Rückwirkender Wechsel von der Ist- zur Sollbesteuerung, zeitliche Grenze: Ein rückwirkender Wechsel von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 16 UStG) ist bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig. - Urt.; BFH 10.12.2008, XI R 1/08; SIS 09 06 80
I. Streitig ist, ob die Umsätze des
Klägers und Revisionsklägers (Kläger) zu Recht nach
vereinbarten Entgelten besteuert wurden.
Der Kläger betrieb im Streitjahr 1996
ein Einzelunternehmen, für das ihm antragsgemäß die
Besteuerung der Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gestattet
worden war; entsprechend verfuhr er in den monatlich abgegebenen
Umsatzsteuer-Voranmeldungen.
Nach Gründung einer GmbH brachte der
Kläger sein Einzelunternehmen aufgrund eines am 22.1.1997
geschlossenen Einbringungsvertrages - rückwirkend - zum
4.11.1996 in diese GmbH ein. Am 4.12.1997 reichte er die
Umsatzsteuerjahreserklärung 1996 seines Einzelunternehmens
für die Zeit vom 1. Januar bis 3.11.1996 ein. Diese
Erklärung beruhte wegen der Erfassung von offenen Forderungen
auf einer Sollbesteuerung der Umsätze und führte zu einer
- bestandskräftig gewordenen - Vorbehaltsfestsetzung für
1996 über 159.395,50 DM.
Mit Antrag vom 15.2.2000 sowie einer
berichtigten Umsatzsteuererklärung 1996 vom 24.2.2000 begehrte
der Kläger - seinen Voranmeldungen entsprechend - eine
Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten. Nachdem der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Steuerfestsetzung
1996 zunächst erklärungsgemäß mit Bescheid vom
16.3.2000 geändert hatte, hob es diesen Änderungsbescheid
am 12.5.2000 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung
(AO) wieder auf. Einspruch und Klage gegen diesen
Aufhebungsbescheid hatten keinen Erfolg. Das Urteil des
Finanzgerichts (FG) ist in den EFG 2008, 1247 = SIS 08 22 61
veröffentlicht.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision
macht der Kläger geltend, seine Umsatzsteuererklärung
1996 vom 4.12.1997 habe mit der Rechtslage nicht im Einklang
gestanden. Der darin vollzogene Übergang zur Sollbesteuerung
sei wegen Verstoßes gegen das steuerliche
Rückwirkungsverbot nicht zulässig gewesen. Das
Rückwirkungsverbot betreffe auch Sachverhalte, bei denen durch
Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts eine steuerlich
relevante Wirkung erzeugt worden sei. Diese Wirkung trete im Falle
der Istbesteuerung mit dem Ablauf des Voranmeldungszeitraums ein,
in dem die Entgelte vereinnahmt worden seien. Daraus sei mit dem FG
Berlin (Urteil vom 21.10.1981 VI 263/77, EFG 1982, 440) zu folgern,
dass ein Verzicht auf die Istbesteuerung nur bis zum Beginn des
jeweils laufenden Voranmeldungszeitraums erfolgen
könne.
Soweit das FG keinen Anlass sehe, das
Wahlrecht des § 20 des Umsatzsteuergesetzes 1993 in der
für das Streitjahr 1996 geltenden Fassung (UStG) restriktiver
zu handhaben als die Widerrufsmöglichkeiten nach §§
9, 19, 23 UStG, sei dem entgegenzuhalten, dass es in diesen
Fällen nur darum gehe, ob die entsprechenden Umsätze mit
oder ohne Umsatzsteuer besteuert würden. Bei § 20 UStG
dagegen gehe es um den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer
überhaupt. Darüber hinaus stehe einem Vergleich mit
§ 19 und § 23 UStG entgegen, dass es dort nach Ablauf der
Unanfechtbarkeit langjährige Bindungswirkungen gebe.
Die berichtigte Umsatzsteuererklärung
1996 vom 24.2.2000 beinhalte keinen erneuten Antrag auf
Istbesteuerung, sondern lediglich die Korrektur der fehlerhaften
Umsatzsteuererklärung 1996.
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung des FG, die Einspruchsentscheidung des FA vom
27.6.2002 sowie den Aufhebungsbescheid für 1996 vom 12.5.2000
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen. Bei Einreichung der
Umsatzsteuererklärung 1996 sei noch keine
bestandskräftige Steuerfestsetzung für 1996 vorhanden und
ein Wechsel zur Sollbesteuerung daher möglich gewesen.
