4
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die geltend gemachten
Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid 2002 - zuletzt - vom
19.1.2006 nicht, da diese mit dem erhaltenen
Kindergeld/Kinderfreibetrag abgegolten seien. Einspruch und Klage
blieben ohne Erfolg.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß, das Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG)
vom 31.1.2008 9 K 1661/05 und die Einspruchsentscheidung vom
13.5.2005 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das
Jahr 2002 - zuletzt - vom 19.1.2006 in der Weise zu ändern,
als Aufwendungen in Höhe von 19.944 EUR als
außergewöhnliche Belastung gemäß § 33
EStG berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Mit Erklärung vom 22.12.2009 ist das
Bundesministerium der Finanzen (BMF) dem Verfahren wegen der Frage
beigetreten, ob und wieweit für die Anerkennung von
Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht
eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen
können und deren medizinische Erforderlichkeit deshalb schwer
zu beurteilen ist, ein grundsätzlich vor der Behandlung
ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten
über die medizinische Notwendigkeit vorzulegen ist.
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9
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II. Die Revision der Kläger ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Der Senat erkennt gemäß §
90 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO mit Einverständnis der
Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung. Denn
Kläger und Beklagter haben wirksam auf die Durchführung
einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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11
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Ein entsprechender Verzicht des BMF liegt zwar
nicht vor; er ist aber auch nicht erforderlich. Denn das BMF
erlangt durch den Beitritt zum Verfahren zwar die
verfahrensrechtliche Stellung eines Beteiligten (§ 122 Abs. 2
Satz 4 FGO i.V.m. § 57 Nr. 4 FGO); über das Verfahren zu
disponieren, vermag es deshalb jedoch nicht. Dies können nur
Kläger und Beklagter als die ursprünglichen
Verfahrensbeteiligten. Der Anspruch auf verfahrensrechtliche
Gleichbehandlung des beigetretenen BMF erschöpft sich darin,
innerhalb der von den originär Beteiligten einvernehmlich
vorgegebenen Rahmenbedingungen wie Revisionskläger und
Revisionsbeklagter behandelt zu werden. Damit könnte das BMF
nicht auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung
bestehen, wenn die Hauptbeteiligten - wie im Streitfall - auf eine
solche verzichtet haben (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
6.10.2005 V R 64/00, BFHE 212, 132, BStBl II 2006, 212 = SIS 06 02 15; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung,
§ 90 FGO Rz 7; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., §
122 FGO Rz 34). Denn es wäre mit Sinn und Zweck des § 122
Abs. 2 Satz 4 FGO nicht vereinbar, wenn das BMF die
Möglichkeit hätte, ein Verfahren gegen den Willen der
Hauptbeteiligten fortzusetzen oder zu verlängern (Bergkemper
in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 122 FGO Rz 38, 39,
m.w.N.). Diese Beschränkung der Verfahrensrechte des
Beigetretenen verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 des
Grundgesetzes, da das BMF im schriftlichen Verfahren im
nämlichen Umfang wie die Hauptbeteiligten gehört wird. Im
Übrigen hat das nach § 122 Abs. 2 FGO beigetretene BMF,
im Gegensatz zu einem Beteiligten i.S. des § 57 Nr. 3 FGO, die
Möglichkeit, sich mit der originär beteiligten
Finanzbehörde abzustimmen und dadurch Einfluss auf den Gang
des Verfahrens zu nehmen.
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2. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die
Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem
Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen
als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher
Einkommensverhältnisse, gleicher
Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands
(außergewöhnliche Belastung) erwachsen.
Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen
dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder
sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die
Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen
angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1
EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige
Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu
berücksichtigen, die sich wegen ihrer
Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in
allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich
des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen
Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des
Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a.
BFH-Urteil vom 29.9.1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II
1990, 418 = SIS 89 24 01).
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a) In ständiger Rechtsprechung geht der
BFH davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die
Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus
tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Sie
sind auch dann zwangsläufig, wenn sie der Heilung oder
Linderung einer Krankheit dienen, unter der ein
unterhaltsberechtigtes minderjähriges Kind des
Steuerpflichtigen leidet (BFH-Urteil vom 15.3.2007 III R 28/06,
BFH/NV 2007, 1841 = SIS 07 32 08).
