1
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen
der B-GmbH (GmbH).
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2
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Die GmbH schloss am 2.1.2004, vertreten
durch den Kläger als vorläufigem Insolvenzverwalter, mit
einer KG, für die der Kläger bereits zum
Insolvenzverwalter bestellt worden war, einen Vertrag, nach dem die
GmbH der KG ihren Fuhrpark gegen monatliche Zahlung von 20.906,18
EUR zzgl. 3.344,99 EUR Umsatzsteuer (24.251,17 EUR brutto) zur
Nutzung überlassen sollte und tatsächlich
überließ; der Vertrag lief bis 29.2.2004. Die
Wirksamkeit der Vereinbarung war von der Genehmigung eines durch
das Insolvenzgericht einzusetzenden Sonderverwalters
abhängig.
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3
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Über das Vermögen der GmbH, die
ihre Umsätze zunächst nach vereinbarten Entgelten
gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des im Streitjahr
2005 geltenden Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) versteuerte, wurde
am 4.3.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der
Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom
6.4.2004 gestattete das zuständige Finanzamt (FA S) den vom
Kläger beantragten Wechsel zur Besteuerung nach vereinnahmten
Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m.
§ 20 UStG.
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Am 19.5.2005 genehmigte der Sonderverwalter
der GmbH den Vertrag vom 2.1.2004. Daraufhin wurde die vereinbarte
Miete für die vor Verfahrenseröffnung erbrachten
Leistungen - Nutzungsüberlassung des Fuhrparks für Januar
und Februar 2004 - in Höhe von 48.502,34 EUR brutto gezahlt
und am 14.7.2005 vom Kläger vereinnahmt.
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5
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Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das FA S davon aus, dass es
sich bei den nach Insolvenzeröffnung vereinnahmten Entgelten
aus den zuvor erbrachten Leistungen um Masseverbindlichkeiten
handele, und setzte durch den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid
für Juli 2005 vom 6.12.2005 hierfür Umsatzsteuer
gegenüber dem Kläger fest. Der Einspruch hatte keinen
Erfolg.
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6
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Nach der Erhebung der Klage zum
Finanzgericht (FG) erließ das FA S am 24.5.2007 im
Schätzungsweg den Umsatzsteuerjahresbescheid 2005, der
gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum
Gegenstand des Klageverfahrens wurde.
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7
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Das FG gab der Klage statt, mit der sich
der Kläger gegen die Berücksichtigung des vereinnahmten
Entgelts als Masseforderung wendet. Das Insolvenzverfahren sei im
März 2004 und damit nach Ablauf der
Voranmeldungszeiträume, in denen die Leistungen erbracht
wurden, eröffnet worden. Der Tatbestand des § 13 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UStG sei damit bereits vor
Verfahrenseröffnung vollständig erfüllt gewesen, so
dass die Umsatzsteuerverbindlichkeiten als Insolvenzforderungen zur
Tabelle anzumelden seien. Hieran ändere der nach
Verfahrenseröffnung beantragte und gewährte Wechsel der
Besteuerungsart nichts. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung
müsse eine Besteuerung der nach dem Übergang zur
Istbesteuerung vereinnahmten Entgelte entfallen, wenn - -wie hier -
die Umsätze bereits vor dem Übergang zur Istbesteuerung
der Sollbesteuerung unterlegen hätten. Der Unternehmer habe
deshalb in den Voranmeldungen für die
Voranmeldungszeiträume, in denen solche Außenstände
eingehen, die bereits versteuerten Beträge von den
vereinnahmten Entgelten abzusetzen. Dies gelte unabhängig von
den Gründen, aus denen eine Anmeldung und Versteuerung
zunächst tatsächlich unterblieben sei. Da die
Umsatzsteuer unter der Geltung der Sollbesteuerung entstanden sei,
könne nach dem Wechsel zur Istbesteuerung keine
Rückabwicklung erfolgen. Durch den Wechsel der Besteuerungsart
werde der bereits vollständig verwirklichte und abgeschlossene
Umsatzsteuertatbestand rückwirkend wieder
„unbegründet“.
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8
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Das Urteil des FG ist in EFG 2010, 1845 =
SIS 10 29 72 veröffentlicht.
