Gesellschafter-Lieferungen an Gesellschaft, Differenzbesteuerung: 1. Bei der nach § 25 a Abs. 1 Nr. 2 UStG für die Differenzbesteuerung erforderlichen Lieferung muss es sich um eine Lieferung gegen Entgelt handeln. - 2. Lieferungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft können entgeltlich z.B. gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten oder unentgeltlich als "verdeckte Einlage" erfolgen. - Urt.; BFH 18.12.2008, V R 73/07; SIS 09 13 25
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR),
betreibt einen Antiquitätenhandel und versteuerte in den
Streitjahren 1998 bis 2000 ihre Umsätze als
Wiederverkäuferin nach § 25a des Umsatzsteuergesetzes
1993/1999 (UStG).
Die Klägerin versteuerte Lieferungen
auch insoweit nach § 25a UStG, als es sich um die Lieferung
von Antiquitäten handelte, die ihre Gesellschafter ohne
Vorsteuerabzug erworben und aus ihrem Privatvermögen in die
GbR eingelegt hatten.
Im Anschluss an eine
Außenprüfung ging der ursprüngliche Beklagte (das
Finanzamt I - FA I - ) davon aus, dass § 25a UStG auf die
Lieferung dieser Gegenstände nicht anzuwenden sei. Der
hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Demgegenüber gab das Finanzgericht
(FG) der Klage statt. § 25a UStG sei auch bei einer Einlage
aus dem Privatvermögen in das Unternehmen des
Wiederverkäufers anzuwenden. Das FG ging weiter davon aus,
dass die Differenzbesteuerung auf der Grundlage der von den
Gesellschaftern gezahlten Einkaufspreise anzuwenden sei.
Das Urteil des FG ist in EFG 2008, 816 =
SIS 08 18 31 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der im Laufe
des Revisionsverfahrens anstelle des zunächst beklagten FA I
für die Besteuerung der Klägerin zuständig gewordene
Beklagte und Revisionskläger (FA) Verletzung materiellen
Rechts. Die Überführung von Gegenständen aus dem
nichtunternehmerischen Bereich der Gesellschafter in den
unternehmerischen Bereich der Klägerin und damit die Einlage
in das Betriebsvermögen der Klägerin führe nicht zu
einer Lieferung an die Klägerin. Im Übrigen fehle es an
einer Lieferung an einen Wiederverkäufer in seiner Eigenschaft
als Wiederverkäufer, da die Gegenstände von den
Gesellschaftern vor Gründung der GbR erworben worden seien und
damit im Zeitpunkt der Anschaffung die erforderliche
Wiederverkaufsabsicht noch nicht vorgelegen habe. Bei einer Einlage
aus dem privaten Bereich sei im Übrigen allenfalls ein
Einkaufspreis von 0 EUR anzusetzen. Der Wiederverkäufer habe
mithin in diesem Fall keinen Einkaufspreis aufgewendet.
Das FA beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Die Klägerin macht geltend, dass die
Differenzbesteuerung auch Gegenstände erfasse, die „an
einen Wiederverkäufer zu privaten Zwecken geliefert
worden“ seien. Dies ergebe sich aus Art. 26a Teil A Buchst. e
der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern 77/388/EWG - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem:
einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - (Richtlinie
77/388/EWG). Danach sei Steuerpflichtiger auch, wer eine
Antiquität zum Zwecke des Wiederverkaufs seinem Unternehmen
zuordne. Es komme nicht darauf an, dass Gegenstände an den
Wiederverkäufer „als Wiederverkäufer“ oder
zum Zwecke des Wiederverkaufs geliefert werden. Eine Lieferung an
den Wiederverkäufer liege auch bei einer Lieferung zu privaten
Zwecken vor. Hierfür spreche das Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 6.11.2008 C-291/07,
Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrådet (DStRE 2008,
1519 = SIS 08 43 15 - ). Darüber hinaus führe auch die
Einlage von Antiquitäten durch einen Gesellschafter in das
Vermögen der Klägerin zu einer Lieferung. Das FA
verkenne, dass es sich um die Klage einer GbR handele, die
umsatzsteuerrechtlich als selbständiger Rechtsträger zu
behandeln sei. Zwischen Gesellschaft und Gesellschafter
könnten Lieferungen nach § 3 Abs. 1 UStG auch dann
vorliegen, wenn der Gesellschafter - wie im Streitfall die
Gesellschafter der Klägerin - nicht Unternehmer seien. Die
Gesellschafter seien auch nicht durch die Einlagen zu Unternehmern
geworden. Die Lieferungen durch die Gesellschafter an die
Klägerin hätten dem Ziel eines späteren Verkaufs
gedient. Die Einlage sei bei der Klägerin bilanziell gegen das
Kapitalkonto des einbringenden Gesellschafters gebucht worden. Die
Einbringung der Antiquitäten sei nicht durch die allgemeine
Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten worden. Bei der
Erhöhung des Kapitalkontos habe es sich um eine Gegenleistung
für die Einlage gehandelt, so dass der Einlagewert als
Einkaufspreis i.S. von § 25a Abs. 3 UStG anzusehen sei.
