Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 2.4.2014 7 K 7337/12 =
SIS 14 14 87 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Kläger zu tragen.
1
|
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen
der A-GmbH (GmbH).
|
|
|
2
|
Im Juni 2012 ordnete das Amtsgericht (AG)
über das Vermögen der GmbH die vorläufige
Insolvenzverwaltung an und bestimmte den Kläger zum sog.
starken vorläufigen Insolvenzverwalter, indem es der GmbH
gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 der
Insolvenzordnung (InsO) ein allgemeines Verfügungsverbot
auferlegte. Das AG eröffnete im Juli 2012 das
Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum
Insolvenzverwalter.
|
|
|
3
|
Der Kläger vereinnahmte nach seiner
Bestellung zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter bis zum
31.12.2012 Entgelte in Höhe von 26.529,54 EUR (netto) für
Leistungen, die die GmbH vor der Anordnung der vorläufigen
Insolvenzverwaltung ausgeführt hatte. Die darauf entfallende
Umsatzsteuer erklärte er in den von ihm unter der
Massesteuernummer der GmbH eingereichten
Umsatzsteuer-Voranmeldungen aufgrund der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 9.12.2010 V R 22/10 (BFHE 232,
301, BStBl II 2011, 996 = SIS 11 11 55) als
umsatzsteuererhöhenden Steuerbetrag gemäß § 17
Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Zugleich aber
legte der Kläger hiergegen Einsprüche ein, mit denen er
geltend machte, die Umsatzsteuer sei - entgegen dieser
BFH-Rechtsprechung - nicht zu berichtigen. Die Einsprüche
hatten keinen Erfolg. Daraufhin erhob der Kläger
Klage.
|
|
|
4
|
Den vom Kläger gestellten Antrag auf
gerichtliche Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer für
den Monat Juli 2012 lehnte der Senat - nachdem das Finanzgericht
(FG) diesem Antrag stattgegeben hatte - mit Beschluss vom 11.7.2013
XI B 41/13 (BFH/NV 2013, 1647, HFR 2013, 917 = SIS 13 25 67) ab. Es
bestünden keine ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Steuerbescheides.
|
|
|
5
|
Während des Klageverfahrens stimmte
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) am
11.3.2013 der vom Kläger erstellten Umsatzsteuererklärung
für 2012 (festgesetzte Steuer: 13.592,16 EUR) zu.
|
|
|
6
|
Das FG gab der Klage mit in EFG 2014, 1427
= SIS 14 14 87 veröffentlichtem Urteil statt und setzte die
Umsatzsteuer für 2012 antragsgemäß auf 9.363,99 EUR
fest.
|
|
|
7
|
Zur Begründung führte es im
Wesentlichen aus, die gemäß § 168 der
Abgabenordnung einer Umsatzsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung gleichstehende Umsatzsteuererklärung
für 2012 des Klägers entspreche zwar dem BFH-Urteil in
BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 = SIS 11 11 55. Diesem Urteil sei
aber nicht zu folgen. Ein Wechsel in der Vertretungs- und/oder
Verfügungsmacht des Forderungsgläubigers begründe
vielmehr keine Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bezüglich der zuvor dem
Insolvenzschuldner zustehenden Entgelte. Auch in den Fällen
der Gesamtrechtsnachfolge oder des Wegfalls einer Organschaft
führe der Wechsel der Verfügungsmacht über eine
Entgeltforderung für einen steuerpflichtigen Umsatz nicht zu
einer Berichtigung nach dieser Vorschrift.
|
|
|
8
|
Die in dem bezeichneten BFH-Urteil
vertretene Rechtsauffassung verstoße zudem gegen Art. 90 Abs.
