KiSt, Halbeinkünfteverfahren, Verlustvortrag: 1. Die Hinzurechnung von nach dem sog. Halbeinkünfteverfahren steuerfreien Einkünften zur Bemessungsgrundlage der in Baden-Württemberg erhobenen Kirchensteuer gemäß § 5 Abs. 2 KiStG BW i.V.m. § 51 a Abs. 2 Satz 2 EStG kann nicht durch Verrechnung mit im betreffenden Veranlagungszeitraum nicht verbrauchten Verlustvorträgen neutralisiert werden. - 2. Das Fehlen einer Verrechnungsmöglichkeit verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. - Urt.; BFH 1.7.2009, I R 76/08; SIS 09 28 67
I. Streitpunkt ist die Hinzurechnung
einkommensteuerbefreiter Einkünfte zur Bemessungsgrundlage der
Kirchensteuer nach Maßgabe von § 51a Abs. 2 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG 2002), wenn im betreffenden
Veranlagungszeitraum nach Festsetzung der Einkommensteuer nicht
verrechnete Verlustabzüge verblieben sind.
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind im Streitjahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer
veranlagte Eheleute, die der zum Verfahren beigeladenen
Evangelischen Landeskirche in Baden (Beigeladene) angehören.
Zum 31.12.2002 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) die noch berücksichtigungsfähigen
Verluste der Kläger wie folgt gesondert fest:
Verbleibender Verlustvortrag nach §
10d Abs. 4 EStG 2002 für die
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Einkünfte aus Gewerbebetrieb:
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auf
1.646.913 EUR
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Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung:
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auf
3.398.272 EUR
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Einkünfte aus Leistungen
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auf
3.938 EUR
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Verbleibender Verlustabzug (aus den Jahren
vor 1999)
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nach § 10d Abs. 3 EStG in der Fassung
vom 16.04.1997:
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auf
1.668.079 EUR
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Im Rahmen der Veranlagung zur
Einkommensteuer für das Streitjahr ermittelte das FA einen
Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger in Höhe von
1.121.426 EUR. Dazu gehörten gewerbliche Einkünfte des
Klägers, bei deren Ermittlung nach dem sog.
Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG
2002 ein Betrag in Höhe von 1.796.222 EUR
unberücksichtigt geblieben war. Nach Verrechnung mit den zum
31.12.2002 gesondert festgestellten Verlustabzügen und nach
Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen
Belastungen ergab sich für das Streitjahr ein negatives zu
versteuerndes Einkommen der Kläger von ./. 37.818 EUR, so dass
das FA die Einkommensteuer auf 0 EUR festsetzte.
Die Kirchensteuer für das Streitjahr
setzte das FA auf 66.647,04 EUR fest. Dabei rechnete es unter
Berufung auf § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 dem Betrag des zu
versteuernden Einkommens jenen Betrag von 1.796.222 EUR hinzu, der
bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers
gemäß § 3 Nr. 40 EStG 2002 als steuerfrei
unberücksichtigt geblieben war. Auf diese Weise errechnete das
FA eine fiktive Einkommensteuer von 833.088 EUR als
Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer.
Die gegen die Festsetzung der Kirchensteuer
erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg
mit Urteil vom 22.7.2008 3 K 148/05 abgewiesen. Sein Urteil ist in
EFG 2008, 1908 = SIS 08 37 20 abgedruckt.
Die Beigeladene hat während des
Einspruchsverfahrens einem Antrag der Kläger auf Kappung der
Kirchensteuer im Umfang von 5.115 EUR entsprochen. Über das
weiter gehende Kappungsbegehren der Kläger ist vor dem FG ein
weiteres Klageverfahren anhängig.
Gegen die Abweisung der gegen die
Kirchensteuerfestsetzung gerichteten Klage richtet sich die auf
Verletzung materiellen Rechts gestützte, vom FG zugelassene
Revision der Kläger.
Die Kläger beantragen
(sinngemäß), das FG-Urteil und den angefochtenen
Bescheid aufzuheben und die Kirchensteuer für das Streitjahr
auf 0 EUR festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag
gestellt.
II. Dem Antrag der Kläger, das Ruhen des
Verfahrens anzuordnen, weil sie beabsichtigten, bei der
Beigeladenen einen Antrag auf Steuererlass zu stellen, kann nicht
entsprochen werden. Denn das Ruhen des Verfahrens kann
gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m.
