Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts München vom 26.7.2016 2 K 671/13
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht München
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb eine
Photovoltaikanlage zur entgeltlichen Stromeinspeisung. Die Anlage
befand sich auf dem Dach des von ihr mit ihrem Ehemann bewohnten
Anwesens, das im Alleineigentum ihres Ehemanns stand. Es handelte
sich um einen Einfirsthof bestehend aus dem ausschließlich
privat genutzten Wohnhaus und einer Scheune. Die Scheune wurde im
Streitjahr privat als Werkstatt und Stellplatz für drei Pferde
genutzt. Wohnhaus und Scheune befanden sich unter einem gemeinsamen
Dach.
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Die Klägerin mietete von ihrem Ehemann
eine über dem Scheunenteil des Anwesens gelegene
Teilfläche des Daches von 158,5 qm zum Betrieb einer
Photovoltaikanlage gegen ein Nutzungsentgelt von 237,75 EUR
an.
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Sie beauftragte im Streitjahr (2011) einen
Dachdecker mit Arbeiten am Dach. Diese umfassten für die
gesamte Dachfläche von 470 qm u.a. die Abnahme der Ziegel und
Dachlattung, das Anbringen einer bitumierten Dachschalungsbahn mit
neuen Konterlatten und Dachlatten, die Wiedereindeckung des Daches
mit den ursprünglich verwendeten Dachziegeln und die Montage
neuer Schneestoppnasen. Auf einer Teilfläche von 258 qm wurde
das Dach mit einer Rauhschalung versehen. Außerdem wurden
Spenglerarbeiten wie Dachrinnenmontage und Windbrettverkleidung
durchgeführt. Für das Vorhalten des Gerüsts bei den
Arbeiten an der Photovoltaikanlage wurden unabhängig von der
Baustelleneinrichtung für die Dachdeckerarbeiten 1.153,01 EUR
zzgl. Mehrwertsteuer berechnet. Insgesamt rechnete die Zimmerei
gegenüber der Klägerin mit Rechnung vom 19.4.2011
Dachdeckerleistungen i.H.v. 20.615,15 EUR zzgl. 3.916,29 EUR
Mehrwertsteuer ab. Davon entfielen 10.748,42 EUR zzgl. 2.042,20 EUR
Mehrwertsteuer für die Arbeiten am Scheunendach. Hierin waren
die Kosten des Gerüsts für die Arbeiten an der
Photovoltaikanlage enthalten.
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Im August 2011 wurden die Module für
die Photovoltaikanlage mit einer Gesamtleistung von 22,08 kWp auf
der Dachfläche der Scheune (Ost- und Westseite)
installiert.
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Die Klägerin machte für das
Streitjahr zunächst in einer Voranmeldung 90 % des in der
Rechnung der Zimmerei ausgewiesenen Steuerbetrags als Vorsteuer
geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA
- ) versagte den Vorsteuerabzug. Der Einspruch hatte keinen
Erfolg.
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Demgegenüber gab das Finanzgericht
(FG) mit seinem in EFG 2017, 434 = SIS 17 01 52
veröffentlichten Urteil der Klage teilweise statt. Die
Klägerin habe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) mit der
Dachsanierung keine Leistung an ihren Ehemann im Rahmen eines
tauschähnlichen Verhältnisses nach § 3 Abs. 12 Satz
2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) erbracht. Hierfür
führte das FG insbesondere an, dass die Sanierung nicht
Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung gewesen und ein
Sanierungsbedarf in Bezug auf das Dach nicht ersichtlich sei.
Gleichwohl sei die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt. In
Bezug auf das Vorhalten des Gerüsts für die Arbeiten an
der Photovoltaikanlage als gesonderter eigenständiger Leistung
könne die Klägerin den vollen Vorsteuerabzug in Anspruch
nehmen.
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Sie sei auch zum Vorsteuerabzug aus der
Dachsanierung berechtigt, soweit sich diese auf den Scheunenteil
bezogen habe. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG stehe dem nicht
entgegen, da sich die unternehmerische Mindestnutzung bei
Betrachtung der angemieteten Dachfläche und der sich darunter
befindlichen Scheune nach Maßgabe eines fiktiven
Vermietungsschlüssels entsprechend der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) auf 11,6 % belaufen habe. Aufgrund einer
Zuordnungsentscheidung stehe ihr damit im Umfang der angemieteten
Dachfläche der volle Vorsteuerabzug zu. Soweit die
Flächen unter diesem Dachteil privat verwendet worden seien,
habe die Klägerin aber eine unentgeltliche Wertabgabe zu
versteuern.
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Hiergegen wendet sich das FA mit seiner
Revision. Mit der Annahme, dass die Klägerin aufgrund der
Dachsanierung keine Leistung an ihren Ehemann erbracht habe,
widerspreche das FG der Verwaltungsauffassung. Es liege ein
tauschähnlicher Umsatz vor.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Dachsanierungsarbeiten als steuerpflichtige
Leistung für ein im Gegenzug erworbenes Dachnutzungsrecht der
Umsatzsteuer zu unterwerfen.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist aus anderen als
den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des
FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Zwar hat das FG die für den Vorsteuerabzug nach § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderliche Unternehmereigenschaft und
den Leistungsbezug für das Unternehmen aufgrund der
beabsichtigten Stromlieferungen gegen Entgelt zutreffend bejaht.
