Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Köln vom 25.02.2021 - 10 K 1622/18 =
SIS 21 15 73 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Kläger zu tragen.
3
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Der jährliche Mitgliedsbeitrag
für erwachsene, nicht in Ausbildung befindliche Mitglieder
beläuft sich auf 36 EUR. Nach dem vom FG übernommenen,
nicht mit konkreten Zahlenangaben unterlegten Sachvortrag des
Klägers sind die Mitglieder des Klägers
„überwiegend“ musikalische Laien,
„teilweise“ Musikstudenten und
„vereinzelt“ Berufsmusiker.
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Der Kläger unterhält ein
Blasorchester, seit 2017 auch ein Vororchester (Juniororchester mit
Kindern und Jugendlichen), seit 2019 zudem ein Zwischenorchester,
das ausweislich des Geschäftsberichts 2019 der vertieften
Ausbildung für fortgeschrittene Mitglieder des Vororchesters
und zur ergänzenden Probenarbeit für Mitglieder des
Orchesters dient. Orchesterproben finden grundsätzlich
wöchentlich statt.
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Ausweislich des Geschäftsberichts hat
der Kläger im Jahr 2019 im ideellen Bereich (Veranstaltungen
ohne Einnahmeerzielung) eine Kirchenmusik und eine Totenehrung
musikalisch gestaltet; ferner ist er in Altenheimen und einem
Blindenheim aufgetreten. Zur Einnahmeerzielung (Zweckbetriebe) hat
er vier Konzerte durchgeführt sowie gegen Entgelt an vier
Schützenfesten und drei Martinsumzügen die Marschmusik
gespielt. Darüber hinaus hat er einen viertägigen
Bigband-Workshop veranstaltet, für den ein Teilnehmerbeitrag
von 115 EUR (für Mitglieder 65 EUR) erhoben wurde; Zielgruppe
waren ausweislich der - vom Kläger für das Jahr 2017
vorgelegten - Werbebroschüre „junge und junggebliebene
Musikerinnen und Musiker“. Der Workshop wurde
im Rahmen der Kulturförderung des zuständigen Landkreises
bezuschusst.
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Für Mitglieder, die
Führungsaufgaben im Orchester innehaben (z.B. Dirigenten,
Stimmführerschaft, Durchführung von Satzproben),
übernimmt der Kläger die Kosten von Fortbildungen.
Gelegentlich spielen Musikstudenten Solopartien oder dirigieren das
Orchester.
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Am 31.05.2017 erließ der Beklagte und
Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) einen
Freistellungsbescheid für 2014 bis 2016 zur
Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. Darin wurden für
den Kläger die folgenden gemeinnützigen Zwecke
aufgeführt:
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Förderung von Kunst und Kultur (§
52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 der Abgabenordnung - AO - );
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Förderung der Erziehung (aus § 52
Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO).
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Unter der Überschrift „Hinweise
zur Ausstellung von
Zuwendungsbestätigungen“ hieß es:
„Die Körperschaft ist nicht berechtigt, für
Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen nach amtlich
vorgeschriebenem Vordruck (§ 50 Abs. 1 EStDV) auszustellen,
weil Zwecke im Sinne des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG
gefördert werden.“ In den
Freistellungsbescheiden für die Vorjahre waren hingegen noch
Hinweise dahingehend enthalten, dass der Kläger sowohl
für Spenden als auch für Mitgliedsbeiträge
Zuwendungsbestätigungen ausstellen dürfe.
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Am 16.06.2017 erging ein nach § 129 AO
berichtigter Freistellungsbescheid, in dem als zusätzlicher
gemeinnütziger Zweck die Förderung der Volks- und
Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe (aus §
52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO) aufgeführt wurde.
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10
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Mit einem weiteren Bescheid vom 06.06.2017
stellte das FA gemäß § 60a Abs. 1 AO gegenüber
dem Kläger die Einhaltung der satzungsmäßigen
Voraussetzungen gesondert fest. Im Hinweisteil dieses Bescheids
wurde hinsichtlich der Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen
auf den letzten Freistellungsbescheid verwiesen.
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Der Kläger legte gegen alle genannten
Bescheide Einspruch ein und wandte sich gegen den Hinweis, dass
für Mitgliedsbeiträge keine Zuwendungsbestätigungen
erteilt werden dürften.
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Das FA entschied nur über den
Einspruch gegen den Freistellungsbescheid, den es als
unzulässig verwarf. Zur Begründung führte es aus,
ein Einspruch sei nicht statthaft, da der Hinweis keinen
Verwaltungsakt darstelle, sondern die unverbindliche
Äußerung einer Rechtsauffassung des FA. In der Sache sei
der Hinweis allerdings zutreffend. Gemäß § 10b Abs.
1 Satz 8 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien
Mitgliedsbeiträge bei Körperschaften, die kulturelle
Betätigungen förderten, die in erster Linie der
Freizeitgestaltung dienten, nicht abziehbar. Das Musizieren der
Mitglieder des Klägers bei Auftritten und Proben sei eine Form
der Freizeitgestaltung.
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Der Kläger erhob Anfechtungsklage
gegen den Freistellungsbescheid und Untätigkeitsklage wegen
des nicht beschiedenen Einspruchs gegen den Feststellungsbescheid.
Diese Begehren wurden im weiteren Verlauf des Klageverfahrens vom
FG und den Beteiligten einvernehmlich als Feststellungsklage
behandelt. Zur Begründung dieser Klage führte der
Kläger aus, § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG enthalte eine
gesetzliche Typisierung, die bei einem atypischen Fall nicht
anwendbar sei. Der Kläger fördere nicht in erster Linie
kulturelle Betätigungen, die der Freizeitgestaltung dienten.
Vielmehr hätten zahlreiche Betätigungen des Klägers
ausschließlich bildenden Charakter, insbesondere der
Bigband-Workshop und das Vororchester. Letzteres sei Teil der
Neustrukturierung der Nachwuchsarbeit des Vereins; hier seien
Vereinsmitglieder mit erheblichem organisatorischen und
musikpädagogischen Aufwand unterrichtend tätig. Auch bei
der Gestaltung von Gottesdiensten spiele der Freizeitaspekt keine
Rolle; diese Auftritte seien in erster Linie dem Umstand
geschuldet, dass der Kläger kirchliche Räume für
Proben nutzen könne. Die Auftritte in den Heimen seien durch
eine soziale Komponente gekennzeichnet. Die Marschmusiken seien
Zweckbetriebe zur Einnahmeerzielung; sie seien für die
Vereinsmitglieder wegen des niedrigen musikalischen Niveaus und der
erforderlichen Anreise unattraktiv. Soweit Musikstudenten und
Berufsmusiker an den Orchesterproben und Konzerten teilnähmen,
sei dies nicht Freizeitgestaltung, sondern Teil ihrer Ausbildung
bzw. beruflichen Fortbildung. Die Aus- und
Fortbildungsmaßnahmen seien im Interesse aller Mitglieder,
weil sie für den Bestand und die Entwicklung des Orchesters
unerlässlich seien. Die Ausgaben des Klägers seien zu
mehr als 50 % unmittelbar für Zwecke der Ausbildung verwendet
worden. Aufgrund der gegenwärtigen Pandemielage könne das
Orchester derzeit nicht proben, die Ausbildungstätigkeiten
würden allerdings über Videokonferenzen
fortgeführt.