Hilfsweise sei die Sache dem EuGH vorzulegen.
II. Die Revision des FA ist begründet.
Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG
zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Der während des Revisionsverfahrens durch
einen Organisationsakt der Verwaltung eingetretene
Zuständigkeitswechsel für die Besteuerung der
Klägerin führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.8.2007 X R 2/04, BFHE
218, 533, BStBl II 2008, 109 = SIS 07 37 78, unter II.1. der
Gründe; vom 3.4.2008 IV R 54/04, BFH/NV 2008, 1263 = SIS 08 21 95, unter II.1.c der Gründe, jeweils m.w.N.).
Das Urteil des FG ist aufzuheben, da es auf
einer Verletzung von § 25a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 UStG
beruht. Bei der Klägerin handelte es sich unstreitig um eine
Wiederverkäuferin, die nach § 25a UStG die
Differenzbesteuerung anwendete. Ob sie zur Anwendung dieser
Sonderregelung auf Gegenstände, die sie durch Einlagen ihrer
Gesellschafterin erworben hat, berechtigt war, hängt von
weiteren Feststellungen ab, die im zweiten Rechtsgang zu treffen
sind. Der Entscheidung der Vorinstanz lässt sich nicht
entnehmen, ob die von § 25a UStG vorausgesetzte entgeltliche
Lieferung an die Klägerin vorliegt.
1. Nach § 25a Abs. 1 UStG setzt die
Differenzbesteuerung voraus, dass der Unternehmer ein
Wiederverkäufer ist (Nr. 1), die Gegenstände an den
Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert wurden und
für diese Lieferung Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach
§ 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben oder die Differenzbesteuerung
vorgenommen wurde (Nr. 2) und es sich bei den Gegenständen
nicht um Edelsteine oder Edelmetalle handelt (Nr. 3). Der Umsatz
wird dabei gemäß § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG nach dem
Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis
für den Gegenstand übersteigt; bei Lieferungen i.S. des
§ 3 Abs. 1b UStG und in den Fällen des § 10 Abs. 5
UStG tritt an die Stelle des Verkaufspreises der Wert nach §
10 Abs. 4 Nr. 1 UStG.
Gemeinschaftsrechtliche Grundlage von §
25a UStG ist Art. 26a der Richtlinie 77/388/EWG. Nach Teil B Abs. 2
dieser Bestimmung ist die Sonderregelung für steuerpflichtige
Wiederverkäufer auf „Lieferungen“
anzuwenden. § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG beruht
gemeinschaftsrechtlich auf Art. 26a Teil B Abs. 3 der Richtlinie
77/388/EWG. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
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„Die Besteuerungsgrundlage bei der
Lieferung von Gegenständen im Sinne von Absatz 2 ergibt sich
aus der Differenz des steuerpflichtigen Wiederverkäufers,
abzüglich des Betrags der auf diese Differenz erhobenen
Mehrwertsteuer. Diese Differenz entspricht dem Unterschied zwischen
dem von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer geforderten
Verkaufspreis und dem Einkaufspreis des Gegenstands.
