Gebäudeerrichtung, Zahlungen des Mieters, Vorsteuerabzug, Aufteilung: Zwischen den Aufwendungen für die Errichtung eines Gebäudes, das an Arztpraxen vermietet wird, und Zahlungen eines Apothekers an den Vermieter, damit dieser das Gebäude an Ärzte vermietet, besteht kein zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG 1999 berechtigender direkter und unmittelbarer Zusammenhang. Diese Zahlungen sind deshalb bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach Maßgabe eines Umsatzschlüssels nicht zu berücksichtigen. - Urt.; BFH 15.10.2009, XI R 82/07; SIS 09 36 66
I. Streitig ist die Aufteilung von
Vorsteuerbeträgen. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GbR, errichtete auf einem von ihr erworbenen
Grundstück einen zweigeschossigen Anbau. Das Erdgeschoss
vermietete sie ab 1.8.2002 für monatlich 1.570 EUR an
Ärzte, die darin eine Arztpraxis einrichteten. Das
Obergeschoss vermietete sie ebenfalls ab 1.8.2002 für
monatlich 750 EUR unter Verzicht auf die Steuerbefreiung der
Vermietungsumsätze an einen ihrer beiden Gesellschafter, der
darin ein Ingenieurbüro unterhielt; weiterhin wurde die
Vorauszahlung einer Nebenkostenpauschale vereinbart.
Ferner schloss die Klägerin mit einem
benachbarten Apotheker eine Vereinbarung, wonach dieser für
die Ansiedlung von Arztpraxen für einen beschränkten
Zeitraum ein Entgelt zahlte. Dieses betrug im Jahr 2002 netto 4.414
EUR und im Jahr 2003 netto 10.596 EUR. Die Klägerin behandelte
die Zahlungen als steuerpflichtig.
In den Umsatzsteuererklärungen
für 2002 und 2003 machte sie Vorsteuerbeträge im
Zusammenhang mit der Errichtung des Anbaus in Höhe von
25.795,83 EUR (2002) und 341,19 EUR (2003) geltend. Diese hatte sie
anhand des Verhältnisses der steuerpflichtigen zu den
steuerfreien Ausgangsumsätzen ermittelt, wobei sie die
Zahlungen des Apothekers einbezog.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) stimmte der Umsatzsteuererklärung für
2002 zunächst zu. Unter dem Datum des 7.10.2004 erließ
er einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung
geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2002 sowie einen
Erstbescheid für 2003, in denen er die Vorsteuerbeträge
im Verhältnis der Nutzflächen aufteilte. Im
Einspruchsverfahren wurde Einvernehmen über die Höhe der
aufzuteilenden Vorsteuerbeträge (46.092,62 EUR in 2002 und
614,21 EUR in 2003) erzielt. Im Übrigen hatte der Einspruch
keinen Erfolg.
Die Klägerin machte im Klageverfahren
geltend, die Vorsteuerbeträge seien nach den mit dem Anbau
erzielten Umsätzen aufzuteilen. Dabei seien auch die Zahlungen
des Apothekers einzubeziehen. Diese seien an die Vermietung
geknüpft und der Anbau wäre ohne die Vereinbarung mit dem
Apotheker nicht errichtet worden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
(die Entscheidung ist abgedruckt in EFG 2008, 260 = SIS 08 06 76).
Die Ansiedlung einer Arztpraxis in der Nähe der Apotheke gegen
Entgelt sei eine umsatzsteuerpflichtige Leistung, die bei
wirtschaftlicher Betrachtung als zusätzlicher mit der
Gewerbefläche erzielter Umsatz erscheine und nicht
gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerbefreit sei. Die
Vorsteuerbeträge teilte das FG im Verhältnis der
steuerfreien Umsätze „Vermietung Arztpraxis“ zu
den steuerpflichtigen Umsätzen „Vermietung
Ingenieurbüro und Zahlungen Apotheker“ auf.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts. Es müsse auf das
Verhältnis der mit dem bezogenen Gegenstand bewirkten
Umsätze abgestellt werden. Dabei komme es nur auf die durch
unmittelbare Nutzung erzielten und nicht auf eventuelle
anlässlich der Nutzung anfallende weitere Erlöse an. Die
Zahlungen des Apothekers seien daher nicht zu
berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat sich nicht
geäußert.
II. Die Revision ist begründet. Die
Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die
Zahlungen des Apothekers sind zwar vom FG zu Recht als
steuerpflichtig behandelt worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 20.2.1992 V R 107/87, BFHE 167, 567, BStBl II 1992, 705
= SIS 92 16 24). Sie sind aber bei der Aufteilung der
Vorsteuerbeträge nach einem Umsatzschlüssel nicht zu
berücksichtigen, weil es an einem direkten und unmittelbaren
Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für den Bezug der
Eingangsleistungen zur Errichtung des Anbaus und den Zahlungen des
Apothekers fehlt.
