Gemischt genutztes Gebäude, Vorsteuerabzug für Erwerbs- und Umbaukosten: 1. Der Senat hält für den Umfang des Vorsteuerabzugs bei Erwerb und erheblichem Umbau eines Gebäudes, das anschließend vom Erwerber für steuerpflichtige und steuerfreie Verwendungsumsätze vorgesehen ist, an seiner Rechtsprechung im Urteil vom 28.9.2006 V R 43/03 (BFHE 215 S. 335, BStBl 2007 II S. 417 = SIS 06 45 68) fest. - 2. Er folgt nicht der Auffassung des BMF in dessen Schreiben vom 24.11.2004 (BStBl 2004 I S. 1125 = SIS 05 01 77) und vom 22.5.2007 (BStBl 2007 I S. 482 = SIS 07 16 88). (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 30.9.2008, IV B 8 - S 7306/08/10001, BStBl 2008 I S. 896 = SIS 08 36 29) - Urt.; BFH 22.11.2007, V R 43/06; SIS 08 10 89
I. Die
Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine
Grundstücksgemeinschaft, erwarb mit Kaufvertrag vom 21.4.1995
ein mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebautes
Grundstück. Gegenstand der Klägerin ist die Vermietung
des erworbenen Hauses zu Wohn- und Gewerbezwecken. Dazu waren
diverse Um- und Ausbauten notwendig. Der Klägerin entstanden
dadurch in den Jahren 1996 und 1997 (Streitjahre) Baukosten in
Höhe von ca. 1,5 Mio. DM. Mit dem Bauunternehmen hatte die
Klägerin eine Festpreisvereinbarung getroffen, so dass die
Abrechnungen nicht entsprechend der einzelnen Gewerke erfolgten,
sondern nach Baufortschritt.
Nach der
Fertigstellung des Gebäudes vermietete die Klägerin ab
September 1997 das Keller- und das Erdgeschoss mit einer
Fläche von insgesamt 186,71 qm an gewerblich tätige
Unternehmer umsatzsteuerpflichtig. Die im Obergeschoss und im
Dachgeschoss befindlichen vier Wohnungen mit einer
Gesamtfläche von 250,61 qm vermietete sie umsatzsteuerfrei zu
Wohnzwecken. Bezogen auf die erzielte Gesamtmiete betrugen der
Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze aus der Vermietung
der Gewerbeflächen 59,07 % und der Anteil der
umsatzsteuerfreien Umsätze aus der Vermietung der Wohnungen
40,93 %.
In den
Umsatzsteuererklärungen 1996 und 1997 machte die Klägerin
Vorsteuerbeträge in Höhe von … DM (1996) und in
Höhe von … DM (1997) geltend. Diese Beträge
beruhten auf einer Aufteilung der insgesamt angefallenen
Vorsteuerbeträge entsprechend dem Verhältnis der
umsatzsteuerpflichtigen Mietumsätze (59,07 %) zu den
umsatzsteuerfreien Mietumsätzen (40,93 %).
Der
Umsatzsteuererklärung für 1996 vom 13.11.1997, die einen
Überschuss in Höhe von … DM auswies, stimmte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) am
20.11.1997 gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung
(AO) zu. Der Umsatzsteuererklärung für 1997 vom
27.5.1998, die einen Überschuss in Höhe von … DM
auswies, stimmte das FA am 10.6.1998 gemäß § 168
Satz 2 AO zu.
Im Rahmen einer
bei der Klägerin durchgeführten
Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin die
Auffassung, die von der Klägerin gewählte
Vorsteuer-Aufteilungsmethode sei keine sachgerechte Schätzung
i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993
(UStG). Vielmehr seien die Vorsteuerbeträge auf der Grundlage
des Verhältnisses der Grundflächen aufzuteilen. Dem
entsprechend würden nur 43,64 % - statt 59,07 % - der
Vorsteuerbeträge als abziehbar
berücksichtigt.
Das FA folgte der
Auffassung der Prüferin und setzte die Umsatzsteuer 1996 und
1997 durch zwei Bescheide vom 5.2.1999 entsprechend fest. Die
dagegen eingelegten Einsprüche blieben ohne
Erfolg.
Das Finanzgericht
(FG) gab der Klage statt. Es führte zur Begründung aus,
da die Vorsteuerbeträge - wie zwischen den Beteiligten
unstreitig sei - aufgrund der Abrechnung nach dem Baufortschritt
nicht eindeutig der (späteren) umsatzsteuerbaren und
umsatzsteuerpflichtigen Nutzung des Gebäudes einerseits sowie
der umsatzsteuerbaren, aber umsatzsteuerfreien Nutzung des
Gebäudes andererseits zugeordnet und damit aufgeteilt werden
könnten, habe die Klägerin die nichtabziehbaren
Teilbeträge der Vorsteuer nach dem Umsatzschlüssel
ermittelt. Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom
17.8.2001 V R 75/00 (BFH/NV 2002, 227 = SIS 02 51 85) als
sachgerechte Schätzung i.S. von § 15 Abs. 4 UStG
anerkannt.
