1
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I. Streitig ist die
Rechtmäßigkeit von Festsetzungen zur
Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag des
Streitjahres 2004, bei denen ein Verlustvortrag sowie ein
vortragsfähiger Gewerbeverlust nur zu einem Teil bei der
Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und des Gewerbeertrags
einkommens- bzw. gewerbeertragsmindernd zum Abzug kamen (sog.
Mindestbesteuerung).
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2
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH mit mehreren
Tausend Gesellschaftern, betreibt den Erwerb und die Verwaltung von
Vermögensanlagen jeder Art. Aus Aktien und Aktienfonds erzielt
sie Erträge, die bei der Ermittlung des Einkommens weitgehend
außer Betracht bleiben; diese Erträge machen ca. 2/3 der
Gesamterträge aus. Die übrigen Erträge (aus
festverzinslichen Wertpapieren und Festgeldern) entsprechen der
Höhe nach den im Gesamtunternehmen regelmäßig
anfallenden betrieblichen Aufwendungen. Die Klägerin
schließt aus ihrer Betriebsart darauf, dass sie nicht auf
unbegrenzte Zeit bestehen bleibe; sie werde voraussichtlich bis zum
Jahre 2020 aktiv und dann bis spätestens im Jahre 2025 nach
der Liquidation aufgelöst sein.
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3
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Die Ermittlung des Gesamtbetrags der
Einkünfte (2.002.474 EUR) und des vorläufigen
Gewerbeertrags (2.327.228 EUR) des Streitjahres ist zwischen den
Beteiligten nicht im Streit. Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte bei der Veranlagung
des Streitjahres allerdings unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG 2002) i.V.m. § 10d
Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 i.d.F. des Gesetzes
zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur
Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom
22.12.2003 (BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) - EStG 2002 n.F. -
sowie auf § 10a Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes 2002 i.d.F.
des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und
anderer Gesetze vom 23.12.2003 (BGBl I 2003, 2922, BStBl I 2004,
20) - GewStG 2002 n.F. - einen zum 31.12.2003 festgestellten
Verlustvortrag (36.532.178 EUR) sowie einen vortragsfähigen
Gewerbeverlust (38.411.472 EUR) nur teilweise einkommens- bzw.
gewerbeertragsmindernd. Das FA setzte daraufhin eine
Körperschaftsteuer von 100.427 EUR (zu versteuerndes
Einkommen: 400.989 EUR) und eine Gewerbesteuer von 108.814 EUR
(nach einem Gewerbeertrag von 530.800 EUR) fest. Die Klage, mit der
geltend gemacht worden war, dass die Klägerin bei
unveränderter Geschäftspolitik bis zu ihrer Liquidation
nicht in der Lage sein werde, die erheblichen Verlustvorträge
zu nutzen, blieb erfolglos (Finanzgericht - FG -
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.9.2010 12 K 8212/06 B).
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und unter
Änderung der angefochtenen Steuerbescheide den
Gewerbesteuermessbetrag 2004 und die Körperschaftsteuer 2004
dahingehend festzusetzen, dass bei der Ermittlung des
Gewerbeertrags bzw. des Einkommens die abzugsfähigen Verluste
in Höhe von 2.327.228 EUR bzw. in Höhe von 2.002.474 EUR
berücksichtigt werden.
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5
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Es hat keinen Antrag
gestellt.
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II. Die Revision der Klägerin ist nicht
begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass bei der
Einkommensermittlung bzw. der Gewerbeertragsermittlung des
Streitjahres ein zum 31.12.2003 festgestellter Verlustvortrag und
vortragsfähiger Gewerbeverlust nach Maßgabe der sog.
Mindestbesteuerung nur teilweise einkommens- und
gewerbeertragsmindernd zu berücksichtigen ist.
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1. Im Rahmen der Festsetzungen, die dem
angefochtenen Urteil zugrunde liegen, hat das FA die gesetzlichen
Regelungen der sog. Mindestbesteuerung (§ 8 Abs. 1 KStG 2002
i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F., § 10a
Sätze 1 und 2 GewStG 2002 n.F.) ohne Rechtsfehler
angewendet.