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Im Sinne dieses Absatzes gelten als
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„Verkaufspreis“ die gesamte
Gegenleistung, die der steuerpflichtige Wiederverkäufer vom
Käufer oder von einem Dritten erhält oder zu erhalten
hat, einschließlich der unmittelbar mit diesem Umsatz
zusammenhängenden Zuschüsse, die Steuern, Zölle,
Abschöpfungen und Abgaben sowie die Nebenkosten wie
Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und
Versicherungskosten, die der steuerpflichtige Wiederverkäufer
vom Käufer fordert, mit Ausnahme der in Artikel 11 Teil A
Absatz 3 genannten Beträge;
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„Einkaufspreis“ die gesamte
Gegenleistung entsprechend der Definition des ersten
Gedankenstrichs, die der Lieferant von dem steuerpflichtigen
Wiederverkäufer erhält oder zu erhalten hat.“
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2. Die Anwendung der Differenzbesteuerung
setzt nach § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG insbesondere eine Lieferung
an den Wiederverkäufer voraus.
Bei der Lieferung an den Wiederverkäufer
muss es sich - entgegen einer zum Teil vertretenen Auffassung - um
eine entgeltliche Lieferung handeln. Zwar stellt der Wortlaut der
Vorschrift nur auf das Vorliegen einer Lieferung ab, wobei § 3
Abs. 1 UStG den Begriff der Lieferung definiert. Die bloße
„Verschaffung der Verfügungsmacht“ an den
Wiederverkäufer nach § 3 Abs. 1 UStG reicht jedoch nicht
aus. Denn zum einen erübrigt sich bei unentgeltlichen
Lieferungen an den Wiederverkäufer die von § 25a UStG und
Art. 26a Teil B Abs. 1 der Richtlinie vorgesehene
„Differenzbesteuerung“, die die Ermittlung einer
Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis voraussetzt (vgl.
§ 25a Abs. 3 Satz 1 UStG und Art. 26a Teil B Abs. 3 der
Richtlinie 77/388/EWG). Gegen die Auffassung, tatbestandliche
Voraussetzung für die Anwendung der Differenzbesteuerung sei
nur das Vorliegen einer Lieferung im Sinne der
„Verschaffung der Verfügungsmacht“ an einem
Gegenstand, während die Frage, ob überhaupt und ggf. in
welcher Höhe die Lieferung mit einer Gegenleistung im
Zusammenhang stehe, nur bei der Bemessungsgrundlage zu
berücksichtigen sei, spricht zum anderen auch der Wortlaut des
Art. 26a Teil B Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach ergibt
sich die „Besteuerungsgrundlage bei der Lieferung …
aus der Differenz … [als] … Unterschied zwischen dem
… Verkaufspreis und dem Einkaufspreis des
Gegenstands“. Danach muss für die Lieferung an den
Wiederverkäufer ein „Einkaufspreis“
vorliegen, der sowohl in der deutschen als auch in anderen
Sprachfassungen (z.B. englisch: „purchase
price“, französisch: „prix
d’achat“) ein entgeltliches Rechtsgeschäft
voraussetzt. Der Senat schließt sich daher nicht der in der
Kommentarliteratur vertretenen Auffassung an, wonach die
Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG auch bei
unentgeltlichen Lieferungen gegeben sind und die
Differenzbesteuerung dann mit einer Bemessungsgrundlage von 0 DM
anzuwenden sein soll (Widmann, in Plückebaum/Malitzky, UStG,
§ 25a Rz 80 f.; Mößlang, in Sölch/Ringleb,
UStG, § 25a Rz 9; Radeisen, in Hartmann/Metzenmacher, UStG,
§ 25a Rz 54, und Bülow, in Vogel/Schwarz, UStG, §
25a Rz 25).
