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Verzinsung bei beantragter Aussetzung der Vollziehung

Verzinsung bei beantragter Aussetzung der Vollziehung: Die für eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erforderliche Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Aussetzungszinsen (§ 237 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) liegt für den Verzinsungszeitraum 11.11.2004 bis 21.3.2011 nicht vor. - Urt.; BFH 1.7.2014, IX R 31/13; SIS 14 25 11

Kapitel:
Rechtsbehelfe > Vorläufiger Rechtsschutz
Fundstellen
  1. BFH 01.07.2014, IX R 31/13
    BStBl 2014 II S. 925

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 29.10.2014
    H.Sch. in HFR 11/2014 S. 971
    TC in DStZ 21/2014 S. 741
    E.R. in BFH/PR 12/2014 S. 448
    J.O. in BB 12/2015 S. 675
    KAM in Stbg 3/2015 S. M 17
Normen
[StSäumG] § 5 Abs. 1
[EMRK] Art. 6 Abs. 1
[GG] Art. 14, Art. 19 Abs. 4
[RAO] § 155, § 251 a
[BGB] § 247, § 288
[AO 1977] § 233 a, § 234 Abs. 2, § 237, § 238
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Hamburg, 23.05.2013, SIS 13 26 67, Aussetzung der Vollziehung, Zinssatz, Verfassungswidrigkeit
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Köln 26.4.2023, SIS 23 13 66, Abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen bei Verletzung des subjektiven Nettoprinzips: 1. Der...
  • FG Münster 10.2.2023, SIS 23 06 26, Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes der Aussetzungszinsen: 1. Bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der ...
  • BVerfG 8.7.2021, SIS 21 14 23, Verzinsung von Steuernachforderungen (Vollverzinsung), Steuererstattungen: 1. Gleichheitsrechtlicher Ausg...
  • FG Münster 16.3.2021, SIS 21 08 67, Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge: 1. Aufgrund des vorrangigen Zwecks der Säumniszuschlä...
  • FG Hamburg 1.10.2020, SIS 20 17 68, Keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge nach § 238 AO: 1. Die gegen die Höh...
  • FG Berlin-Brandenburg 21.8.2020, SIS 22 07 68, Erbringer sonstiger Leistungen: 1. Bei der Feststellung, wer Erbringer und wer Begünstigter einer umsatzs...
  • BFH 4.7.2019, SIS 19 12 30, AdV eines Bescheids über die Festsetzung von Aussetzungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 2012: Bei der ...
  • FG Münster 31.8.2018, SIS 18 18 02, Aussetzung der Vollziehung, Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen: 1. Eine Anfechtungsklag...
  • FG München 13.8.2018, SIS 18 13 55, Ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Erhebung von Säumniszuschlägen bei Überschuldung und Zahl...
  • BFH 25.4.2018, SIS 18 06 23, Aussetzung der Vollziehung, Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Nachzahlungszinsen i.S. von § 233 a i.V.m. ...
  • FG Baden-Württemberg 9.2.2018, SIS 18 11 14, Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuervorauszahlungen, generelle Zulässigkeit, Verfassu...
  • FG Baden-Württemberg 16.1.2018, SIS 18 06 33, Aussetzung der Vollziehung, Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes für die Aussetzung der Vollziehung gemäß ...
  • FG Münster 13.12.2017, SIS 18 04 29, Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe bis April 2015, Herabsetzung und Erlass aus Billigkeitsgründen: 1. Der ...
  • FG Berlin-Brandenburg 14.11.2017, SIS 18 01 29, Zinssatz von 6 % für Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2012 im Zinszeitraum April 2014 bis April 201...
