Auf die Beschwerde der Antragsteller werden
der Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 29.1.2018 15 V
3279/17 und der ablehnende Bescheid des Antragsgegners vom
19.12.2017 aufgehoben.
Die Vollziehung des Zinsbescheids zur
Einkommensteuer 2009 vom 13.11.2017 wird ab Fälligkeit bis
einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder
anderweitiger Erledigung des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Antragsgegner zu tragen.
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I. Die Antragsteller und
Beschwerdeführer (Antragsteller) werden als Eheleute zusammen
zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrem Einkommensteuerbescheid
für das Jahr 2009 vom 15.6.2011 wurde die Einkommensteuer auf
159.139 EUR festgesetzt. Im Anschluss an eine
Außenprüfung erließ der Antragsgegner und
Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) unter dem Datum vom
13.11.2017 einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der
Abgabenordnung (AO) gestützten geänderten
Einkommensteuerbescheid für 2009, in dem es unter Anwendung
des Teileinkünfteverfahrens erstmals einen
Veräußerungsgewinn nach § 17 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 4.417.740 EUR der
Besteuerung zugrunde legte und eine Einkommensteuer in Höhe
von 2.143.939 EUR festsetzte. Die Zahllast für die
Antragsteller betrug 1.984.800 EUR.
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Für die Veranlagungszeiträume
2013 bis 2015 ergingen korrespondierend zugunsten der Antragsteller
geänderte Einkommensteuerfestsetzungen, in denen zuvor bei den
Einkünften aus Kapitalvermögen angesetzte Einnahmen von
8,8 Mio. EUR im Veranlagungszeitraum 2013, von 800.000 EUR im
Veranlagungszeitraum 2014 und von 400.000 EUR im
Veranlagungszeitraum 2015 nicht mehr berücksichtigt
wurden.
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In dem mit der Steuerfestsetzung 2009
verbundenen Zinsbescheid vom 13.11.2017 setzte das FA unter
Berücksichtigung der zunächst in den
Veranlagungszeiträumen 2013 bis 2015 versteuerten
Kapitaleinkünfte Zinsen in Höhe von 240.831 EUR
fest.
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Diese wurden wie folgt berechnet:
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Erstattungszinsen
- vom 1.4.2011 bis 16.11.2017
39,5 v.H. x 159.100 EUR (abgerundet)
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-62.844,50 EUR
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Nachzahlungszinsen
- vom 1.4.2015 bis 16.11.2017
15,5 v.H. x 1.746.250 EUR (abgerundet) = 270.668,75 EUR
- vom 1.4.2016 bis 16.11.2017
9,5 v.H. x 318.150 EUR (abgerundet) =
30.224,25 EUR
- vom 1.4.2017 bis 16.11.2017
3,5 v.H. x 79.500 EUR (abgerundet) =
2.782,50 EUR
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303.675,50 EUR
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Summe
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240.831,00 EUR
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Die Antragsteller legten sowohl gegen den
Einkommensteuer- als auch gegen den Zinsbescheid vom 13.11.2017
Einsprüche ein, über die das FA noch nicht entschieden
hat. Sie haben dem Ruhen des Einspruchsverfahrens gegen die
Zinsfestsetzung wegen eines beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
anhängigen Verfahrens (1 BvR 2237/14) zugestimmt.
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Mit Schreiben vom 15.12.2017 beantragten
die Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des
Zinsbescheids zur Einkommensteuer für 2009. Zur
Begründung führten sie insbesondere aus, die Höhe
der Zinsen nach § 238 AO von einhalb Prozent für jeden
Monat sei verfassungswidrig.
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Das FA lehnte die AdV mit Schreiben vom
19.12.2017 ab. Mit ihrem hiergegen gerichteten gerichtlichen Antrag
hielten die Antragsteller ihr auf die Zinsen beschränktes
Aussetzungsbegehren aufrecht.
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Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag
ab. Es führte zur Begründung aus, die von den
Antragstellern dargelegten verfassungsrechtlichen Zweifel an dem in
§ 238 AO geregelten Zinssatz geböten keine AdV. Das
öffentliche Vollzugsinteresse sowie das öffentliche
Interesse an einer geordneten Haushaltsführung seien
jedenfalls höher zu gewichten als ein mit Verweis auf
anhängige Verfahren begründetes
Aussetzungsinteresse.
