1
|
I. Streitig ist der Vorsteuerabzug aus
Aufwendungen für die Errichtung eines Holzschuppens, auf
dessen Dach eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage) zur Erzeugung von
Strom aus solarer Strahlungsenergie betrieben wird.
|
|
|
2
|
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) betrieb seit 2003 in R eine auf dem Dach eines
fremden Gebäudes installierte PV-Anlage. Im Jahr 2006
(Streitjahr) errichtete er in O auf seinem Grundstück, das mit
einem von ihm bewohnten Haus bebaut war, einen Holzschuppen mit
einer Grundfläche von 135 qm (15 m x 9 m). Sodann ließ
er die PV-Anlage in R abmontieren und auf dem Dach des
Holzschuppens in O wieder installieren.
|
|
|
3
|
Für die Errichtung des Holzschuppens
sowie die Demontage und Montage der PV-Anlage machte der
Kläger in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für das dritte
Kalendervierteljahr 2006 Vorsteuerbeträge geltend.
|
|
|
4
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) gewährte im
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das dritte
Kalendervierteljahr 2006 vom 4.12.2006 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 9.3.2007 den Vorsteuerabzug jedoch nur
insoweit, als die Aufwendungen seiner Auffassung nach unmittelbar
der PV-Anlage zugeordnet werden konnten (... EUR), nicht aber,
soweit sie mit der Errichtung des Holzschuppens in Zusammenhang
standen (... EUR).
|
|
|
5
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
dem Antrag, unter Änderung der mittlerweile ergangenen
Umsatzsteuerfestsetzung für 2006 vom 2.7.2007 weitere
Vorsteuerbeträge in Höhe von ... EUR anzuerkennen, ab. Es
führte zur Begründung im Wesentlichen aus, möge auch
der Anlass für die Errichtung des Schuppens der notwendig
gewordene Umbau der als Dachanlage geförderten PV-Anlage von R
nach O gewesen sein, so sei die Errichtung dennoch nicht
„für“ das Unternehmen „Betrieb der
PV-Anlage“ ausgeführt worden, weil der Kläger den
Schuppen nicht in dem nach § 15 Abs. 1 Satz 2 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) erforderlichen Umfang von 10 Prozent
unternehmerisch nutze.
|
|
|
6
|
In die Berechnung der 10-Prozent-Grenze des
§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gehe lediglich die Wohn- bzw.
Nutzfläche eines Gebäudes ein; die Nutzung des Daches
zähle insoweit nicht. Da der Kläger eine Nutzung dieser
Flächen im Zusammenhang mit der PV-Anlage nicht dargetan habe
und auch nicht davon ausgegangen werden könne, dass die in der
Regel im Schuppeninneren installierten Anlagenteile wie
Einspeisezähler, Wechselrichter und Schaltschrank 10 Prozent
der Nutzfläche beanspruchten, habe der Kläger - mangels
des nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG erforderlichen Umfangs einer
unternehmerischen Nutzung - nicht die Möglichkeit, den
ansonsten nichtunternehmerisch genutzten Schuppen dem Unternehmen
„Betrieb der PV-Anlage“ zuzuordnen.
|
|
|
7
|
Das FG-Urteil ist in EFG 2009, 1975 = SIS 09 35 83 veröffentlicht.
|
|
|
8
|
Mit der vom Senat zugelassenen Revision
rügt der Kläger die Verletzung von § 15 Abs. 1 Satz
2 UStG und macht im Wesentlichen geltend:
|
|
|
9
|
Die von ihm seit 2003 in R auf einem
fremden Grundstück betriebene und als Dachanlage
geförderte PV-Anlage habe aufgrund des Verkaufs des
Grundstücks im April 2006 demontiert werden müssen. Um
weiterhin durch den Betrieb dieser Anlage eine erhöhte
Vergütung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 des im Streitjahr 2006
geltenden Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG
2004) vom 21.7.2004 (BGBl I 2004, 1918) zu erhalten, habe er sich
entschieden, einen Schuppen auf seinem Grundstück in O zu
errichten.