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des §
14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder
sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein
Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge
abziehen.
a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist
der Vorsteuerabzug u.a. ausgeschlossen für die Lieferungen von
Gegenständen sowie für sonstige Leistungen, die der
Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze
verwendet. Da der Anbau zur Ausführung teils steuerpflichtiger
und teils steuerfreier Vermietungsumsätze verwendet wird, ist
der nicht abziehbare Teil der Vorsteuerbeträge zu ermitteln,
der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden
Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 Satz
1 UStG). Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren
Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung
ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Dabei ist es
grundsätzlich Sache des Unternehmers, zu entscheiden, welche
Schätzungsmethode er wählt; das FA - und damit auch das
FG - können aber nachprüfen, ob die Schätzung
sachgerecht ist (vgl. BFH-Beschluss vom 3.5.2005 V B 200/04, BFH/NV
2005, 1641 = SIS 05 37 89). Eine Aufteilung der
Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der
Ausgangsumsätze ist als sachgerechte Schätzung i.S. von
§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG anzuerkennen (vgl. BFH-Urteile vom
17.8.2001 V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833 = SIS 01 14 07, und vom 18.11.2004 V R 16/03, BFHE 208, 461, BStBl II 2005, 503
= SIS 05 17 00).
b) § 15 UStG beruht auf Art. 17 der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Nach Art. 17 Abs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG ist der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug
befugt, „soweit die Gegenstände und Dienstleistungen
für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet
werden“.
Aus dieser Formulierung ergibt sich nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH), dass grundsätzlich ein direkter und
unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz
und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die
zum Vorsteuerabzug berechtigen, bestehen muss, damit der
Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die
Aufwendungen für den Bezug der Eingangsleistungen müssen
Teil der Kosten der zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze
sein, für die die Gegenstände und Dienstleistungen
verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil vom 8.6.2000 Rs. C-98/98 -
Midland Bank -, Slg. 2000, I-4177, UR 2000, 342 = SIS 00 09 97,
Randnrn. 20 f. und 30).
Mit diesen Grundsätzen ist das vom FG
herangezogene Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung von
Eingangsumsätzen mit Vorrang einer wirtschaftlichen Denkweise
vor einer sog. gegenständlichen Zurechnung nicht vereinbar
(vgl. BFH-Urteile in BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833 = SIS 01 14 07, unter II.1.a, und vom 9.11.2006 V R 9/04, BFHE 215, 372, BStBl
II 2007, 285 = SIS 07 07 86, unter II.1.b aa).
2. Die Zahlungen des Apothekers stehen im
Streitfall in keinem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit
den Aufwendungen zur Errichtung des Anbaus.
Die Aufwendungen für die Errichtung des
Anbaus stehen vielmehr in einem direkten und unmittelbaren
Zusammenhang nur mit den Entgelten, die aus der Vermietung von
Räumen des Anbaus an das Ingenieurbüro bzw. an die
Ärzte erzielt wurden. Dass die von der Klägerin
gegenüber dem Apotheker erbrachte Leistung einer dauerhaften
Ansiedlung einer Arztpraxis nicht ohne die vorherige Errichtung des
Anbaus möglich war, begründet einen lediglich mittelbaren
Zusammenhang.
Unerheblich ist auch, dass die Klägerin
bereits von Anbeginn die Zahlungen des Apothekers in ihre
Investitionsentscheidung einstellte. Denn insoweit handelt es sich
nur um einen (mit)verfolgten Zweck, auf den es nach der
Rechtsprechung letztlich nicht ankommt (vgl. EuGH-Urteil in Slg.
2000, I-4177, UR 2000, 342 = SIS 00 09 97, Randnr. 20).
3. Die Zahlungen des Apothekers sind daher
entgegen der Auffassung des FG bei der Aufteilung der bei den
Eingangsumsätzen angefallenen Vorsteuerbeträge nach einem
Umsatzschlüssel nicht zu berücksichtigen. Ausgehend von
den Feststellungen des FG errechnen sich die abziehbaren
Vorsteuerbeträge danach wie folgt:
|
2002
|
2003
|
steuerfreie Umsätze
|
|
|
|
|
Arztpraxis
|
5 x
1.570 EUR
|
= 7.850
EUR
|
12 x
1.570 EUR
|
=
18.840 EUR
|
steuerpflichtige Umsätze
|
|
|
|
|
Ingenieurbüro
|
5 x 750
EUR
|
=
3.750 EUR
|
12 x
750 EUR
|
=
9.000 EUR
|
Umsätze insgesamt
|
|
11.600
EUR
|
|
27.840
EUR
|
|
|
|
|
|
Anteil steuerfreier Umsätze
|
|
67,67
%
|
|
67,67
%
|
Anteil steuerpflichtiger Umsätze
|
|
32,33
%
|
|
32,33
%
|
aufzuteilende Vorsteuerbeträge
|
|
46.092,62 EUR
|
|
614,21
EUR
|
abzugsfähig 32,33 v.H.
|
|
14.901,74 EUR
|
|
198,57
EUR
|
Vorsteuern lt. FA
|
|
15.308,58 EUR
|
|
204,71
EUR
|
Nachdem das FA bereits höhere
Vorsteuerbeträge berücksichtigt hat und das FG die
Zahlungen des Apothekers zu Recht als steuerpflichtig behandelt
hat, war die Klage auf Abzug weiterer Vorsteuerbeträge
abzuweisen.