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9
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Mit seiner Revision macht das FA S
Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Umsätze aus der
Vermietung des Fuhrparks seien nicht zur Sollbesteuerung angemeldet
worden, so dass keine Sollbesteuerung erfolgt sei. Nach dem
FG-Urteil unterbleibe die Besteuerung dieser Umsätze
völlig. Zumindest müsse der Wechsel zur Istbesteuerung
auch für die Umsätze gelten, die nicht erklärt
worden seien.
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10
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Nach Einlegung der Revision wurde das FA S
mit dem FA E, dem Beklagten und Revisionskläger (FA)
zusammengelegt.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Es sei unerheblich, dass die Umsätze
aus der Fuhrparkvermietung nicht erklärt worden seien, da dies
der Sollbesteuerung nicht entgegenstehe. Das FA könne die ihm
nunmehr bekannten Forderungen zur Tabelle anmelden.
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II. Die Revision des FA ist
begründet.
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15
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Der während des Revisionsverfahrens in
Kraft getretene Organisationsakt der Verwaltung führt zu einem
gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2008 V
R 73/07, BFHE 223, 546, BStBl II 2009, 612 = SIS 09 13 25).
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16
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Die Revision führt zur Aufhebung der
Vorentscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.
3 Nr. 1 FGO). Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks
begründen entgegen dem Urteil des FG eine Masseverbindlichkeit
nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO);
unerheblich ist insoweit, ob die Umsätze der Ist- oder der
Sollbesteuerung unterlagen.
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1. Insolvenzgläubiger können
gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38
InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner
„begründeten“ Vermögensansprüche
nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren
verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 der
Abgabenordnung (AO) Insolvenzforderungen während eines
Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen,
sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen.
Diese Einschränkung gilt nicht für Masseverbindlichkeiten
i.S. von § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenüber
dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind. Es handelt sich
dabei gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO um die
Verbindlichkeiten, die „durch Handlungen des
Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung,
Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden,
ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu
gehören“.
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Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine
Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt,
bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den
Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig
verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Unerheblich ist
demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche
Anforderungen im Einzelnen an die vollständige
Tatbestandsverwirklichung zu stellen sind, richtet sich nach den
jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach
Insolvenzrecht. Kommt es zur vollständigen
Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Insolvenzforderung,
erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach
Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des
§ 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29.1.2009 V R 64/07, BFHE 224, 24,
BStBl II 2009, 682 = SIS 09 13 24, unter II.1., m.w.N. zur
BFH-Rechtsprechung)
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19
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2. Das FG hat keine hinreichenden
Feststellungen getroffen, anhand derer der Senat entscheiden kann,
ob die Steuer für die Umsätze aus der Vermietung des
Fuhrparks nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG (Sollbesteuerung) oder nach
vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. b UStG (Istbesteuerung) entstanden ist.
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Das FA hatte dem Kläger durch Bescheid
vom 6.4.2004 gestattet, die Umsätze der GmbH der
Istbesteuerung zu unterwerfen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann
eine derartige Gestattung ohne Verstoß gegen das
Rückwirkungsverbot auch noch während des Kalenderjahrs
mit Rückwirkung auf den Jahresbeginn erteilt werden
(BFH-Urteil vom 10.12.2008 XI R 1/08, BFHE 223, 528, BStBl II 2009,
1026 = SIS 09 06 80, unter II.3.b bb (2)).
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Der Senat kann auf der Grundlage der
Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob der Kläger das ihm
eingeräumte Recht auf Istbesteuerung ausgeübt hat. Da es
sich bei der Gestattung der Istbesteuerung um einen
begünstigenden Verwaltungsakt handelt und die Sollbesteuerung
der gesetzliche Regelfall ist, steht es dem Unternehmer frei, von
der Gestattung zur Istbesteuerung keinen Gebrauch zu machen und zur
Sollbesteuerung „zurückzukehren“, ohne dass
es hierfür eines Antrags des Steuerpflichtigen oder einer
Erlaubnis des FA bedarf (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II
2009, 1026 = SIS 09 06 80, unter II.2.). Eine Rückkehr zur
Sollbesteuerung ist dabei bis zur Unanfechtbarkeit (formellen
Bestandkraft) der Jahressteuerfestsetzung möglich (BFH-Urteil
in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026 = SIS 09 06 80, unter
II.3.c). Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen, obwohl
der Kläger im Verfahren vor dem FG vorgetragen hat, dass es
für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung bei der
Sollbesteuerung geblieben und deshalb die Steuerforderung als
Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden sei.