Das Urteil des FG verletzt aber § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG.
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1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt die
Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines
Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für
sein Unternehmen nutzt, als nicht für das Unternehmen
ausgeführt.
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Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im
Streitjahr auf der Entscheidung des Rates vom 20.10.2009 zur
Ermächtigung der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland),
weiterhin eine von Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates
vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL) abweichende Regelung anzuwenden (2009/791/EG,
Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/55). Art. 1 dieser
Ratsentscheidung ermächtigte Deutschland, abweichend von Art.
168 Abs. 2 MwStSystRL, die Mehrwertsteuer auf Gegenstände und
Dienstleistungen, die zu mehr als 90 % für private Zwecke des
Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für
unternehmensfremde Zwecke genutzt werden, vollständig vom
Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen. Nach Art. 2 der
Ratsentscheidung galt dies im Zeitraum vom 1.1.2010 bis
31.12.2012.
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Im Streitfall bestehen gegen die Anwendung von
§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG keine unionsrechtlichen Bedenken. Denn
das Gebäude, für dessen Dacherneuerung die Klägerin
den Vorsteuerabzug geltend macht, wurde neben der Verwendung
für den Betrieb der Photovoltaikanlage nur für private
Wohnzwecke, nicht aber für nichtwirtschaftliche - nicht in den
Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende - Tätigkeiten
verwendet (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16.11.2016 XI R 15/13, BFHE
255, 555 = SIS 16 26 20, Leitsatz 1). Gleiches gilt für die
Nutzung der Scheune.
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2. Das Urteil des FG ist aufzuheben, da es
verkannt hat, dass sich die Verhältnisrechnung zur
Feststellung der unternehmerischen Mindestnutzung i.S. von §
15 Abs. 1 Satz 2 UStG im Fall der Lieferung auf den gelieferten
Gegenstand und dessen Verwendung insgesamt bezieht.
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a) Ohne dass dies revisionsrechtlich zu
beanstanden wäre, ist das FG davon ausgegangen, dass es im
Streitfall um den Vorsteuerabzug aus einer einheitlichen Leistung
zur Dacherneuerung geht, deren Aufspaltung in mehrere
Einzelleistungen (Lieferung der Baumaterialien wie z.B.
Rauhschalung, Dachschalungsbahn, Konterlatten, Dachlatten,
Alu-Lochgitter, Schneestoppnasen, Traufblech und
Windbrettverkleidung einerseits sowie dem Freilegen des vorhandenen
Dachstuhls, Anbringen der Dachschalung und –lattung sowie
Eindeckung des Daches mit den vorhandenen Ziegeln andererseits)
wirklichkeitsfremd wäre. Zutreffend hat das FG nur das
Vorhalten des Gerüsts für die Arbeiten an der
Photovoltaikanlage als gesonderte eigenständige Leistung
angesehen.
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Das FG hat zudem nach Maßgabe der
Senatsrechtsprechung (BFH-Urteil vom 9.6.2005 V R 50/02, BFHE 210,
182, BStBl II 2006, 98 = SIS 05 39 64) in der Gesamtleistung
zutreffend eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG angesehen.
Diese Werklieferung bezog sich nach den für im
Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs.
2 FGO) auf die gesamte Dachfläche.
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b) Geht es um den Vorsteuerabzug aus einer
Werklieferung für die gesamte Dachfläche, muss das
gesamte Gebäude und damit die Verwendungsmöglichkeit des
gesamten Gebäudes in die durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG
vorgegebene Verhältnisrechnung einbezogen werden (zur
Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG auf Werklieferungen vgl.
z.B. BFH-Urteile vom 19.7.2011 XI R 29/09, BFHE 234, 556, BStBl II
2012, 430 = SIS 11 36 19, unter II.5., und vom 19.7.2011 XI R
21/10, BFHE 235, 14, BStBl II 2012, 434 = SIS 11 36 18, unter
II.3.a; vgl. auch zu einer ähnlichen Fallgestaltung BFH-Urteil
vom 19.7.2011 XI R 29/10, BFHE 234, 564, BStBl II 2012, 438 = SIS 11 36 20).
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Daher kommt es für die Frage, ob die von
§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG geforderte unternehmerische
Mindestnutzung vorliegt, auf die Verwendung des gesamten
Gebäudes unter Einschluss aller Flächen unter dem Dach
und der gesamten Dachfläche an. Einzubeziehen in die
Verhältnisrechnung zur Feststellung der unternehmerischen
Mindestnutzung sind daher neben der Scheune auch die privaten
Wohnflächen sowie die Dachflächen, die nicht für den
Betrieb der Photovoltaikanlage genutzt wurden.