II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Umsätze des
Klägers sind zu Recht nach vereinbarten Entgelten und nicht -
wie mit der geänderten Umsatzsteuererklärung 1996 vom
24.2.2000 begehrt - nach vereinnahmten Entgelten besteuert
worden.
Die Umsatzsteuer ist gemäß §
16 Abs. 1 Satz 1 UStG nach vereinbarten Entgelten zu berechnen,
soweit nicht § 20 UStG gilt. Danach kann das FA auf Antrag
gestatten, dass ein Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen
die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz
1 UStG), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet.
1. Nach den Feststellungen des FG hatte das FA
dem Kläger für das Streitjahr gestattet, seine
Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen; davon hat
er zwar für die Voranmeldungen des Streitjahres Gebrauch
gemacht, nicht jedoch für die Umsatzsteuerjahreserklärung
1996.
2. Im Rahmen der
Umsatzsteuerjahreserklärung 1996 ist der Kläger - wie das
FG zu Recht entschieden hat - wirksam von der Ist- zur
Sollbesteuerung zurückgekehrt. Da es sich bei der Gestattung
der Istbesteuerung um einen begünstigenden - sonstigen -
Verwaltungsakt handelt und die Sollbesteuerung der gesetzliche
Regelfall ist, steht es dem Unternehmer grundsätzlich frei,
von der Gestattung keinen Gebrauch zu machen und ohne weiteres zur
Sollbesteuerung zurückzukehren; dafür ist weder ein
Antrag des Steuerpflichtigen noch eine Erlaubnis des FA
erforderlich (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer,
§ 20 Rz 40; FG München, Urteil vom 9.12.1999 14 K 289/96,
UVR 2000, 231 = SIS 01 55 71; Urteil des FG Berlin in EFG 1982,
440).
3. Diesem - rückwirkenden - Wechsel von
der Ist- zur Sollbesteuerung innerhalb eines laufenden
Besteuerungszeitraums stehen weder materiell-rechtliche noch
verfahrensrechtliche Gründe entgegen.
a) Nach § 20 Abs. 1 Satz 3 UStG
dürfen zwar im Falle eines Wechsels Umsätze nicht doppelt
erfasst werden oder unversteuert bleiben. Diese Norm betrifft
jedoch die Durchführung des Besteuerungsverfahrens und regelt
lediglich die Art und Weise des Übergangs, setzt also einen
Wechsel der Besteuerungsform voraus.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers
verstößt dieser Wechsel nicht gegen das aus § 38 AO
abgeleitete steuerliche Rückwirkungsverbot. Nach § 38 AO
entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis,
sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die
Leistungspflicht knüpft. Daraus folgt nach ganz allgemeiner
Ansicht, dass ein durch Tatbestandsverwirklichung entstandener
Steueranspruch grundsätzlich unabänderlich ist und
insbesondere durch Rückbeziehung, Rückdatierung und
Rückgängigmachung tatsächlicher oder rechtlicher
Vorgänge nicht mehr beeinflusst werden kann (vgl. Kruse in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 38 AO Rz
30; Klein/ Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 38 Rz 11).
aa) Der Übergang von Ist- zu
Sollbesteuerung stellt schon keinen Eingriff i.S. von § 38 AO
in den gesetzlichen Umsatzsteuertatbestand dar. Nach § 13 Abs.
1 Nr. 1 Buchst. b UStG entsteht die Steuer bei der Berechnung nach
vereinnahmten Entgelten zwar mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums,
in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Ein Wechsel bedeutet
aber insofern keinen Eingriff in den Besteuerungssachverhalt, als
er nicht zur Folge hat, dass dadurch das Vorliegen einer i.S. von
§ 1 Abs. 1 UStG steuerbaren und steuerpflichtigen Lieferung
oder sonstigen Leistung entfallen würde. Ob ein Umsatz
überhaupt steuerpflichtig ist und welcher Steuersatz zur
Anwendung kommt, richtet sich vielmehr nach den tatsächlichen
Verhältnissen im Zeitpunkt der Leistung und ist daher
unabhängig vom Zeitpunkt der Entgeltsvereinnahmung (vgl. Geist
in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 20 Rz
55).
bb) Abgesehen davon ist zu
berücksichtigen, dass das Rückwirkungsverbot keine
absolute, sondern nur grundsätzliche Geltung beansprucht und
daher Ausnahmen zulässig sind.