Ohne Erfolg
berufe sich das FA darauf, dass die Aufteilung der
Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG auf solche
Gebäudeteile zu beschränken sei, die tatsächlich
gemischt genutzt würden. Dies widerspreche nämlich dem
Gesetz. Denn nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG sei der Unternehmer
berechtigt, die nicht abziehbaren Teilbeträge der Vorsteuer zu
schätzen. Beschränkungen, wie sie das FA aufstellen
wolle, sehe die Regelung nicht vor. Der Umsatzschlüssel sei -
wie dargestellt - eine zulässige
Schätzungsmethode.
Das Urteil ist in
EFG 2006, 380 = SIS 06 05 62veröffentlicht.
Mit der vom FG
zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen
Rechts. Es trägt zur Begründung vor, entgegen der
Auffassung des FG hätten die Voraussetzungen für die
Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG nicht vorgelegen. Die
Klägerin sei nicht befugt gewesen, die abziehbaren
Vorsteuerbeträge durch eine Schätzung zu
ermitteln.
Die Darlegung des
FG treffe nicht zu, es sei unstreitig, dass die
Vorsteuerbeträge nicht eindeutig der (späteren)
umsatzsteuerpflichtigen Nutzung des Gebäudes einerseits sowie
der umsatzsteuerfreien Nutzung des Gebäudes andererseits
zugeordnet und damit aufgeteilt werden könnten. Auch bei einer
Abrechnung nach Baufortschritt könnten die Eingangsleistungen
und damit die Vorsteuerbeträge den einzelnen
Gebäudeteilen (Gewerbeflächen einerseits und
Wohnflächen andererseits) zugeordnet werden. Dies treffe
beispielsweise auf Heizkörper und Fenster zu.
In Fällen
gemischt genutzter Grundstücke dürfe eine Schätzung
i.S. des § 15 Abs. 4 UStG nur erfolgen, soweit es sich um
Vorsteuerbeträge handele, die auf tatsächlich gemischt
genutzte Gebäudeteile (z.B. Treppenhaus, Heizungskeller, Dach,
Außenanlagen, Fernwärmeanschluss) entfielen. Diese
Auffassung werde auch vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) im
Schreiben vom 24.11.2004 IV A 5 - S 7306 - 4/04 (BStBl I 2004, 1125
= SIS 05 01 77) vertreten.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sie eine
einheitliche, nicht in Teilen geschuldete Leistung, nämlich
die „Sanierung des gemischt genutzten Gebäudes“,
bezogen habe. Diese Eingangsleistung in Form der umfassenden
Sanierung des Gebäudes sei insofern wirtschaftlich zu
vergleichen mit der Herstellung eines Gebäudes. Es
widerspreche jeglichen Praktikabilitätsgrundsätzen, diese
Eingangsleistung dann auch noch aufteilen zu müssen, z.B.
hinsichtlich der Fenster.
II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Nach
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann
der Unternehmer die Vorsteuerbeträge für Lieferungen und
Leistungen abziehen, die von anderen Unternehmern für sein
Unternehmen ausgeführt worden sind. Diese Voraussetzungen sind
im Streitfall erfüllt.
2.
Ausgeschlossen ist nach § 15
Abs. 2 Nr. 1 UStG der Vorsteuerabzug u.a. für Lieferungen, die
der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze
verwendet. Verwendet der Unternehmer eine für sein Unternehmen
bezogene Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) nur zum Teil
zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug
ausschließen, so ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der
Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar,
der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden
Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach Satz 2 der
Vorschrift kann der Unternehmer die nicht abziehbaren
Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung
ermitteln.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats gelten
für den Umfang des Vorsteuerabzugs bei Erwerb und erheblichem
Umbau eines Gebäudes, das anschließend vom Erwerber
für steuerpflichtige und steuerfreie Verwendungsumsätze
vorgesehen ist, folgende Grundsätze (vgl. BFH-Urteil vom
28.9.2006 V R 43/03, BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417 = SIS 06 45 68):
Vorgreiflich ist zu entscheiden, ob es sich
bei den Umbaumaßnahmen nur um Erhaltungsaufwand am
Gebäude oder um anschaffungsnahen Aufwand zur
Gebäudeanschaffung handelt oder ob insgesamt die Herstellung
eines neuen Gebäudes anzunehmen ist. Vorsteuerbeträge,
die den Gegenstand selbst (Gebäude) oder die Erhaltung,
Nutzung oder Gebrauch des Gegenstands betreffen, sind gesondert zu
beurteilen. Handelt es sich insgesamt um Aufwendungen für das
Gebäude selbst, kommt nur eine Aufteilung der gesamten
Vorsteuerbeträge nach einem sachgerechten
Aufteilungsmaßstab in Betracht (§ 15 Abs. 4 UStG).