§ 251 der Zivilprozessordnung nur auf Antrag beider
Hauptbeteiligter angeordnet werden. Das FA hat dem Ruhensantrag der
Kläger jedoch widersprochen.
III. Die Revision ist unbegründet und
deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO
zurückzuweisen.
1. Die Vorinstanz hat die Klage zu Recht als
zulässig angesehen. Der Finanzgerichtsweg in evangelischen
Kirchensteuerangelegenheiten in Baden-Württemberg ist
gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO i.V.m. § 4 des
Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom
29.3.1966 (Gesetz- und Verordnungsblatt Baden-Württemberg -
GVBl BW - 1966, 49) eröffnet. Der Senat verweist insoweit zur
Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 15.10.1997 I R
33/97 (BFHE 184, 167, BStBl II 1998, 126 = SIS 98 05 51); die
maßgebliche Gesetzeslage hat sich nicht geändert.
Das FA ist im Klageverfahren passiv
prozessführungsbefugt. Das folgt aus § 17 Abs. 2 i.V.m.
§ 21 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Erhebung von
Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in
Baden-Württemberg (KiStG BW) vom 15.6.1978 (GVBl BW 1978,
370), wonach auf das Verfahren betreffend die Kirchensteuern, die
als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben werden, die für die
Einkommensteuer geltenden Vorschriften Anwendung finden, soweit die
Verwaltung der Kirchensteuern gemäß § 17 Abs. 1
KiStG BW den Landesfinanzbehörden übertragen ist. Nach
den Feststellungen des FG ist das im Hinblick auf die hier in Rede
stehende evangelische Kirchensteuer in Baden-Württemberg der
Fall.
2. In der Sache ist die Revision
unbegründet. Das FA hat die Kirchensteuer der Kläger
für das Streitjahr zutreffend festgesetzt.
a) Die in Baden-Württemberg wohnhaften
Kläger sind gemäß § 3 Abs. 1 KiStG BW
landeskirchensteuerpflichtig. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
KiStG BW i.V.m. § 4 Nr. 1 der Kirchensteuerordnung der
Beigeladenen vom 28.10.1971 (GVBl BW 1971, 173) werden die
Kirchensteuern als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben. Zur
Berechnung der Zuschlagsteuer verweist § 5 Abs. 2 KiStG BW auf
§ 51a EStG in seiner jeweiligen Fassung.
b) Bei der landesgesetzlichen Verweisung auf
die bundesrechtliche Norm des § 51a EStG „in seiner
jeweiligen Fassung“ handelt es sich um eine sog.
dynamische Verweisung, die zwar nicht gänzlich ausgeschlossen,
aber unter bundesstaatlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen
Gesichtspunkten verfassungsrechtlich nur eingeschränkt
zulässig ist (vgl. z.B. Beschlüsse des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 1.3.1978 1 BvR 786/70,
793/70, 168/71, 95/73, BVerfGE 47, 285; vom 26.1.2007 2 BvR
2408/06, Gewerbearchiv 2007, 149). Möglichen
verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der
dynamischen Verweisung des § 5 Abs. 2 KiStG BW braucht der
Senat jedoch für die im Streitfall relevante Fassung des
§ 51a Abs. 2 EStG 2002 nicht weiter nachzugehen. Denn diese
ist mit dem Gesetz zur Regelung der Bemessungsgrundlage für
Zuschlagsteuern vom 21.12.2000 (BGBl I 2000, 1978) in das
Einkommensteuergesetz aufgenommen worden. Diese Änderung des
§ 51a Abs. 2 EStG war ausweislich der Begründung des
Gesetzentwurfs der Regierungsfraktionen des Landtags von
Baden-Württemberg (Drucks 12/5792, S. 4) Anlass für den
Landesgesetzgeber, die Bestimmung des § 5 Abs. 2 KiStG BW
durch das Gesetz zur Änderung des Kirchensteuergesetzes vom
6.2.2001 (GVBl BW 2001, 116) zu ändern und die jetzige Form
einer dynamischen Verweisung auf § 51a EStG in das Gesetz
aufzunehmen. Damit ist die Verweisung jedenfalls insoweit als
verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen, als es um die
Bezugnahme auf § 51a EStG i.d.F. des Gesetzes vom 21.12.2000
geht. Denn zumindest deren Geltung hat der Landesgesetzgeber
offenkundig und konkret in seinen Gesetzgebungswillen
aufgenommen.
c) Gemäß § 51a Abs. 2 Satz 1
EStG 2002 ist Bemessungsgrundlage für die Zuschlagsteuern die
Einkommensteuer unter Berücksichtigung bestimmter - hier nicht
relevanter - Freibeträge. In § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG
2002 heißt es sodann u.a., dass das zu versteuernde Einkommen
um die nach § 3 Nr. 40 EStG 2002 steuerfreien Beträge zu
erhöhen ist.