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14
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Es verstoße gegen das Gebot der
Folgerichtigkeit, wenn Mitgliedsbeiträge bei passiven
Kulturvereinen (Fördervereine i.S. des § 10b Abs. 1 Satz
7 EStG) abziehbar seien, bei aktiven Kulturvereinen
(Freizeitgestaltung i.S. des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG)
aber nicht. Große Vereine seien in der Lage, diese
Beschränkung durch Aufspaltung in einen aktiven und einen
passiven Teil zu umgehen, kleine Vereine hingegen nicht.
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15
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Das FA brachte demgegenüber vor, die
Wendung „in erster Linie“ stehe im
Gesetzeswortlaut nicht vor dem Begriff „kulturelle
Betätigungen“, sondern vor dem Begriff
„der Freizeitgestaltung“. Daraus folge,
dass ein Abzug von Mitgliedsbeiträgen schon dann
ausgeschlossen sei, wenn - unabhängig davon, welche
Tätigkeiten der Verein ansonsten ausübe - auch die in
§ 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG genannten kulturellen
Betätigungen gefördert würden. Dies sei hier der
Fall. Zwar entfalte ein Laienorchester regelmäßig auch
Nebenwirkungen wie die Jugendbildung. Im Wesentlichen handele es
sich aber um Freizeitgestaltung, so dass in Bezug auf die
Mitgliedsbeiträge der Gegenleistungsgedanke überwiege.
Auch das Vor- und Zwischenorchester solle den Fortbestand des
Vereins und seines Orchesters sichern; die Ausbildung der
Mitglieder solle das kulturelle Niveau des Orchesters heben; daher
seien diese Betätigungen ebenfalls als der Förderung von
Kunst und Kultur dienend anzusehen. Aus den Bigband-Workshops habe
der Kläger aufgrund von Einnahmen und Zuschüssen einen
Überschuss erzielt, so dass hierfür keine
Mitgliedsbeiträge verwendet worden sein könnten.
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16
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Das FG stellte mit dem angegriffenen Urteil
fest, der Kläger sei berechtigt, auch für
Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen nach amtlich
vorgeschriebenem Vordruck (§ 50 Abs. 1 der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - )
auszustellen (EFG 2021, 1167 = SIS 21 15 73).
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17
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Die Feststellungsklage sei zulässig,
da eine andere Klageart nicht zur Verfügung stehe und der
Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten
Feststellung habe. Die Klage sei auch begründet, da § 10b
Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG nicht anwendbar sei, wenn die
Körperschaft unterschiedliche Zwecke verfolge und einer der -
nicht untergeordneten - Zwecke nicht der Freizeitgestaltung diene.
Dies zeige die Entstehungsgeschichte: In § 48 Abs. 4 Satz 2
EStDV in der von 2000 bis 2006 geltenden Fassung (EStDV 2000), der
Vorläuferregelung des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG, sei
ausdrücklich geregelt worden, dass Mitgliedsbeiträge an
Körperschaften, die sowohl kulturelle als auch andere Zwecke
förderten, nicht abziehbar seien. Diese Regelung sei indes
nicht in das EStG übernommen worden. Dies müsse als
bewusste Entscheidung des Gesetzgebers angesehen werden. Die vom
Kläger betriebene musikalische Ausbildung und Anleitung junger
Menschen erscheine in der heutigen Zeit überragend wichtig und
förderungswürdig. Der Kläger beschränke sich
nicht auf die Förderung von Kunst und Kultur, sondern
fördere auch die Erziehung, Volks- und Berufsbildung.
Exemplarisch seien die Bigband-Workshops und das Vororchester zu
nennen. Insofern unterscheide sich der Kläger von einem
klassischen Laienorchester, dessen Aktivitäten sich im
Orchesterbetrieb erschöpften.
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18
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Mit seiner Revision hält das FA -
insbesondere unter Verweis auf den Gesetzeswortlaut - an seiner
Auffassung fest.
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19
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Das FA beantragt
sinngemäß,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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21
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Er hält die Revisionsbegründung
des FA für unzureichend, da die erforderliche
Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des
angefochtenen Urteils fehle. Der Gesetzeswortlaut sei gerade nicht
eindeutig, sondern lasse auch die vom FG vertretene Auslegung zu.
§ 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG gelte nur für
Einkommensteuersubjekte, jedoch nicht für Körperschaften
wie den Kläger. Die für den Kläger geltende Norm des
§ 50 Abs. 1 EStDV differenziere gerade nicht zwischen Spenden
und Mitgliedsbeiträgen. Daher dürfe der Kläger
für beide Arten der Zuwendungen Bestätigungen
ausstellen.
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22
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
ist dem Revisionsverfahren beigetreten. Es hat keinen Antrag
gestellt, unterstützt in der Sache jedoch die Position des FA.
Die hier vorliegenden gemischten Mitgliedsbeiträge seien nach
dem eindeutigen Gesetzeswortlaut vom Abzugsverbot umfasst. Der vom
FG vermissten ausdrücklichen Kollisionsregelung (zuvor §
48 Abs. 4 Satz 2 EStDV 2000) habe es wegen der geänderten
Gesetzessystematik nicht mehr bedurft. Der Normzweck spreche
ebenfalls für die von der Finanzverwaltung vertretene
Gesetzesauslegung, da Mitgliedsbeiträge sich nicht einzelnen
Teilzwecken einer steuerbegünstigten Körperschaft, die
mehrere Förderzwecke - darunter einen in § 10b Abs. 1
Satz 8 EStG genannten - verfolge, zurechnen ließen, sondern
stets die gesamte Körperschaft beträfen.
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23
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II. Die Revision ist zulässig.
Insbesondere erfüllt die Revisionsbegründung trotz ihrer
Kürze noch die Darlegungsanforderungen des § 120 Abs. 3
Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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24
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1. Die Revisionsbegründung muss die
Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art enthalten, die
das FG-Urteil als unrichtig erscheinen lassen, sowie angeben,
welche Punkte des angefochtenen Urteils
änderungsbedürftig sind. Erforderlich ist ferner eine -
wenn auch kurze - Auseinandersetzung mit den Gründen des
vorinstanzlichen Urteils (ständige höchstrichterliche
Rechtsprechung; vgl. statt aller nur Entscheidungen des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.03.2000 - III R 21/99, BFHE 192,
169, BStBl II 2000, 700 = SIS 00 10 26, unter II.1.; vom 20.04.2010
- VI R 44/09, BFHE 228, 407, BStBl II 2010, 691 = SIS 10 14 82, und
vom 18.06.2015 - IV R 5/12, BFHE 250, 121, BStBl II 2015, 935 = SIS 15 21 50, Rz 25). Die Revisionsbegründung muss erkennen
lassen, dass der Revisionskläger sein eigenes bisheriges
Vorbringen anhand der Begründung des FG-Urteils
überprüft hat (BFH-Entscheidungen vom 08.03.1967 - I R
185/66, BFHE 88, 230, BStBl III 1967, 342 = SIS 67 02 27; vom
01.06.2006 - I R 12/05, BFH/NV 2006, 2088 = SIS 06 41 74, unter
II.2., und vom 11.01.2017 - VI R 26/15, BFH/NV 2017, 473 = SIS 17 03 58, Rz 20). Dabei ist allerdings keine vollständige und
umfassende Auseinandersetzung mit dem FG-Urteil erforderlich; auch
ist nicht geboten, dass die Revisionsbegründung die
Argumentation des FG widerlegt (BFH-Urteil vom 03.02.2010 - IV R
26/07, BFHE 228, 365, BStBl II 2010, 751 = SIS 10 08 17, unter
II.1.).