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22
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3. Der Senat kann gleichwohl in der Sache
entscheiden. Erbringt der Unternehmer vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine Leistung,
für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmt,
begründet die Entgeltvereinnahmung eine Masseverbindlichkeit
i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wobei unerheblich ist, ob der
Umsatz der Ist- oder der Sollbesteuerung unterliegt. Für den
Fall der Istbesteuerung ergibt sich dies aus dem Senatsurteil in
BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682 = SIS 09 13 24, auf das der Senat
zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Im Fall der
Sollbesteuerung beruht die Masseverbindlichkeit auf § 55 Abs.
1 Nr. 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG.
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23
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a) Ändert sich die Bemessungsgrundlage
für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der
diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1
UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese
Vorschrift gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG
sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine
steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das
Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und
Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.
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Uneinbringlichkeit setzt nach ständiger
BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des
Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung
damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz
oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder
tatsächlich nicht durchsetzen kann (z.B. BFH-Urteil vom
20.7.2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22 = SIS 06 37 86, Leitsatz 1). Zumindest im Sonderfall der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens kann sich die fehlende Durchsetzbarkeit
für den Leistenden aus Umständen ergeben, die in seiner
Person oder in der Person des Leistungsempfängers
begründet sind. Wird über das Vermögen eines
Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, tritt daher
hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte
Uneinbringlichkeit ein. Unerheblich ist, ob es sich um ein Entgelt
für eine vom Unternehmer bezogene oder erbrachte Leistung
handelt.
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b) Hat der Unternehmer, über dessen
Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine
Leistung vor Verfahrenseröffnung bezogen und das hierfür
geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt nicht entrichtet, wird
die der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderung gegen ihn als
Leistungsempfänger spätestens mit
Verfahrenseröffnung unbeschadet einer möglichen
Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich; bei einer
nachträglichen Zahlung auf das uneinbringlich gewordene
Entgelt ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz
2 UStG erneut zu berichtigen (BFH-Urteil vom 22.10.2009 V R 14/08,
BFHE 227, 513, BFH/NV 2010, 773 = SIS 10 02 64, Leitsätze 1
und 2).
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26
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Maßgeblich ist hierfür, dass
Entgeltforderungen gegen den Unternehmer mit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über sein Vermögen von Rechts wegen
gegen ihn persönlich als Insolvenzschuldner nicht durchsetzbar
sind, sondern nur zur Tabelle nach §§ 174 ff. InsO
angemeldet werden können. Ohne Bedeutung ist dabei, ob den
Vermögensansprüchen gegen den Leistungsempfänger,
den Insolvenzschuldner, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens
noch ein wirtschaftlicher Wert zukommt, so dass Uneinbringlichkeit
selbst dann in vollem Umfang eintritt, wenn mit einer quotalen
Befriedigung der Insolvenzforderungen zu rechnen ist (BFH-Urteil
vom 13.11.1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226 = SIS 87 08 26, unter II.2.c).
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c) Erbringt der Unternehmer, über
dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird,
eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür
geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt
gleichfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Uneinbringlichkeit ein.
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aa) Zwar gilt auch nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmereinheit, das
Unternehmen besteht jedoch nach Verfahrenseröffnung aus
mehreren Unternehmensteilen (vgl. BFH-Urteil vom 1.9.2010 VII R
35/08, BFHE 230, 490 = SIS 10 36 67; DB 2010, 2596, unter II.2.),
zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und
Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können.
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen des leistenden Unternehmers kommt es zu einer
Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, bei
denen es sich z.B. um die Insolvenzmasse und das vom
Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen handeln kann. So sind
z.B. weitere Vorsteuerbeträge, die sich für die
Insolvenzmasse ergeben, nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von
der Steuer, die sich aus Leistungen für den insolvenzfreien
Unternehmensteil ergeben, abzusetzen und können daher trotz
einer Steuerschuld für den insolvenzfreien Unternehmensteil zu
einem Vorsteuerüberschuss und damit zu einer
Umsatzsteuervergütung für die dem Verwaltungs- und
Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegende
Insolvenzmasse führen. Zur Wahrung des Grundsatzes der
Unternehmenseinheit reicht es aus, dass die Summe der für alle
Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten
Umsatzsteuer der Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen
entspricht (BFH-Urteil vom 28.6.2000 V R 87/99, BFHE 192, 132,
BStBl II 2000, 639 = SIS 00 12 59, unter II.1. und 5.).