  • BFH 9.11.2017, SIS 18 02 11, Verfassungsmäßigkeit von Nachforderungszinsen für Verzinsungszeiträume im Jahr 2013: Die Höhe der Nachfor...
  • FG Köln 12.10.2017, SIS 17 23 90, Verfassungsmäßigkeit des Rechnungszinsfußes für Pensionsrückstellungen: § 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG in der i...
  • Sächsisches FG 27.9.2017, SIS 18 03 13, Zinssatz von 6 % für Aussetzungszinsen für einen im September 2015 endenden Zinszeitraum nicht verfassung...
  • FG Münster 17.8.2017, SIS 17 19 71, Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen von 6 % in den Jahren 2012 bis 2015: Die Höhe der Nachzahlung...
  • FG Köln 27.4.2017, SIS 17 17 04, Vollverzinsung, Zinssatz von 6 % p.a. bis September 2014 verfassungsgemäß: Der Zinssatz von 6 % p.a. (0,5...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 2.11.2016, SIS 17 05 33, Nachträglich erkannte Umsatzsteuerpflicht, Berücksichtigung von Verschulden, des Grundsatzes von Treu und...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 20.7.2016, SIS 16 18 24, Aussetzung der Vollziehung von Aussetzungszinsen, überlange Verfahrensdauer, keine Verfassungswidrigkeit ...
  • FG München 30.6.2016, SIS 17 13 66, Änderung Einkommensteuerbescheid nach langjähriger Betriebsprüfung bei Beteiligungsgesellschaften, Ablehn...
  • FG Düsseldorf 10.3.2016, SIS 16 12 99, Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Nachzahlungszinsen, Vergleich mit Marktzinsen im Zeitraum April bis Jul...
  • BFH 19.2.2016, SIS 16 10 01, Prozesskostenhilfe, EGVP, Terminsverlegung, Übergehen eines Antrags: 1. Ein Antrag auf Bewilligung von Pr...
  • Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder 16.12.2015, SIS 15 28 75, Zurückweisung der wegen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1 Sat...
  • FG Münster 22.10.2015, SIS 17 04 68, Aussetzung der Vollziehung eines Zinsbescheids wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der Zinshöhe: An d...
  • BFH 21.10.2015, SIS 16 00 56, Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe, Maßgeblicher Zeitpunkt bei Besetzungsrügen, Rechtsschutzinteresse für ...
  • FG München 21.7.2015, SIS 17 01 54, Zinssatz von 6 % für Nachforderungszinsen nach § 233 a AO auch im Jahr 2013 nicht verfassungswidrig: 1. D...
  • Thüringer FG 22.4.2015, SIS 16 03 75, Gerichtliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen, verschuldensunabhängige Ausgestaltung der Vollverzi...
  • BFH 14.4.2015, SIS 15 20 57, Aussetzungszinsen: Die für eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erforderliche Überzeugung ...
  • BFH 14.4.2015, SIS 15 23 77, Aussetzungszinsen bis Dezember 2011: Die für eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erforder...
  • FG Köln 19.3.2015, SIS 15 17 48, Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 d bis f GewStG verfassungsgemäß: Die Regelungen üb...
  • FG Köln 3.12.2014, SIS 15 06 75, Verfassungsmäßigkeit der neuen Umgliederungsvorschriften: 1. Die Verrechnung des negativen EK 02 mit dem ...
  • FG Berlin-Brandenburg 20.11.2014, SIS 15 09 27, Rechtswidrigkeit des Bescheids über Aussetzungszinsen wegen überlanger Dauer des Verwaltungsverfahrens: 1...
Fachaufsätze
  • LIT 03 03 64 J. Ortheil, BB 12/2015 S. 675: Wann wird bzw. wurde der Zinssatz von 6% p.a. gemäß § 238 Abs. 1 AO verfassungswidrig? - Handlungsnotwend...