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25
|
2. Diese Anforderungen sind vorliegend noch
erfüllt. Die erforderliche Auseinandersetzung mit den
Gründen des angefochtenen Urteils ist schon darin zu sehen,
dass das FA auf den Gesetzeswortlaut verweist, den das FG bei
seiner Auslegung gerade nicht berücksichtigt hat (vgl. dazu
noch unten III.3.a). Außerdem hat das FA in der
Revisionsbegründung erstmals eine Auswertung von Teilen der
einschlägigen Literatur vorgenommen.
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26
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III. Die Revision ist auch begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
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27
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Zwar hat das FG die vom Kläger erhobene
Feststellungsklage zu Recht als zulässig angesehen (dazu unten
1.) und seiner Beurteilung - wenn auch unausgesprochen - zutreffend
die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der tatrichterlichen
mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt (unten 2.). Die
entscheidungserhebliche Norm des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2
EStG ist aber gegenteilig zur Auffassung des FG auszulegen (unten
3.). Zudem dürfen Beträge, die keine Zuwendungen i.S. des
§ 10b EStG sind, entgegen der Ansicht des Klägers nicht
in förmliche Zuwendungsbestätigungen nach § 50 EStDV
aufgenommen werden (unten 4.). Da das FG alle maßgebenden
Tatsachen festgestellt hat, kann der Senat selbst über die
Klage entscheiden. Sie ist abzuweisen (unten 5.).
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28
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1. Die vom Kläger erhobene
Feststellungsklage ist zulässig.
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Gemäß § 41 Abs. 1 FGO kann
durch Klage u.a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses (dazu unten a) begehrt werden, wenn
der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen
Feststellung hat (unten b). Dies gilt jedoch nicht, soweit der
Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage
verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41
Abs. 2 Satz 1 FGO; unten c).
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30
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a)
„Rechtsverhältnis“ i.S. des
§ 41 Abs. 1 FGO ist jede auf eine bestimmte, aus einem
konkreten Sachverhalt resultierende, aufgrund von Rechtsnormen
geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen
Personen und Sachen, sofern es sich um ein abgabenrechtliches
Verhältnis handelt, für das der Finanzrechtsweg
eröffnet ist (BFH-Urteile vom 29.07.2003 - VII R 39, 43/02,
BFHE 202, 411, BStBl II 2003, 828 = SIS 03 42 97, unter 2.b, und
vom 30.03.2011 - XI R 12/08, BFHE 233, 304, BStBl II 2011, 819 =
SIS 11 20 06, Rz 18 f.).
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31
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Ob der Kläger im Verhältnis zur
Finanzverwaltung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen
auch für Mitgliedsbeiträge berechtigt ist, ist eine
Frage, die - schon wegen ihrer Normierung in § 10b Abs. 1 Satz
8 EStG - ein
„Rechtsverhältnis“ i.S. des
§ 41 Abs. 1 FGO darstellt (ebenso für die Rechtslage vor
Schaffung des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG in Bezug auf die Frage,
ob die Befugnis zur Ausstellung von Spendenbescheinigungen nach
früherem Recht besteht, BFH-Urteil vom 23.09.1999 - XI R
66/98, BFHE 190, 278, BStBl II 2000, 533 = SIS 00 04 89, unter
II.1.).
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32
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b) Für das erforderliche berechtigte
Interesse an der baldigen Feststellung genügt nach
ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung jedes
konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige
Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, sofern
die begehrte Feststellung geeignet ist, in einem der genannten
Bereiche zu einer Verbesserung der Position des Klägers zu
führen (vgl. auch insoweit BFH-Urteil in BFHE 202, 411, BStBl
II 2003, 828 = SIS 03 42 97, unter 2.b, m.w.N.).
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33
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Dieses Interesse ergibt sich hier aus dem
Umstand, dass der Kläger gemäß § 10b Abs. 4
Sätze 2 und 3 EStG für zumindest grob fahrlässig
ausgestellte unrichtige Zuwendungsbestätigungen haftet.
Darüber hinaus führt der Kläger zu Recht an, dass
auch die Möglichkeit, mit der steuerlichen Abziehbarkeit von
Mitgliedsbeiträgen werben - oder eben nicht werben - zu
können, ein berechtigtes Interesse an der baldigen
Feststellung begründet (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 190, 278,
BStBl II 2000, 533 = SIS 00 04 89, unter II.1.).
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34
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c) Die Anforderungen der
Subsidiaritätsklausel des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO sind
ebenfalls gewahrt.
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35
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aa) Eine Anfechtungsklage kommt vorliegend
nicht in Betracht, da es sich bei dem im Freistellungsbescheid
enthaltenen bloßen Hinweis auf die vom FA vorgenommene
Subsumtion unter § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG nicht um einen
Verwaltungsakt (§ 118 AO) handelt. Schon nach seinem
objektiven Gehalt fehlt dem Hinweis der für die Annahme eines
Verwaltungsakts erforderliche Regelungscharakter. Darüber
hinaus hat das FA auch keinen Anschein eines Verwaltungsakts
gesetzt, denn der Hinweis ist optisch deutlich vom Regelungsteil
des Feststellungsbescheids getrennt und die Rechtsbehelfsbelehrung
bezieht sich ausdrücklich nicht auf den Hinweis.
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36
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bb) Die Verpflichtungsklage ist ebenfalls
nicht eröffnet.
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Zwar dürfen mit einer (vorbeugenden)
Feststellungsklage die gesetzlichen Regelungen über die
Erteilung verbindlicher Auskünfte durch die
Finanzbehörden (§ 89 Abs. 2 bis 7 AO) nicht unterlaufen
werden (FG Münster, Urteil vom 27.07.2016 - 10 K 584/16, DStRE
2018, 312 = SIS 16 22 34, unter 3.); ein Anspruch auf Erteilung
einer verbindlichen Auskunft wäre im Wege der
Verpflichtungsklage geltend zu machen (Söhn in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 89 AO Rz 307, 308,
m.w.N.).