1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Die Eröffnung
des Insolvenzverfahrens falle nicht unter diese Bestimmung. Nur der
nationale Gesetzgeber sei berechtigt, eine Regelung zu treffen, die
eine Umsatzsteuerberichtigung im Anschluss an die Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens vorsehe. Dies sehe § 17 UStG jedoch
nicht vor.
|
|
|
9
|
Das FA rügt mit seiner Revision eine
Abweichung von der Rechtsprechung des BFH.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
11
|
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Er verweist auf die nach seiner Ansicht
zutreffende Begründung des FG. Ergänzend macht er u.a.
geltend, dass der Insolvenzschuldner auch nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über sein Vermögen Träger der
Unternehmereigenschaft bleibe. Die Tätigkeit des
Insolvenzverwalters im Rahmen seines Amtes werde dem
Insolvenzschuldner zugerechnet; es finde kein
Rechtsträgerwechsel statt. Die vom BFH vorgenommene Aufteilung
in „Unternehmensteile“ mit materieller
umsatzsteuerrechtlicher Wirkung finde keine Stütze im
Umsatzsteuergesetz.
|
|
|
13
|
II. Die Revision des FA ist begründet.
Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
14
|
Entgegen der Auffassung des FG sind die
Entgelte für die von der GmbH vor der Anordnung der
vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten steuerpflichtigen
Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum starken
vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 17 Abs.
2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich geworden (erste Berichtigung).
Die nachfolgende Vereinnahmung der Entgelte für diese
Leistungen durch den Kläger führt gemäß §
17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung und
begründet gemäß § 55 InsO
Masseverbindlichkeiten. Die vom FG geäußerte Kritik an
der Rechtsprechung des BFH greift nicht durch.
|
|
|
15
|
1. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1
Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige
Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das
vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt
für eine uneinbringliche Forderung nachträglich
vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu
berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Diese erneute
Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG
erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen.
|
|
|
16
|
a) Uneinbringlich ist ein Entgelt i.S. von
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung
damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz
oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder
tatsächlich nicht durchsetzen kann (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20.7.2006 V R 13/04, BFHE
214, 471, BStBl II 2007, 22 = SIS 06 37 86, Leitsatz 1; vom
12.8.2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393 = SIS 10 05 68, Rz 20; vom
24.10.2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, BStBl II 2015, 674 = SIS 14 01 48, Rz 19).
|
|
|
17
|
b) Nach der Rechtsprechung des V. Senats des
BFH werden noch ausstehende Entgelte für zuvor erbrachte
steuerpflichtige Leistungen eines Unternehmers gemäß
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich, wenn über
sein Vermögen gemäß § 27 InsO das
Insolvenzverfahren eröffnet wird. Denn gemäß §
80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur
Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten oder
über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter
über. Folglich ist der Unternehmer dann aus rechtlichen
Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam
Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen
Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der
Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit
zum Bereich der Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO
gehören (vgl. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996
= SIS 11 11 55, Rz 30; vom 24.11.2011 V R 13/11, BFHE 235, 137,
BStBl II 2012, 298 = SIS 11 39 41, Rz 51 ff.; vom 24.9.2014 V R
48/13, BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506 = SIS 14 32 16, Rz
27).
|
|
|
18
|
c) Auch wenn das Insolvenzgericht - vor
Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) -
gemäß § 21 InsO einen vorläufigen
Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit
Recht zum Forderungseinzug bestellt, ist der Steuerbetrag für
die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer vor oder nach
der Verwalterbestellung bis zum Abschluss des
Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat, nach § 17
Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE
247, 460, BStBl II 2015, 506 = SIS 14 32 16, Leitsatz 2).
|
|
|
19
|
Zwar ergibt sich das Recht zum
Forderungseinzug hier nicht aus den einem Insolvenzverwalter
gemäß §§ 80 ff. InsO zustehenden Befugnissen.
Erlässt das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs.