 

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Veranlagungszeitraum 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

 

 

2

Sie veräußerten am 17.4.2002 eine am 27.11.1996 erworbene Eigentumswohnung. In dem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 8.10.2004 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns von 61.539 EUR als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fest. In ihrem Einspruch vom 14.10.2004 beriefen sich die Kläger hiergegen auf die Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist. Auf den am selben Tag gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewährte das FA am 26.10.2004 Aussetzung der Vollziehung (AdV) in Höhe der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer von 29.632 EUR. Am 28.10.2004 ordnete das FA das Ruhen des Verfahrens gemäß § 363 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Rechtssache IX R 46/02 an. Dieses Verfahren hatte der BFH mit Beschluss vom 16.12.2003 ausgesetzt (BFH-Vorlagebeschluss vom 16.12.2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46) und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu der Frage eingeholt, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) mit dem Grundgesetz (GG) insoweit unvereinbar ist, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31.12.1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F.) bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden.

 

 

3

Nachdem das BVerfG am 7.7.2010 (Beschluss vom 7.7.2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 = SIS 10 22 45) entschieden hat, die Verlängerung der sog. Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 sei mit den belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden gewesen, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprachen, behandelte das FA nur noch einen Betrag von 34.078 EUR als steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn und setzte mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 15.2.2011 die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest. Die gewährte AdV wurde zugleich aufgehoben. Mit Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30.3.2011 setzte das FA Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11.11.2004 bis zum 21.3.2011 (76 Monate) in Höhe von 6.023 EUR fest.

 

 

4

Der Einspruch, in dem sich die Kläger darauf beriefen, dass die Zinsfestsetzung wegen der langen Verfahrensdauer von sechs Jahren und vier Monaten nicht nur überraschend, sondern auch willkürlich und verfassungswidrig sei, und die Klage blieben erfolglos. In seinem in EFG 2013, 1734 = SIS 13 26 67 veröffentlichten Urteil vertrat das Finanzgericht (FG) die Auffassung, die Zinsfestsetzung entspreche der gemäß §§ 237, 238 Abs. 1 AO geltenden Rechtslage. Es bestünden hinsichtlich des typisierten Zinssatzes von 6 Prozent p.a. keine verfassungsrechtlichen Bedenken für den Verzinsungszeitraum November 2004 bis März 2011. Zwar habe sich nunmehr - anders als in den letzten vier Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts - ein Niedrigzinsniveau stabilisiert. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich damit gegenüber den Gegebenheiten bei Einführung des Zinssatzes von 6 Prozent p.a. entscheidend verändert. Allerdings führten nach der zu Art. 3 GG entwickelten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vorhandene Ungleichheiten nicht in jedem Fall zur sofortigen Verfassungswidrigkeit. Dem Gesetzgeber stünden zur Beseitigung solcher Ungleichheiten in bestimmten Fällen Fristen zu. Dem Gesetzgeber sei eine gewisse Beobachtungszeit zuzubilligen, bevor eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse unumgänglich werde.

 

 

5

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Vorentscheidung gehe willkürlich unter Verletzung der Grundrechte der Kläger - des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und des Eigentums (Art. 14 GG) in der Ausformung des Halbteilungsgrundsatzes - davon aus, sie wären unabhängig von der unbestimmten und überlangen Dauer des Verfahrens in der Lage gewesen, den zur Zahlung ausgesetzten Betrag für die Verfahrensdauer von 76 Monaten gewinnbringend anzulegen. Bei verfassungsmäßiger Rechtsanwendung hätte die tatsächliche Nutzung durch die Kläger ermittelt und lediglich diese konkret abgeschöpft werden müssen. Die Zinsfestsetzung sei wegen der überlangen Verfahrensdauer verfassungs- und menschenrechtswidrig. §§ 237, 238 AO verletzten den Grundsatz der Bestimmtheit, weil sie willkürlich die Verfahrensdauer des zur Aussetzung führenden Ursprungsverfahrens nicht berücksichtigten. Auch die Höhe der Zinsen von 6.023 EUR bezogen auf einen ausgesetzten Betrag in Höhe von 15.850 EUR, die „fast 50 %“ des Betrages bedeute, sei angesichts der tatsächlich nicht bestehenden Nutzungsmöglichkeiten eine unsachliche, unverhältnismäßige und damit willkürliche Belastung der Kläger. Die (anteiligen) Verfahrens- und Gerichtskosten, die die Kläger auf den Wert von 15.850 EUR zahlen müssten, beeinträchtigten ebenfalls den fiktiv unterstellten Nutzungsvorteil in Bezug auf den Aussetzungsbetrag und seien daher hinzuzurechnen. Die Berechnung der Aussetzungszinsen auf der Grundlage des Basiszinssatzes gemäß § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ermögliche dagegen eine einfach zu handhabende und der Realität entsprechende Bewertung. Bei einem Aussetzungsbetrag in Höhe von 15.850 EUR ergäbe sich bei der Verfahrensdauer von 76 Monaten ein Zinsbetrag - wie im Hilfsantrag berücksichtigt - in Höhe von 1.620,01 EUR.

 

 

6

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil und den Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30.3.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.12.2011 aufzuheben,

 

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30.3.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.12.2011 dahingehend zu ändern, dass Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11.11.2004 bis zum 21.3.2011 in Höhe des jeweiligen Basiszinssatzes, mithin in Höhe von 1.620,01 EUR, festgesetzt werden.

