Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 11.4.2013 13 K 889/12
aufgehoben, soweit es die Festsetzung der Körperschaftsteuer
2004 und die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur
Körperschaftsteuer zum 31.12.2004 betrifft; insoweit wird die
Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision der
Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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A. Streitig ist, ob der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) verpflichtet ist,
Festsetzungen bzw. Feststellungen des Streitjahres 2004 wegen der
Anwendung der sog. Mindestbesteuerung (§ 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes 2002 - KStG 2002 - i.V.m. §
10d Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 i.d.F. des
Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der
Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum
Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003 [BGBl I 2003,
2840, BStBl I 2004, 14], § 10a Satz 2 des
Gewerbesteuergesetzes 2002 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung
des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23.12.2003 [BGBl
I 2003, 2922, BStBl I 2004, 20]) mit einer Nebenbestimmung i.S. des
§ 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) zu versehen.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine als
geschäftsleitende Holding tätige und in einen
französischen Konzern eingebundene GmbH, ist sowohl
körperschaftsteuerrechtliche als auch gewerbesteuerrechtliche
Organträgerin weiterer GmbH. Nach einer
Außenprüfung ergingen - unter Anwendung der sog.
Mindestbesteuerung - Änderungsbescheide zur
Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2004 sowie
zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur
Körperschaftsteuer auf den 31.12.2004 und zur gesonderten
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den
31.12.2004. Gegen diese Bescheide wandte sich die Klägerin mit
Einsprüchen. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass -
im Rahmen der Steuererklärungen des Jahres 2008 gegenüber
dem FA offenbarte - (ausländische) Umstrukturierungen im
Konzern den Bestand der Verlustvorträge nach § 8c KStG
2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.8.2007
(BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) - KStG 2002 n.F. -
gefährden könnten, müssten die Veranlagungen aller
Jahre, in denen die Mindestbesteuerung zur Anwendung gekommen sei
(damit auch das Streitjahr), für eine entsprechende Korrektur
offen gehalten werden. Sie beantragte deshalb, die Bescheide
insoweit nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig zu erlassen. Das
FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Die
dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (Finanzgericht - FG -
Köln, Urteil vom 11.4.2013 13 K 889/12, abgedruckt in EFG
2013, 1374 = SIS 13 20 68).
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Die Klägerin rügt die Verletzung
materiellen Rechts. Sie beantragt unter Hinweis auf im
Revisionsverfahren ergangene Änderungsbescheide zur
Körperschaftsteuer und zur Feststellung des verbleibenden
Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer (vom 9.5.2014), die
ebenfalls keine Nebenbestimmung i.S. des § 165 Abs. 1 AO
tragen, sinngemäß, das FA unter Aufhebung des
angefochtenen Urteils zu verpflichten, die Festsetzungen zur
Körperschaftsteuer 2004 und zum Gewerbesteuermessbetrag 2004
bzw. die Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur
Körperschaftsteuer zum 31.12.2004 und zum vortragsfähigen
Gewerbeverlust zum 31.12.2004 hinsichtlich der sog.
Mindestbesteuerung für i.S. des § 165 Abs. 1 AO
vorläufig zu erklären.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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B. I. Das angefochtene Urteil ist aus
verfahrensrechtlichen Gründen teilweise aufzuheben, da die
während des Revisionsverfahrens ergangenen
Änderungsbescheide vom 9.5.2014 zur Körperschaftsteuer
2004 und zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur
Körperschaftsteuer zum 31.12.2004 an die Stelle der
entsprechenden Änderungsbescheide getreten sind, die bisher
Gegenstand des klägerischen Verpflichtungsbegehrens waren.
Damit liegen dem FG-Urteil nicht mehr existierende Bescheide
zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen
Bestand haben kann. Die Bescheide vom 9.5.2014 wurden nach §
68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des
Revisionsverfahrens. Da sich durch die Änderungsbescheide der
bisherige Streitstoff nicht verändert hat, bedarf es keiner
Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO.
Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem
Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen
Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen
sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die
Entscheidung des Senats (vgl. z.B. Senatsurteile vom 3.8.2005 I R
94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20 = SIS 05 45 92; vom
7.9.2011 I R 12/11, BFHE 235, 225, BStBl II 2012, 194 = SIS 12 01 04).
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II. Soweit das angefochtene Urteil aufgehoben
wurde (s. zu I.), ist die Entscheidung des FG im Ergebnis zu
bestätigen; insoweit wird die Klage abgewiesen. Im
Übrigen wird die Revision der Klägerin als
unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die
Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass das FA den
Festsetzungen bzw. Feststellungen einen Vorläufigkeitsvermerk
(§ 165 Abs. 1 AO) beizufügen hat.