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c) Demgegenüber hat das FG die Frage der
unternehmerischen Mindestnutzung für die von der Klägerin
bezogene Werklieferung nur anteilig für den Teil der
Dachfläche geprüft, auf dem sich die Photovoltaikanlage
befand, sowie für den unter dieser Dachfläche gelegenen
Gebäudeteil („Scheune“).
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3. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat die Klägerin in Bezug auf
das Vorhalten des
Gerüsts für die Arbeiten an der Photovoltaikanlage als
gesonderte eigenständige Leistung zu Recht in vollem
Umfang als zum Vorsteuerabzug berechtigt angesehen.
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b) Das FG hat im Übrigen aber § 15
Abs. 1 Satz 2 UStG unzutreffend angewendet und aufgrund der nur
teilweisen Erfassung des Gebäudes eine unternehmerische
Nutzung von 11,6 % ermittelt. Zwar ist bei der gebotenen
Einbeziehung des gesamten Gebäudes eine deutliche
Unterschreitung der Mindestnutzungsgrenze von 10 % zu erwarten.
Hierzu hat das FG indes keine Feststellungen getroffen, die somit
nachzuholen sind.
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4. Für das weitere Verfahren weist der
Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
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a) Sollte nach den im zweiten Rechtsgang zu
treffenden Feststellungen § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG einem
Vorsteuerabzug nicht entgegenstehen, wird das FG zudem zu
berücksichtigen haben, dass die von ihm bislang angenommene
Möglichkeit einer Zuordnung nicht in Betracht kommt.
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aa) Zwar kann der Unternehmer einen teilweise
unternehmerisch und teilweise privat genutzten Gegenstand in vollem
Umfang seinem Unternehmen zuordnen (ständige Rechtsprechung
von EuGH und BFH, z.B. EuGH-Urteile Puffer vom 23.4.2009 C-460/07,
EU:C:2009:254, Rz 40, 42, 47; Armbrecht vom 4.10.1995 C-291/92,
EU:C:1995:304, Rz 13, 14; Seeling vom 8.5.2003 C-269/00,
EU:C:2003:254, Rz 41, 43, 55; VNLTO vom 12.2.2009 C-515/07,
EU:C:2009:88, Rz 32; Medicom und MPA vom 18.7.2013 C-210, 211/11,
EU:C:2013:479, Rz 22; BFH-Urteile vom 20.3.2014 V R 27/12, BFH/NV
2014, 1097 = SIS 14 16 20, Rz 11; vom 11.7.2012 XI R 17/09, BFH/NV
2013, 266 = SIS 13 01 92, Rz 35).
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Dabei kommt eine Zuordnung auch unter
Beachtung der Einschränkung des Zuordnungswahlrechts auf die
Herstellung und Anschaffung von Gegenständen in Abgrenzung zu
sonstigen Leistungen (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 14.10.2015 V R
10/14, BFHE 251, 461, BStBl II 2016, 717 = SIS 15 28 20,
Leitsätze 1 und 2) in Betracht, da es im Streitfall um die
Zuordnung bei einem durch Werklieferung erneuerten Gegenstand
geht.
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bb) Zu beachten ist hingegen, dass sich das
Recht der Klägerin an dem Gebäude als dem durch die
Werklieferung ertüchtigten Gegenstand auf die Anmietung einer
Teilfläche des Daches beschränkte. Eine weitergehende
Zuordnung von Gebäudeteilen - sei es auf, sei es unter dem
Dach - wurde durch die nur eingeschränkte Anmietung
ausgeschlossen (vgl. auch zu der anders gelagerten Fallgestaltung,
dass der Mieter den Mietgegenstand teilweise unternehmerisch und
teilweise privat verwendet, BFH-Urteil in BFHE 251, 461, BStBl II
2016, 717 = SIS 15 28 20). Hier greift der Zweck des
Zuordnungswahlrechts nicht ein. Denn mit diesem Wahlrecht soll aus
Gründen der steuerrechtlichen Neutralität verhindert
werden, dass bei einer zunächst teilweise privaten,
später aber weitergehenden unternehmerischen Nutzung eines
Gegenstandes eine Mehrwertsteuerbelastung aus dem Erwerb oder der
Herstellung des Gegenstandes verbleibt (EuGH-Urteil Puffer,
EU:C:2009:254, Rz 47, und BFH-Urteil in BFHE 251, 461, BStBl II
2016, 717 = SIS 15 28 20, Rz 19).
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Damit erübrigt sich auch die vom FG als
entscheidungserheblich beurteilte Frage nach der Steuerbarkeit
einer Verwendungsentnahme gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2
UStG.
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cc) Nicht zu beanstanden ist
demgegenüber, dass das FG im Hinblick auf die Besonderheiten
des Streitfalls wie die fehlende Sanierungsbedürftigkeit des
Dachs nicht von einer Einbeziehung der Dachsanierung in einem
tauschähnlichen Umsatz mit dem Vermieter ausgegangen ist (vgl.
aber zu einer anders gelagerten Fallgestaltung BFH-Urteil vom
16.11.2016 V R 35/16, BFH/NV 2017, 768 = SIS 17 08 09).
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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