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9
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a) Mit dem Gesetz zur Umsetzung der
Protokollerklärung der Bundesregierung zur
Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz
ließ der Gesetzgeber zwar den zuvor eingeschränkten
innerperiodischen Verlustausgleich im Rahmen von § 2 Abs. 3
EStG 2002 n.F. wieder uneingeschränkt zu, er verschärfte
aber die Beschränkung des überperiodischen Verlustabzugs
nach § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F.: Verluste, die weder im
Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung noch im Wege des
Verlustrücktrags ausgeglichen werden konnten, sind ab dem
Veranlagungszeitraum 2004 im Rahmen des Verlustvortrags nur noch
begrenzt verrechnungsfähig. Gemäß § 10d Abs. 2
Satz 1 EStG 2002 n.F. können sie nur noch bis zu einem
Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. EUR unbeschränkt
abgezogen werden. Darüber hinausgehende negative
Einkünfte aus früheren Veranlagungszeiträumen sind
nur noch in Höhe von 60 % des 1 Mio. EUR übersteigenden
Gesamtbetrags der Einkünfte ausgleichsfähig. Im Ergebnis
werden 40 % des positiven Gesamtbetrags der laufenden
Einkünfte eines Veranlagungszeitraums unabhängig von
etwaigen Verlusten in früheren Perioden der Besteuerung
unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. EUR
überschreiten.
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b) Diese Neuerungen im Bereich der
Einkommensteuer (sog. Mindestbesteuerung) sind auch bei der
Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer im
Streitjahr zu beachten (§ 8 Abs. 1 KStG 2002), ebenso die
gleichlautende Einschränkung des gewerbesteuerrechtlichen
Verlustvortrags bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags der
Klägerin durch § 10a Sätze 1 und 2 GewStG 2002 n.F.
Dies ist unter den Beteiligten im Grundsatz nicht streitig und
bedarf keiner weiteren Erörterungen.
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c) Dabei begegnet es keinen durchgreifenden
rechtlichen Bedenken, dass auf dieser Grundlage der Abzug (auch)
solcher bisher nicht ausgeglichener Verluste betroffen ist, die vor
dem Inkrafttreten der Neuregelung entstanden sind. Dass der zum
31.12.2003 festgestellte nicht ausgeglichene (Gewerbe-)Verlust in
den sachlichen Anwendungsbereich der Neuregelung fällt, stellt
sich - wie der Senat in einer vergleichbaren Konstellation schon
entschieden hat (Senatsurteil vom 11.2.1998 I R 81/97, BFHE 185,
393, BStBl II 1998, 485 = SIS 98 16 36; s.a. Senatsbeschluss vom
8.10.2008 I R 95/04, BFHE 223, 105, BFH/NV 2009, 500 = SIS 09 00 45) - als eine tatbestandliche Rückanknüpfung dar, die
nicht gegen das Vertrauensschutzgebot verstößt (s.a.
z.B. Heuermann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d
Rz A 288; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, §
10d EStG Rz 12). Das Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten
Ausgestaltung einer Verlustabzugsregelung muss schon angesichts der
Ungewissheit, ob und wann es tatsächlich zur Möglichkeit
einer Verlustverrechnung kommt, gegenüber einem
gesetzgeberischen Änderungsinteresse zurücktreten. Denn
es fehlt an einer rechtlichen Verfestigung der wirtschaftlichen
Position der Verlustausgleichsmöglichkeit im Augenblick der
Gesetzesänderung (Heuermann, FR 2012, 435, 442; s. allgemein
zum fehlenden Schutz eines sog. Kontinuitätsvertrauens
Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 7.7.2010 2 BvL
14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 = SIS 10 22 45;
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17.6.2010 III R 35/09, BFHE
230, 523, BStBl II 2011, 176 = SIS 10 36 62, jeweils m.w.N.).
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2. Die sog. Mindestbesteuerung
verstößt in ihrer Grundkonzeption nicht gegen
Verfassungsrecht.