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38
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Allerdings setzt die Erteilung einer
verbindlichen Auskunft voraus, dass der maßgebliche
Sachverhalt noch nicht verwirklicht worden ist (§ 89 Abs. 2
Satz 1 AO). Vorliegend geht es im Kern nicht um die Klärung
des künftigen gemeinnützigkeits- und
zuwendungsrechtlichen Status des Klägers, sondern um dessen
gegenwärtigen Status. Der Rechtsstreit beruht auf einer
vergangenheitsbezogenen Überprüfung der Tätigkeiten
des Klägers durch das FA in Bezug auf frühere
Veranlagungszeiträume. Damit könnte der Kläger im
Streitfall keine verbindliche Auskunft für die
streitgegenständliche Frage erhalten, so dass kein
Konkurrenzverhältnis zu § 89 Abs. 2 AO besteht und eine
Verpflichtungsklage ausscheidet.
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cc) Auch im Wege einer allgemeinen
Leistungsklage könnte vorliegend kein vorrangiger Rechtsschutz
erlangt werden. Denn außerhalb des - hier nicht
einschlägigen - § 89 Abs. 2 AO besteht kein Anspruch auf
Leistungen der Finanzverwaltung in Gestalt der Erteilung
unverbindlicher Hinweise oder Rechtsauskünfte. Etwas anderes
folgt auch nicht daraus, dass die Finanzverwaltung in
Freistellungsbescheide regelmäßig Hinweise hinsichtlich
der Befugnis zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen
aufnimmt; die früher gegenteilige Auffassung des FG Köln
(Urteil vom 23.08.1991 - 13 K 3592/89, EFG 1992, 159, unter I.,
rkr.) ist jedenfalls durch die BFH-Urteile vom 10.06.1992 - I R
107/91 (BFH/NV 1993, 13) und in BFHE 190, 278, BStBl II 2000, 533 =
SIS 00 04 89 überholt (wie hier im Ergebnis auch FG Berlin,
Urteile vom 06.10.2003 - 8 K 8844/99, EFG 2004, 316 = SIS 04 12 43,
rkr., und vom 23.03.2004 - 7 K 7175/02, EFG 2004, 1338 = SIS 04 25 55, rkr.; FG Münster, Urteil vom 16.02.2007 - 9 K 4907/02, EFG
2007, 1434 = SIS 07 23 20, unter II.1., rkr.).
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40
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2. Auch bei einer Feststellungsklage ist - wie
bei Anfechtungsklagen (dazu BFH-Urteil vom 28.07.2005 - III R
68/04, BFHE 211, 107, BStBl II 2008, 350 = SIS 06 00 20, unter
II.2.) - die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung vor dem FG maßgeblich. Es kommt
damit weder auf die Sach- und Rechtslage zum Schluss des Zeitraums,
auf den sich der Freistellungsbescheid bezieht, an (hier: Ende
2016) noch auf den Zeitpunkt des Ergehens des beanstandeten
Hinweises des FA (hier: Juni 2017).
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41
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a) Für das maßgebliche anwendbare
Recht ist dies bereits entschieden (vgl. Urteil des
Bundessozialgerichts vom 17.02.2009 - B 2 U 35/07 R, Neue
Zeitschrift für Sozialrecht 2010, 49; Steinhauff in HHSp,
§ 41 FGO Rz 544). Hinsichtlich der Sachlage, die der
Entscheidung zugrunde zu legen ist, kann indes nichts anderes
gelten. Wäre auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen und
entschiede das FG auf dieser Tatsachengrundlage über den
Feststellungsantrag, hätte sich die Sachlage aber bis zur
Entscheidung des FG geändert, so bestünde sogleich ein
Anspruch auf eine erneute - abweichende - Entscheidung über
den Feststellungsantrag. Dies wäre mit dem Gebot
prozessökonomischen Handelns nicht vereinbar.
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42
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b) Das FG hat seiner Betrachtung daher
zutreffend die vom Kläger in den Jahren 2017 bis 2019
entfalteten Aktivitäten zugrunde gelegt. Die gravierenden
Einschränkungen der Tätigkeit des Klägers infolge
der - insbesondere für Blasorchester geltenden - gesetzlichen
Beschränkungen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie seit
März 2020, die noch bis zum Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung vor dem FG im Februar 2021 andauerten, hat es
demgegenüber in vertretbarer Weise außer Betracht
gelassen, weil diese temporären Beschränkungen für
die Beurteilung der Tätigkeit des Klägers nicht typisch
sind.
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43
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3. Zu Unrecht hat das FG die
streitentscheidende Norm des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG
indes dahin ausgelegt, dass diese dann nicht anwendbar sein soll,
wenn die Körperschaft unterschiedliche Zwecke verfolgt und
einer der - nicht untergeordneten - Zwecke nicht der
Freizeitgestaltung diene. Vielmehr tritt die Rechtsfolge der
genannten Norm bereits dann ein, wenn die Körperschaft auch
kulturelle Betätigungen fördert, die in erster Linie der
Freizeitgestaltung dienen. Dies folgt sowohl aus dem klaren
Wortlaut der Regelung (dazu unten a) als auch aus ihrer
Entstehungsgeschichte (unten b) sowie aus dem Normzweck (unten c).
Dieses Auslegungsergebnis ist nicht verfassungswidrig (unten
d).
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44
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a) Das FG hat eine Betrachtung des
Gesetzeswortlauts unterlassen. Wie das FA und das BMF zu Recht
vorbringen, ist der Wortlaut des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2
EStG eindeutig in dem dort formulierten Sinne, dass
Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die kulturelle
Betätigungen fördern, die in erster Linie der
Freizeitgestaltung dienen, nicht abziehbar sind. Dabei kommt es
nicht darauf an, ob die Körperschaft neben den beschriebenen
kulturellen Betätigungen auch andere Zwecke fördert, da
die im Gesetzeswortlaut für die Versagung des Abzugs von
Mitgliedsbeiträgen genannte Voraussetzung schon erfüllt
ist, wenn überhaupt derartige kulturelle Betätigungen
gefördert werden.
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45
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Der Kläger und ihm folgend das FG lesen
die Norm hingegen so, als ob darin formuliert wäre:
„Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die in
erster Linie kulturelle Betätigungen fördern, die der
Freizeitgestaltung dienen.“ Auf dieser -
vom tatsächlichen Gesetzeswortlaut abweichenden - Grundlage
gelangen sie zu ihrer Auffassung, dass eine Abwägung zwischen
dem Gewicht der kulturellen Freizeitbetätigungen und anderen
Betätigungen vorzunehmen sei. Richtigerweise ist die Wendung
„in erster Linie“ aber kraft
ihrer Stellung im Wortlaut des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG
- eindeutig - dahingehend zu verstehen, dass eine quantitative oder
qualitative Gewichtung bzw. Abwägung nur insoweit zu erfolgen
hat, als zu beurteilen ist, ob eine kulturelle Betätigung in
erster Linie der Freizeitgestaltung (dann tritt die Rechtsfolge des
§ 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG ein) oder in erster Linie
Nicht-Freizeitzwecken dient (dann fällt die Körperschaft
unter die Komplementärregelung des § 10b Abs. 1 Satz 7
EStG). Für eine Abwägung mit weiteren Zwecken, die die
Körperschaft neben den kulturellen Freizeitbetätigungen
verfolgt, lässt der Wortlaut hingegen keinen Raum.