1 Satz 3 InsO bei der Bestellung eines vorläufigen
Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz
1 Nr. 2 Alternative 2 InsO) das Verbot an Drittschuldner, an den
Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es den vorläufigen
Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie
eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 InsO), wird
damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem
vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern
gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt, die
§ 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506 = SIS 14 32 16, Rz 28,
m.w.N.).
|
|
|
20
|
d) Nichts anderes gilt für die im
Streitfall vorliegende Bestellung eines starken vorläufigen
Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1
InsO). Auch hierdurch ist das Rechtsverhältnis zwischen dem
Insolvenzschuldner und dem (starken) vorläufigen
Insolvenzverwalter gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer
Weise geregelt worden, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO
entspricht.
|
|
|
21
|
Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter
bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot
auferlegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 InsO), so
geht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO die Verwaltungs-
und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des
Schuldners auf den (starken) vorläufigen Insolvenzverwalter
über (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28.2.2008 V R 44/06, BFHE 221,
415, BStBl II 2008, 586 = SIS 08 18 05, unter II.4.b cc, Rz 52
ff.). Die Bestimmungen in §§ 81 und 82 InsO gelten
entsprechend (§ 24 Abs. 1 InsO). Die rechtlichen Befugnisse
des starken vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechen
denjenigen eines Insolvenzverwalters, der ebenfalls berechtigt ist,
das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners
zu verwalten und über es zu verfügen (§ 80 Abs. 1
InsO; vgl. z.B. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11.1.2007 IX
ZB 271/04, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2007,
267, unter III.2.b cc (b), Rz 17; FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rz
8; MünchKommInsO/Haarmeyer, 3. Aufl., § 22 Rz 36;
Böhm in Braun, Insolvenzordnung, 6. Aufl., § 22 Rz
9).
|
|
|
22
|
2. Nach diesen Grundsätzen sind die von
der GmbH vor der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung
erbrachten Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum
starken vorläufigen Insolvenzverwalter über das
Vermögen der GmbH uneinbringlich geworden. Vereinnahmt der
Kläger danach Entgelte für diese Leistungen, ist die
Umsatzsteuer (zum zweiten Mal) zu berichtigen. Die dadurch
entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit dar.
|
|
|
23
|
a) Die Umsatzsteuer für die von der GmbH
ausgeführten steuerpflichtigen Leistungen ist mit Ablauf des
Voranmeldungszeitraums der Leistungsausführung entstanden
(§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG). Die Steuerbeträge
sind allerdings durch die Bestellung des starken vorläufigen
Insolvenzverwalters uneinbringlich geworden und nach § 17 Abs.
2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. dazu
BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298 = SIS 11 39 41, Rz
52; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506 = SIS 14 32 16, Rz 26 ff.;
BFH-Beschluss vom 11.3.2014 V B 61/13, BFH/NV 2014, 920 = SIS 14 13 76, Rz 6).
|
|
|
24
|
b) Die Vereinnahmung der zuvor uneinbringlich
gewordenen Entgelte durch den Kläger führt
gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer
zweiten Berichtigung (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl
II 2011, 996 = SIS 11 11 55, Rz 31; in BFHE 247, 460, BStBl II
2015, 506 = SIS 14 32 16, Rz 33).
|
|
|
25
|
c) Die aufgrund dieser Vereinnahmung
entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit i.S. von
§ 55 InsO dar.
|
|
|
26
|
aa) Masseverbindlichkeiten sind
Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters
oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und
Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den
Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1
Nr. 1 InsO). Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO gelten als
Masseverbindlichkeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
die Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen
Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die
Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners
übergegangen ist. Ebenso gelten Verbindlichkeiten des
Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von
einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit
Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
begründet worden sind, nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 4
InsO).
|
|
|
27
|
bb) Nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) begründet die aufgrund
der Vereinnahmung der ausstehenden Entgelte durch den Kläger
(als Insolvenzverwalter) gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1
Satz 2 UStG entstehende Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit i.S.
von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2
Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist mit der
Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 = SIS 11 11 55, Rz 32, m.w.N.). Für die Umsatzsteuer, die aufgrund der vom
Kläger zuvor (als starker vorläufiger Insolvenzverwalter)
vereinnahmten Entgelte entsteht, folgt die Einstufung als
Masseverbindlichkeiten aus § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO i.V.m.