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a) Die normative und systematische Grundlegung
sowie die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG und des BFH
und die Auseinandersetzung im Schrifttum stellen sich wie folgt
dar:
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aa) Aus dem generellen verfassungsrechtlichen
Maßstab des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes - GG - ) lässt sich für die direkten
Steuern sowohl ein systemtragendes Prinzip ableiten - die
Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des
Steuersubjekts - als auch das Gebot, dieses Prinzip bei der
Ausgestaltung des einfachen Rechts folgerichtig umzusetzen (s. nur
BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 = SIS 10 36 57 Rz 50 f., m.w.N.). Zur Ermittlung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts bedarf es eines
Ausgleichs zwischen den vom ihm erwirtschafteten besteuerbaren
Einnahmen und den zur Erzielung dieser Einnahmen aufgewendeten
Ausgaben. Das damit beschriebene („objektive“)
Nettoprinzip ist jedenfalls einfachgesetzlich in § 2 Abs. 2
EStG 2002 angelegt (s. BVerfG-Beschluss vom 12.5.2009 2 BvL 1/00,
BVerfGE 123, 111 = SIS 09 21 10 Rz 27 f.) und auf der Grundlage der
Verweisung in § 8 Abs. 1 KStG 2002 auch im Bereich der
Körperschaftsteuer anzuwenden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE
127, 224 = SIS 10 36 57 Rz 57 f.; s.a. Hey, DStR 2009, Beihefter zu
Nr. 34, 109, 110; Heger, ebenda, S. 117, 118; Heuermann, FR 2012,
435, 436). Für die Gewerbesteuer gilt infolge der Verweisung
in § 7 Satz 1 GewStG 2002 auf die Grundsätze der
ertragsteuerrechtlichen Gewinnermittlung als Grundlage für die
Ermittlung des Gewerbeertrags (vor Hinzurechnungen bzw.
Kürzungen) nichts anderes (BFH-Beschluss vom 27.1.2006 VIII B
179/05, BFH/NV 2006, 1150 = SIS 06 21 73, zu II.2.a bb; Hey, DStR
2009, Beihefter zu Nr. 34, 109, 115; Kube, DStR 2011, 1781, 1789;
Desens, FR 2011, 745, 746; Röder, Das System der
Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, 2010, S. 232; s.a. FG
Hamburg, Beschluss vom 29.2.2012 1 K 138/10, EFG 2012, 960 = SIS 12 08 75 Rz 99, 101).
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bb) Das Periodizitätsprinzip des § 2
Abs. 7 Sätze 1 und 2 EStG 2002 (bzw. des § 7 Abs. 3
Sätze 1 und 2 KStG 2002, § 14 Satz 2 GewStG 2002)
beschränkt das Nettoprinzip des § 2 Abs. 2 EStG 2002
nicht: Ein Abzug von Erwerbsaufwendungen ist auch dann zuzulassen,
wenn die Erwerbsaufwendungen nicht im Veranlagungs- oder
Erhebungszeitraum des Zugangs der Erwerbseinnahmen anfallen
(BVerfG-Beschlüsse vom 22.7.1991 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423;
vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05). Dies
kommt einfachgesetzlich in Regelungen zum sog.
periodenübergreifenden Verlustausgleich zum Ausdruck (§
10d EStG 2002, § 10a GewStG 2002). Die Möglichkeit des
periodenübergreifenden Verlustausgleichs begründet aber
nicht ihrerseits eine Bedingung der (Ertrags-)Besteuerung in der
Weise, dass jene erst dann gerechtfertigt ist, wenn das
Steuersubjekt gemessen an der Gesamtdauer seines
einkommensbezogenen Tätigwerdens bzw. seiner wirtschaftlichen
Existenz tatsächlich einen Zuwachs wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit erzielt (s. Desens, FR 2011, 745, 746 f.;
s.a. BFH-Beschluss vom 17.12.2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II
2008, 608 = SIS 08 13 73; Heuermann in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10d Rz A 86;
derselbe, FR 2012, 435, 440 f.; Drüen, Periodengewinn und
Totalgewinn, 1999, S. 103 f.). Eine solche Bedingung würde
einem sachangemessenen Ausgleich der widerstreitenden Prinzipien
(im Sinne einer wechselseitigen Begrenzung von Periodizitäts-
und Nettoprinzip, s. insbesondere BVerfG-Beschluss in HFR 1992,
423) nicht entsprechen (Desens, FR 2011, 745, 747 f.; Heuermann, FR
2012, 435, 436 ff.; Drüen, a.a.O., S. 96 ff.).
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16
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Soweit die Klägerin unabhängig von
dieser Grundfrage auf einen Vorrang des Nettoprinzips verweist, der
aus dem Umstand der jährlichen Verlustfeststellung (§ 10d
Abs. 4 EStG 2002, § 10a Satz 6 GewStG 2002) abzuleiten sei,
ist ihr nicht zu folgen. Denn die (Verlust-)Feststellung löst
das Spannungsverhältnis zwischen Abschnittsbesteuerung und
Nettoprinzip nicht in einer eindeutigen Weise auf: Sie schafft zwar
durch einen feststellenden Verwaltungsakt zeitnah Rechtssicherheit
zur Höhe des in der jeweiligen Ermittlungsperiode erzielten
Verlustes, berührt aber die Frage nach der sachangemessenen
Ausgestaltung der ertragsteuerlichen Regelungen entsprechend der
Maßgabe des „materiell-rechtlichen
Prinzips“ der Besteuerung nach der
Leistungsfähigkeit nicht.