 

 

7

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

8

II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom FA vorgenommene Festsetzung von Aussetzungszinsen der geltenden Rechtslage entspricht (1.). Die Voraussetzungen einer Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG hinsichtlich der gesetzlich festgelegten Zinshöhe liegen nicht vor (2.). Der gestellte Hilfsantrag ist unbegründet (3.). Über einen nicht beantragten Erlass aus Billigkeitsgründen hat der Senat nicht zu entscheiden (4.).

 

 

9

1. Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die AdV endet (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Zinsen betragen für jeden Monat eineinhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO).

 

 

10

a) Sinn und Zweck der in § 237 AO enthaltenen gesetzlichen Regelung der Verzinsungspflicht ist es, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht „an sich“ dem Steuergläubiger zusteht (vgl. BFH-Urteile vom 24.7.1979 VII R 67/76, BFHE 128, 331, BStBl II 1979, 712 = SIS 79 03 66; vom 20.9.1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53 = SIS 96 04 52). Zu § 251a der Reichsabgabenordnung (RAO), auf den § 237 AO zurückgeht (vgl. dazu Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23.11.2001 3 A 1928/98, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 2002, 477), ist im Entwurf des Steueränderungsgesetzes 1961 (BTDrucks III/2573, S. 37) ausgeführt, die Norm sei das Gegenstück zu § 155 RAO. Wenn danach von Beginn der Rechtshängigkeit Überzahlungen verzinst würden, müsse das Gleiche auch für Nachzahlungen gelten, zumal durch die Einführung von Zinsen für die AdV erreicht werde, dass unnötige Steuerprozesse vermieden würden. Wenn in der Gesetzesbegründung die Aussetzungszinsen als „Gegenstück“ zu den Prozesszinsen bezeichnet werden, so soll damit gesagt werden, dass das Gesetz auf einen gerechten Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Steuerpflichtigen und dem Zinsverlust des Steuergläubigers abzielt und die Aussetzungszinsen den Zweck haben, dem Steuergläubiger den Nutzungsvorteil zuzuwenden, der ihm für einen nach dem materiellen Steuergesetz geschuldeten Betrag gebührt (BFH-Urteil vom 31.3.2010 II R 2/09, BFH/NV 2010, 1602 = SIS 10 26 26, unter II.1.a).

 

 

11

b) Das FG hat auf der Rechtsgrundlage der §§ 237 Abs. 1 und 2, 238 AO die Festsetzung der Aussetzungszinsen in Höhe von 6.023 EUR zutreffend als der geltenden Rechtslage entsprechend angesehen.

 

 

12

2. Die Voraussetzungen einer Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG liegen nicht vor.

 

 

13

Ein Gericht kann die Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Regelung überzeugt ist (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 20.3.1984 1 BvL 23/83, BVerfGE 66, 265, unter B.2.; BVerfG-Beschlüsse vom 6.4.1989 2 BvL 8/87, BVerfGE 80, 59, unter B.1., und vom 22.9.2009 2 BvL 3/02, BVerfGE 124, 251 = SIS 09 33 15, unter B.2.a). Eine solche Überzeugung vermochte sich der Senat im Streitfall hinsichtlich der gesetzlich festgelegten Zinshöhe indes nicht zu bilden.

 

 

14

a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Urteil vom 20.4.2004 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 = SIS 04 28 99, unter C.1.; BVerfG-Beschluss vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, unter C.I.2.). Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Dies gilt für die Auswahl des Steuergegenstands und auch für die Bestimmung des Steuersatzes (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 22.6.1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 = SIS 95 17 08, unter C.II.1.d, und vom 4.12.2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 = SIS 03 19 40, unter C.I.1.b). Das BVerfG erkennt in ständiger Rechtsprechung Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, unter C.I.2.a aa; BVerfG-Urteil vom 9.12.2008 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210 = SIS 08 43 42, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 6.7.2010 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563, 1565 = SIS 10 19 16). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel - wie im Streitfall - Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. z.B. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 274 = SIS 04 28 99; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, unter C.I.2.a aa). Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 7.10.1969 2 BvR 555/67, BVerfGE 27, 142, unter B.1.b, und in BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, unter C.I.2.a aa). Der Senat kann sich für den Streitfall nicht die Überzeugung bilden, dass der Gesetzgeber diese verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten hat.