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Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde,
der das FG nicht abgeholfen hat, verfolgen die Antragsteller ihr
Begehren weiter und beantragen,
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unter Aufhebung der ablehnenden
Entscheidung des Antragsgegners vom 19.12.2017 und des Beschlusses
des FG vom 29.1.2018 die Vollziehung des Bescheids über die
Zinsen zur Einkommensteuer 2009 vom 13.11.2017 auszusetzen,
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und, soweit AdV gewährt wird, die
Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der
gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag
aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Beschwerde
zurückzuweisen.
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II. Die Beschwerde ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Antragsstattgabe. Die Vollziehung des Zinsbescheids wird
ausgesetzt.
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1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines
angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. dann ganz oder teilweise
auszusetzen, wenn - worüber im vorliegenden Verfahren allein
gestritten wird - ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.
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a) Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn bei
summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben den
für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen
gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder
Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in
der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken
(ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. z.B.
Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25.9.2017 IX S 17/17,
HFR 2017, 1118 = SIS 17 19 21, Rz 20, m.w.N.). Ernstliche Zweifel
können auch verfassungsrechtliche Zweifel an der
Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde
liegenden Norm sein (ständige Rechtsprechung, z.B.
BVerfG-Urteil vom 21.2.1961 1 BvR 314/60, BVerfGE 12, 180, BStBl I
1961, 63 = SIS 61 08 47, unter B.II.; BFH-Beschlüsse vom
5.3.2001 IX B 90/00, BFHE 195, 205, BStBl II 2001, 405 = SIS 01 05 06; vom 22.12.2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367 =
SIS 04 05 91). Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen
Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für
verfassungswidrig, so hat es gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz
1 des Grundgesetzes (GG) das Verfahren auszusetzen und die
Entscheidung des BVerfG einzuholen. Das dem BVerfG vorbehaltene
Verwerfungsmonopol hat zur Folge, dass das Fachgericht Folgerungen
aus der (von ihm angenommenen) Verfassungswidrigkeit eines
formellen Gesetzes im Hauptsacheverfahren erst nach deren
Feststellung durch das BVerfG ziehen darf. Die Fachgerichte sind
jedoch durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht gehindert, schon vor der im
Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des BVerfG auf der
Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz zu
gewähren, wenn dies im Interesse eines effektiven
Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsacheentscheidung
dadurch nicht vorweggenommen wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom
24.6.1992 1 BvR 1028/91, BVerfGE 86, 382 = SIS 92 18 41, unter
B.II.2.b; BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367 = SIS 04 05 91).
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b) Einwendungen gegen die
Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Zinshöhe
betreffen die Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung und
sind damit verfahrensrechtlich gegen diese geltend zu machen (z.B.
BFH-Beschluss vom 31.5.2017 I R 77/15, BFH/NV 2017, 1409 = SIS 17 18 60, unter II.2.b, m.w.N.).
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2. Nach diesen Maßstäben ist die
AdV in dem von den Antragstellern beantragten Umfang zu
gewähren. Die angegriffene Zinshöhe in § 233a AO
i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO begegnet durch ihre
realitätsferne Bemessung mit Blick auf den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (s. unter a) und das sich aus
dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ergebende
Übermaßverbot (s. unter b) für den hier in Rede
stehenden Zeitraum vom 1.4.2015 bis 16.11.2017 schwerwiegenden
verfassungsrechtlichen Zweifeln.
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a) Es bestehen schwerwiegende
verfassungsrechtliche Zweifel, ob die Zinshöhe von einhalb
Prozent für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) mit dem
allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist (s.a. Ausarbeitung des
Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags vom 16.2.2017,
WD 4 - 3000 - 011/17, S. 11, m.w.N.).
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aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches ungleich zu behandeln. Steuergesetze müssen, um
für die Massenvorgänge des Wirtschaftslebens praktikabel
zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen
Folgen knüpfen, regelmäßig typisieren und dabei in
weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles
vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die
Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht
übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile
der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der
Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen
Belastung stehen (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 20.4.2004 1 BvR
1748/99, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 = SIS 04 28 99;
BVerfG-Beschluss vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, unter C.I.2.a aa). Außerdem darf eine gesetzliche
Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen,
sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall
orientieren (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 7.10.1969 2 BvR
555/67, BVerfGE 27, 142, und in BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65; vom
12.10.2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 = SIS 10 36 57; zum
Erfordernis der realitätsgerechten Bemessung des steuerlichen
Belastungsgrunds s. zuletzt BVerfG-Urteile vom 10.4.2018 1 BvL
11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12 = SIS 18 04 71, unter B.IV.1.c).