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1. Da § 165 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO es in
das Ermessen der Finanzbehörde stellt (s. z.B. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7.2.1992 III R 61/91, BFHE 167, 279,
BStBl II 1992, 592 = SIS 92 13 93; vom 11.2.2009 X R 51/06, BFHE
226, 1, BStBl II 2009, 892 = SIS 09 30 12), ob einem Steuer- oder
einem Feststellungsbescheid ein Vorläufigkeitsvermerk
beigefügt wird, kann die entsprechende Entscheidung im
Finanzprozess nur eingeschränkt überprüft werden:
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt und hat das
FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen
Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung
hinreichend begründet (§ 121, ggf. i.V.m. § 126 AO;
vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist die gerichtliche Kontrolle
(bezogen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung) nach § 102 Satz 1 FGO darauf
beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens
überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung),
ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der
(Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes
Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung)
oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der
Ermessensbetätigung, insbesondere den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (z.B.
Senatsurteil vom 28.8.2012 I R 10/12, BFHE 239, 1, BStBl II 2013,
266 = SIS 13 02 20; BFH-Urteil vom 24.4.2014 IV R 25/11, BFHE 245,
499, BStBl II 2014, 819 = SIS 14 20 93).
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2. Die Ermessensentscheidung des FA ist schon
deswegen fehlerfrei ergangen, weil der Gegenstand des
klägerischen Begehrens - eine hinsichtlich der Anwendung der
sog. Mindestbesteuerung vorläufige Steuerfestsetzung bzw.
Feststellung im Hinblick auf den möglichen zukünftigen
Verlust der Verlustvorträge der Klägerin - den Tatbestand
des § 165 Abs. 1 AO nicht erfüllt.
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a) Zwar kann nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO
eine Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist,
ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer
eingetreten sind. Dieser Regelungsinhalt gilt sinnentsprechend
für die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 181
Abs. 1 Satz 1 AO). Eine solche Ungewissheit bei der Entstehung der
Steuer und im Zusammenhang mit der Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen des Streitjahres 2004 bestand jedoch
nicht.
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aa) Die im Gesetz angesprochene Ungewissheit
bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH auf die
Tatsachengrundlage eines Steuertatbestands; eine Unsicherheit in
der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhalts
rechtfertigt die Anordnung der Vorläufigkeit nicht (z.B.
Senatsbeschluss vom 8.7.1998 I B 111/97, BFHE 186, 313, BStBl II
1998, 702 = SIS 98 20 76, m.w.N.; s.a. BFH-Urteil vom 4.9.2008 IV R
1/07, BFHE 222, 220, BStBl II 2009, 335 = SIS 09 03 40). Diese
Auffassung wird im Schrifttum geteilt (z.B. Buciek in Beermann/
Gosch, AO § 165 Rz 17 f.; Heuermann in Hübschmann/Hepp/
Spitaler, § 165 AO Rz 7; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl.,
§ 165 Rz 5, 16; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 165 AO Rz 7 f.). Dass § 165 Abs.
1 Satz 2 AO erweiternd auch rechtliche Gesichtspunkte in den
Tatbestandsbereich des § 165 AO einbezieht, indem
„diese Regelung“ (als Satz 1) für die dort
(in Nr. 1 bis 4) explizit angeführten Situationen
„auch anzuwenden (ist)“, berührt den durch
Satz 1 der Regelung auf die tatsächlichen Sachumstände
beschränkten Anwendungsbereich des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO
nicht.
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bb) An einem solchen
„vorübergehenden Aufklärungshindernis“
(Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 165 AO Rz 8) im Rahmen der
Sachverhaltsermittlung fehlt es. Die Steuerfestsetzungen und die
Feststellungen beruhen auf einem vollständig ermittelten und
unstreitigen Sachverhalt, der nach Maßgabe des im
Veranlagungs- und Feststellungszeitraum geltenden Rechts (§ 38
AO) zur Anwendung der sog. Mindestbesteuerung führt.
