entscheidung des BVerfG über die im Leitsatz formulierte Frage zur Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschriften einzuholen.

 

Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

Die Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung ist im Schrifttum umstritten. Zum Teil wird ein Verfassungsverstoß nur in Fällen des endgültigen Ausschlusses der Verlustverrechnung angenommen („Definitiveffekte“). Die Vorlage bezieht sich allgemein auf die Problematik der Definitiveffekte. Möglicherweise beschränkt sich das BVerfG jedoch auf Sachverhalte wie im Streitfall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass Aufwand und Ertrag (Wertberichtigung und Wertaufholung) auf demselben Rechtsgrund beruhen und sich sogar auch der Höhe nach entsprechen.

Bis zur Klärung der beim BVerfG unter Az. 2 BvL 19/14 anhängigen Frage sind entsprechende Fälle offen zu halten.