 

 

15

b) Das BVerfG (Beschluss vom 3.9.2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 = SIS 09 34 42, unter III.1.b bb) hat - bezogen auf die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO für die Zinszahlungszeiträume 2003 bis 2006 - zu der gesetzlichen Typisierung ausgeführt: „Indem der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt hat, ist dies jedenfalls rechtsstaatlich unbedenklich und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 BGB würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13). In vielen Fällen ist eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Zudem ist auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a in Verbindung mit § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt.“

 

 

16

c) Zwar hat das FG an den Ausführungen des BVerfG zu Recht für zweifelhaft angesehen, ob angesichts der Einsatzmöglichkeiten moderner EDV-Technik bei einer Anpassung der Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 BGB weiterhin „erhebliche praktische Schwierigkeiten“ bestünden (kritisch auch Ortheil, BB 2012, 1513, 1516; Seer/Klemke, Institut Finanzen und Steuern e.V., IFSt-Schrift Nr. 490 (2013), 48), allerdings gelten die übrigen vom BVerfG herangezogenen Erwägungen gleichermaßen jedenfalls noch für die im Streitfall betroffenen Zinszahlungszeiträume von 2004 bis 2011. Die Ermittlung eines konkreten Zinsvorteils oder -nachteils ist für den konkreten Einzelfall regelmäßig nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet; der gesetzliche Zinssatz gilt weiterhin sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 29.5.2013 X B 233/12, BFH/NV 2013, 1380 = SIS 13 21 80).

 

 

17

aa) Soweit die Kläger meinen, für den Vergleich mit dem gesetzlichen Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO sei ausschließlich der jeweils aktuelle Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen, trifft dies nicht zu.

 

 

18

Zwar lag der Effektivzinssatz in % p.a. für Einlagen privater Haushalte (Quelle: Deutsche Bundesbank, Zinssätze und Volumina für das Neugeschäft der deutschen Banken (MFIs) - Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist bis drei Monate) in dem Verzinsungszeitraum vom 11.11.2004 bis zum 21.3.2011 deutlich unter dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Da die Verwendung des noch nicht zu Steuerzahlungen benötigten Kapitals jedoch von individuellen Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig ist, sind indes bei der Betrachtung sowohl der Anlagezinssatz (Verwendung von Kapital) als auch der Darlehenszinssatz (Finanzierung von Steuernachzahlungen) für einen Vergleich mit dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO einzubeziehen (gleicher Ansicht BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 1380 = SIS 13 21 80). Anders als Seer/Klemke (IFSt-Schrift Nr. 490 (2013), 56) meinen, besteht auch kein Grund dafür, nur kurzfristige Fremdfinanzierungen einzubeziehen. Denn die Verzinsung bei einer AdV erfasst - wie der Streitfall zeigt - auch langfristige Zeiträume. In dem genannten Verzinsungszeitraum lagen die Effektivzinssätze für Konsumentenkredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung (zwischen 7,14 % p.a. und 5,32 % p.a. [Quelle: Deutsche Bundesbank, Zinssätze und Volumina für das Neugeschäft der deutschen Banken (MFIs) - Konsumentenkredite an private Haushalte]) sowie die banküblichen Sollzinsen für Dispositionskredite über bzw. jedenfalls nicht wesentlich unter dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Zinssatz von 0,5 % pro Monat (6 % p.a.). Dies gilt ebenso für die gesetzlichen Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. mithin im Zeitraum von 2004 bis 2011 zwischen 8,32 % und 5,12 %) und § 288 Abs. 2 BGB (acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz; mithin im Zeitraum von 2004 bis 2011 zwischen 11,32 % und 8,12 %).

 

 

19

Da sich der Zinssatz von einhalb Prozent für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) somit bei diesem Vergleich noch in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen hält, ist der Senat nicht davon überzeugt, dass § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungswidrig ist. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass für nicht besicherte Kreditgewährungen im Vergleich zu besicherten Krediten am Markt in der Regel zur Vergütung des Risikos ein höherer Darlehenszins zu bezahlen ist. Da die Forderungen des FA gegenüber den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht besichert sind, lässt sich dieser Umstand eher dafür anführen, sich am höheren Zinsniveau für unbesicherte Darlehen zu orientieren.