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bb) Der gesetzlich festgelegte Zinssatz
gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO überschreitet
für den hier in Rede stehenden Zeitraum vom 1.4.2015 bis
16.11.2017 angesichts der zu dieser Zeit bereits eingetretenen
strukturellen und nachhaltigen Verfestigung des niedrigen
Marktzinsniveaus den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen
Realität in erheblichem Maße. Das Niedrigzinsniveau
stellt sich jedenfalls für den Streitzeitraum nicht mehr als
vorübergehende, volkswirtschaftstypische Erscheinung verbunden
mit den typischen zyklischen Zinsschwankungen dar, sondern ist
struktureller und nachhaltiger Natur (vgl. Deutsche Bundesbank,
Finanzstabilitätsbericht 2014 vom 25.11.2014, S. 8, 13, 30,
38, 39, 56, die bereits von „seit Jahren anhaltender
Niedrigzinsphase“ spricht). Der Annahme eines
verfestigten Niedrigzinsniveaus kann dabei nicht entgegengehalten
werden, dass bei Kreditkartenkrediten für private Haushalte
Zinssätze von rund 14 v.H. oder bei
Girokontenüberziehungen Zinssätze von rund 9 v.H.
anfallen (so aber BFH-Urteil vom 9.11.2017 III R 10/16, BFHE 260, 9
= SIS 18 02 11, Rz 35 f.: „Bandbreite von 0,15 % bis 14,70
%“); denn es handelt sich insoweit um Sonderfaktoren, die
nicht als Referenzwerte für ein realitätsgerechtes
Leitbild geeignet sind.
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cc) Eine sachliche Rechtfertigung für die
gesetzliche Zinshöhe besteht bei der gebotenen summarischen
Prüfung nicht.
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(1) Der Gesetzgeber hat bei der
Einführung der seit dem Jahr 1961 unveränderten
Zinshöhe von einhalb Prozent für jeden Monat durch §
5 Abs. 1 des Steuersäumnisgesetzes vom 13.7.1961 (BGBl I 1961,
981, 994 f.) die Typisierung des Zinssatzes mit dem Interesse an
Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung begründet
(BTDrucks 3/2573, S. 33, zu Art. 11, Allgemeines und wiederholend
in BTDrucks 8/1410, S. 13; BTDrucks 11/2157, S. 194). Solche
Erwägungen können allerdings für den Zeitraum vom
1.4.2015 bis 16.11.2017 angesichts des gänzlich
veränderten technischen Umfelds und des Einsatzes moderner
Datenverarbeitungstechnik bei einer Anpassung der Zinshöhe an
den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des
§ 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht mehr
tragend sein (s. bereits BFH-Urteil vom 1.7.2014 IX R 31/13, BFHE
246, 193, BStBl II 2014, 925 = SIS 14 25 11, Rz 16). Dies wird
beispielhaft durch Regelungen wie in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b
Doppelbuchst. dd des Kommunalabgabengesetzes Bayern (KAG BY)
bestätigt. Diese von der bayerischen Kommunalverwaltung -
welche in ihrer Größe kaum an die Finanzverwaltung
heranreichen dürfte - anzuwendende Norm ist durch das Gesetz
zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 11.3.2014 (GVBl,
S. 70) mit Wirkung ab dem 1.4.2014 dahingehend geändert
worden, dass für den im Anwendungsbereich des KAG BY
heranzuziehenden Zinssatz insoweit nicht mehr § 238 Abs. 1
Satz 1 AO maßgebend ist, sondern die Höhe der Zinsen
zwei Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB
jährlich beträgt.
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Dies belegt, dass die Praktikabilität
oder die Verwaltungsvereinfachung nicht mehr einen
realitätsfernen Zinssatz rechtfertigen, wenn es bei den
Kommunalabgaben eines Bundeslandes für vergleichbare
Zinsfestsetzungen möglich ist, einen realitätsgerechteren
Zinssatz als Bezugsgröße zu wählen.
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(2) Für die Höhe des Zinssatzes in
§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO fehlt es überhaupt an einer
nachvollziehbaren Begründung (gleicher Ansicht Seer/Klemke,
ifst-Schrift Nr. 490 (2013), 43, 45).