|
|
|
10
|
Der Schuppen sei zunächst nur zum
Zweck des Betriebs einer Dach-PV-Anlage errichtet und im Streitjahr
auch ausschließlich hierfür genutzt worden; aufgrund des
Leerstandes der Innennutzflächen und der einzigen Nutzung
durch die Dach-PV-Anlage liege eine unternehmerische Nutzung des
Schuppens zu 100 Prozent vor. Darüber hinaus sei als
spätere Hauptnutzung eine weitere unternehmerische Nutzung des
Schuppens als Nassholzlagerplatz für einen Brennstoffhandel
vorgesehen gewesen.
|
|
|
11
|
Bei der Prüfung, inwieweit der
Schuppen durch die auf dessen Dach montierte PV-Anlage
unternehmerisch genutzt werde, könne nicht von den
Innennutzflächen als Schätzungsgrundlage ausgegangen
werden. Die Nutzfläche eines Gebäudes für
Betriebsvorrichtungen wie einer Dach-PV-Anlage sei nur das Dach des
Gebäudes.
|
|
|
12
|
Er - der Kläger - habe das Recht, den
Schuppen seinem Unternehmensvermögen zuzuordnen. Dafür
reiche der hier vorliegende objektive und erkennbare
wirtschaftliche Zusammenhang der Errichtung des Schuppens mit
seiner gewerblichen Tätigkeit aus.
|
|
|
13
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die
Umsatzsteuerfestsetzung für 2006 vom 2.7.2007 dahingehend zu
ändern, dass weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von
... EUR als abziehbar anerkannt werden.
|
|
|
14
|
Das FA schließt sich der
Urteilsbegründung des FG an und weist u.a. darauf hin, dass
eine - seiner Auffassung nach unsinnige - Nutzung des Schuppens als
Nassholzlagerplatz bislang nicht erfolgt sei.
|
|
|
15
|
II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an
das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
16
|
Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der
streitige Vorsteuerabzug an der 10-Prozent-Grenze des § 15
Abs. 1 Satz 2 UStG scheitere, weil bei der Berechnung dieser Grenze
lediglich auf die innere Nutzfläche des Schuppens abzustellen
und die Nutzung des Daches durch die PV-Anlage nicht zu
berücksichtigen sei.
|
|
|
17
|
Die Sache ist nicht spruchreif; es sind
weitere Feststellungen zu treffen.
|
|
|
18
|
1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG
kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für
Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein
Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für
steuerfreie Umsätze verwendet.
|
|
|
19
|
Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2
Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie
77/388/EWG), wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der
Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner
besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland
geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für
Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen
Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm
geschuldeten Steuer abzuziehen.
|
|
|
20
|
a) Der Unternehmer ist nach diesen
Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen
für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der
Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftlichen
Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen
(wirtschaftliche Tätigkeiten) zu verwenden beabsichtigt (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3.3.2011 V R 23/10, BFHE
233, 274, BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30, unter II.1.b,
m.w.N.).
|
|
|
21
|
b) Beabsichtigt der Unternehmer eine von ihm
bezogene Leistung zugleich für seine wirtschaftliche und seine
nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, kann er den
Vorsteuerabzug grundsätzlich nur insoweit in Anspruch nehmen,
als die Aufwendungen hierfür seiner wirtschaftlichen
Tätigkeit zuzurechnen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 274,
BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30, unter II.1.c, m.w.N.).
|
|
|
22
|
c) Anders ist es nur bei der Lieferung eines
Gegenstandes, den der Unternehmer sowohl für steuerpflichtige
wirtschaftliche Tätigkeiten als auch für private Zwecke
verwenden will.
|
|
|
23
|
In diesem Fall kann er den Gegenstand
insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und aufgrund dieser
Unternehmenszuordnung in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug
berechtigt sein; er hat dann aber die private Verwendung des
Gegenstandes als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a
Nr. 1 UStG zu versteuern (vgl. Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union - EuGH - vom 8.5.2003 Rs. C-269/00 -
Seeling -, Slg. 2003, I-4101, BStBl II 2004, 378 = SIS 03 27 13, Rz
40 bis 43; BFH-Urteile vom 24.7.2003 V R 39/99, BFHE 203, 206,
BStBl II 2004, 371 = SIS 03 42 94; vom 11.4.2008 V R 10/07, BFHE
221, 456, BStBl II 2009, 741 = SIS 08 31 45, unter II.3.b; vom
17.12.2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798 = SIS 09 12 87, unter
II.3.c; in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30, unter
II.1.c; Lange, UR 2008, 23, jeweils m.w.N.).