 

 

20

Dafür, dass sich der Gesetzgeber mit der Höhe des Zinssatzes in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Streitfall innerhalb seiner Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis hält, spricht neben den oben angeführten Argumenten auch der Grundsatz der Rechtskontinuität. Wie unter II.1.a dargelegt, geht § 237 AO auf § 251a RAO - eingeführt durch das Steueränderungsgesetz 1961 vom 13.7.1961 (BGBl I 1961, 981) - zurück. Der Zinssatz in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO entspricht der damaligen Rechtslage in § 5 des Steuersäumnisgesetzes (StSäumG). § 5 Abs. 1 StSäumG sah ebenfalls Zinsen für jeden Monat von einhalb von Hundert vor. Der typisierende Zinssatz gilt daher über einen langen Zeitraum in einer Vielzahl von Fällen, in dem erhebliche Zinsschwankungen - nach oben und nach unten - auftraten. Dass die Kläger möglicherweise tatsächlich keinen oder einen geringeren Zinsvorteil erlangt haben, ist für die Verzinsung gemäß § 237 AO grundsätzlich unerheblich (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2009, 2115 = SIS 09 34 42).

 

 

21

Nachdem sich erst nach dem streitgegenständlichen Verzinsungszeitraum das Marktzinsniveau dauerhaft auf relativ niedrigem Niveau stabilisiert hat, bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung des Senats, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Folgezeit so einschneidend geändert haben, dass die Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird (so Jonas, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 960 f.). Dann kann der Gesetzgeber allerdings von Verfassungs wegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 8.8.1978 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, unter B.II.2.c; vom 24.11.1981 2 BvC 1/81, BVerfGE 59, 119, unter II.2.c, und vom 28.11.1984 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, BStBl II 1985, 181 = SIS 85 03 09).

 

 

22

bb) Folge einer Typisierung ist notwendigerweise, dass die Verhältnisse des Einzelfalls unberücksichtigt bleiben. Darin liegende Ungleichbehandlungen sind durch die Typisierungsbefugnis grundsätzlich gerechtfertigt. Ist vorhersehbar, dass in Ausnahmefällen besondere Härten auftreten können, die nicht in zumutbarer Weise durch gesetzliche Sonderregelungen vermeidbar sind, steht dies der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers nicht entgegen, wenn für deren Behebung im Einzelfall Billigkeitsmaßnahmen (vgl. § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO) zur Verfügung stehen. Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von generalisierenden und typisierenden Normen des Steuerrechts fällt insbesondere die Möglichkeit des Billigkeitsverzichts zur Milderung unbilliger Härten ins Gewicht (BVerfG-Beschluss vom 5.4.1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102 = SIS 78 02 49; BFH-Urteile vom 6.2.1976 III R 24/71, BFHE 118, 151; vom 23.3.1998 II R 41/96, BFHE 185, 270, BStBl II 1998, 396 = SIS 98 15 06; vom 27.5.2004 IV R 55/02, BFH/NV 2004, 1555 = SIS 04 39 03, und vom 20.9.2012 IV R 36/10, BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498 = SIS 12 32 51).

 

 

23

d) Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, dass die §§ 237, 238 AO gegen den Grundsatz der Bestimmtheit verstoßen.

 

 

24

Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf die Verwaltung Steuerpflichtige nur aufgrund solcher Gesetze belasten, die nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sind, so dass die Eingriffe messbar und in gewissem Umfang für den Einzelnen voraussehbar und berechenbar werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14.8.1996 2 BvR 2088/93, NJW 1996, 3146, m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Dass in Fällen der vorliegenden Art der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen ist, lässt sich anhand des Gesetzeswortlauts hinreichend erkennen.

 

 

25

e) Die Vorentscheidung verstößt schließlich nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Eine Verletzung dieses Grundrechts wäre allenfalls in Betracht zu ziehen, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (BVerfG-Beschlüsse vom 8.3.1983 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312, BStBl II 1983, 779 = SIS 84 02 04, und in BVerfGE 68, 287, BStBl II 1985, 181 = SIS 85 03 09). Für eine derartige Wirkung einer Zinshöhe von einhalb Prozent für jeden Monat gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte.

 

 

26

f) Der Senat kann im Streitfall dahinstehen lassen, ob der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten eröffnet ist und sich daraus oder aus Art. 19 Abs. 4 GG (Gebot effektiven Rechtsschutzes) die von den Klägern behauptete Rechtsfolge ableiten ließe, ein Bescheid über Aussetzungszinsen werde rechtswidrig und müsse ersatzlos aufgehoben werden, wenn die Verfahrensdauer des zur Aussetzung führenden Ursprungsverfahrens verfassungswidrig überlang gewesen sei. Denn für eine Unangemessenheit der Dauer des Verwaltungsverfahrens hat das FG keine Feststellungen getroffen.