Dieser kann ein Flächenschlüssel oder ein
Umsatzschlüssel sein. Der Umfang der abziehbaren
Vorsteuerbeträge auf sog. Erhaltungsaufwendungen an dem
Gebäude kann sich danach richten, für welchen
Nutzungsbereich des gemischt genutzten Gebäudes die
Aufwendungen vorgenommen werden. Betreffen z.B. die
Erhaltungsaufwendungen nur den zur steuerfreien Vermietung
vorgesehenen Wohnteil, scheidet der Vorsteuerabzug in vollem Umfang
gemäß § 15 Abs. 2 UStG aus.
b) Der Senat hält an dieser
Rechtsprechung fest. Er folgt nicht der Auffassung des BMF im
Schreiben vom 22.5.2007 IV A 5 - S 7306 - 7/03 (BStBl I 2007, 482 =
SIS 07 16 88), wonach die Grundsätze des bezeichneten Urteils
über den entschiedenen „Einzelfall“ hinaus
nicht anzuwenden sind.
Das BMF weist in dem Schreiben zwar zutreffend
darauf hin, dass Herstellungskosten eines Gebäudes - ebenso
wie Erhaltungsaufwendungen - regelmäßig aus einer
Vielzahl von einzelnen Leistungsbezügen bestehen, die für
sich betrachtet einzelnen Gebäudeteilen zugeordnet oder auf
mehrere unterschiedliche Nutzungen aufgeteilt werden können.
Gleichwohl muss nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der
Europäischen Gemeinschaften zwischen der Verwendung des
Gegenstands selbst und der Verwendung von Gegenständen und
Dienstleistungen zur Erhaltung oder zum Gebrauch des Gegenstands
unterschieden werden, wie der Senat in seinem Urteil in
BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417 = SIS 06 45 68, unter II.2.b im Einzelnen dargelegt hat.
Soweit das BMF die
„vom BFH vorgenommene Versagung der direkten Zuordnung von
Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bestimmten
Gebäudeteilen und die damit einhergehende Unterscheidung zur
Behandlung von Erhaltungsaufwendungen und nachträglichen
Anschaffungs- oder Herstellungskosten“ tadelt, trifft
dies offensichtlich nicht den vom BFH entschiedenen Fall.
Anschaffungs- oder Herstellungskosten betreffen jeweils die
Anschaffung oder Herstellung eines bestimmten Gegenstands,
bei einem Gebäude also dieses einheitliche Gebäude
und nicht „bestimmte Gebäudeteile“. Werden
lediglich solche „bestimmte Gebäudeteile“
angeschafft oder hergestellt, so sind sie der jeweilige Gegenstand
(soweit die Beurteilung als Erhaltungsaufwand am Gebäude nicht
eingreift). Über einen solchen Fall hatte der BFH nicht zu
entscheiden.
Der Meinung des BMF,
die unterschiedliche Behandlung von ursprünglichen
Anschaffungs- oder Herstellungskosten einerseits und
nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten
andererseits, sei „in sich
widersprüchlich“, ist deshalb nicht zu
folgen.
Abgesehen von dem
divergierenden Ausgangspunkt des BMF zum angegriffenen BFH-Urteil
erscheint auch die vom BMF aufrechterhaltene Methode im Schreiben
in BStBl I 2004, 1125 = SIS 05 01 77 nicht ohne weiteres mit den
mit der Neuregelung des § 15a Abs. 3 Satz 2 UStG (BGBl I 2006,
1972) - zusammengefasstes Berichtigungsobjekt - verfolgten
Vereinfachungszielen des Gesetzgebers vereinbar.
c) Um welche
Aufwendungen es sich im Streitfall handelt, lässt sich dem
Urteil des FG nicht entnehmen. Auch der Bericht über die
durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 9.9.1998,
auf den in den angefochtenen Bescheiden verwiesen wird,
erwähnt lediglich „diverse Um- und
Ausbauten“ mit Baukosten in Höhe von ca. 1,5 Mio.
DM.
Nach der
Revisionserwiderung der Klägerin waren die ausgeführten
Arbeiten so umfangreich, dass sie mit der Herstellung eines
Gebäudes vergleichbar sein könnten.
3. Das FG wird die
entsprechenden Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachholen
müssen.
4. Falls es sich insgesamt um Aufwendungen
für das Gebäude selbst und nicht um (bloße)
Erhaltungsaufwendungen handelt, wird das FG zu beachten haben, dass
ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab i.S. des § 15 Abs. 4 UStG für die
Vorsteuerbeträge auf den Erwerb (bzw. die Herstellung) eines
gemischt genutzten Gegenstands, der einem bestandskräftigen
Umsatzsteuerbescheid für den entsprechenden
Besteuerungszeitraum zugrunde liegt, bindend und der Besteuerung
zugrunde zu legen ist. Das gilt zugunsten wie zu Lasten des
Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom
16.11.2004 V B 173/03, BFH/NV 2005, 584 = SIS 05 16 21; BFH-Urteile
vom 2.3.2006 V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729 = SIS 06 35 36; in BFHE 215, 335, BStBl II
2007, 417 = SIS 06 45 68, unter II. 4.).
Im Streitfall sind
die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre nach
Zustimmung durch das FA gemäß § 168 Satz 2 AO als
Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung im Sinne der
vorstehend bezeichneten Rechtsprechung bestandskräftig
geworden.