|
|
|
24
|
2. Das FG ist - wie bereits das FA - mit Recht
davon ausgegangen, dass der Kläger als Unternehmer tätig
wurde und deshalb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt war.
|
|
|
25
|
Der Betrieb einer PV-Anlage erfüllt die
Voraussetzungen einer unternehmerischen Tätigkeit, weil er als
Nutzung eines Gegenstandes - wie vorliegend - der nachhaltigen
Erzielung von Einnahmen dient (vgl. BFH-Urteile in BFHE 221, 456,
BStBl II 2009, 741 = SIS 08 31 45, unter II.1., m.w.N.; vom
18.12.2008 V R 80/07, BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292 = SIS 09 10 10, unter II.2., m.w.N.; Abschn. 2.5. des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses - UStAE - ).
|
|
|
26
|
3. Im Streitfall liegt auch der für den
Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang
zwischen Eingangs- und zum Abzug berechtigenden
Ausgangsumsätzen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 233, 274,
BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30, unter II.1.b; vom 15.10.2009 XI R
82/07, BFHE 227, 238, BStBl II 2010, 247 = SIS 09 36 66, unter
II.1.b, jeweils m.w.N.) vor.
|
|
|
27
|
a) Eine PV-Anlage besteht im Wesentlichen aus
Solarzellen, die in sog. Solarmodulen zusammengefasst werden, einem
Wechselrichter, der den Gleichstrom umwandelt und einem
Einspeisezähler. Die Solarmodule benötigen eine
Halterung, um sie in einem bestimmten Winkel auszurichten. Bei
einer sog. „Auf-Dach-Montage“ - wie vorliegend -
werden die Solarmodule ohne Eingriff in die Dichtigkeit der
Dachhaut mit einem Gestell auf das bestehende Dach installiert
(vgl. FG München, Urteil vom 27.7.2009 14 K 595/08, EFG 2009,
1977 = SIS 09 35 84; Hessisches FG, Urteil vom 20.1.2011 11 K
2735/08, Recht der Erneuerbaren Energien - REE - 2011, 107 = SIS 11 14 06, unter 2.a).
|
|
|
28
|
b) Der Schuppen, für dessen Errichtung
die streitigen Vorsteuerbeträge angefallen sind, diente der
vom Kläger betriebenen Dach-PV-Anlage. Da das Dach für
die Installation der PV-Anlage erforderlich war, besteht ein
direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den geltend
gemachten Vorsteuerbeträgen und den vom Kläger mittels
seiner PV-Anlage ausgeführten steuerpflichtigen
Ausgangsumsätzen.
|
|
|
29
|
c) Dem kann nicht entgegengehalten werden,
dass eine PV-Anlage auch unabhängig von einer Dachfläche
zum Zweck der Stromerzeugung betrieben werden kann und dass eine
Bodeninstallation einer PV-Anlage durchaus möglich und
üblich ist. Denn der Unternehmer ist in seiner Entscheidung
frei, in welcher Form er sein Unternehmen betreibt.
|
|
|
30
|
Hinzu kommt, dass der Betreiber einer
PV-Anlage nach dem im Streitjahr 2006 geltenden § 11 Abs. 2
Satz 1 EEG 2004 dann eine erhöhte Vergütung für den
von ihm erzeugten Strom beanspruchen konnte, wenn - wie im
Streitfall - die Anlage auf einem Gebäude angebracht war (vgl.
dazu Urteile des Bundesgerichtshofs vom 29.10.2008 VIII ZR 313/07,
Gewerbearchiv 2010, 129; vom 17.11.2010 VIII ZR 277/09, BGHZ 187,
311, NJW 2011, 380 = SIS 11 02 77; vom 9.2.2011 VIII ZR 35/10, Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechung-Report 2011,
364, REE 2011, 78). Die Vergütung betrug nach dieser
Vorschrift statt mindestens 45,7 Cent pro Kilowattstunde (§ 11
Abs. 1 EEG 2004) - je nach Leistung der Anlage - mindestens 57,4
Cent, 54,6 Cent oder 54 Cent pro Kilowattstunde
|
|
|
31
|
4. Im Streitfall kann der Kläger aus den
Rechnungen über die Leistungen zur Herstellung des
Holzschuppens aber nicht den vollen Vorsteuerabzug geltend machen.