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46
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Dies entspricht nicht nur der Auffassung der
Finanzverwaltung (vgl. R 10b.1 Abs. 1 Satz 1 der
Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 2005 in der Fassung der
Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien - EStÄR - 2008
[BStBl I 2008, 1017] und der EStÄR 2012 [BStBl I 2013, 276]),
sondern auch des überwiegenden Teils der Literatur (vgl.
Schauhoff/Kirchhain, DStR 2007, 1985, 1987; Fritz, BB 2007, 2546,
2547; Brandl in Brandis/Heuermann, § 10b EStG Rz 25;
KKB/Eckardt, § 10b EStG, 7. Aufl., Rz 17; Pust in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10b
Rz 169; offengelassen von Drüen/Liedtke, FR 2008, 1, 4;
andeutungsweise wie das FG hingegen Hüttemann,
Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 5. Aufl. 2021, Rz 8.101;
für eine Aufteilung in einen abziehbaren und einen nicht
abziehbaren Anteil Strahl/Stahl/Demuth in Korn, § 10b EStG Rz
28.7; differenzierend BeckOK EStG/Unger, 13. Ed. [01.07.2022], EStG
§ 10b Rz 107). Ganz einhellig wird diese Ansicht zudem zur -
wortlautidentischen - Parallelvorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2
Satz 8 KStG vertreten, soweit sich in der Kommentarliteratur
überhaupt Aussagen zu der vorliegend zu beurteilenden
Problematik finden (vgl. Märtens in Gosch KStG, 4. Aufl.,
§ 9 Rz 39; Kirchhain in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG,
1. Aufl. 2015, § 9 Rz 225; Schulte in Erle/Sauter, KStG, 3.
Aufl. 2010, § 9 Rz 53; Krämer in
Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum KStG, § 9 Rz
125).
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47
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b) Das FG hat seine Gesetzesauslegung allein
auf die Entstehungsgeschichte des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2
EStG gestützt, diese jedoch nicht vollständig ausgewertet
und ist so zu fehlerhaften Ergebnissen gelangt.
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48
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aa) Die genannte Norm geht auf eine lange
Tradition zunächst außer-, später untergesetzlicher
Regelungen zurück.
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49
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(1) Bis einschließlich des
Veranlagungszeitraums 1999 mussten gemeinnützige Zwecke durch
allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, die der
Zustimmung des Bundesrates bedurfte, allgemein als besonders
förderungswürdig anerkannt sein (§ 48 Abs. 2 EStDV
1955/1990). Damit verwies die EStDV auf die Anlage 7 zu R 111 Abs.
1 EStR (zuletzt EStR 1999). Nach Anlage 7 Nr. 4 zu R 111 Abs. 1
EStR 1999 war u.a. die Förderung kultureller Zwecke als
besonders förderungswürdig anerkannt; jedoch nur, wenn
der Empfänger der Zuwendung eine juristische Person des
öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle
war. Das für derartige Zuwendungen damit angeordnete
Durchlaufspendenverfahren schloss nach damaliger
Verwaltungsauffassung Mitgliedsbeiträge aus (R 111 Abs. 3 Satz
1 EStR 1999), so dass die Mitglieder von Körperschaften, die
kulturelle Zwecke förderten, ihre Pflichtbeiträge -
anders als Spenden - nicht als Sonderausgaben abziehen konnten.
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50
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In Bezug auf Körperschaften, die mehrere
- rechtlich unterschiedlich zu behandelnde - Förderzwecke
verfolgten, hatte der BFH seinerzeit die Auffassung vertreten, dass
alle Zuwendungen einheitlich zu beurteilen seien und es nicht auf
den tatsächlichen Verwendungszweck der einzelnen Zuwendung
ankomme (BFH-Urteil vom 18.11.1966 - VI R 167/66, BFHE 88, 282,
BStBl III 1967, 365 = SIS 67 02 40: für Zuwendungen an eine
kirchliche Körperschaft sollten stets die - geringeren -
Abzugsmöglichkeiten gelten, auch wenn die Zuwendung im
Einzelfall zur Förderung - steuerlich günstiger
behandelter - wissenschaftlicher Zwecke gegeben und
tatsächlich verwendet wurde; später als
„Überlagerungs- und
Abfärbetheorie“ bezeichnet).
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51
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(2) Da die Delegation der Abgrenzung des
Anwendungsbereichs des § 10b EStG an die Finanzverwaltung in
Rechtsprechung und Literatur zudem zunehmend kritisch gesehen wurde
(vgl. statt aller Senatsurteil vom 24.11.1993 - X R 5/91, BFHE 173,
519, BStBl II 1994, 683 = SIS 94 11 03, unter IV.), wurde mit
Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2000 die Bestimmung der als
besonders förderungswürdig geltenden Zwecke nicht mehr
der Finanzverwaltung überlassen, sondern erstmals
(unter)gesetzlich - § 48 Abs. 2 i.V.m. Anlage 1 EStDV 2000 -
geregelt (Verordnung zur Änderung der EStDV vom 10.12.1999,
BGBl I 1999, 2413). Für die in Anlage 1 Abschn. A zu § 48
Abs. 2 EStDV 2000 bezeichneten Zwecke waren sowohl Spenden als auch
Mitgliedsbeiträge abziehbar; für die in Anlage 1 Abschn.
B zu § 48 Abs. 2 EStDV 2000 bezeichneten Zwecke hingegen nur
Spenden (§ 48 Abs. 4 Satz 1 EStDV 2000).
Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die Zwecke
förderten, die sowohl in Abschn. A als auch in Abschn. B der
Anlage 1 bezeichnet waren, durften nach der ausdrücklichen
Regelung des § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV 2000 nicht abgezogen
werden.
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52
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Hinsichtlich aller in Anlage 1 Abschn. B zu
§ 48 Abs. 2 EStDV 2000 genannten Zwecke (u.a. kulturelle
Betätigungen, die in erster Linie der Freizeitgestaltung
dienen, vgl. Nr. 2 des Abschn. B) war ein Abzug von
Mitgliedsbeiträgen auch schon nach den früheren
Regelungen der Anlage 7 zu R 111 Abs. 1 EStR ausgeschlossen
gewesen. Für die Zuordnung zu den Abschn. A oder B war
maßgeblich, ob die Mitgliedsbeiträge bei typisierender
Betrachtung in der Regel aus altruistischen Motiven geleistet
werden oder ob sie überwiegend der Finanzierung von Leistungen
an Mitglieder dienen bzw. in erster Linie der eigenen
Freizeitgestaltung förderlich sind (Begründung zum
Entwurf der Verordnung zur Änderung der EStDV, BR-Drucks.
418/99, S. 11, 15). Das in § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV 2000
angeordnete Aufteilungsverbot wurde damit begründet, dass
Mitgliedsbeiträge den Gesamtverein beträfen und nicht
seinen einzelnen Zwecken zugeordnet werden könnten (BR-Drucks.
418/99, S. 15).