3. Es kommt daher für die Beurteilung im
Streitfall darauf an, ob die Verschaffung der Verfügungsmacht
durch die Gesellschafter auf die Klägerin, eine
umsatzsteuerrechtlich gegenüber den Gesellschaftern
eigenständige GbR, entgeltlich erfolgte, nicht aber auf die
vom FG erörterte Frage, ob § 25a UStG entgegen Abschn.
276a Abs. 4 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) auf die
Einlage aus dem Privatvermögen des Wiederverkäufers in
sein Unternehmen anzuwenden ist (vgl. BFH-Urteil vom 6.9.2007 V R
16/06, BFH/NV 2008, 1710 = SIS 08 36 14). Abschn. 276a Abs. 4 Satz
2 UStR betrifft nur die hier nicht gegebene Fallkonstellation, dass
ein Wiederverkäufer Gegenstände aus seinem
Privatvermögen in das Unternehmen eingelegt hat.
Demgegenüber liegt im Streitfall keine Einlage aus dem
Privatvermögen des Wiederverkäufers, hier der
Klägerin, einer GbR, vor, sondern eine Einlage der
Gesellschafter der Klägerin.
Ebenso unerheblich für die Beurteilung im
Streitfall ist, ob die Differenzbesteuerung auf einen
Wiederverkäufer anzuwenden ist, der nach Art. 26a Teil A
Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG die dort bezeichneten
Gegenstände „zur Deckung seines unternehmerischen
Bedarfs verwendet“. Denn auch bei Wiederverkäufern,
die Gegenstände zur Deckung ihres unternehmerischen Bedarfs
verwenden, kann die Differenzbesteuerung nur bei Vorliegen einer
entgeltlichen Lieferung an den Wiederverkäufer angewendet
werden, wie sich aus Art. 26a Teil B Abs. 3 der Richtlinie
77/388/EWG („Einkaufspreis“) ergibt.
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat
- ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt - keine Feststellungen zur
Entgeltlichkeit der Einlage getroffen (vgl. hierzu Wäger, UR
2008, 69 ff., 72 f.). Diese sind nachzuholen. Eine entgeltliche
Leistung des Gesellschafters an seine Gesellschaft kann auch
vorliegen, wenn für Gesellschaftereinlagen Gutschriften auf
dem jeweiligen Gesellschafterkapitalkonto erfolgen (BFH-Urteil vom
16.3.1993 XI R 52/90, BFHE 171, 117, BStBl II 1993, 562 = SIS 93 15 29) und sich hieraus Zahlungsansprüche für den
Gesellschafter ergeben oder sich seine Zahlungsverpflichtungen
gegenüber der Gesellschaft vermindern. Dabei wird auch
festzustellen sein, ob eine Einlage der Gegenstände durch die
Gesellschafter unter Buchung auf das für den jeweiligen
Gesellschafter geführte Kapitalkonto erfolgte. Insoweit ist zu
berücksichtigen, dass umsatzsteuerrechtlich auch Sacheinlagen
gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten entgeltlicher
Charakter zukommt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 13.11.2003 V R 79/01,
BFHE 204, 332, BStBl II 2004, 375 = SIS 04 13 69).
Läge danach durch Gewährung von
Gesellschaftsrechten oder Gutschriften auf einem Kapitalkonto ein
entgeltlicher Erwerb der Klägerin vor und hat die
Klägerin beim Empfang der Einlage weiter auch mit der
erforderlichen Wiederverkaufsabsicht gehandelt (vgl. hierzu
EuGH-Urteil vom 8.12.2005 C-280/04, Jyske Finans, Slg. 2005,
I-10683, BFH/NV Beilage 2006, 131 = SIS 06 06 80 Rdnrn. 32 und 42),
käme es im Übrigen nicht auf die früheren
Erwerbskosten der Gesellschafter, sondern auf den nach
Tauschgrundsätzen (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 16.4.2008
XI R 56/06, BFH/NV 2008, 1413 = SIS 08 25 75, BStBl II 2008, 909 =
SIS 08 25 75) für den Zeitpunkt der Einlage zu ermittelnden
Wert der gewährten Gesellschaftsrechte oder die Höhe der
Gutschrift auf dem Kapitalkonto an.