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29
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Neben der Insolvenzmasse und dem vom
Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen besteht auch ein
vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil. Die diesen
Unternehmensteil betreffenden Umsatzsteueransprüche
können nur zur Tabelle (§§ 174 ff. InsO) angemeldet,
nicht aber wie z.B. Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid
gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden. Dementsprechend
kann auch hier z.B. ein Vorsteueranspruch des massezugehörigen
Unternehmensteils nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1
UStG mit einem Steueranspruch gegen den vorinsolvenzrechtlichen
Unternehmensteil verrechnet werden (vgl. §§ 95, 96
InsO).
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30
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bb) Ist im Insolvenzfall trotz Fortbestehens
eines Gesamtunternehmens von mehreren eigenständigen
Unternehmensteilen auszugehen, werden die bei
Verfahrenseröffnung noch nicht vereinnahmten Entgelte aus vor
Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen im
vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus Rechtsgründen
uneinbringlich, da der Entgeltanspruch ab der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens nicht mehr durch diesen Unternehmensteil
vereinnahmt werden kann. Denn mit Eröffnung des
Insolvenzverfahrens geht nach § 80 Abs. 1 InsO die
Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die
zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf
den Insolvenzverwalter über (Urteil des Bundesgerichtshofs vom
16.7.2009 IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85, unter II.1., m.w.N.). Der
Unternehmer ist somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in
der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem
vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da
diese in die Insolvenzmasse zu leisten sind. Damit korrespondiert
auch, dass dieser Unternehmensteil rechtlich nicht mehr befugt ist,
„öffentliche Gelder“ entsprechend der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
als „Steuereinnehmer für Rechnung des
Staates“ zu vereinnahmen (EuGH-Urteile vom 20.10.1993
C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 = SIS 93 25 13 Rdnr. 25, und
vom 21.2.2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 = SIS 08 16 63 Rdnr. 21).
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31
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cc) Wird demnach die Entgeltforderung für
vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen mit der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich,
begründet die spätere Entgeltvereinnahmung durch den
Insolvenzverwalter eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2
Nr. 1 Satz 2 UStG. Diese Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2
i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung
vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der
Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und
die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung
führen somit zu einer zutreffenden Besteuerung des
Gesamtunternehmens.
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Die aufgrund der Vereinnahmung entstehende
Steuerberichtigung begründet eine Masseverbindlichkeit i.S.
von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2
Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist erst mit der
Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682 = SIS 09 13 24, unter II.1. zur Istbesteuerung). Für dieses Ergebnis
spricht auch das Erfordernis, die Besteuerungsgleichheit zwischen
Ist- und Sollbesteuerung zu wahren; dies ist bei der Auslegung des
Begriffs der Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1
UStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 22.7.2010 V R 4/09,
BFH/NV 2010, 161 = SIS 10 36 33, unter II.4.b dd (1), DStR 2010,
2349). Mit diesem Erfordernis wäre es nicht zu vereinbaren,
bei einer Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter
für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen zwischen
Ist- und Sollbesteuerung zu differenzieren.
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dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im
Streitfall, ob entsprechend der Steuerberichtigung aufgrund der
Uneinbringlichkeit beim leistenden Unternehmer, über dessen
Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, auch der
Leistungsempfänger mit Verfahrenseröffnung den
Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2
UStG zu berichtigen hat. Selbst wenn eine derartige
Berichtigungspflicht bestünde, würde der
Leistungsempfänger hierdurch nicht beschwert, da er im
Hinblick auf die von ihm noch zu leistenden Zahlungen ohnehin
prüfen muss, ob über das Vermögen seiner
Gläubiger das Insolvenzverfahren eröffnet wird, um
sicherzustellen, dass er Zahlungen nur an den Insolvenzverwalter
leistet, da eine Zahlung an den Insolvenzschuldner selbst keine
schuldbefreiende Wirkung hat (s. oben II.3.c bb).
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34
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Im Übrigen ist die Berichtigung des
Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger nicht erforderlich,
wenn er das von ihm geschuldete Entgelt noch in dem für ihn
maßgeblichen Voranmeldungszeitraum zahlt, in dem auch das
Insolvenzverfahren über das Vermögen seines
Gläubigers eröffnet wird. Denn ein Entgelt kann nicht in
ein und demselben Voranmeldungszeitraum uneinbringlich und
vereinnahmt (entrichtet) werden, da sich zwei Berichtigungen nach
§ 17 UStG, die im selben Voranmeldungszeitraum erfolgen,
gegenseitig aufheben.