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53
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Nahezu zeitgleich gab der BFH - in
Entscheidungen, die noch zur Rechtslage vor der EStDV 2000 ergangen
waren - die Rechtsprechung zur Überlagerungs- und
Abfärbetheorie auf. Zuwendungen an Körperschaften, die
mehrere Zwecke verfolgten, die hinsichtlich des Abzugs von
Zuwendungen unterschiedlich behandelt wurden, waren nunmehr
(außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 48
Abs. 4 Satz 2 EStDV 2000) nach Maßgabe derjenigen
einkommensteuerrechtlichen Regelungen abziehbar, die für den
Zweck galten, der durch die Verwendung der Spende tatsächlich
gefördert wurde (BFH-Urteile in BFHE 190, 278, BStBl II 2000,
533 = SIS 00 04 89, unter II.2.c, und vom 15.12.1999 - XI R 93/97,
BFHE 190, 478, BStBl II 2000, 608 = SIS 00 05 42, unter
II.2.b).
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54
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(3) Mit dem Gesetz zur weiteren Stärkung
des bürgerschaftlichen Engagements (GSbE) vom 10.10.2007 (BGBl
I 2007, 2332) wurden ab dem Veranlagungszeitraum 2007 die
§§ 48, 49 EStDV 2000 sowie die Anlage 1 zu § 48 Abs.
2 EStDV 2000 aufgehoben. Die steuerbegünstigten Zwecke wurden
fortan im Katalog des § 52 Abs. 2 AO - und damit in einem
formellen Gesetz - abschließend aufgeführt. § 10b
Abs. 1 EStG wurde neu gefasst und enthielt in Satz 2 die Regelung,
die heute in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG zu finden ist. Eine
Norm, die dem Aufteilungsverbot des früheren § 48 Abs. 4
Satz 2 EStDV 2000 entspricht, wurde hingegen nicht in das EStG
aufgenommen.
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(4) Das Jahressteuergesetz (JStG) 2009 vom
19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) hat in § 10b Abs. 1 EStG den
heutigen Satz 7 (damals Satz 2) eingefügt. Danach sind
Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die Kunst und Kultur
gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO fördern,
abziehbar, soweit es sich nicht um Mitgliedsbeiträge nach Satz
8 Nr. 2 handelt, auch wenn den Mitgliedern Vergünstigungen
gewährt werden. Diese begünstigende Änderung sollte
rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2007 - dem
Inkrafttreten des GSbE - gelten (§ 52 Abs. 24b EStG i.d.F. des
JStG 2009). Sie diente der
„Klarstellung“, dass aufgrund des
Wegfalls des § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV 2000
Mitgliedsbeiträge an Kulturfördervereine selbst bei
Gewährung von Vergünstigungen abziehbar sein sollten
(Begründung zum Regierungsentwurf des JStG 2009 vom
02.09.2008, BT-Drucks. 16/10189, S. 49).
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56
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bb) Aus dieser Gesetzeshistorie kann -
entgegen der Auffassung des FG - nicht abgeleitet werden, dass
Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die neben
kulturellen Betätigungen, die in erster Linie der
Freizeitgestaltung dienen, noch einen anderen - nicht von §
10b Abs. 1 Satz 8 EStG erfassten - Zweck fördern, abziehbar
sein sollen, obwohl aus dem Gesetzeswortlaut das gegenteilige
Ergebnis folgt.
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57
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(1) Das FG hat für seine abweichende
Auffassung in erster Linie auf den Umstand hingewiesen, dass durch
das GSbE die - für
„Mehr-Zweck-Körperschaften“
geltende - Regelung des damaligen § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV
2000 aufgehoben worden ist, ohne zugleich eine identische Regelung
in § 10b EStG zu schaffen. Es hat hierin eine
„bewusste Entscheidung des
Gesetzgebers“ gesehen.
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Damit lässt das FG jedoch außer
Acht, dass sich die Regelungstechniken in § 48 Abs. 4 Satz 1
EStDV 2000 i.V.m. der Anlage 1 zu § 48 Abs. 2 EStDV 2000
einerseits und in § 10b Abs. 1 Sätze 7 und 8 EStG
andererseits grundlegend voneinander unterscheiden. Für die
bis 2006 geltende Rechtslage ergab sich allein aus der Anlage 1 zu
§ 48 Abs. 2 EStDV 2000 noch keine Antwort auf die Frage, wie
Mitgliedsbeiträge an Körperschaften zu behandeln waren,
die sowohl Zwecke nach Abschn. A als auch nach Abschn. B der Anlage
1 förderten. Beide Abschnitte waren gesetzestechnisch
gleichrangig; ein Vorrang des Abschn. B konnte aus der
Gesetzesfassung jedenfalls nicht herausgelesen werden. Es bedurfte
daher - insbesondere nach der Aufgabe der Überlagerungs- und
Abfärbetheorie durch den BFH - der ausdrücklichen
Kollisionsregelung des § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV 2000, um das
vom Normgeber gewünschte Ergebnis zu erreichen, dass bei
„Mehr-Zweck-Körperschaften“
ein Abzug von Mitgliedsbeiträgen schon dann ausgeschlossen
sein sollte, wenn die Körperschaft auch Zwecke nach Abschn. B
der Anlage 1 förderte.
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59
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Die ab 2007 geltenden Normen sind
demgegenüber grundlegend anders formuliert. § 10b Abs. 1
Satz 8 Nr. 2 EStG schließt den Abzug von
Mitgliedsbeiträgen an Körperschaften, die kulturelle
Betätigungen fördern, die in erster Linie der
Freizeitgestaltung dienen, generell aus (vgl. ausführlich oben
a). Ein Konkurrenzverhältnis zu einer anderen Norm, die den
Abzug von Mitgliedsbeiträgen zulässt, kann bei dieser
Regelungstechnik - anders als beim Konkurrenzverhältnis
zwischen den gleichrangigen Abschn. A und B der Anlage 1 zu §
48 Abs. 2 EStDV 2000 - von vornherein nicht entstehen, so dass es
einer besonderen gesetzlichen Regelung, die ein solches
Konkurrenzverhältnis auflöst (seinerzeit § 48 Abs. 4
Satz 2 EStDV 2000), nicht mehr bedurfte.
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60
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Dies wird durch § 10b Abs. 1 Satz 7 EStG
bestätigt, der für Körperschaften, die Kunst und
Kultur fördern, ausdrücklich den Vorrang des § 10b
Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG anordnet und seine begünstigende
Rechtsfolge nur auf die nicht von der zuletzt genannten Norm
erfassten Körperschaften beschränkt.
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(2) Darüber hinaus hat das FG sich
entscheidend auf eine Passage in der Begründung des
Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum GSbE gestützt, in der
es heißt, der Sonderausgabenabzug für
Mitgliedsbeiträge an Vereine zur Förderung kultureller
Einrichtungen solle verbessert werden (BT-Drucks. 16/5200, S. 12).