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(3) Auch der Telos der Verzinsung rechtfertigt
die gesetzliche Zinshöhe nicht. Der Sinn und Zweck der
Verzinsungspflicht ist es, den Nutzungsvorteil wenigstens z.T.
abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält,
dass er während der Dauer der Nichtentrichtung über eine
Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen
Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht „an
sich“ dem Steuergläubiger zusteht. Dem Ziel
würde Rechnung getragen, wenn für den Steuerpflichtigen
zumindest die Möglichkeit besteht, die zu zahlenden Zinsen
durch Anlage der nicht gezahlten Steuerbeträge oder durch die
Ersparnis von Aufwendungen auch tatsächlich zu erzielen. Diese
Möglichkeit war aber wegen der strukturellen Niedrigzinsphase
im typischen Fall für den hier in Rede stehenden Zeitraum
nahezu ausgeschlossen (vgl. Ortheil, BB 2015, 675, 676;
Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen
Bundestags vom 16.2.2017, WD 4 - 3000 - 011/17, S. 10:
„nicht realistisch“). Der Zweck der Verzinsung
war für den Streitzeitraum nicht oder kaum erreichbar und
trägt damit die realitätsferne Bemessung der
Zinshöhe nicht.
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Ebenso erscheint für den Streitzeitraum
ein potentieller Zinsnachteil des Fiskus, der den nicht gezahlten
Steuerbetrag nicht anderweitig nutzen konnte, angesichts des sehr
niedrigen und teilweise sogar negative Zinssätze ausweisenden
Refinanzierungsniveaus am Kapitalmarkt nahezu ausgeschlossen.
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Eine kurzfristige
„Fremdfinanzierung“ durch den Fiskus - in
Gestalt einer Erhöhung der Neuverschuldung - ist für den
Bund schon seit einigen Jahren praktisch zum
„Nulltarif“ zu haben. In gleicher Weise
würde eine kurzfristige Anlage von seitens des
Steuerpflichtigen geschuldeten, haushaltsmäßig aber
nicht benötigten Geldforderungen für den Fiskus keinen
Zinsertrag erbringen, der eine Zinshöhe von einhalb Prozent
für jeden Monat des Zinslaufs rechtfertigen könnte.
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dd) Anders als das FG meint, ergibt sich eine
andere rechtliche Beurteilung nicht aus der regelmäßig
zitierten Kammerentscheidung des BVerfG (Beschluss vom 3.9.2009 1
BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 = SIS 09 34 42).
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(1) Im Streitfall ist die gesetzliche
Zinshöhe für den Zeitraum vom 1.4.2015 bis 16.11.2017 zu
beurteilen. In jener Entscheidung des BVerfG ging es
demgegenüber um die Festsetzung von Nachzahlungszinsen
für die Zinszahlungszeiträume von 2003 bis 2006, in denen
kein strukturell verfestigtes Niedrigzinsniveau eingetreten
war.
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(2) Dem Beschluss des BVerfG lag darüber
hinaus eine für Zinsfestsetzungen atypische
Sachverhaltskonstellation zugrunde. Die Zinsfestsetzung beruhte auf
einer fehlerhaft unterbliebenen Auswertung eines
Grundlagenbescheids, die zunächst zu einer erheblichen
Steuererstattung führte. Nachdem das Finanzamt die
unterlassene Auswertung des Grundlagenbescheids erkannt hatte,
erließ es einen geänderten Einkommensteuerbescheid, der
zur Rückzahlung der Steuererstattung führte. In jener
Fallkonstellation war die unzutreffende Steuerfestsetzung für
den betroffenen und zudem fachkundigen Steuerpflichtigen ohne
Weiteres erkennbar; die Zinsfestsetzung hätte daher durch
einen Hinweis an das Festsetzungsfinanzamt auf die fehlerhaft
unterlassene Umsetzung des Grundlagenbescheids vermieden werden
können.
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(3) Wie bereits unter II.2.a cc (1) dargelegt,
können angesichts der auf moderner Datenverarbeitung
gestützten Automation in der Steuerverwaltung auch
Erwägungen wie Praktikabilität und
Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der Zinshöhe an den
jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des §
247 BGB nicht mehr entgegenstehen.
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(4) Auch das Argument, die Vollverzinsung
wirke „gleichermaßen zugunsten wie zulasten des
Steuerpflichtigen“ (BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2009, 2115
= SIS 09 34 42), ist nicht geeignet, die realitätsferne
Zinshöhe des § 238 AO zu rechtfertigen. Denn der Zinssatz
für Erstattungsansprüche ist mit Blick auf das
strukturelle Niedrigzinsniveau während des Streitzeitraums in
gleicher Weise als nicht realitätsgerecht anzusehen.