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35
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4. Der Beurteilung der Steuerschuld aufgrund
einer nach Verfahrenseröffnung erfolgten Entgeltvereinnahmung
für eine vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung als
Masseverbindlichkeit steht nicht die Rechtsprechung des VII. Senats
des BFH zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren entgegen, wie der
erkennende Senat für den Fall der Istbesteuerung bereits mit
Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682 = SIS 09 13 24, unter
II.4. entschieden hat, und worauf der Senat zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug nimmt.
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36
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Gleiches gilt für die mit
Verfahrenseröffnung im Rahmen der Sollbesteuerung eintretende
Uneinbringlichkeit der Entgeltforderung des Unternehmers, über
dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
Erbringt ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer eine
Leistung vor Verfahrenseröffnung, für die auch der
Insolvenzverwalter das Entgelt nicht vereinnahmen kann, geht der
VII. Senat des BFH davon aus, dass das FA gegen einen der
Insolvenzmasse zustehenden Berichtigungsanspruch nach § 17
Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der zuvor im Rahmen der Sollbesteuerung
entstandenen Steuerforderung aufrechnen kann, ohne dass dem
insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote entgegenstehen (BFH-Urteil
vom 17.4.2004 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589 = SIS 07 19 23, unter II.3.). Gleiches gilt, wenn der Berichtigungsanspruch
aufgrund der Uneinbringlichkeit - wie im Streitfall - bereits mit
Verfahrenseröffnung entsteht. Auch in diesem Fall kommt es zu
der vom VII. Senat des BFH für erforderlich gehaltenen
Aufrechnung, die darauf gestützt wird, dass es
„schwerlich gerechtfertigt sein [würde], anzunehmen,
die Finanzbehörde müsse eine (Umsatz-) Steuererstattung
an die Insolvenzmasse leisten, könne aber ihre
korrespondierende, unbefriedigte Steuerforderung lediglich als
Insolvenzforderung geltend machen und müsse hinnehmen, mit ihr
möglicherweise ganz oder teilweise auszufallen“
(BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589 = SIS 07 19 23,
unter II.3.).
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37
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Eine Abweichung zur Rechtsprechung des VII.
Senats des BFH besteht auch nicht insoweit, als dieser für
Zwecke der Aufrechnung keine „fiktive Veranlagung auf den
Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung“ vornimmt
(BFH-Urteil vom 16.1.2007 VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007,
745 = SIS 07 07 69), da der VII. Senat hinsichtlich des Bestehens
mehrerer Unternehmensteile im Insolvenzfall im Sinne des
Senatsurteils in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 = SIS 00 12 59
zwischen „Veranlagung“ und
„Aufrechenbarkeit“ differenziert (BFH-Urteil in
BFHE 230, 490, DB 2010, 2596 = SIS 10 36 67, unter II.2., und vom
9.4.2002 VII R 108/00, BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562 = SIS 02 84 95, unter II.3.).
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38
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5. Danach war das Urteil des FG aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
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39
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a) Die GmbH hat im Streitfall
Vermietungsleistungen bereits vor Verfahrenseröffnung
erbracht. Dass der dieser Vermietung zugrunde liegende Vertrag erst
nach Verfahrenseröffnung durch einen Sonderverwalter genehmigt
wurde, steht dem nicht entgegen. Denn die Leistung wurde
tatsächlich durch eine Nutzungsüberlassung vor
Verfahrenseröffnung ausgeführt, wobei es nach
§§ 40, 41 AO unerheblich ist, ob die Leistungserbringung
ohne Genehmigung durch den Sonderverwalter gegen ein gesetzliches
Verbot verstieß oder die Unwirksamkeit des der Leistung
zugrunde liegenden Vertrags begründete.
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40
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b) Lag somit eine vor Verfahrenseröffnung
ausgeführte Leistung vor, für die erst der
Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmte, war das FA sowohl im
Fall der Ist- als auch im Fall der Sollbesteuerung berechtigt, die
Umsatzsteuer für die Umsätze aus der Vermietung des
Fuhrparks als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs.
1 Nr. 1 InsO durch Steuerbescheid festzusetzen.
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