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17
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cc) Die sog. Mindestbesteuerung
beschränkt die Wirkung des periodenübergreifenden
Verlustausgleichs (nur) „der Höhe nach“.
Die Begründung zum Regierungsentwurf des § 10d Abs. 2
EStG 2002 n.F. (BTDrucks 15/1518, S. 13) weist zwar darauf hin,
dass durch die sog. Mindestbesteuerung „keine Verluste
endgültig verloren“ gingen, seine eigentlichen
Beweggründe für die Regelungsänderung offenbart der
Gesetzgeber dann aber darin, dass „der Grund für die
Beschränkung ... in dem gewaltigen Verlustvortragspotential
der Unternehmen zu sehen (sei), das diese vor sich herschieben. Um
das Steueraufkommen für die öffentlichen Haushalte
kalkulierbar zu machen, ist es geboten, den Verlustvortrag zu
strecken. Nur so ist auf Dauer eine Verstetigung der
Staatseinnahmen gewährleistet.“ Damit ist dem
Regierungsentwurf zu § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. (ebenso zu
§ 10a GewStG 2002 n.F.: BTDrucks 15/1517, S. 19) eine
ausschließlich fiskalischen Interessen geschuldete
Begründung beigestellt worden (s.a. Dorenkamp, Systemgerechte
Neuordnung der Verlustverrechnung - Haushaltsverträglicher
Ausstieg aus der Mindestbesteuerung, in Institut „Finanzen
und Steuern“, Schrift Nr. 461, 2010, S. 27 ff.).
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18
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dd) Das BVerfG hat sich bereits mehrfach -
wenn auch noch nicht mit Blick auf § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F.
- zu Einschränkungen des periodenübergreifenden
Verlustausgleichs bzw. der Verlustverrechnung geäußert.
Danach ist ein uneingeschränkter Verlustvortrag
verfassungsrechtlich nicht garantiert. Die Beschränkung des
Verlustvortrags auf bestimmte Einkunftsarten und damit der
Ausschluss anderer Einkunftsarten von jeglichem Verlustvortrag war
ebenso wenig verfassungsrechtlich zu beanstanden (BVerfG-Beschluss
vom 8.3.1978 1 BvR 117/78, HFR 1978, 293) wie die Beschränkung
des Verlustvortrags auf bestimmte, durch
Betriebsvermögensvergleich ermittelte Betriebsverluste
(BVerfG-Beschluss in HFR 1978, 293; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom
30.10.1980 1 BvR 785/80, HFR 1981, 181). Nach der Rechtsprechung
des BVerfG bestanden ferner unter Berücksichtigung des
verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Besteuerung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit keine Bedenken gegen eine
Beschränkung des Verlustabzugs auf einen einjährigen
Verlustrücktrag und einen fünfjährigen
Verlustvortrag (BVerfG-Beschluss in HFR 1992, 423). Allerdings hat
das Gericht im Beschluss in BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05 den
völligen Ausschluss der Verlustverrechnung bei laufenden
Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände
(§ 22 Nr. 3 Satz 3 EStG 1983) für verfassungswidrig
erklärt.
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19
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ee) Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. dazu
die Nachweise im Senatsurteil vom 1.7.2009 I R 76/08, BFHE 225,
566, BStBl II 2010, 1061 = SIS 09 28 67, und in dem BFH-Beschluss
in BFH/NV 2006, 1150 = SIS 06 21 73; s.a. Senatsbeschluss vom
26.8.2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826 = SIS 10 33 11) bestehen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich
insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer
Verlustausgleichsbeschränkung, als der Verlustausgleich nicht
versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird. Eine
Verlagerung des Verlustausgleichs auf spätere
Veranlagungszeiträume ist im Hinblick darauf nicht zu
beanstanden, dass das Grundrecht seine Wirkung grundsätzlich
veranlagungszeitraumübergreifend entfaltet. Es genügt,
wenn die Verluste überhaupt, sei es auch in einem anderen
Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden.