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aaa) Ansatzpunkt für das klägerische
(Verpflichtungs-)Begehren ist die Frage, ob ein aus der Perspektive
des Steuerentstehungszeitpunktes (Ablauf des 31.12.2004) in der
Zukunft möglicherweise eintretendes Ereignis aus
verfassungsrechtlichen Gründen auf das Streitjahr
zurückwirken wird (s. insoweit Senatsbeschluss vom 26.8.2010 I
B 49/10, BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826 = SIS 10 33 11) und dort
zu einer veränderten Steuerfestsetzung und Feststellung
führt. Sie verweist insoweit darauf, es drohe der Eintritt
eines sog. Definitiveffekts durch ihr zwar bisher nicht bekannte,
aber wegen der in das Ausland reichenden Beteiligungskette ihrer
Gesellschafter nicht ausgeschlossene „schädliche
Beteiligungserwerbe“ i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 2
KStG 2002 n.F. (als tatbestandsrelevante mittelbare
Beteiligungserwerbe) in 2008, die im Zuge der wegen einer
Außenprüfung noch offenen Veranlagung dieses Jahres
Anlass für eine Kürzung des Verlustvortrags sein
könnten (s. dazu allgemein z.B. Dötsch/Pung, DB 2008,
1706; Suchanek/ Jansen, GmbHR 2009, 412; Kraft/Kraft, FR 2011,
841).
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bbb) Ob ein - aus der Sicht des Streitjahres -
zukünftiges Ereignis in 2008 (oder in Folgejahren) eintreten
wird, das den Steueranspruch möglicherweise - und in
Abhängigkeit von einer bisher ungeklärten Rechtsfrage zur
verfassungskonformen Auslegung der Mindestbesteuerung -
rückwirkend beeinträchtigt, begründet aber eine
Ungewissheit, die bezogen auf den Entstehungszeitpunkt der Steuer
(§ 38 AO) unaufklärbar und nicht - wie für eine
„Ungewissheit im Tatsächlichen“
erforderlich - „nur“ mit einem
Aufklärungshindernis behaftet ist (s. insoweit auch Buciek in
Beermann/Gosch, AO § 165 Rz 32; Heuermann in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 165 AO Rz 10;
Klein/Rüsken, a.a.O., § 165 Rz 16; im Ergebnis auch
Klomp, GmbHR 2012, 675, 680). Insoweit besteht keine Parallele zur
materiell-rechtlichen Grundlage für die Rückwirkung eines
zukünftigen verlustvortragsgefährdenden Ereignisses (zu
Grenzen für eine Wirkung eines prognostizierten
zukünftigen sog. Definitiveffekts im Rahmen der
Steuerfestsetzung s. aber auch das Senatsurteil vom 22.8.2012 I R
9/11, BFHE 238, 419, BStBl II 2013, 512 = SIS 12 30 99). Auch wenn
ein etwaiges tatsächliches Ereignis (hier: ein
schädlicher Beteiligungserwerb in 2008) Ausgangspunkt der
Beurteilung sein mag, geht es im Kern doch immer um eine
Rechtsfrage, welche sodann in mehreren voneinander zu
unterscheidenden Ebenen der rechtlichen Subsumtion zu beantworten
ist (sog. Definitivsituation; verfassungswidriger Eingriff in den
Kernbereich des Verlustabzugs; Möglichkeit der
verfassungskonformen Einschränkung der Regelungen zur sog.
Mindestbesteuerung).
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b) Auch die Voraussetzungen des § 165
Abs. 1 Satz 2 AO sind nicht erfüllt.
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aa) Zwar können eine Steuerfestsetzung
und Feststellung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO (i.d.F. des
Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur
Änderung steuerlicher Vorschriften -
Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz - vom 26.6.2013, BGBl I 2013,
1809, BStBl I 2013, 790) auch dann vorläufig ergehen, wenn die
Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht
Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der
Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder
einem obersten Bundesgericht ist. Doch ist dieser Anwendungsgrund
im Streitjahr nicht einschlägig, weder im Hinblick auf den
Gleichbehandlungsgrundsatz durch eine Ermessensbindung infolge
einer entsprechenden allgemeinen behördlichen Weisung (s.
insoweit Nr. 6 Satz 2 des sog. AO-Anwendungserlasses zu § 165
AO), noch im Hinblick auf die ansonsten bestehende Notwendigkeit,
ein entsprechendes Klageverfahren nach § 74 FGO auszusetzen
(BFH-Urteil in BFHE 167, 279, BStBl II 1992, 592 = SIS 92 13 93).