Aus dieser - sehr allgemein gehaltenen - Formulierung hat es
gefolgert, der heutige § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG sei in
besonderer Weise zugunsten kulturfördernder Vereine
auszulegen. Dabei übersieht das FG jedoch, dass diese
Formulierung in den Gesetzesmaterialien sich nicht auf jede
Körperschaft bezieht, die auch die Kultur fördert,
sondern nur auf die - heute durch § 10b Abs. 1 Satz 7 EStG
begünstigten - „passiven“
Kulturfördervereine („Förderung kultureller
Einrichtungen“), worauf in den
Gesetzesmaterialien nur zwei Absätze nach der vom FG
herangezogenen Formulierung hingewiesen wird. Darüber hinaus
heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs
ausdrücklich, Mitgliedsbeiträge an Körperschaften,
die „insbesondere die aktiv ausgeführten eigenen
kulturellen Betätigungen der Mitglieder (z.B. im Laientheater,
Laienchor, Laienorchester)“ fördern,
seien weiterhin vom Abzug ausgeschlossen; demgegenüber seien
Mitgliedsbeiträge an Körperschaften zur Förderung
kultureller Einrichtungen künftig als Sonderausgaben abziehbar
(BT-Drucks. 16/5200, S. 16). Die vom FG vorgenommene Gleichsetzung
der Förderung kultureller Einrichtungen mit der Förderung
eigener kultureller Betätigungen der Mitglieder wird daher der
vom Gesetzgeber gewollten und unmissverständlich in den
Gesetzesmaterialien vorgenommenen Differenzierung zwischen diesen
Betätigungen nicht gerecht.
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62
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c) Auch der erkennbare Normzweck spricht gegen
die vom FG vorgenommene Auslegung des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr.
2 EStG.
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63
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aa) Die mit dieser Regelung für bestimmte
Körperschaften angeordnete Differenzierung zwischen Spenden
und Mitgliedsbeiträgen nimmt die erheblichen rechtlichen und
tatsächlichen Unterschiede zwischen diesen beiden
Unterfällen der „Zuwendung“
(§ 10b Abs. 1 Satz 1 EStG) auf. Spenden sind begrifflich
entscheidend durch ihre Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit - d.h.
das Fehlen einer Gegenleistung - gekennzeichnet (Senatsurteil vom
15.01.2019 - X R 6/17, BFHE 263, 325, BStBl II 2019, 318 = SIS 19 01 81, Rz 40, m.w.N.). Demgegenüber fehlt es
Mitgliedsbeiträgen infolge der rechtlichen Verpflichtung zu
ihrer Zahlung zumindest an der Freiwilligkeit. Darüber hinaus
wird in vielen Fällen ein Mitgliedsbeitrag auch in Erwartung
einer Gegenleistung - zumindest im wirtschaftlichen Sinne - gezahlt
werden (vgl. zu Mitgliedsbeiträgen an Sportvereine BFH-Urteil
vom 28.04.1987 - IX R 7/83, BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814 = SIS 87 21 03, m.w.N. auf die Literatur; zur umsatzsteuerrechtlichen
Beurteilung BFH-Urteil vom 09.08.2007 - V R 27/04, BFHE 217, 314 =
SIS 07 31 80, unter II.4.).
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64
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Der Katalog des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG
will erkennbar aus den zahlreichen in § 52 Abs. 2 AO genannten
begünstigten Förderzwecken diejenigen herausgreifen, in
denen bei typisierender Betrachtung die Wertung,
Mitgliedsbeiträge seien zumindest im wirtschaftlichen Sinne
als Gegenleistung anzusehen, naheliegt. Dies wird - hinsichtlich
der Vorläuferregelung - schon aus der Begründung der
Verordnung zur Änderung der EStDV deutlich (vgl.
ausführlich oben III.3.b aa (2); ebenso zur aktuellen
Gesetzesfassung nochmals die Antwort der Bundesregierung vom
08.09.2021 auf eine Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten,
BT-Drucks. 19/32370, S. 2).
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65
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Die in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG
getroffene Abgrenzung ist auch sachgerecht und bildet den Normzweck
zutreffend ab. Alle dort genannten Förderzwecke zeichnen sich
durch eine große Nähe zum Freizeit- bzw. Hobbybereich
aus. Es wäre - auch verfassungsrechtlich - kaum zu
rechtfertigen, wenn Steuerpflichtige ihre Aufwendungen für die
Freizeitgestaltung nur deshalb einkommensteuerlich geltend machen
könnten, weil die Freizeitgestaltung mittels Zusammenschlusses
zu einer Körperschaft erfolgt, während alle anderen
Steuerpflichtigen ihre Freizeitaufwendungen aus versteuertem
Einkommen decken müssten.
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Der Abzug von (echten) Spenden bleibt
demgegenüber auch im Anwendungsbereich des § 10b Abs. 1
Satz 8 EStG im Rahmen der allgemeinen Höchstbeträge
möglich. Bei Spenden geht der Gesetzgeber, auch wenn diese an
einen - im Übrigen Mitgliedsbeiträge erhebenden -
Freizeitverein geleistet werden, in typisierender Weise davon aus,
dass sie nicht in erster Linie für die eigene
Freizeitgestaltung geleistet werden, deren Kosten schon durch die
nicht abziehbaren Mitgliedsbeiträge abgedeckt sein
sollten.
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67
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bb) Vor diesem Hintergrund stützt der
Normzweck die bereits aus dem Gesetzeswortlaut und der
Entstehungsgeschichte folgende Auslegung, dass die Rechtsfolge des
§ 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG bereits dann eintritt, wenn die
Körperschaft neben einem der dort genannten Zwecke auch noch
einen anderen Zweck verfolgt. Denn wenn der gegenteiligen
Auffassung des FG zu folgen wäre, könnten
Mitgliedsbeiträge, die der Finanzierung eigener
Freizeitaktivitäten des Steuerpflichtigen dienen, allein
deshalb abgezogen werden, weil die Körperschaft neben dem
Freizeitzweck noch einen anderen Zweck verfolgt. Dies stünde
dem erkennbaren Bestreben des Gesetzgebers, die Finanzierung
eigener Freizeitaktivitäten von der einkommensteuerlichen
Begünstigung auszuschließen, gerade entgegen.
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68
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cc) Die gesetzliche Differenzierung zwischen
den in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG genannten Körperschaften
einerseits und den übrigen Körperschaften andererseits
lässt damit eine klare Entscheidung des Gesetzgebers erkennen.
Diese darf nicht - so aber das FG - mit der Erwägung
überlagert werden, die vom Kläger betriebene musikalische
Ausbildung und Anleitung junger Menschen erscheine „in der
heutigen Zeit“ überragend wichtig und
förderungswürdig.
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d) Entgegen der Auffassung des Klägers
ist weder die gesetzliche Regelung als solche noch die vom Senat
vorgenommene Gesetzesauslegung verfassungswidrig.
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aa) Der Kläger sieht - im Anschluss an
Nacke, Deutsche Steuerzeitung 2008, 445, 447 f. - einen
Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)
abzuleitende Gebot folgerichtiger Normausgestaltung darin, dass
passive Kulturvereine Mitgliedsbeiträge abziehen können
(§ 10b Abs. 1 Satz 7 EStG), aktive Kulturvereine aber nicht
(§ 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG).