Im Streitfall ergibt sich aus diesen
Modifikationen die vom FA angesetzte „fiktive“
Einkommensteuer von 833.088 EUR als Bemessungsgrundlage der
Kirchensteuer: Nach Verrechnung der zum 31.12.2002 festgestellten
Verlustvorträge mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte
(§ 10d, § 2 Abs. 3 EStG 2002) und nach Abzug von
Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen
verblieb das vom FA errechnete zu versteuernde Einkommen (§ 2
Abs. 5 EStG 2002) von ./. 37.818 EUR. Diesem Betrag sind
gemäß § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 die nach §
3 Nr. 40 EStG 2002 steuerfreien Einkünfte hinzuzurechnen; das
sind im Streitfall die bei der Besteuerung der gewerblichen
Einkünfte des Klägers unberücksichtigt gebliebenen
„Halbeinkünfte“ von 1.796.222 EUR. Auf das
sonach modifizierte zu versteuernde Einkommen von 1.758.404 EUR
entfällt eine „fiktive“ Einkommensteuer von
833.088 EUR. Bei dem gemäß § 9 KiStG BW i.V.m.
§ 2 des Kirchlichen Gesetzes über die Feststellung des
Haushaltsbuches der Evangelischen Landeskirche in Baden für
die Jahre 2002 und 2003 vom 24.10.2001 (GVBl BW 2002, 53) für
das Streitjahr geltenden Kirchensteuersatz von 8 % errechnet sich
daraus die festgesetzte Kirchensteuer von 66.647,04 EUR. Dass diese
Berechnung der Kirchensteuer nach dem Wortlaut des Gesetzes richtig
ist, stellen auch die Kläger nicht in Abrede.
d) Der Umstand, dass den Klägern für
das Streitjahr noch nicht durch Verrechnung verbrauchte
Verlustvorträge zur Verfügung gestanden haben, führt
nicht zu einer Reduzierung der Kirchensteuer. Verlustvorträge
gemäß § 10d EStG 2002 verringern die
Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern nur insoweit, als sie mit
dem Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnet werden und damit das
nach § 2 Abs. 5 EStG 2002 zu versteuernde Einkommen als
Ausgangsgröße der Berechnung der Zuschlagsteuern
gemäß § 51a Abs. 2 EStG 2002 mindern. Eine weiter
gehende Verwendung von Verlustvorträgen für Zwecke der
Zuschlagsteuern sieht das Gesetz nicht vor.
e) Eine planwidrige gesetzliche
Regelungslücke, die - z.B. im Wege einer Analogie zu §
10d EStG 2002 - eine Berücksichtigung der für die Zwecke
der Einkommensteuer nicht „verbrauchten“
Verlustvorträge im Rahmen der Bemessung der Kirchensteuer
ermöglichen würde, besteht nicht.
aa) § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG in der im
Streitjahr geltenden Fassung ist durch das Gesetz zur Regelung der
Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21.12.2000 (BGBl I
2000, 1978) in das Gesetz aufgenommen worden. Zweck der Bestimmung
- soweit es um die hier relevante Hinzurechnung der nach § 3
Nr. 40 EStG 2002 steuerfreien Einkünfte geht - war es, die mit
der Einführung des sog. Halbeinkünfteverfahrens durch das
Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der
Unternehmensbesteuerung vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I
2000, 1428) verbundenen Auswirkungen auf die Ermittlung der
steuerlichen Bemessungsgrundlage insbesondere der Kirchensteuern zu
neutralisieren (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des
Finanzausschusses - 7. Ausschuss -, BTDrucks 14/4546, S. 3). Das
Erfordernis einer Neutralisierung der Auswirkungen des
Halbeinkünfteverfahrens auf die Bemessung der Kirchensteuer
beruht auf dem Gedanken, dass die Freistellung der Hälfte der
in § 3 Nr. 40 EStG 2002 aufgeführten Einkünfte
(insbesondere Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften) von
der Einkommensbesteuerung der steuerlichen Vorbelastung der
ausschüttenden Kapitalgesellschaft durch die Reduzierung der
Einkommensteuer auf die ausgeschüttete Dividende im Wege der
Pauschalierung Rechnung tragen soll; an einem vergleichbaren Grund
für eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die
Kirchensteuer fehlt es jedoch, weil die Erträge von
Kapitalgesellschaften nicht der Kirchensteuer unterliegen (vgl.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 20.8.2008 9 C
9/07, HFR 2009, 193 = SIS 08 38 90; Pust in Littman/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, § 51a EStG Rz 101).