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Deswegen braucht hier nicht auf
§ 55 Abs. 4 InsO eingegangen zu werden.
|
|
|
28
|
3. Die vom FG und vom Kläger an dieser
Rechtsprechung geübte Kritik dringt nicht durch.
|
|
|
29
|
a) Entgegen der Auffassung des FG kommt es
nach der Rechtsprechung des BFH für den Eintritt der
Uneinbringlichkeit nicht auf den (formellen) Übergang der
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter
an. Maßgeblich ist vielmehr das damit einhergehende
rechtliche Unvermögen der GmbH (als Gläubigerin und
spätere Insolvenzschuldnerin), die ausstehenden Forderungen
für die von ihr ausgeführten Leistungen einzuziehen. Das
rechtliche Unvermögen des Gläubigers, seine Forderung
durchzusetzen, steht - anders als das FG und der Kläger meinen
- wirtschaftlich der Zahlungsunfähigkeit oder dem mangelnden
Zahlungswillen des Schuldners gleich, die die
Hauptanwendungsfälle des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG
bilden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10.3.1983 V B 46/80, BFHE 138,
107, BStBl II 1983, 389 = SIS 83 10 29, unter 3., Rz 14; vom
7.1.1998 V B 106/97, BFH/NV 1998, 1003; Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 2
des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; s. auch BFH-Beschluss vom
26.2.2008 XI B 169/07, BFH/NV 2008, 830 = SIS 08 17 88, unter 3.,
Rz 10 f.).
|
|
|
30
|
b) Diese - hier allein maßgebliche -
Auslegung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG
verstößt entgegen der Auffassung des FG weder gegen den
Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (§ 1 InsO) noch
führt sie zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des
Fiskus (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29.1.2009 V R 64/07, BFHE 224,
24, BStBl II 2009, 682 = SIS 09 13 24, unter II.2.c, Rz 20 ff.; in
BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298 = SIS 11 39 41, Rz 54;
BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920 = SIS 14 13 76, Rz 7).
|
|
|
31
|
c) Soweit der Kläger der Auffassung ist,
die Aufteilung in „Unternehmensteile“ finde
keine Stütze im Umsatzsteuergesetz, vermag der Senat dem nicht
zu folgen.
|
|
|
32
|
Der Grundsatz der Unternehmenseinheit nach
§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt auch nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers
fort. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts besteht
das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung jedoch aus mehreren
Unternehmensteilen (vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil,
Insolvenzmasse und insolvenzfreies Vermögen), zwischen denen
einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen
nicht miteinander verrechnet werden können (vgl. z.B.
BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 = SIS 11 11 55, Rz
28 f.; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298 = SIS 11 39 41, Rz 11;
vom 20.12.2012 V R 23/11, BFHE 240, 377, BStBl II 2013, 334 = SIS 13 04 80, Rz 9; jeweils m.w.N.).
|
|
|
33
|
d) Die unter II.2. dargelegte Rechtsprechung
des BFH ist - entgegen der Auffassung des FG - mit Art. 90 Abs. 1
MwStSystRL vereinbar. Das hat der V. Senat des BFH bereits im
Einzelnen dargelegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II
2015, 506 = SIS 14 32 16, Rz 38; ebenso BFH-Beschluss in BFH/NV
2014, 920 = SIS 14 13 76, Rz 12). Dem schließt sich der
erkennende Senat an.
|
|
|
34
|
e) Eine Vorlagepflicht gemäß Art.
267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (vgl. dazu Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 30.8.2010 1 BvR 1631/08, NJW 2011,
288 = SIS 10 33 01, unter B.II.1.; BFH-Urteil vom 12.12.2012 XI R
36/10, BFHE 239, 534, BStBl II 2013, 412 = SIS 13 06 40, Rz 39 ff.,
m.w.N.) besteht trotz der im österreichischen Recht möglicherweise abweichenden
insolvenzrechtlichen Behandlung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten
(vgl. dazu Kahlert, DStR 2015, 1485, 1488) nicht (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920 = SIS 14 13 76, Rz 12).
|
|
|
35
|
4. Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil ist daher
aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Es ist weder vorgetragen noch
sonst ersichtlich, dass die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der
nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, aber vor
der Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen
Insolvenzverwalter ausgeführten Umsätze die Höhe der
im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid festgesetzten Umsatzsteuer
beeinflusst.
|
|
|
36
|
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.
|