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b) Es bestehen bei der gebotenen summarischen
Prüfung überdies schwerwiegende verfassungsrechtliche
Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden
Übermaßverbot entspricht.
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aa) Die realitätsferne Bemessung der
Zinshöhe wirkt in Zeiten eines strukturellen
Niedrigzinsniveaus wie ein sanktionierender, rechtsgrundloser
Zuschlag auf die Steuerfestsetzung. Die Belastung des
Steuerpflichtigen wird im Einzelfall noch dadurch verschärft,
dass mit dem Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften
(Steuerbereinigungsgesetz 1999) vom 22.12.1999 (BGBl I 1999, 2601)
die bis dahin geltende zeitliche Begrenzung des Zinslaufs auf
maximal vier Jahre (§ 233a Abs. 2 Satz 3 AO a.F.,
eingeführt durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25.7.1988,
BGBl I 1988, 1093, zuletzt i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997 vom
20.12.1996, BGBl I 1996, 2049) aufgehoben worden ist; seitdem gibt
es keine gesetzlich bestimmte Höchstdauer für den
Zinslauf mehr. Die Abschaffung der Vier-Jahres-Grenze rechtfertigte
der Gesetzgeber seinerzeit mit den Erwägungen der
Steuergerechtigkeit und der Vereinfachung der Zinsberechnung;
Steuerpflichtige sollten die relative Zinsbelastung nicht mehr
durch Verzögerungen des Ablaufs einer Außenprüfung
vermindern können (BTDrucks 14/1514, S. 48). In einem
strukturell niedrigen Zinsumfeld wirkt der unbefristete Zinslauf
für den Steuerpflichtigen weiter verschärfend. Dessen
Belastung wird umso größer, je später die Steuer
festgesetzt wird. Eine teilweise Kompensation durch eine
steuerliche Abzugsmöglichkeit der Nachzahlungszinsen tritt
nicht ein. Die Nachzahlungszinsen zur Einkommen-,
Körperschaft- und Gewerbesteuer führen zu nicht
abzugsfähigen Ausgaben oder Aufwendungen (vgl. § 12 Nr. 3
EStG, § 10 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -,
§ 4 Abs. 5b EStG).
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Der Eintritt der Verzinsung und die Dauer des
Zinslaufs waren im Streitfall für die betroffenen
Antragsteller auch nicht vermeidbar. Die Länge des Zinslaufs
hing von für die Antragsteller nicht oder kaum beeinflussbaren
Faktoren ab, insbesondere den Beginn und die Dauer der
Außenprüfung sowie die Auswertung von deren
Ergebnissen.
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bb) Eine sachliche Rechtfertigung für die
nicht realitätsgerechte Belastung besteht bei summarischer
Prüfung nicht. Insbesondere geht der Zweck der
Verzinsungspflicht, potentielle Liquiditäts- oder Zinsvorteile
abzuschöpfen (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2009, 2115 = SIS 09 34 42), für den Streitzeitraum ins Leere (s. bereits unter
II.2.a cc (3)).
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3. Anders als das FG meint, haben die
Antragsteller auch ein berechtigtes Interesse an der AdV des
angefochtenen Zinsbescheids. Im Streitfall fällt die
Interessenabwägung zugunsten der Antragsteller aus.
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a) Zum einen gehen die schwerwiegenden Zweifel
an der Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen
Verwaltungsakt zugrunde liegenden gesetzlichen Regelung über
das Maß an Zweifeln hinaus, welches üblicherweise von
der Rechtsprechung für die Gewährung der AdV für
erforderlich angesehen wird. Zum anderen ist weder dargelegt noch
ersichtlich, dass eine AdV im Streitfall das öffentliche
Interesse an einer geordneten Haushaltsführung berühren
könnte; vielmehr ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber
die Notwendigkeit einer Anpassung der Zinshöhe bekannt
ist.