Denn er nutzt den Holzschuppen nicht in vollem Umfang
unternehmerisch. Vielmehr liegt eine teilweise nichtwirtschaftliche
Nutzung des Schuppens vor. Diese ermöglicht - anders als eine
teilweise private Nutzung - keine volle Zuordnung des Schuppens zum
Unternehmen.
|
|
|
32
|
a) Während das Dach des Schuppens durch
die PV-Anlage teilweise unternehmerisch genutzt wurde, befanden
sich nach den - nicht näher belegten - Feststellungen des FG
im Innern des Schuppens Teile der PV-Anlage, die dort „in
der Regel“ installiert werden, wie Einspeisezähler,
Wechselrichter und Schaltschrank; nach der Darstellung des
Klägers stand der Schuppen leer.
|
|
|
33
|
Soweit der Schuppen leer stand, lag entgegen
der Ansicht des Klägers keine unternehmerische Nutzung des
Schuppens vor. Denn insoweit wurde der Schuppen - bewusst und auf
Dauer - nicht zur Ausführung von Umsätzen verwendet. Ein
Leerstand ist grundsätzlich keine tatsächliche Verwendung
(vgl. zu § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG: BFH-Urteile vom
25.4.2002 V R 58/00, BFHE 200, 434, BStBl II 2003, 435 = SIS 03 18 67, unter II.2.a; vom 26.1.2006 V R 74/03, BFH/NV 2006, 1164 = SIS 06 21 84, unter II.2.a).
|
|
|
34
|
Eine nach der Behauptung des Klägers von
ihm später beabsichtigte unternehmerische Nutzung des
(geschlossenen) Schuppens als Nassholzlagerplatz für einen
Brennstoffhandel erscheint wenig wahrscheinlich. Jedenfalls hat der
Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des FG eine
solche Absicht unternehmerischer Nutzung nicht - wie erforderlich -
durch objektive Anhaltspunkte belegt (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil
vom 8.6.2000 Rs. C-400/98 - Breitsohl -, Slg. 2000, I-4321, BFH/NV
Beilage 2001, 20 = SIS 00 09 86; BFH-Beschluss vom 29.8.2002 V R
65/01, BFH/NV 2003, 211 = SIS 03 08 74; BFH-Urteil in BFH/NV 2009,
798 = SIS 09 12 87, unter II.3.b).
|
|
|
35
|
b) Bei der - neben der unternehmerischen
Nutzung eines Teils des Schuppendaches - hier somit vorliegenden
teilweisen nichtwirtschaftlichen Nutzung des Schuppens ist - anders
als bei einer teilweise privaten Nutzung - eine Zuordnung des
(gesamten) Schuppens zum Unternehmen nicht statthaft.
|
|
|
36
|
Denn nach dem EuGH-Urteil vom 12.2.2009 Rs.
C-515/07 - VNLTO - (Slg. 2009, I-839, BFH/NV 2009, 682 = SIS 09 08 65) löst nicht bereits jede teilweise Verwendung zu
„nichtwirtschaftlichen“ (in der deutschen
Terminologie: nichtunternehmerischen) Zwecken das
Zuordnungswahlrecht und das Recht auf einen vollständigen
Vorsteuerabzug aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der
gemischtgenutzte Gegenstand insoweit - anders als im Streitfall -
für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den
Bedarf seines Personals oder für unternehmensfremde Zwecke
i.S. des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG
verwendet wird (vgl. Rz 32 des Urteils). Denn nur in diesen
Fällen ist das Erfordernis erfüllt, dass das - durch eine
Zuordnungsentscheidung entstandene - Recht auf einen
vollständigen Vorsteuerabzug mit der (späteren)
Verpflichtung zur (teilweisen) Versteuerung einer unentgeltlichen
Wertabgabe korrespondiert (vgl. BFH-Urteil vom 12.1.2011 XI R 9/08,
BFHE 232, 254, BFH/NV 2011, 941, UR 2011, 357 = SIS 11 06 52, unter
II.2.).
|
|
|
37
|
5. Einen im Streitfall - mangels
Zuordnungsrecht - lediglich anteilig möglichen Vorsteuerabzug
aus den Leistungen zur Errichtung des Schuppens kann der
Kläger nur dann beanspruchen, wenn er den gesamten Schuppen zu
mindestens 10 Prozent unternehmerisch nutzt.