Insbesondere erstarkt die bei ihrer Entstehung gegebene bloße
Möglichkeit, die Verluste später ausgleichen zu
können, nicht zu einer grundrechtlich geschützten
Vermögensposition (Art. 14 Abs. 1 GG; s. BVerfG-Beschluss in
HFR 1992, 423; dies relativierend BFH-Beschluss in BFHE 220, 129,
BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73, zu D.II.2.). Immerhin hat der
BFH in seinem Beschluss vom 29.4.2005 XI B 127/04 (BFHE 209, 379,
BStBl II 2005, 609 = SIS 05 25 19), in dem eine Beschränkung
des Verlustvortrags grundsätzlich gebilligt wurde, wenn der
Vortrag zeitlich über mehrere Veranlagungszeiträume
gestreckt wird, ausgeführt, dass damit nicht zugleich
über die Konstellation entschieden sei, dass
„negative Einkünfte aus tatsächlichen oder
rechtlichen Gründen“ in einem solchen System
„nicht mehr vorgetragen werden können“.
Darüber hinaus hat der XI. Senat des BFH in seinem
Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 6.9.2006 XI R 26/04 (BFHE 214,
430, BStBl II 2007, 167 = SIS 06 44 12) hervorgehoben, dass die
sog. Mindeststeuer durchaus den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG
berühre; auch wenn in mehreren summarischen Verfahren nach
§ 69 Abs. 2 und 3 FGO wegen der die Veranlagungszeiträume
übergreifenden Wirkung des Art. 3 Abs. 1 GG die Norm als
verfassungsgemäß angesehen worden sei, sei nicht zu
verkennen, dass die Begrenzung des vertikalen Verlustausgleichs (im
dortigen Streitfall durch § 2 Abs. 3 EStG 2002) trotz der
Streckung der Verlustverrechnung nicht nur bei einer kleinen Zahl
von Steuerpflichtigen mit gleicher wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit zu nennenswerten Belastungsunterschieden
führen könne. Auch bestehe naturgemäß keine
Gewissheit, die Verluste in Zukunft verrechnen zu können.
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20
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ff) In der Literatur wird die sog.
Mindestbesteuerung teilweise für verfassungskonform gehalten
(z.B. Lambrecht in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 10d Rz 4;
Schneider/Krammer in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,
Kommentar, § 10d Rz 6; Müller-Gatermann, Die
Wirtschaftsprüfung 2004, 467, 468; Heuermann in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10d Rz A 85, 88, und
derselbe, FR 2012, 435, 439 ff.): Die im Einzelfall eintretende
Einschränkung des objektiven Nettoprinzips habe der
Gesetzgeber ohne Verstoß gegen das allgemeine
Willkürverbot in vertretbarer Weise ausgestaltet, da sich
Beschränkungen des Verlustvortrags in
betragsmäßiger oder zeitlicher Hinsicht jedenfalls im
Grundsatz als verfassungskonform erwiesen hätten. Dem wird von
anderer Seite entgegengehalten, die durch die
„Deckelung“ des Abzugsbetrags bewirkte zeitliche
Streckung des Verlustvortrags sei schon „als
solche“ verfassungswidrig (s. z.B. Lang in Tipke/Lang,
Steuerrecht, 20. Aufl., § 9 Rz 66; Lang/Englisch, Steuer und
Wirtschaft - StuW - 2005, 3, 21 ff.; Röder, a.a.O., S. 263
ff., 355 ff., und derselbe, StuW 2012, 18, 22 ff.; Mönikes,
Die Verlustverrechnungsbeschränkungen des
Einkommensteuergesetzes im Lichte der Verfassung, 2006, S. 223 ff.;
Hey, StuW 2011, 131, 140 f.; Dorenkamp, a.a.O., S. 12; Raupach in
Lehner [Hrsg.], Verluste im nationalen und Internationalen
Steuerrecht, 2004, S. 53, 60 f.; Eckhoff in von Groll [Hrsg.],
Verluste im Steuerrecht, Veröffentlichungen der Deutschen
Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - Band 28 [2005], S. 11,
34; Lüdicke, DStZ 2010, 434, 436; Kaminski in Korn, § 10d
EStG Rz 30.9; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst &
Young GmbH, DB 2012, 1704, 1707; Esterer/Bartelt,
Unternehmensbesteuerung 2012, 383, 392; s.a. die Stellungnahme des
Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren, BTDrucks 15/1665, S. 2).