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37
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b) So hat der Senat bereits mit seinem Urteil
vom 1.7.2014 (in BFHE 246, 193, BStBl II 2014, 925 = SIS 14 25 11,
Rz 21) für Verzinsungszeiträume nach dem 21.3.2011 darauf
hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei dauerhafter Verfestigung des
Niedrigzinsniveaus von Verfassungs wegen gehalten ist zu
überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung zur
gesetzlichen Zinshöhe auch unter den veränderten
Umständen aufrechtzuerhalten ist.
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38
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Ein Hinweis dafür, dass der Gesetzgeber
selbst mit Blick auf die nicht mehr realitätsgerechte
gesetzliche Zinshöhe ein gesetzgeberisches Handeln als
notwendig angesehen hat, folgt im Übrigen aus der - nach Art.
97 § 8 Abs. 4 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur
Abgabenordnung (EGAO) erstmals für nach dem 31.12.2018
einzureichende Steuererklärungen geltenden - Regelung für
die Bemessung von Verspätungszuschlägen gemäß
§ 152 Abs. 5 AO i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des
Besteuerungsverfahrens (StModernG) vom 18.7.2016 (BGBl I 2016,
1679). Diese legt nach § 152 Abs. 5 Satz 2 AO bei
jährlich zu veranlagenden Steuern einen typisierten Zuschlag
von 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer je angefangenen Monat der
eingetretenen Verspätung zugrunde. Zu den jährlich zu
veranlagenden Steuern gehören die Einkommen-,
Körperschaft- und Gewerbesteuer, die auch der Verzinsung nach
§ 233a AO i.V.m. § 238 AO unterfallen. Im Rahmen der
vorbereitenden Überlegungen zur Neuregelung des § 152 AO
durch das StModernG war zunächst erwogen worden, die Höhe
des Verspätungszuschlags für diese Steuern an der
Höhe der Zinsen nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO mit einhalb
Prozent für jeden angefangenen Monat zu bemessen. Angesichts
der als zweifelhaft angesehenen Höhe einer solchen
Pauschalierung wurde jedoch davon Abstand genommen und zur
Vermeidung verfassungsrechtlicher Zweifel für die Bemessung
des Verspätungszuschlags eine Pauschalierung von 0,25 Prozent
je angefangenen Monat zugrunde gelegt.
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39
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Aufgrund des verfestigten Niedrigzinsniveaus
hat der Gesetzgeber zudem bereits den Abzinsungssatz von
Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen in
der Handelsbilanz geändert (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 38.
Aufl., § 253 Rz 7). Für die Berechnung dieses
Abzinsungssatzes war auf den durchschnittlichen Marktzinssatz der
vergangenen sieben Jahre abzustellen (§ 253 Abs. 2 Satz 1 des
Handelsgesetzbuchs - HGB - a.F.). Da durch das nachhaltig niedrige
Zinsniveau der maßgebende Durchschnittszinssatz stark sank,
benötigten die Unternehmen für die Absicherung der
zugesagten Altersversorgung eine wesentlich höhere
Rückstellung. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der
Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung
handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.3.2016 (BGBl I 2016, 396)
wurde dieser Nachteil im Niedrigzinsumfeld abgemildert und der
Betrachtungszeitraum für die Berechnung des
Durchschnittszinssatzes im Rahmen des § 253 Abs. 2 HGB
insoweit von sieben auf zehn Jahre verlängert. Die
Änderung war erstmals im Jahresabschluss für nach dem
31.12.2015 endende Geschäftsjahre anzuwenden (Art. 75 Abs. 6
des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch - HGBEG - ).
Darüber hinaus bestand ein Wahlrecht, wonach die Neuberechnung
der Abzinsung bereits für ein Geschäftsjahr angewandt
werden konnte, das nach dem 31.12.2014 beginnt und vor dem 1.1.2016
endete (Art. 75 Abs. 7 HGBEG).
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c) Nach alledem ist angesichts der erheblichen
Höhe der Zinszahlung dem Interesse der Antragsteller an einer
AdV des angefochtenen Zinsbescheids Vorrang zu geben.
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4. Die Vollziehung wird mit der Maßgabe
aufgehoben, dass in der Vergangenheit entstandene
Säumniszuschläge entfallen (vgl. BFH-Urteil vom 30.3.1993
VII R 37/92, BFH/NV 1994, 4; BFH-Beschlüsse vom 10.12.1986 I B
121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389 = SIS 87 09 51; vom
6.9.1989 II B 33/89, BFH/NV 1990, 670).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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