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Insoweit hat das FG zu Recht darauf verwiesen,
dass das zum Senatsbeschluss in BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826 =
SIS 10 33 11 ergangene Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 19.10.2011 (BStBl I 2011, 974 = SIS 11 34 29) nur
für bestimmte Konstellationen die Aussetzung der Vollziehung
(AdV) angewiesen, aber keine Ausführungen zu einem
Vorläufigkeitsvermerk gemacht hat. Es besteht auch keine
Verpflichtung für die Aussetzung eines gerichtlichen
Verfahrens nach § 74 FGO. Eine solche Aussetzung kann
ausgelöst werden, wenn ein nicht offensichtlich aussichtsloses
Musterverfahren beim BVerfG anhängig ist, dessen Gegenstand
die Verfassungsmäßigkeit einer im Streitfall
entscheidungserheblichen gesetzlichen Regelung und nicht (nur) die
Verfassungsmäßigkeit der Auslegung und Anwendung an sich
verfassungsgemäßer Normen ist, und zahlreiche
Parallelverfahren anhängig sind. An alldem fehlt es im
Streitfall. So betrifft das von der Klägerin angeführte
Verfahren beim BVerfG 2 BvR 2998/12 (Verfassungsbeschwerde gegen
das Senatsurteil in BFHE 238, 419, BStBl II 2013, 512 = SIS 12 30 99) die Steuerfestsetzung (begehrt wird die Nichtanwendung der
streitbefangenen Mindestbesteuerungsvorschriften) und nicht die
Frage der Anwendung des § 165 Abs. 1 AO, und damit einen davon
zu unterscheidenden Streitgegenstand (s. z.B. BFH-Urteil in BFHE
226, 1, BStBl II 2009, 892 = SIS 09 30 12; Senatsurteil vom
23.1.2013 I R 35/12, BFHE 240, 140, BStBl II 2013, 508 = SIS 13 08 24). Selbst wenn man aber der Auffassung wäre, dass der
vorgreifliche Rechtsstreit, dessentwegen der
Vorläufigkeitsvermerk erfolgen soll, seinerseits nicht die
Anwendung des § 165 Abs. 1 AO zum Gegenstand haben muss,
ändert sich für die hier zu beurteilende Situation
nichts. Denn Gegenstand des beim BVerfG anhängigen Verfahrens
ist die Frage, ob ein sog. Definitiveffekt schon aus einer aktuell
und voraussichtlich auch zukünftig gewinnlosen
Geschäftstätigkeit erwächst; es ist dies nicht die
Frage der in die Vergangenheit zurückwirkenden künftigen
Definitivsituation.
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bb) Gleichermaßen scheidet im Streitfall
eine Vorläufigkeitserklärung nach Maßgabe des
Anwendungsgrundes des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO aus.
Dafür müsste die Auslegung eines Steuergesetzes
Gegenstand eines Verfahrens bei dem BFH sein. Auch daran aber fehlt
es hier.
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3. Der Senat hat in seinem Beschluss in BFHE
230, 445, BStBl II 2011, 826 = SIS 10 33 11 allerdings eine
verfassungskonforme Auslegung der Regelungen zur sog.
Mindestbesteuerung erwogen und in diesem Zusammenhang
ausgeführt, ein solches Auslegungsergebnis ließe sich
„verfahrensrechtlich ... durch die Beifügung eines
Vorläufigkeitsvermerks i.S. des § 165 Abs. 1 Satz 1 ...
(AO) ... in den Fällen einer Besteuerung ...
absichern“ (dort Rz 21). Ein Anspruch der Klägerin
auf Vorläufigkeitserklärung kann daraus aber nicht
abgeleitet werden. Es handelte sich insoweit um eine für das
dortige Verfahren um AdV nicht entscheidungserhebliche
Äußerung, die nicht unbesehen auf alle Fallgestaltungen
übertragbar ist.
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4. Schließlich kann der Klägerin
auch nicht geholfen werden, sollte ihr für den Fall eines
späteren „Definitivwerdens“ der
Verlustabzugserschwernisse, welche durch die Mindestbesteuerung
ausgelöst werden, möglicherweise keine anderweitige
verfahrensrechtliche Handhabe zur Bescheidänderung zur
Verfügung stehen. Die Klägerin macht dazu geltend, eine
rückwirkende Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
drohe wegen Zeitablaufs zu scheitern, obschon die Festsetzungs- und
Feststellungsfrist nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Satz 2
AO hinausgeschoben werde. Denn die Fristen begännen danach mit
Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis
eintritt; das aber sei bei einem schädlichen
Beteiligungserwerb i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG 2002 n.F.
in 2008 der Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen
Eigentums und nicht der Zeitpunkt, in welchem der den gesetzlich
entstandenen Steueranspruch lediglich konkretisierende
Änderungsbescheid unter erstmaliger Anwendung des § 8c
KStG 2002 n.F. für das Jahr 2008 bekanntgegeben werde. Dem
braucht hier indessen nicht weiter nachgegangen zu werden. Selbst
wenn das zuträfe, könnten die Tatbestandsvoraussetzungen
des § 165 Abs. 1 AO auch dadurch nicht erweitert werden.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 und 2 FGO.
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