Andere Literaturstimmen nehmen einen Verfassungsverstoß der
sog. Mindestbesteuerung nur in den Fällen an, in denen ein
Verlust nicht nur zeitlich gestreckt, sondern von einer Wirkung auf
die Ermittlung des Einkommens endgültig ausgeschlossen wird
(„Definitiveffekte“, s. z.B. Hallerbach in
Herrmann/ Heuer/Raupach, a.a.O., § 10d EStG Rz 13; Wendt,
DStJG, Band 28, S. 41, 74 ff.; Fischer, FR 2007, 281, 283 ff.;
Desens, FR 2011, 745, 748 ff.; Klomp, GmbHR 2012, 675, 676 f.; wohl
auch Kempf/Vogel in Lüdicke/Kempf/ Brink [Hrsg.], Verluste im
Steuerrecht, 2010, S. 81; Blümich/ Schlenker,
EStG/KStG/GewStG, § 10d EStG Rz 6, 24; Drüen, ebenda,
§ 10a GewStG Rz 21, 112; Kube, DStR 2011, 1781, 1789 ff.;
Buciek, FR 2011, 79; Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 10d EStG
Rz 147; s.a. BMF-Schreiben vom 19.10.2011, BStBl I 2011, 974 = SIS 11 34 29), wobei insoweit auch eine verfassungskonforme Reduktion
des Wortlauts des § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. für
möglich gehalten wird (z.B. Wendt, DStJG, Band 28, S. 41, 78;
Fischer, FR 2007, 281, 285 f.). Solche Effekte können im
Unternehmensbereich insbesondere bei der Liquidation
körperschaftsteuerpflichtiger Unternehmen auftreten, soweit es
sich um zeitlich begrenzt bestehende Projektgesellschaften handelt,
aber auch etwa bei bestimmten Unternehmensgegenständen (z.B.
bei langfristiger Fertigung) und in Sanierungsfällen (s. Lang/
Englisch, StuW 2005, 3, 21 ff.; s.a. Dorenkamp, a.a.O., S. 33 f.;
Orth, FR 2005, 515, 530; BMF-Bericht der Facharbeitsgruppe
„Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ vom
15.9.2011, S. 52 mit Fußn. 57).
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b) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil
in BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485 = SIS 98 16 36 hervorgehoben,
dass die Abzugsfähigkeit von Verlusten nicht in ihrem
Kernbereich betroffen und gänzlich ausgeschlossen sein darf
(s.a. Senatsurteil vom 5.6.2002 I R 115/00, BFH/NV 2002, 1549 = SIS 03 02 22; Senatsbeschluss in BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826 =
SIS 10 33 11). Er hält daran fest. Diesem Maßstab wird
§ 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. unter Berücksichtigung der
beschriebenen Ausgangslage und vor dem Hintergrund der
dargestellten Rechtsprechung und des einschlägigen
Meinungsbildes im Schrifttum jedenfalls dann gerecht, wenn nicht
ein sog. Definitiveffekt eintritt.
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aa) Die Grundkonzeption der zeitlichen
Streckung des Verlustvortrags entspricht auch angesichts des Zins-
bzw. Liquiditätsnachteils den verfassungsrechtlichen
Anforderungen. Insoweit entnimmt der Senat der neueren
Rechtsprechung des BVerfG eine Unterscheidung zwischen
temporären und endgültigen Steuereffekten (s. den
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 111 = SIS 09 21 10; s.a. das
BFH-Urteil vom 25.2.2010 IV R 37/07, BFHE 229, 122, BStBl II 2010,
784 = SIS 10 15 76; zustimmend Dorenkamp, a.a.O., S. 61 f.; Desens,
FR 2011, 745, 747; Heuermann, FR 2012, 435, 439; Lang, GmbHR 2012,
57, 61; ablehnend Röder, StuW 2012, 18, 24 f.). Wenn sich
danach der maßgebliche Zeitpunkt der
einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung eines
gewinnmindernden Aufwands, also das Wann, nicht das Ob der
Besteuerung, nicht mit Hilfe des Maßstabs wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit oder des objektiven Nettoprinzips bestimmen
lässt, ist eine „Verluststreckung“
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei liegt es auch
innerhalb der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis (zu dieser
z.B. BVerfG-Beschluss vom 17.11.2009 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1
= SIS 10 02 74, BGBl I 2010, 326), dass die zeitliche Streckung des
Verlustvortrags das Risiko für den einkommenswirksamen Abzug
des Verlustes erhöht, da „naturgemäß keine
Gewissheit besteht, die Verluste in Zukunft verrechnen zu
können“ (Senatsurteil in BFHE 225, 566, BStBl II
2010, 1061 = SIS 09 28 67; BFH-Beschluss in BFHE 214, 430, BStBl II
2007, 167 = SIS 06 44 12). Diesem Ergebnis steht auch die Existenz
verschiedener gesetzlicher Regelungen nicht entgegen, die als
Rechtsfolge eine „Vernichtung“ von
Verlustvorträgen in bestimmten Fallsituationen vorsehen (z.B.
im Zuge einer Anteilsübertragung: § 8c KStG 2002 n.F.).