|
|
|
38
|
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt als
nicht für das Unternehmen ausgeführt u.a. die Lieferung
eines Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent
für sein Unternehmen nutzt (sog. unternehmerische
Mindestnutzung). Die Vorschrift beruht auf Art. 27 der Richtlinie
77/388/EWG (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, §
15 Rz 441 ff.; Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 402 f.,
jeweils m.w.N.).
|
|
|
39
|
§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ist im Streitfall
anwendbar, weil der errichtete Schuppen dem Kläger geliefert
worden ist. Es handelt sich um eine Werklieferung i.S. von § 3
Abs. 4 UStG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.1.1997 V R 5/96, BFH/NV
1997, 811 = SIS 97 23 55; Leonard in Bunjes/Geist, UStG, 10. Aufl.,
§ 3 Rz 181).
|
|
|
40
|
b) Der Senat vermag der Auffassung des FG
nicht zu folgen, dass bei der Ermittlung der nach § 15 Abs. 1
Satz 2 UStG erforderlichen unternehmerischen Mindestnutzung von 10
Prozent nur die innere Nutzfläche des Schuppens
berücksichtigt werden dürfe.
|
|
|
41
|
aa) Für den Vorsteuerabzug aus
Baumaßnahmen ist bei der Herstellung eines neuen
Gebäudes - wie hier die Neuerrichtung des Schuppens - auf die
Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen
(vgl. BFH-Urteile vom 28.9.2006 V R 43/03, BFHE 215, 335, BStBl II
2007, 417 = SIS 06 45 68; vom 22.11.2007 V R 43/06, BFHE 219, 450,
BStBl II 2008, 770 = SIS 08 10 89; vom 13.8.2008 XI R 53/07, BFH/NV
2009, 228 = SIS 09 03 07; vom 25.3.2009 V R 9/08, BFHE 225, 230,
BStBl II 2010, 651 = SIS 09 19 46, unter II.2.; vom 10.12.2009 V R
13/08, BFH/NV 2010, 960 = SIS 10 12 67; Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 30.9.2008, BStBl I 2008, 896 =
SIS 08 36 29; Abschn. 15.17. Abs. 7 Sätze 1 und 2 UStAE).
|
|
|
42
|
bb) Die für die Beurteilung des
Vorsteuerabzugs somit maßgeblichen
Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes umfassen
entgegen der Ansicht des FG nicht nur die innere Nutzfläche
des Gebäudes, wenn wie im Streitfall das Gebäude -
teilweise - dadurch unternehmerisch genutzt wird, dass auf dessen
Dach eine PV-Anlage installiert wird.
|
|
|
43
|
Vielmehr muss die unternehmerische Nutzung des
Daches mitberücksichtigt werden, weil dadurch Umsätze
i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausgeführt wurden,
die nicht der Nutzfläche innerhalb des Gebäudes
zugeordnet werden können.
|
|
|
44
|
6. Der Senat kann auf der Grundlage der bisher
getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, wie hoch der
unternehmerische Nutzungsanteil des Schuppens liegt und ob die
10-Prozent-Grenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG erreicht
wird.
|
|
|
45
|
a) Die im Streitfall erforderliche Aufteilung
der Vorsteuerbeträge auf die wirtschaftlichen und die
nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten eines Unternehmers ist weder
in den Art. 17 bis 19 der Richtlinie 77/388/EWG noch in § 15
Abs. 4 UStG geregelt (vgl. EuGH-Urteil vom 13.3.2008 Rs. C-437/06 -
Securenta -, Slg. 2008, I-1597, UR 2008, 344 = SIS 08 16 67, Rz 33;
BFH-Urteil in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30,
unter II.3.). Die bestehende Regelungslücke ist in analoger
Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG zu schließen, so dass der
Unternehmer den abziehbaren Vorsteueranteil im Wege einer
sachgerechten und von der Finanzverwaltung zu
überprüfenden Schätzung zu ermitteln hat (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30,
unter II.3.).
