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I. Streitig ist, ob Kosten einer
Asbestsanierung auch ohne Einholung eines Gutachtens über
gesundheitliche Gefahren als außergewöhnliche
Belastungen zu berücksichtigen sind.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) bewohnt ein im Jahr 1976 errichtetes Reihenhaus.
Das Dach besteht aus Asbestzement-Wellplatten, die überlappend
von Haus zu Haus gelegt sind. Nachdem sich die Nachbarn der
Klägerin zum Austausch der Asbestzement-Wellplatten
entschieden haben, wurde im Streitjahr 2005 auch das Dach des der
Klägerin gehörenden Reihenhauses durch eine Eindeckung
mit Ziegeln ersetzt.
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Die Klägerin machte die von ihr im
Kalenderjahr 2005 gezahlten Aufwendungen im Rahmen ihrer
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2005 als
außergewöhnliche Belastung geltend. Die Sanierung sei
unabwendbar gewesen, da das Dach Korrosionserscheinungen
aufgewiesen hätte. Überdies hätten die
Asbestzement-Wellplatten zerschnitten werden müssen, wenn die
Klägerin keine Sanierung hätte durchführen lassen.
Eine Gesundheitsgefährdung sei durch die damit verbundene
Freisetzung von Asbest unausweichlich gewesen. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) lehnte eine
entsprechende Berücksichtigung ab. Der Einspruch blieb
erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) erkannte die
Aufwendungen mit den in EFG 2011, 33 = SIS 10 28 77
veröffentlichten Gründen als außergewöhnliche
Belastungen an.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Nach § 33 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag
ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig
größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl
der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse,
gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen
Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen.
Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen
dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder
sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die
Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen
angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1
EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige
Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu
berücksichtigen, die sich wegen ihrer
Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in
allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich
des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen
Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des
Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.11.2010 VI R 17/09, BFHE 232,
40, BStBl II 2011, 969 = SIS 11 01 54, m.w.N.).
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a) Gehen von einem Gegenstand des
existenznotwendigen Bedarfs konkrete Gesundheitsgefährdungen
aus, entstehen die Aufwendungen zur Beseitigung dieser
Gefährdung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen
Gründen zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG) und
sind deshalb grundsätzlich als außergewöhnliche
Belastung abziehbar (BFH-Urteile vom 9.8.2001 III R 6/01, BFHE 196,
492, BStBl II 2002, 240 = SIS 02 02 17, Aufwendungen für die
Asbestsanierung der Außenfassade eines Wohnhauses; vom
23.5.2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592 = SIS 02 85 77, Aufwendungen für den Austausch mit Formaldehyd
verseuchter Möbel, und vom 11.11.2010 VI R 16/09, BFHE 232,
34, BStBl II 2011, 966 = SIS 11 01 53, Aufwendungen für die
medizinisch indizierte Anschaffung von Schlafzimmermöbeln und
einer Couchgarnitur; zu den Aufwendungen zur Schadstoffbeseitigung
vgl. auch Hettler, DB 2002, 1848).
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b) Die tatsächliche Zwangsläufigkeit
von Aufwendungen zur Beseitigung von Asbest ist nach der
Rechtsprechung des BFH nicht anhand der abstrakten
Gefährlichkeit von Asbestfasern zu beurteilen; erforderlich
sind zumindest konkret zu befürchtende
Gesundheitsgefährdungen. Denn die Notwendigkeit einer
Asbestsanierung hängt wesentlich von der verwendeten Asbestart
und den baulichen Gegebenheiten ab. So haben Asbestzementprodukte
einen vergleichsweise hohen Anteil an mineralischen Bindemitteln,
weshalb die Asbestfasern relativ fest gebunden sind. Bei schwach
gebundenen Asbestprodukten wie Spritzasbest ist die Gefahr einer
Freisetzung aufgrund äußerer Einflüsse wie
Erschütterungen und Alterung der Produkte hingegen höher
(BFH-Urteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 = SIS 02 02 17;
vgl. dazu auch Hettler, DB 2002, 1848, 1849). Hieran hält der
erkennende Senat fest.
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Darüber hinaus ist bei Sanierungsarbeiten
an Asbestprodukten die gesundheitsschädliche Freisetzung von
Asbestfasern nicht unvermeidlich. Dies zeigen die Technischen
Regeln für Gefahrstoffe 519-Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder
Instandhaltungsarbeiten vom 1.8.2001 (BArbBl 2001, Nr. 9, 64,
berichtigt durch Bekanntmachung vom 8.3.2007, GMBl 2007, 398 - TRGS
519-Asbest - ), die zum Schutz der Beschäftigten und anderer
Personen bei Tätigkeiten mit Asbest und asbesthaltigen
Gefahrstoffen bei Abbruch-, Sanierungs- oder
Instandhaltungsarbeiten gelten. Nach Nr. 7.1 Abs. 1 TRGS 519-Asbest
ist bei Sanierungsarbeiten das Arbeitsverfahren so zu gestalten,
dass Asbestfasern nicht frei werden und die Ausbreitung von
Asbeststaub verhindert wird, soweit dies nach dem Stand der Technik
möglich ist. Kann das Freiwerden von Asbestfasern nicht
unterbunden werden, sind diese nach Nr. 7.1 Abs. 2 TRGS 519-Asbest
an der Austritts- oder Entstehungsstelle zu erfassen und
anschließend ohne Gefahr für Mensch und Umwelt zu
entsorgen. Angesichts dieser Bestimmung erscheint es zumindest
nicht ausgeschlossen, dass die Sanierungsmaßnahme an dem
Gebäude der Klägerin auch ohne Gesundheitsgefährdung
möglich war. Denn die TRGS 519-Asbest sind die
gemäß des zum Zeitpunkt ihrer Bekanntmachung geltenden
§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Gefahrstoffverordnung vom
Ausschuss für Gefahrstoffe ermittelten Regeln, die dem Stand
von Wissenschaft, Technik und Medizin entsprechen.