Dies gilt sinnentsprechend z.B. auch für die Situation der
Beendigung der persönlichen Steuerpflicht angesichts der
fehlenden Möglichkeit der
„Verlustvererbung“ (BFH-Beschluss in BFHE 220,
129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73).
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Der Gesetzgeber hat durch das Grundkonzept der
Mindestbesteuerung die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht
willkürlich überschritten; er kann sich für diese
Ausgestaltung des Verlustabzugs vielmehr auf den im
Gesetzgebungsverfahren erteilten Hinweis auf eine Verstetigung des
Steueraufkommens (s.a. BMF-Bericht der Facharbeitsgruppe
„Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“, vom
15.9.2011, S. 18) infolge der Dämpfung der Steuerauswirkungen
konjunktureller Schwankungen berufen (s. oben zu II.2.a cc; zur
Steueraufkommenswirkung s. BTDrucks 17/4653, S. 17, bzw.
BMF-Bericht der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und
Gruppenbesteuerung“, vom 15.9.2011, S. 43 f.). Denn damit
hat der Gesetzgeber nicht nur auf den (nicht in ausreichender Weise
rechtfertigenden) Einnahmezweck (Erzielung von
Steuermehreinnahmen), sondern auf einen in der Konzeption der
Regelung angelegten „qualifizierten Fiskalzweck“
(Desens, FR 2011, 745, 749; s.a. Kube, DStR 2011, 1781, 1789 und
1790) verwiesen (s.a. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1150 = SIS 06 21 73; Heuermann in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., §
10d Rz A 85; ablehnend Hey, StuW 2011, 131, 141 f.; Röder,
StuW 2012, 18, 25 f.; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst
& Young GmbH, DB 2012, 1704, 1707). Daher kann - mit Blick auf
§ 10a GewStG 2002 n.F. - offenbleiben, ob die
Beschränkung (auch) dadurch gerechtfertigt werden kann, dass
auf diese Weise die kommunale Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 3
GG) sichergestellt werden konnte (FG Hamburg, Urteil vom 2.11.2011
1 K 208/10, EFG 2012, 434 = SIS 12 02 35; s.a. BFH-Beschluss in
BFH/NV 2006, 1150 = SIS 06 21 73).
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bb) Die Grenze zum notwendigen Kernbereich
einer Verlustverrechnung könnte zwar überschritten sein,
wenn auf der Grundlage eines inneren Sachzusammenhangs bzw. einer
Ursachenidentität der sog. Mindestbesteuerung im Einzelfall
(„konkret“) die Wirkung zukommt, den
Verlustabzug gänzlich auszuschließen (s. dazu
Senatsbeschluss in BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826 = SIS 10 33 11; a.A. Heuermann, FR 2012, 435, 440 f.). Diese Frage kann
allerdings im Streitfall offenbleiben. Denn eine sog.
Definitivsituation (als endgültiger Ausschluss der
Verlustnutzungsmöglichkeit) liegt im Streitfall nicht vor.
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aaa) Die Klägerin hat sich insoweit
darauf berufen, dass ihr Geschäftsmodell eine Verlustnutzung
ausschließe. Denn 2/3 der erzielten Erträge seien zu 95
% steuerfrei und die steuerpflichtigen Erträge würden
durch betriebliche Aufwendungen in ungefähr derselben
Höhe kompensiert. Insoweit werde sich bis zum Abschluss ihrer
Geschäftstätigkeit (in voraussichtlich 20 Jahren) keine
Möglichkeit einer Verlustverrechnung ergeben; vielmehr werde
es bei der Liquidation der Gesellschaft zu einer Verlustvernichtung
kommen.