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b) Allerdings werden nur solche Aufwendungen
als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der
Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem
Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen,
beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteil
vom 17.7.1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711 = SIS 81 22 55; vom 13.2.1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987,
427 = SIS 87 12 04, und vom 20.3.1987 III R 150/86, BFHE 149, 539,
BStBl II 1987, 596 = SIS 87 16 03).
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c) Aufwendungen für die eigentliche
Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche
Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach
§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der
Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf
(BFH-Urteile vom 1.2.2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II
2001, 543 = SIS 01 08 40, und vom 3.12.1998 III R 5/98, BFHE 187,
503, BStBl II 1999, 227 = SIS 99 06 03, m.w.N.). Eine derart
typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung
eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten
(BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543 = SIS 01 08 40).
Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den
Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den
Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder
Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen
werden (vgl. BFH-Urteil vom 18.6.1997 III R 84/96, BFHE 183, 476,
BStBl II 1997, 805 = SIS 98 03 08), also medizinisch indiziert
sind.
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d) Für die mitunter schwierige Trennung
von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich
gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits
fordert der BFH seit dem Urteil vom 14.2.1980 VI R 218/77 (BFHE
130, 54, BStBl II 1980, 295 = SIS 80 01 59, betreffend Badekur auf
Ibiza) in ständiger Rechtsprechung regelmäßig die
Vorlage eines zeitlich vor der Leistung von Aufwendungen erstellten
amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes
eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem
sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den
Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen
lässt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711 =
SIS 81 22 55, betreffend Frischzellenbehandlung; vom 11.1.1991 III
R 70/88, BFH/NV 1991, 386 = SIS 91 14 06, betreffend
Frischzellenbehandlung und rezeptfreie Arzneimittel; vom 11.12.1987
III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275 = SIS 88 05 07,
betreffend Heilkur; in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427 = SIS 87 12 04, betreffend Gruppensitzung bei den Anonymen Alkoholikern; in
BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543 = SIS 01 08 40, betreffend
Ayur-Veda-Behandlung; BFH-Beschluss vom 15.11.2007 III B 205/06,
BFH/NV 2008, 368 = SIS 08 11 24, betreffend Delfintherapie).
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e) Auch bei Aufwendungen für
Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung
oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren
medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt
der BFH diesen formalisierten Nachweis (beispielsweise BFH-Urteile
vom 9.8.1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920 = SIS 91 21 02, betreffend Bett mit motorgetriebener
Oberkörperaufrichtung; vom 9.8.2001 III R 6/01, BFHE 196, 492,
BStBl II 2002, 240 = SIS 02 02 17, betreffend Asbestsanierung der
Außenfassade eines Wohnhauses; vom 23.5.2002 III R 52/99,
BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592 = SIS 02 85 77, betreffend
Neuanschaffung von Mobiliar wegen Formaldehydemission; vom
21.4.2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602 = SIS 05 30 39, betreffend Unterbringung in einer sozialtherapeutischen
Wohngruppe; in BFH/NV 2007, 1841 = SIS 07 32 08, betreffend
Beseitigung von Birken; BFH-Beschlüsse vom 10.12.2004 III B
56/04, juris, betreffend Asbestbeseitigung; vom 24.11.2006 III B
57/06, BFH/NV 2007, 438 = SIS 07 06 86, betreffend Aufwendungen
für Fettabsaugung).
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3. An diesem formalisierten Nachweisverlangen
hält der erkennende Senat nicht länger fest. Denn
derartige Nachweispflichten ergeben sich nicht aus dem Gesetz und
widersprechen dem in § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geregelten
Grundsatz der freien Beweiswürdigung (z.B. FG Rheinland-Pfalz,
Urteile vom 18.5.1992 5 K 2586/90, EFG 1992, 465 = SIS 93 05 09,
und vom 19.4.1993 5 K 2348/92, EFG 1993, 675 = SIS 93 20 08;
Niedersächsisches FG, Urteil vom 9.9.1997 VIII 619/92, EFG
1999, 168 = SIS 99 07 01; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR
-, § 33 EStG Rz 26; Rößler, Die Information
für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 2005, 296; FR
1987, 464; Deutsche Steuerzeitung 1993, 723; Seer in Tipke/ Kruse,
a.a.O., § 96 FGO Rz 29; Schmidt-Troje in Beermann/ Gosch, FGO
§ 96 Rz 16; Fu in Schwarz, FGO § 96 Rz 48).