(1) Hat etwa der Unternehmer die Gestattung
der Istbesteuerung durch unlautere, unvollständige oder
unrichtige Angaben erwirkt, kann das FA den begünstigenden,
aber rechtswidrigen Verwaltungsakt (§ 118 AO) gemäß
§ 130 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AO auch mit Wirkung für die
Vergangenheit zurücknehmen (vgl. Geist in
Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 20 Rz 46.1; Kruse in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 130 AO Rz 48). Dem steht nicht
entgegen, dass für den Zeitraum bis zur Rücknahme der
Gestattung die Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf der Grundlage von
Zahlungseingängen abgegeben wurden und i.S. von § 13 Abs.
1 Nr. 1 Buchst. b UStG zur Entstehung von Steuern geführt
haben.
(2) Darüber hinaus entspricht es
allgemeiner Ansicht im Schrifttum, der sich der Senat
anschließt, dass das Rückwirkungsverbot der
Ausübung von gesetzlichen Wahlrechten bzw. Optionen nicht
entgegensteht, wenn sich diese nicht auf die Verwirklichung eines
Lebenssachverhalts, sondern nur auf die Höhe der Steuer
auswirken (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 38 AO Rz 14;
Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 38 Rz 13; Schuster in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 38 AO Rz 29; Schmieszek in
Beermann/Gosch, AO § 38 Rz 20). Unabhängig von der
Entstehung der Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten
gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG kann ein
Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten daher
grundsätzlich auch noch im Laufe und selbst nach Ablauf eines
Jahres - also rückwirkend - gestellt und genehmigt werden
(vgl. Flückiger in Plückebaum/ Malitzky/Widmann,
Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 20 Rz 107; Henseler in
Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 20 Rz 26; Zeuner
in Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 20 Rz 16; Korn,
Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1988/1989, S. 15, 28). Wenn aber die
nachträgliche bzw. rückwirkende Gestattung der
Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten keinen Verstoß gegen
das Rückwirkungsverbot bewirkt, muss dies auch für den
Verzicht auf die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (actus
contrarius) gelten. Denn auch dadurch wird nicht in den der
Besteuerung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt eingegriffen,
sondern lediglich die Höhe der Umsatzsteuer im jeweiligen
Besteuerungszeitraum verändert.
(3) Diese Auffassung steht im Einklang mit dem
gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit. Dieser
Grundsatz gehört zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen,
die Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung und auch von den
Mitgliedstaaten zu beachten sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 11.5.2006 Rs.
C-384/04 - Federation of Technological Industries -, Slg. 2006,
I-4191 = SIS 06 24 65, Leitsatz 1). Er beinhaltet insbesondere,
dass der Betroffene bei finanziell belastenden Regelungen in der
Lage sein muss, den Umfang der ihm auferlegten Verpflichtungen
genau zu erkennen (vgl. EuGH-Urteil vom 29.4.2004 Rs. C-17/01 -
Sudholz -, Slg. 2004, I-4243 = SIS 04 18 23, Randnr. 34).
Der Wechsel von Ist- zur Sollbesteuerung
führt zwar im Regelfall zu einer wirtschaftlichen Belastung
des Steuerpflichtigen. Dessen Umfang ist jedoch für den
Steuerpflichtigen nicht nur ohne weiteres erkennbar, sondern auch
von der Ausübung eines Wahlrechts abhängig. Der Grundsatz
der Rechtssicherheit wird daher jedenfalls dann nicht berührt,
wenn das FA bei gesetzlich eingeräumten Wahlrechten einem
Begehren des Steuerpflichtigen entspricht.
c) Einer Rückkehr zur Sollbesteuerung
stehen auch keine verfahrensrechtlichen Hindernisse entgegen. Der
Kläger konnte die Rückkehr bis zur Unanfechtbarkeit
(formellen Bestandskraft) der Jahressteuerfestsetzung
erklären. Zum Zeitpunkt des Wechsels am 4.12.1997 (Eingang der
Umsatzsteuerjahreserklärung 1996) gab es noch keine
bestandskräftige Umsatzsteuerfestsetzung für 1996.