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bbb) Der Senat folgt dieser Einschätzung
nicht. Dabei lässt er offen, ob das
„Definitivwerden“ von Liquidationsverlusten den
Abschluss des entsprechenden Liquidationsverfahrens erfordert (s.
insoweit FG Düsseldorf, Urteil vom 12.3.2012 6 K 2199/09 K,
EFG 2012, 1387 = SIS 12 17 43); er lässt ebenfalls offen, ob -
wie vom FA und vom BMF in der mündlichen Verhandlung betont -
die Situation der Liquidation einer Kapitalgesellschaft wegen der
auf einem Willensentschluss (der Organe) des Steuersubjekts
beruhenden Entscheidung zur Liquidation („gewillkürte
Maßnahme“) von einer Berücksichtigung
auszuschließen sei (s.a. Gosch, BFH/PR 2011, 10, 11).
Schließlich kann auch offenbleiben, ob die auf einen
20-jährigen Zeitraum bzw. die Restdauer ihrer wirtschaftlichen
Existenz bezogene Prognose der Klägerin schon insoweit
zeitlich zu weit greift, als sie einen Ausgleich zwischen
Periodizitäts- und Nettoprinzip (s. oben zu II.2.a bb; s.a.
Klomp, GmbHR 2012, 675, 678 f.; Heuermann, FR 2012, 435, 441 f.)
vollständig vermissen lässt.
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Der Prognose der Klägerin ist schon
allein aus dem Grund nicht zu folgen, dass sie nicht ausreichend
berücksichtigt, dass es sowohl zu Änderungen des
Geschäftsfelds kommen kann als auch insbesondere zu
Änderungen der steuerrechtlichen Regelungslage. Und beides
kann einen Einfluss auf den Umfang der Steuerfreistellung der
erzielten Einnahmen haben. So ist eine Einschränkung des
sachlichen Umfangs der Steuerbefreiung in § 8b Abs. 1 und 2
KStG 2002 zur Zeit wieder (s. Patzner/Frank, IStR 2008, 433; Gosch,
KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 62 – zum Entwurf eines
Jahressteuergesetzes 2009) Gegenstand politischer Beratungen (s.
dazu die Stellungnahme des Bundesrats [zum Entwurf eines
Jahressteuergesetzes 2013, BRDrucks 302/12] vom 6.7.2012, DStR
2012, Heft 28, S. VI). Der Bundesrat fordert vor dem Hintergrund
der infolge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen
Union vom 20.10.2011 C-284/09 „Kommission ./.
Deutschland“ (DStR 2011, 2038 = SIS 11 34 05) zu
erwartenden Einbußen bei der Kapitalertragsteuer, dass die
Steuerfreiheit von Dividenden und Veräußerungsgewinnen
nach § 8b KStG für Streubesitzanteile (Anteile von
weniger als 10 % am Nennkapital) aufgehoben wird. Auf dieser
Grundlage lässt sich daher eine
„Definitivsituation“ unter Annahme einer
fortgeltenden Wirkung des § 8b Abs. 1 und 2 KStG 2002 nicht
zuverlässig prognostizieren.
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Dem Vorbringen der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die von ihr erzielten
Verluste seien durch Provisionsaufwand bei der Einwerbung ihrer
Gesellschafter entstanden, muss nicht nachgegangen werden. Denn es
bestünde kein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang derartiger
Aufwendungen mit den später erzielten - steuerauslösenden
- Erträgen, der die Rechtfertigung der Mindestbesteuerung
berühren könnte.
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3. Schließlich ist dem Einwand der
Klägerin, sie führe der Sache nach wegen fehlender
Überschusserzielungsabsicht einen sog. Liebhabereibetrieb, was
einer Besteuerung entgegenstehe, nicht zu folgen. Dies beruht auf
grundsätzlichen - bereits im Senatsurteil vom 22.8.2007 I R
32/06 (BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961 = SIS 07 36 22) näher
ausgeführten und hier nicht im Einzelnen zu wiederholenden -
Erwägungen zur Frage, ob einer Kapitalgesellschaft eine
außerbetriebliche Sphäre zukommen kann (s. zuletzt
Senatsbeschluss vom 15.2.2012 I B 97/11, BFHE 236, 458, BStBl II
2012, 697 = SIS 12 07 31). An diesen Erwägungen hält der
Senat weiterhin fest. Es kommt daher weder in Betracht, den durch
§ 8b Abs. 1 und 2 KStG 2002 begünstigten Bereich der
Kapitalanlagen aus der gewerblichen (§ 8 Abs. 2 KStG 2002;
§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG 2002) Gesamttätigkeit der
Klägerin herauszulösen noch die Tätigkeit der
Klägerin insgesamt als nicht besteuerbar anzusehen.
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