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a) Das Erfordernis einer vorherigen amts- oder
vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der
medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den
nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1
EStG) gehören könnte, bezweckte vornehmlich,
Gefälligkeitsgutachten zu vermeiden, die deshalb naheliegen,
weil auch Maßnahmen der Lebensführung der Gesundheit
förderlich sein können und weil ein langjährig
behandelnder Arzt deshalb im Interesse seines Patienten die
therapeutische Zwangsläufigkeit weniger streng beurteilen
könnte. Eine vorherige Begutachtung soll vor allem deshalb
erforderlich sein, weil sich frühere Gegebenheiten - z.B. die
Umweltbelastung nach Beseitigung emittierender Gegenstände
oder der Gesundheitszustand vor der streitigen Behandlung - im
Nachhinein regelmäßig nicht oder jedenfalls nicht
zuverlässig feststellen lassen.
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b) Die Intention, der ungerechtfertigten
Inanspruchnahme von Steuervorteilen entgegenzuwirken (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 2.4.1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998,
613 = SIS 98 18 06; in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543 = SIS 01 08 40, und vom 23.5.2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002,
567 = SIS 02 84 94), trägt das formalisierte Nachweisverlangen
nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch nicht.
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aa) Zum einen teilt der erkennende Senat die
unbestimmte Sorge nicht, die freie Ärzteschaft neige dazu,
Gefälligkeitsgutachten zu erstellen. Einen derartigen
Generalverdacht vermag jedenfalls allein das regelmäßig
von einem besonderen Vertrauen getragene Verhältnis zwischen
Arzt und Patient nicht zu begründen. Auch ist das Verlangen
nach einer amtsärztlichen oder vergleichbaren Stellungnahme
zur Missbrauchsabwehr nicht erforderlich. Denn durch ein von einem
Beteiligten vorgelegtes, beispielsweise vom behandelnden Arzt
erstelltes Sachverständigengutachten kann der Nachweis der
Richtigkeit des klägerischen Vortrags und damit der
medizinischen Indikation einer Heilmaßnahme nicht
geführt werden. Vielmehr ist ein von einem Beteiligten
vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen
Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als
urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen (BFH-Beschluss
vom 23.2.2010 X B 139/09, BFH/NV 2010, 1284 = SIS 10 15 37,
m.w.N.). Das formalisierte Nachweisverlangen bewirkt lediglich eine
Beschränkung der Beweismittel und steht damit im Widerspruch
zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Die
Beschränkung des Freibeweises ist auch nicht dadurch
gerechtfertigt, dass über gleichartige Sachverhalte in einer
Vielzahl von Verfahren zu entscheiden ist und es sich bei der
Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen des Zumutbaren
der Nachweispflicht genügt ist, um eine rechtliche Wertung
handelt. Zwar mag es dem BFH in diesem Bereich nicht verwehrt sein,
Kriterien zur Konkretisierung von Nachweispflichten aufzustellen.
Diese Befugnis findet aber jedenfalls ihre Grenzen, wenn ein
Sachverhalt - wie vorliegend - aus anderen Quellen mit
hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann (vgl. Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 7.11.1995 2 BvR
802/90, BStBl II 1996, 34 = SIS 96 01 13). Denn es ist nicht
ersichtlich, aus welchen Gründen nur ein Amtsarzt oder etwa
der Medizinische Dienst einer öffentlichen Krankenversicherung
nach § 278 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V),
nicht aber ein anderer Mediziner die erforderliche Sachkunde und
Objektivität besitzen soll, um die medizinische Indikation von
nicht nur für Kranke nützliche Maßnahmen
sachverständig beurteilen zu können.
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bb) Zum anderen vermag der erkennende Senat
die Notwendigkeit eines vor Beginn einer medizinischen Behandlung
erstellten Gutachtens nicht zu erkennen. Schon bisher hat der BFH
ein nachträgliches - wenn auch in der Regel
amtsärztliches - Attest zum Nachweis der medizinischen
Indikation genügen lassen, wenn vom Steuerpflichtigen nicht
erwartet werden konnte, dass er die Notwendigkeit der vorherigen
amtsärztlichen Begutachtung erkennt, weil der BFH erstmals ein
derartiges Erfordernis für bestimmte Aufwendungen aufgestellt
hat (z.B. BFH-Urteile in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543 = SIS 01 08 40; vom 17.12.1997 III R 35/97, BFHE 185, 34, BStBl II 1998, 298
= SIS 98 10 04). Ferner hat der BFH ein nachträgliches Attest
zugelassen, wenn aufgrund der besonderen Verhältnisse in den
neuen Bundesländern in einer Übergangsphase ein
unverschuldeter Beweisnotstand zuzubilligen war (BFH-Urteile in
BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613 = SIS 98 18 06, und vom 10.10.1996
III R 118/95, BFH/NV 1997, 337 = SIS 97 08 03). Darüber hinaus
konnte ein nachträgliches Attest ausnahmsweise ausreichen,
wenn der Amtsarzt den früheren Gesundheitszustand aufgrund von
apparatemedizinischen Befunden zuverlässig beurteilen kann
(BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1841 = SIS 07 32 08).