bb) Ob den am Gesetzgebungsverfahren
Beteiligten bei der Schaffung der in § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG
2002 enthaltenen Regelung bewusst war, dass die Hinzurechnung der
einkommensteuerbefreiten Einkünfte zur Bemessungsgrundlage der
Kirchensteuer bei vorhandenen Verlustabzügen nach § 10d
EStG 2002 dazu führen kann, dass bei einer Einkommensteuer von
0 EUR eine nicht unerhebliche Kirchensteuer anfällt (zweifelnd
Hofmann, DB 2005, 2157, 2158; Petersen in Kirchhof/
Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 51a EStG Rz C
18), lässt sich anhand der Gesetzesmaterialien nicht mit
Sicherheit feststellen. In Bericht und Beschlussempfehlung des
Finanzausschusses (BTDrucks 14/4546, S. 3), heißt es zu den
Konsequenzen der Regelung lediglich, die Korrekturrechnung auf der
Basis des zu versteuernden Einkommens könne „im
Einzelfall dazu führen, dass aufgrund der
Nichtberücksichtigung von Freibeträgen die
Kirchensteuerbelastung geringfügig erhöht
wird“. Immerhin geht daraus hervor, dass die
Hinzurechnung auf der Ebene des zu versteuernden Einkommens eine
bewusste und gewollte Entscheidung des Gesetzgebers war, um - wie
es dort ebenfalls heißt - „den Verwaltungsaufwand
einer vollständigen Schattenveranlagung zur Neutralisierung
des Halbeinkünfteverfahrens“ zu vermeiden.
cc) Es besteht kein Grund zu der Annahme, das
Gesetz sei, gemessen an seinem eigenen Ziel und Zweck,
unvollständig, also ergänzungsbedürftig, was
Voraussetzung für die Annahme einer planwidrigen
Regelungslücke ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 21.10.1999 I R
66/98, BFHE 190, 390, BStBl II 2000, 288 = SIS 00 06 23; vom
16.3.1994 I R 146/93, BFHE 175, 22, BStBl II 1994, 941 = SIS 94 20 86; vom 19.12.2007 I R 52/07, BFHE 220, 180, BStBl II 2008, 431 =
SIS 08 16 53; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 348). Insbesondere ist die
Konsequenz einer wortgetreuen Gesetzesanwendung weder systemwidrig
noch wirtschaftlich unvertretbar.
aaa) Es besteht kein Rechtsgrundsatz, nach dem
die Kirchensteuer als Zuschlagsteuer die festgesetzte
Einkommensteuer in einzelnen Veranlagungszeiträumen der
Höhe nach nicht übersteigen darf.
bbb) Die Versagung einer weiter gehenden
Verrechnung der Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer mit
einkommensteuerrechtlich nicht „verbrauchten“
Verlustvorträgen führt nicht zu einem definitiven Wegfall
des Verlustverrechnungspotentials für Zwecke der Kirchensteuer
(BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193; Homburg, FR 2008, 153, 157;
Petersen in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 51a Rz C
23). Denn der nicht verbrauchte Verlustabzug kann nach
Maßgabe des § 10d EStG 2002 in den nachfolgenden
Veranlagungszeiträumen zur Minderung der Bemessungsgrundlage
der Einkommensteuer verwendet werden und reduziert dann zugleich
auch die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer. Die Hinzurechnung
gemäß § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 ändert
somit nichts daran, dass für die Ermittlung der
Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer in jedem Veranlagungszeitraum
dasjenige Verlustverrechnungspotential ausgenutzt wird, das zur
Reduzierung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer verwendet
worden ist.