aa) Der Zeitpunkt, bis zu dem nach einer
Option zur Istbesteuerung rückwirkend auf diese verzichtet
werden kann, ist ebenso wenig geregelt wie der Zeitpunkt für
eine Gestattung der Istbesteuerung. Für Letztere ist jedoch
allgemein anerkannt, dass sie jedenfalls dann nicht mehr
zulässig ist, wenn sie sich auf einen Besteuerungszeitraum
erstreckt, der bereits durch eine bestandskräftige
Umsatzsteuerfestsetzung abgeschlossen ist (vgl. Wagner in
Sölch/Ringleb, a.a.O., § 20 Rz 30; Reiß in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 20 Rz 18; Zeuner in
Bunjes/Geist, a.a.O., § 20 Rz 16; Korn,
Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1988/1989, S. 15, 28; Devermann in
Offerhaus/ Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 106; im Ergebnis auch
Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.8.2002 V B 65/02,
BFH/NV 2003, 210 = SIS 03 08 73; weitergehend - bis zur
Änderbarkeit nach § 164 AO - Flückiger in
Plückebaum/Malitzky/Widmann, a.a.O., § 20 Rz 107). Hat
der Steuerpflichtige die Istbesteuerung in Anspruch genommen, dann
kann für die Rückgängigmachung kein längerer
Zeitraum als für ihre Ausübung eingeräumt werden.
Denn für die Rückgängigmachung eines Wahlrechts als
„actus contrarius“ gelten - auch in zeitlicher
Hinsicht - die gleichen Grenzen wie für die Ausübung des
Wahlrechts.
bb) Über die gesetzlich geregelten
Fälle hinausgehend hat auch die Rechtsprechung eine
Rückgängigmachung von Verfahrenshandlungen nur bis zur
formellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres
anerkannt, für die sie gelten soll.
(1) Das Umsatzsteuergesetz regelt in § 19
Abs. 2 Satz 1 UStG die Option des Kleinunternehmers zur
Regelbesteuerung und in § 23 Abs. 3 Satz 1 UStG die Option zur
Besteuerung nach Durchschnittssätzen. In beiden Fällen
muss der jeweilige Widerruf bis zur Unanfechtbarkeit der
Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) und damit innerhalb
der formellen Bestandskraft erfolgen.
(2) § 9 Abs. 1 UStG ermöglicht eine
Option zur Steuerpflicht, regelt aber - im Unterschied zu
§§ 19, 23 UStG - nicht, bis zu welchem Zeitpunkt diese zu
erklären ist und bis zu welchem Zeitpunkt eine erklärte
Option noch rückgängig gemacht werden kann. Unter Hinweis
auf die rechtssystematisch vergleichbare Situation beim Widerruf
eines Verzichts auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG hat der
BFH eine Bindungswirkung an die Option zur Steuerpflicht ab dem
Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen
Steuerfestsetzung bejaht (vgl. BFH-Beschluss vom 6.8.1998 V B
146/97, BFH/NV 1999, 223 = SIS 98 56 38; im Unterschied zur
nachträglichen Ausübung der Option vgl. Klenk in
Sölch/Ringleb, a.a.O., § 9 Rz 68). Dieselbe zeitliche
Grenze gilt im Übrigen auch für eine Änderung des
Aufteilungsmaßstabes nach § 15 Abs. 4 UStG (vgl.
BFH-Urteile vom 2.3.2006 V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006,
729 = SIS 06 35 36, und vom 28.9.2006 V R 43/03, BFHE 215, 335,
BStBl II 2007, 417 = SIS 06 45 68; BFH-Beschluss vom 14.3.2008 V B
137/06, BFH/NV 2008, 1213 = SIS 08 25 35).
Da sowohl die Rückgängigmachung der
Optionen nach §§ 9, 19, 23 UStG als auch die
Rückgängigmachung der Istbesteuerung im Rahmen des §
20 UStG die rückwirkende Änderung von
Verfahrenshandlungen betrifft und sachliche Gründe für
eine unterschiedliche Behandlung nicht ersichtlich sind, hält
der Senat einen Verzicht auf die Istbesteuerung bis zum Eintritt
der formellen Bestandskraft für zulässig (vgl. auch
Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 20 Rz 31; Burhoff in
Peter/Burhoff/Stöcker, Umsatzsteuer, Kommentar, § 20 Rz
49).