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Diese Unterscheidung erscheint dem erkennenden
Senat nicht sachgerecht. Insbesondere die zuletzt genannte Ausnahme
verlangt ein hohes Maß an medizinischem Sachverstand, der
Finanzbehörden und Finanzgerichten regelmäßig
fehlt. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung
ist daher angezeigt, vom Verlangen einer vorherigen Begutachtung
Abstand zu nehmen (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom
13.12.2001 14 K 217/00, EFG 2002, 467 = SIS 02 57 04) und zu den
allgemeinen Beweisregeln zurückzukehren.
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cc) Danach hat der Steuerpflichtige die
Entstehung außergewöhnlicher Belastungen zur
Überzeugung des Gerichts nachzuweisen. Als
Nachweisverpflichteter trägt er das Risiko, dass ein
gerichtlich bestellter Sachverständiger im Nachhinein die
medizinische Indikation der streitigen Behandlung
möglicherweise nicht mehr verlässlich feststellen kann.
Dieser Gefahr kann der Steuerpflichtige entgehen, wenn er vor
Beginn der Behandlung auf eigene Initiative ein amts- oder
vertrauensärztliches Zeugnis einholt oder im Rahmen eines
selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 155 FGO
i.V.m. §§ 485 ff. der Zivilprozessordnung die
medizinische Indikation der Heilbehandlung feststellen lässt
(vgl. BFH-Urteile in BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295 = SIS 80 01 59, und vom 30.4.1981 VI R 123/80, juris). Die Entscheidung, eine
vorherige Begutachtung durchführen zu lassen, obliegt jedoch
dem Steuerpflichtigen als dem Herrn des finanzgerichtlichen
Verfahrens und darf nicht von der Rechtsprechung zum
ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal erhoben werden (s. auch
BVerfG-Beschluss in BStBl II 1996, 34 = SIS 96 01 13).
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4. Die Vorentscheidung beruht auf einer
anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann
jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist.
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26
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a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu
prüfen haben, ob die Lese- und Rechtschreibschwäche im
konkreten Fall Krankheitswert besitzt. Wenn eine solche Legasthenie
im engeren Sinn einer medizinisch indizierten Behandlung
unterworfen wird, können die entsprechenden Kosten
unmittelbare Krankheitskosten sein. Dies gilt dann auch für
Kosten einer auswärtigen Internatsunterbringung, selbst wenn
diese zugleich der schulischen Ausbildung dient. § 10 Abs. 1
Nr. 9 EStG steht dem Abzug des Schulgelds als
außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG
in einem solchen Fall nicht entgegen (BFH-Beschluss vom 17.4.1997
III B 216/96, BFHE 183, 139, BStBl II 1997, 752 = SIS 97 15 05).
Kosten, die um der schulischen Förderung des Kindes willen
aufgewendet werden, sind allerdings nicht nach § 33 EStG
anzuerkennen, auch wenn der Besuch der - auswärtigen - Schule
aus sozialen, psychologischen oder pädagogischen Gründen
erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 17.7.1981 VI R 105/78, BFHE 133, 550
= SIS 81 22 56; vom 1.12.1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II
1979, 78 = SIS 79 00 42, und vom 16.5.1975 VI R 132/72, BFHE 116,
130, BStBl II 1975, 536 = SIS 75 03 18). Derartige Aufwendungen
sind lediglich als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG
beschränkt abziehbar. Bei dieser Prüfung hat sich das FG
zugleich zu vergegenwärtigen, dass Aufwendungen für die
eigentliche Heilbehandlung typisierend als
außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden,
ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an
sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes
und der Höhe nach bedarf, wenn die Maßnahmen medizinisch
indiziert sind. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das
medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der
Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist
vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen
Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt
(angezeigt) ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259.