Soweit die Kläger demgegenüber unter
Bezugnahme auf ihr fortgeschrittenes Lebensalter darauf verweisen,
die festgestellten Verlustvorträge könnten von ihnen
möglicherweise nicht mehr ausgenutzt werden, beschreiben sie
nur jenes Spannungsverhältnis zwischen dem ertragsteuerlichen
Abschnittsprinzip und dem Leistungsfähigkeitsprinzip, das
grundsätzlich eine abschnittsübergreifende
Nettobesteuerung erfordern würde (vgl. z.B. Beschluss des
Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17.12.2007 GrS
2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73;
Senatsbeschluss vom 22.10.2003 I ER-S 1/03, BFHE 203, 496, BStBl II
2004, 414 = SIS 03 53 41). Dieses Spannungsverhältnis besteht
indes in gleicher Weise auf der Ebene der Einkommensteuer, wo im
Streitjahr das identische Verlustverrechnungspotential ungenutzt
geblieben ist. Daraus kann mithin nicht gefolgert werden, im
Bereich der Kirchensteuern müsse das
Verlustverrechnungspotential in größerem Umfang
ausgenutzt werden können als bei der
Einkommensteuerfestsetzung.
ccc) Eine Berücksichtigung der bei der
Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nicht
ausgenutzten Verlustvorträge im Bereich der
Kirchensteuerfestsetzung würde dem erklärten Ziel des
Gesetzgebers (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des
Finanzausschusses, BTDrucks 14/4546, S. 3) zuwiderlaufen, durch die
Hinzurechnung der steuerbefreiten Halbeinkünfte auf der Ebene
des zu versteuernden Einkommens den Verwaltungsaufwand einer
vollständigen Schattenveranlagung zur Neutralisierung des
Halbeinkünfteverfahrens im Bereich der Kirchensteuer zu
vermeiden (BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193; Homburg, FR 2008, 153,
157). Sie hätte nämlich zur Konsequenz, dass sich die
für die Einkommensteuer und die für die Kirchensteuer
verwendbaren Verlustabzüge unterschiedlich entwickeln
würden; für die Zwecke der Kirchensteuer müsste dann
jeweils eine gesonderte Feststellung der verbleibenden
Verlustabzüge vorgenommen werden. Dass die Ermittlung der
Kirchensteuer sich in dieser Weise verfahrensrechtlich zu einer
Schattenveranlagung verselbständigt, wollte der Gesetzgeber
offenkundig verhindern.
f) Die Hinzurechnung der steuerfreien
Halbeinkünfte nach § 5 Abs. 2 KiStG BW i.V.m. § 51a
Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 verstößt nicht gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG). Dieser verpflichtete den Gesetzgeber auch nicht, eine
Möglichkeit der Verrechnung des Hinzurechnungsbetrags mit noch
nicht genutzten Verlustvorträgen zu schaffen.
aa) Durch die Hinzurechnung der nach § 3
Nr. 40 EStG 2002 steuerbefreiten Halbeinkünfte zur
Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer werden die Steuerpflichtigen
mit Einkünften, die dem Halbeinkünfteverfahren
unterliegen, nicht unangemessen benachteiligt. Wie oben
ausgeführt, ist die Hinzurechnung vielmehr eine folgerichtige
Reaktion auf die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens
(ebenso BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193; Homburg, FR 2008, 153, 155
ff.; Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 51a Rz 2;
Pust in Littman/Bitz/Pust, a.a.O., § 51a EStG Rz 101;
Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 51a Rz 30a;
Blümich/Treiber, Einkommensteuergesetz,
Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 51a EStG
Rz 53; im Grundsatz auch Hofmann, DB 2005, 2157, 2158; a.A.
Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., § 51a Rz
1: „nicht zweckmäßig“; kritisch auch
Schult, BB 2001, 1019). Da die empfangenen Dividenden auf der Ebene
der ausschüttenden Kapitalgesellschaften nicht mit
Kirchensteuern „vorbelastet“ sind, besteht kein
sachlicher Grund dafür, diese Einkünfte auf der Ebene des
Empfängers zur Hälfte von der Kirchensteuer
freizustellen.
bb) Der Ausschluss einer Verlustverrechnung im
Hinblick auf die hinzuzurechnenden Halbeinkünfte führt
dazu, dass die vom Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte i.S.