cc) Dabei kommt es nicht auf die formelle
Bestandskraft der jeweiligen Umsatzsteuer-Voranmeldung an, sondern
auf die formelle Bestandskraft der Jahressteuerfestsetzung. Denn
maßgeblicher Besteuerungszeitraum für die Umsatzsteuer
ist das Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG). Daher werden
die auf (monatlich oder vierteljährlich abzugebenden)
Voranmeldungen beruhenden Festsetzungen durch eine
Jahressteuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 UStG) abgelöst; in
verfahrensrechtlicher Hinsicht führt dies dazu, dass - in
einem die Voranmeldungen betreffenden Rechtsstreit - ein
Jahressteuerbescheid zum Gegenstand des Verfahrens wird (§ 68
FGO) und sich der Rechtsstreit hinsichtlich der Voranmeldungen i.S.
von § 124 Abs. 2 AO „auf andere Weise“
erledigt (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss vom
22.10.2003 V B 103/02, BFH/NV 2004, 502 = SIS 04 11 23). Hinzu
kommt, dass auch die gesetzlichen Regelungen zum Widerruf der
Optionen des § 19 und des § 23 UStG auf § 18 Abs. 3
und 4 UStG und damit auf die Jahressteuerfestsetzung verweisen.
Gründe für eine hiervon abweichende Behandlung des
Wechsels zwischen Ist- und Sollbesteuerung sind nicht
erkennbar.
dd) Dem danach zulässigen Wechsel von
Ist- zur Sollbesteuerung kann der Kläger nicht mit Erfolg
entgegenhalten, dass es in den Fällen der §§ 19, 23
UStG nur darum gehe, ob die entsprechenden Umsätze mit oder
ohne Umsatzsteuer besteuert würden, während es bei §
20 UStG um den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer überhaupt
gehe. Abgesehen davon, dass es im Falle der Kleinunternehmeroption
nach § 19 UStG ebenfalls um die Entstehung einer - bislang
nicht erhobenen - Umsatzsteuer geht, greift dieser Einwand nicht im
Falle des Widerrufs einer Option nach § 9 Abs. 1 UStG. Denn
mit der Option entsteht und durch den Widerruf der Option
entfällt die den jeweiligen Umsatz betreffende
Umsatzsteuer.
Soweit der Kläger meint, einem Vergleich
mit § 19 und § 23 UStG stehe auch entgegen, dass es dort
nach Ablauf der Unanfechtbarkeit langjährige Bindungswirkungen
gebe, ist zu berücksichtigen, dass dieser Gesichtspunkt zwar
für die Ausübung der Option zutrifft, nicht aber für
den mit den Verhältnissen im Streitfall vergleichbaren
Widerruf der Option. Im Übrigen handelt es sich bei der
langjährigen Bindungswirkung der §§ 19 23 UStG um
eine weitergehende gesetzliche Einschränkung, die aber nichts
über den Zeitpunkt der Bindungswirkung besagt.
4. Zu Recht hat das FG schließlich
entschieden, dass - nach vollzogener Rückkehr zur
Sollbesteuerung - dem Kläger durch die
antragsgemäße Vorbehaltsfestsetzung vom 16.3.2000 nicht
erneut eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestattet
werden konnte. Denn die Steuerfestsetzung aufgrund der
Jahreserklärung vom 4.12.1997 (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG
i.V.m. § 168 AO), der eine Besteuerung nach vereinbarten
Entgelten zugrunde lag, ist formell bestandskräftig geworden.
Mit dem Eintritt der formellen Bestandskraft ist sowohl für
den Kläger als auch für das FA hinsichtlich der
Besteuerungsart eine Bindungswirkung eingetreten. Auf die
Unabänderbarkeit der Steuerfestsetzung kommt es insoweit nicht
an. Das FA konnte daher den Steuerbescheid vom 16.3.2000, dem
entgegen der bereits eingetretenen Bindungswirkung eine Besteuerung
nach vereinnahmten Entgelten zugrunde lag, gemäß §
164 Abs. 2 AO wieder aufheben.
Da dem Kläger somit für das
Streitjahr eine Rückkehr zur Besteuerung nach vereinnahmten
Entgelten versagt bleibt, ist unerheblich, dass die
ursprüngliche Umsatzsteuerjahreserklärung 1996 insoweit
fehlerhaft war, als der Kläger darin die Folgen der
Einbringung auf den 4.11.1996 zurückbezogen hat, obwohl die
Rückwirkungsfiktion nach § 2 Abs. 1 des
Umwandlungssteuergesetzes nicht für die Umsatzsteuer gilt
(vgl. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 2 UmwStG
Rz 290, m.w.N.).