Auflage, Indikation). Dieser medizinischen Wertung hat die
steuerliche Beurteilung zu folgen.
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27
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b) Die erforderlichen Feststellungen hat das
FG nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96
Abs. 1 Satz 1 FGO) zu treffen. Es hat dabei zu
berücksichtigen, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes
Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren
lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich
belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Ein solches Gutachten
kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des
klägerischen Vortrags gewertet werden (BFH-Beschluss in BFH/NV
2010, 1284 = SIS 10 15 37, m.w.N.). Da weder das FA noch das FG die
Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den
Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahme zu beurteilen, ist
das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung
(§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein
entsprechendes Gutachten zu erheben.
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c) Der erkennende Senat weist weiter darauf
hin, dass der Umstand, dass die Kläger ihren Antrag auf
Gewährung von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte
junge Menschen gemäß § 35a SGB VIII (KJHG) beim
zuständigen Jugendamt nicht weiter verfolgt haben, vorliegend
dem Abzug der streitigen Kosten als außergewöhnliche
Belastung nicht entgegensteht.
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aa) Zwar können Aufwendungen den
Charakter der Zwangsläufigkeit verlieren, wenn der
Steuerpflichtige einen Anspruch auf Ersatz oder Erstattung von
Krankheitskosten nicht geltend macht (BFH-Urteil in BFHE 183, 476,
BStBl II 1997, 805 = SIS 98 03 08). Nach Auffassung des Senats
besteht die Verpflichtung zur vorrangigen Inanspruchnahme anderer
Ersatzmöglichkeiten allerdings nur im Rahmen der Zumutbarkeit
(BFH-Urteil vom 20.9.1991 III R 91/89, BFHE 165, 525, BStBl II
1992, 137 = SIS 92 02 05, m.w.N.).
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30
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bb) Auf die Inanspruchnahme von
Sozialleistungen, etwa nach dem SGB VIII, kann der Steuerpflichtige
jedoch nicht verwiesen werden. Die Möglichkeit, - u.U. auch
einkommensunabhängige - staatliche Transferleistungen zu
erlangen, lässt die Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten
nicht entfallen. Denn nur das disponible Einkommen darf der
Einkommensteuer unterworfen werden. Deshalb ist der
existenznotwendige (Familien)Bedarf, zu dem auch Aufwendungen zur
Heilung und Linderung von Krankheiten zählen (BFH-Urteil in
BFH/NV 2007, 1841 = SIS 07 32 08; HHR/Kanzler, § 33 EStG Rz 6;
Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz A 1;
Schmidt/Loschelder, EStG, 29. Aufl., § 33 Rz 14), steuerfrei
zu stellen. Im Übrigen wäre es mit den auch gerade im
Steuerrecht Geltung beanspruchenden Grundsätzen der
Folgerichtigkeit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung
(vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 7.11.2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117,
1 <31> = SIS 07 06 26, m.w.N.) unvereinbar, den
Steuerpflichtigen vorliegend auf die Inanspruchnahme von
Staatsleistungen zu verweisen. Außerdem besitzt im
freiheitlichen Rechtsstaat des Grundgesetzes die selbstbestimmende
Existenzsicherung Vorrang vor staatlichen Transferleistungen. Der
Staat darf dem Bürger nicht auf der einen Seite das für
die Bestreitung seiner eigenen Existenz erforderliche Einkommen
durch Besteuerung entziehen, um ihm in einem zweiten Schritt durch
staatliche Leistungen sein wirtschaftliches Dasein zu sichern
(BVerfG-Beschluss vom 25.9.1992 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl
II 1993, 413 = SIS 92 21 01, zu C.I.3.b).
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d) Ein zusätzlicher Ausbildungsfreibetrag
wegen auswärtiger Unterbringung des Kindes steht dem
Steuerpflichtigen nicht zu. Der Senat entnimmt dies der Regelung
des § 33a Abs. 5 EStG, durch die eine doppelte
Steuerermäßigung, nach § 33 und § 33a EStG,
vermieden werden soll (BFH-Urteile vom 17.12.2009 VI R 63/08, BFHE
227, 487, BStBl II 2010, 341 = SIS 10 02 66, und vom 26.6.1992 III
R 8/91, BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278 = SIS 92 22 07).
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