von § 3 Nr. 40 EStG 2002 unabhängig von der Höhe
eines zur Verfügung stehenden Verlustvortrags nach § 10d
EStG 2002 in jedem Fall zur Hälfte der Kirchensteuer zu
unterwerfen sind. Ein Steuerpflichtiger, der gleich hohe
Einkünfte erzielt hat, zu denen aber nicht solche i.S. des
§ 3 Nr. 40 EStG 2002 gehören, und die gemäß
§ 10d EStG 2002 vollständig mit Verlustabzügen
verrechnet werden können, muss demgegenüber im gleichen
Veranlagungszeitraum keine Kirchensteuern entrichten. Jedoch
verstößt diese Ungleichbehandlung nicht gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
aaa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich
Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im
Bereich des Steuerrechts wird die Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen
Leistungsfähigkeit begrenzt. Im Interesse verfassungsrechtlich
gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt
werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit
gleich hoch besteuert werden („horizontale“
Steuergleichheit, vgl. BVerfG-Beschluss vom 16.3.2005 2 BvL 7/00,
BVerfGE 112, 268 = SIS 05 30 25, m.w.N.).
Jedoch ist auch die Befugnis des Gesetzgebers
zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Bei der Ordnung
steuerrechtlicher Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber
berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu
erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die
regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt
(BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 112, 268 = SIS 05 30 25; vom
31.5.1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 = SIS 88 22 02; vom
15.1.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65; jeweils
m.w.N.). Auf dieser Grundlage darf er generalisierende,
typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der
damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom
8.10.1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 = SIS 91 24 36; in BVerfGE
112, 268 = SIS 05 30 25, jeweils m.w.N.). Allerdings darf eine
gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild
wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen
Fall orientieren (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 268 = SIS 05 30 25).
bbb) Nach diesen Maßstäben war der
Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen gehalten, eine Verrechnung
des nach § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 hinzurechnenden
Betrages mit noch nicht verbrauchten Verlustvorträgen
vorzusehen (so auch BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193 = SIS 08 38 90;
Homburg, FR 2008, 153, 157 f.; a.A. Hofmann, DB 2005, 2157, 2158).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einem
Sachverhalt wie dem des Streitfalls, in dem ein festgestellter
Verlustvortrag den Gesamtbetrag der Einkünfte im betreffenden
Veranlagungszeitraum erheblich übersteigt, im
Massengeschäft der Veranlagung zur Kirchensteuer ein eher
seltener Ausnahmefall sein dürfte. Demgegenüber
würde das Erfordernis von getrennten
Verlustfeststellungsverfahren bei der Erhebung von Einkommen- und
Kirchensteuern die Komplexität einer Vielzahl von
Veranlagungsverfahren weiter erhöhen.
Das Fehlen einer Möglichkeit zur
Verlustverrechnung ist dem Steuerpflichtigen insbesondere deshalb
zumutbar, weil es sich - wie oben dargestellt - nicht um einen
definitiven Ausschluss einer Verlustverrechnung handelt. Vielmehr
mindert das vorhandene Verlustverrechnungspotential in
künftigen Veranlagungszeiträumen in dem Maße, wie
es die jeweilige Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer
verringert, auch die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer. An
einer Regelung, die den Verlustausgleich nicht versagt, sondern
lediglich zeitlich streckt, bestehen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1
GG keine verfassungsrechtlichen Zweifel (vgl. Senatsurteil vom
11.2.1998 I R 81/97, BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485 = SIS 98 16 36; BFH-Beschluss vom 27.1.2006 VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150 =
SIS 06 21 73, m.w.N.). Es genügt, wenn die Verluste
überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum,
steuerlich berücksichtigt werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom
30.9.1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05). Auch
erstarkt die bei ihrer Entstehung gegebene bloße
Möglichkeit, die Verluste später ausgleichen zu
können, nicht zu einer grundgesetzlich geschützten
Vermögensposition - Art. 14 Abs. 1 GG - (Senatsurteil in BFHE
185, 393, BStBl II 1998, 485 = SIS 98 16 36; BVerwG-Urteil in HFR
2009, 193 = SIS 08 38 90).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO. Den Klägern waren gemäß § 139
Abs. 4 FGO auch die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese das Verfahren durch
Erklärung des Einverständnisses mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung gefördert hat (vgl.
BFH-Urteile vom 19.5.1993 I R 124/91, BFHE 172, 37, BStBl II 1993,
889 = SIS 93 23 35; vom 20.6.2001 VI R 169/97, BFH/NV 2001, 1443 =
SIS 01 77 76; vom 9.2.2009 III R 39/07, juris, jeweils m.w.N.).