 

 

27

Die Dauer des Verwaltungsverfahrens beruhte im Wesentlichen auf der gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO eingetretenen Verfahrensruhe bis zur Entscheidung des BFH in dem Musterverfahren IX R 46/02, das der BFH mit Beschluss vom 16.12.2003 ausgesetzt und dem BVerfG nach Art. 100 GG vorgelegt hat. Nachdem das BVerfG am 7.7.2010 entschieden hat, setzte das FA mit Bescheid vom 15.2.2011 die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest und hob die gewährte AdV auf.

 

 

28

Das Ruhen des Einspruchsverfahrens diente - auch im Interesse der Kläger - der Verfahrensökonomie (vgl. Begründung zu § 363 AO, BTDrucks 12/7427, S. 37). Sie hätten jederzeit die Fortführung des Einspruchsverfahrens beantragen können (§ 363 Abs. 2 Satz 4 AO). Für Verfahren vor dem BVerfG ist zu berücksichtigen, dass dessen Sachentscheidungen über den Einzelfall hinaus wirken und teilweise Gesetzeskraft haben (§ 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht), weshalb grundsätzlich in jedem verfassungsgerichtlichen Verfahren eine besonders tiefgehende und abwägende Prüfung erforderlich ist, die einer Verfahrensbeschleunigung Grenzen setzt. Außerdem gebietet es - wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anerkennt (EGMR-Urteile vom 25.2.2000 29357/95, Gast und Popp ./. Deutschland, NJW 2001, 211, Rz 75; vom 8.1.2004 47169/99, Voggenreiter ./. Deutschland, NJW 2005, 41, Rz 49, 52; vom 6.11.2008 58911/00, Leela Förderkreis e.V. u.a. ./. Deutschland, NVwZ 2010, 177, Rz 63, und vom 22.1.2009 45749/06, 51115/06, Kaemena und Thöneböhn ./. Deutschland, Rz 61 ff.) - die besondere Rolle des BVerfG, bei der Bearbeitung der Verfahren gegebenenfalls andere Umstände zu berücksichtigen als nur die chronologische Reihenfolge der Eintragung in das Gerichtsregister, etwa weil besonders bedeutsame Verfahren vorrangig bearbeitet werden müssen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 1.10.2012 1 BvR 170/06 - Vz 1/12, NVwZ 2013, 789 = SIS 10 32 98). Zudem kann zur Klärung von Auslegungsfragen des Grundgesetzes ein Zuwarten bei der Bearbeitung einzelner Verfahren nötig sein, weil mehrere Verfahren zu einem Fragenkreis gebündelt werden müssen, um einen umfassenden Blick auf die verfassungsrechtliche Problematik zu ermöglichen, oder weil umgekehrt eine in mehreren Verfahren aufgeworfene Frage in einem Pilotverfahren geklärt wird, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt bleiben (vgl. EGMR-Urteil in NVwZ 2010, 177, Rz 63 f.; BVerfG-Beschluss in NVwZ 2013, 789). Entgegen der Auffassung der Kläger kann daher im Streitfall nicht aus der Dauer des der Verfahrensruhe zugrundeliegenden Musterverfahrens auf eine überlange, unangemessene Dauer des Verwaltungsverfahrens geschlossen werden.

 

 

29

3. Der Hilfsantrag ist unbegründet.

 

 

30

Steuerrechtlich besteht keine Rechtsgrundlage für eine Festsetzung von Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11.11.2004 bis zum 21.3.2011 in Höhe des jeweiligen Basiszinssatzes gemäß § 247 BGB. Wie unter II.1. dargelegt, beruht der Festsetzungsbescheid über die Aussetzungszinsen vom 30.3.2011 auf den §§ 237 Abs. 1 und 2, 238 AO.

 

 

31

4. Über einen - nicht beantragten - Erlass aus Billigkeitsgründen hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Frage eines eventuellen Zinsverzichts des FA als Billigkeitsmaßnahme gemäß § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO wäre in einem gesonderten Verfahren zu klären.