|
|
|
46
|
b) Im Rahmen des § 15 Abs. 4 UStG kommt
bei Gebäuden nach Auffassung der Finanzverwaltung als
sachgerechter Aufteilungsmaßstab „in der
Regel“ eine Aufteilung nach dem Verhältnis der
Nutzflächen in Betracht (vgl. Abschn. 15.17. Abs. 7 Satz 4
UStAE).
|
|
|
47
|
Nach Ansicht des Senats scheidet aber im
Streitfall die Ermittlung des abziehbaren Vorsteueranteils durch
eine Gegenüberstellung von Nutzflächen des Schuppens, die
einerseits unternehmerisch und die andererseits
nichtunternehmerisch genutzt werden, aus. Denn durch eine solche
Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen lässt
sich nicht - wie nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil -
Securenta - in Slg. 2008, I-1597, UR 2008, 344 = SIS 08 16 67,
Leitsatz 2, Rz 37 bis 39 erforderlich - „objektiv
widerspiegeln“, welcher Teil der Eingangsaufwendungen
jedem dieser beiden Bereiche wirtschaftlich zuzurechnen (vgl.
§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG) ist.
|
|
|
48
|
Nutzflächen innerhalb eines Gebäudes
und Nutzflächen auf dessen Dach sind nicht ohne weiteres zu
einer Gesamtnutzfläche zu addieren, weil sie in der Regel
nicht miteinander vergleichbar sind. Zudem macht es einen
Unterschied, ob eine PV-Anlage auf einem mit geringem Aufwand zu
errichtenden Gebäude - wie einem Schuppen - oder z.B. auf
einem Ein- oder Mehrfamilienhaus installiert ist (vgl. auch Abschn.
15.17. Abs. 7 Sätze 5 und 6 UStAE).
|
|
|
49
|
c) Der Senat hält für die Aufteilung
der Vorsteuerbeträge im Streitfall vielmehr - vorbehaltlich
einer anderen vom Kläger im zweiten Rechtsgang gewählten
sachgerechten Schätzungsmethode - die Anwendung eines
Umsatzschlüssels für sachgerecht.
|
|
|
50
|
aa) Da es sowohl an einem Umsatz für das
Innere des Schuppens als auch an einer entgeltlichen Nutzung der
Dachfläche fehlt, könnte insoweit jeweils auf einen
fiktiven Vermietungsumsatz abgestellt werden.
|
|
|
51
|
Hinsichtlich der Dachfläche wäre
abzustellen auf den fiktiven Umsatz, der sich ergäbe, wenn der
Kläger die Dachfläche an einen Dritten zum Betrieb einer
PV-Anlage vermietet hätte. Grundstückseigentümer
betreiben oftmals eine PV-Anlage nicht selbst, sondern vermieten
die Dachfläche ihres Gebäudes zu diesem Zweck an einen
Dritten (vgl. z.B. Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD -
Niedersachsen vom 8.7.2010 - S 7300 - 616 - St 173, juris;
Verfügung der OFD Magdeburg vom 21.7.2010 - S 7300 - 122 - St
24, USt-Kartei ST § 15 Abs. 1 UStG Karte 7, juris;
Neufang/Bukowski, Der Steuerberater 2010, 115) - wie dies offenbar
auch im Streitfall zunächst in R der Fall war.
|
|
|
52
|
bb) Einer derartigen oder ähnlichen
Anwendung eines Umsatzschlüssels im Streitfall steht § 15
Abs. 4 Satz 3 UStG nicht entgegen, wonach eine Ermittlung des nicht
abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem
Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug
ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug
berechtigen, nur zulässig ist, wenn keine andere
wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
|
|
|
53
|
Dabei kann offen bleiben, ob § 15 Abs. 4
Satz 3 UStG möglicherweise unionsrechtswidrig ist (vgl. dazu
den Vorlagebeschluss des BFH vom 22.7.2010 V R 19/09, BFHE 231,
280, BStBl II 2010, 1090 = SIS 10 33 58). Denn im Streitfall ist
aus den dargelegten Gründen - soweit ersichtlich - keine
andere sachgerechte wirtschaftliche Zurechnung der
Vorsteuerbeträge als nach einem (fiktiven)
Umsatzschlüssel möglich.
|
|
|
54
|
d) Das FG wird die erforderlichen
Feststellungen zur Ermittlung des unternehmerischen Nutzungsanteils
des Schuppens im zweiten Rechtsgang zu treffen haben.
|