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c) Aufwendungen zur Beseitigung konkreter
Gesundheitsgefährdungen sind nur dann abziehbar, wenn den
Grundstückseigentümer kein Verschulden an der Belastung
trifft, die Belastung für ihn zum Zeitpunkt des
Grundstückserwerbs nicht erkennbar war und realisierbare
Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind (BFH-Urteile
in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 = SIS 02 02 17; vom 20.12.2007
III R 56/04, BFH/NV 2008, 937 = SIS 08 20 99; jeweils m.w.N.). Ein
Verschulden des Grundstückseigentümers kann auch dann
anzunehmen sein, wenn die von einem Gegenstand des
existenznotwendigen Bedarfs ausgehenden konkreten
Gesundheitsgefährdungen auf einen Dritten
zurückzuführen sind und er die Durchsetzung
realisierbarer zivilrechtlicher Abwehransprüche
unterlässt. Denn dadurch hätte sich der Steuerpflichtige
den Aufwendungen entziehen können.
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d) Überdies dürfen die streitigen
Aufwendungen nicht der Beseitigung von Baumängeln dienen.
Baumängel sind keineswegs unüblich und nicht mit
ungewöhnlichen Ereignissen wie etwa Hochwasserschäden
vergleichbar (BFH-Beschluss vom 11.2.2009 VI B 140/08, BFH/NV 2009,
762 = SIS 09 12 62, m.w.N.). War der Einsatz schadstoffhaltiger
Materialien zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes erlaubt,
liegt jedenfalls für das Jahr der Errichtung des Gebäudes
kein Baumangel vor (BFH-Urteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240
= SIS 02 02 17).
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e) Bei Aufwendungen zur Beseitigung konkreter
von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender
Gesundheitsgefahren ist ein vor Durchführung dieser
Maßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nicht
erforderlich. Gleichwohl hat der Steuerpflichtige nachzuweisen,
dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen
nicht entziehen konnte. Dies hat der Senat bereits für
Krankheitskosten entschieden (BFH-Urteile in BFHE 232, 34, BStBl II
2011, 966 = SIS 11 01 53; in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 = SIS 11 01 54). Entsprechendes gilt auch für solche Aufwendungen,
die durch die Beseitigung konkreter von einem Gegenstand des
existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren
veranlasst sind. Denn auch insoweit ergeben sich gesteigerte
Nachweispflichten nicht aus dem Gesetz und widersprechen dem in
§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geregelten Grundsatz der freien
Beweiswürdigung.
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Als Nachweisverpflichteter trägt der
Steuerpflichtige das Risiko, dass ein gerichtlich bestellter
Sachverständiger im Nachhinein die Zwangsläufigkeit
möglicherweise nicht mehr verlässlich feststellen kann.
Dieser Gefahr kann der Steuerpflichtige entgehen, wenn er vor
Beginn der Behandlung auf eigene Initiative ein amts- oder
vertrauensärztliches Zeugnis bzw. ein amtlich technisches
Gutachten einholt oder im Rahmen eines selbständigen
Beweisverfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m.
§§ 485 ff. der Zivilprozessordnung die eine
tatsächliche Zwangsläufigkeit begründenden
Umstände feststellen lässt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232,
40, BStBl II 2011, 969 = SIS 11 01 54, zur medizinischen Indikation
einer Heilbehandlung).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den
durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1.11.2011 (BGBl I
2011, 2131) geänderten Anforderungen an den Nachweis
außergewöhnlicher Belastungen (vgl. BFH-Urteil vom
29.3.2012 VI R 21/11, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt).
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2. Die Vorentscheidung beruht auf einer
anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann
jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist.
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a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu
prüfen haben, ob sich die Klägerin den Aufwendungen
für die Sanierung des Daches an ihrem Haus aus
tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte. Insoweit
ist von Bedeutung, ob der Klägerin durch die
Sanierungsarbeiten am angrenzenden Dach nachweislich eine konkrete
Gesundheitsgefährdung drohte. Das FG hat schon keine
Feststellungen dazu getroffen, ob das im Eigentum der Klägerin
stehende Dach tatsächlich hätte zerschnitten werden
müssen oder ob andere Formen der Sanierung ebenso möglich
gewesen wären (etwa dauerhafte Versiegelung der angrenzenden
Platten oder eine überlappende Verlegung). Selbst wenn eine
Dachdurchtrennung erforderlich gewesen sein sollte, war die
konkrete Gesundheitsgefährdung angesichts der in der TRGS
519-Asbest beschriebenen Schutzmaßnahmen zur Minderung der
Gefährdungen nicht unumgänglich.
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Die erforderlichen Feststellungen hat das FG
nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs.
1 Satz 1 FGO) zu treffen. Da weder das FA noch das FG die Sachkunde
besitzen, um die Zwangsläufigkeit der den Aufwendungen
zugrunde liegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG
aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76
FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes
Gutachten einzuholen.
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b) Gleichfalls fehlen Feststellungen dazu, ob
der Klägerin wegen der Sanierung und einer daraus folgenden
Freisetzung von Asbestfasern nach dem Zivilrecht realisierbare
Unterlassungs- bzw. Ersatzansprüche zugestanden haben. Diese
stehen dem Abzug von Aufwendungen zur Beseitigung konkreter und von
einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender
Gesundheitsgefährdungen entgegen.
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