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bb) Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; grundlegend zum Folgenden Urteil
vom 09.12.2008 - 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210 = SIS 08 43 42, unter
C.I.2., m.w.N.) wird der bei der Auswahl des Steuergegenstands und
der Bestimmung des Steuersatzes grundsätzlich weitreichende
Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers im Bereich des EStG vor
allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt,
nämlich das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip
der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der
Folgerichtigkeit. Letzteres bedeutet, dass die einmal getroffene
Belastungsentscheidung bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen
Ausgangstatbestands folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit
umgesetzt werden muss. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen
Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes;
insoweit sind außerfiskalische Förderungs- und
Lenkungszwecke sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse
anerkannt. Der Gesetzgeber darf grundsätzlich
generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen
treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich
verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu
verstoßen. Er darf sich grundsätzlich am Regelfall
orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils
durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen
Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst
breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände
einschließende Beobachtung aufbauen. Insbesondere darf der
Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen
Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht
den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen.
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72
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Im Übrigen geht das Gebot folgerichtiger
Ausgestaltung der Normen über die allgemeinen Anforderungen
aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht hinaus (BVerfG-Beschluss vom 06.06.2018
- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, BVerfGE 149, 126, Rz 70).
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73
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cc) Nach diesen Maßstäben ist Art.
3 Abs. 1 GG in Gestalt des Gebots folgerichtiger Normausgestaltung
vorliegend nicht verletzt, da die Grenzen zulässiger
Typisierung gewahrt sind. Es ist nicht sachwidrig, dass der
Gesetzgeber davon ausgeht, durch die aktive Mitwirkung in
Laienorchestern usw. werde auch ein Freizeitbedürfnis des
Mitglieds verfolgt, so dass gezahlte Mitgliedsbeiträge bei
typisierender Betrachtung auch der Finanzierung eigener
Freizeitaktivitäten dienten. Umgekehrt ist es noch vertretbar,
in den Fällen des § 10b Abs. 1 Satz 7 EStG einen Abzug
von Mitgliedsbeiträgen zuzulassen, wenn zwar ein kultureller
Zweck gefördert wird, aber eben keine selbst ausgeübte
laienkulturelle Freizeittätigkeit. Der Gesetzgeber ist hier in
typisierender Weise davon ausgegangen, dass das altruistische
Handeln einen eventuellen eigenen Vorteil des Mitglieds aus der
kulturfördernden Tätigkeit der Einrichtung
überwiegt. Es kann dahinstehen, ob die vorgenommene
Differenzierung zwingend ist, sie stellt sich aber nicht als
evident sachwidrig dar (kritisch aber wesentliche Teile der
Literatur; vgl. Hüttemann, DB 2007, 2053, 2058:
„rechtspolitisch wenig
einleuchtend“; Hüttemann,
Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 5. Aufl. 2021, Rz 8.99:
„inhaltlich nicht befriedigende
Regelung“; Schauhoff/Kirchhain, DStR 2007,
1985, 1987: „Wertungsentscheidung des Gesetzgebers bleibt
ungewiss“; Strahl/Stahl/Demuth in Korn,
§ 10b EStG Rz 28.6: „kein vernünftiger Grund
ersichtlich“).
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74
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dd) Auch ist darauf hinzuweisen, dass die
„Eingriffsintensität“ des
§ 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG - tatsächlich bewegt sich
diese Norm im Bereich der Einschränkung einer
Begünstigung und ist daher für die verfassungsrechtliche
Betrachtung eher dem Subventions- als dem Eingriffsrecht zuzuordnen
- sich als vergleichsweise gering darstellt. Zum einen betrifft die
Regelung nur den Abzug von Mitgliedsbeiträgen;
demgegenüber können Spenden - also freiwillige und
unentgeltliche Zuwendungen - auch bei aktiven Kulturvereinen in dem
für alle steuerbegünstigten Körperschaften geltenden
Umfang abgezogen werden. Zum anderen sind gerade im Fall des
Klägers die vom Abzug ausgeschlossenen Mitgliedsbeiträge
sowohl aus Sicht der Mitglieder des Klägers (36 EUR
jährlich) als auch aus Sicht des Klägers absolut und
relativ geringfügig. Beim Kläger belaufen sich die
Mitgliedsbeiträge in den drei Jahren, zu denen das FG
Feststellungen getroffen hat (2017 bis 2019), auf durchschnittlich
weniger als 1.400 EUR jährlich und deutlich weniger als 10 %
seiner Gesamteinnahmen.
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75
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ee) Einen weiteren Verstoß gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz sieht der Kläger darin, dass
große Vereine die durch § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG
angeordnete Beschränkung - seiner Auffassung nach - dadurch
umgehen könnten, dass sie sich in einen aktiven und einen
passiven Kulturverein aufspalten, während kleine Vereine - wie
der Kläger - diese Möglichkeit nicht hätten.
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Jedoch würde es sich
wertungsmäßig um einen mit dem Streitfall nicht
vergleichbaren Sachverhalt handeln, wenn das Ergebnis einer solchen
„Aufspaltung“ wäre, dass die
aktiven Mitglieder weiterhin unter § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2
EStG fallende Mitgliedsbeiträge zahlen, während andere -
nicht aktiv im Bereich der Laienmusik tätige - Personen dem
Förderverein beitreten und ihre dortigen
Mitgliedsbeiträge gemäß § 10b Abs. 1 Satz 7
EStG abziehen könnten. Denn diese Personen würden dann
gerade nicht ihre eigene Freizeitgestaltung fördern, sondern
die Freizeitgestaltung Dritter. Ein solches - im Kern
altruistisches - Verhalten durfte der Gesetzgeber in auch
verfassungsrechtlich vertretbarer Weise vom Anwendungsbereich des
§ 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG ausnehmen.
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77
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Sollte das - nicht näher erläuterte
- Beispiel des Klägers hingegen dahingehend zu verstehen sein,
dass ein bisher einheitlicher Verein in zwei Vereine aufgespalten
wird, der aktive Kulturverein fortan auf die Erhebung von
Mitgliedsbeiträgen verzichtet, die aktiv im Bereich der
Freizeitmusik tätigen Mitglieder zugleich Mitglieder des
Fördervereins werden und dort ihre bisherigen
Mitgliedsbeiträge leisten, die der Förderverein
verabredungsgemäß dem aktiv tätigen Kulturverein
zur Verfügung stellt, könnte die Annahme eines
Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) naheliegen. Mit der
theoretischen Möglichkeit der Gesetzesumgehung durch eine
missbräuchliche Gestaltung kann aber ein
Verfassungsverstoß der allgemein geltenden gesetzlichen
Regelung nicht begründet werden.
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4. Der vom Kläger sowohl während des
Klage- als auch während des Revisionsverfahrens - wohl
hilfsweise - geäußerten Auffassung, § 50 EStDV
enthalte keine Regelung, die die Ausstellung von
Zuwendungsbestätigungen für Mitgliedsbeiträge
untersage, vermag der Senat nicht zu folgen.
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Einer derartigen ausdrücklichen Regelung
bedarf es angesichts der klaren Gesetzessystematik nicht. Zum einen
nimmt § 50 Abs. 1 EStDV auf „Zuwendungen im Sinne der
§§ 10b, 34g des Gesetzes“ Bezug
und bezieht damit auch die Regelung des § 10b Abs. 1 Satz 8
EStG ein, wonach Mitgliedsbeiträge an bestimmte
Körperschaften nicht nach § 10b EStG abziehbar sind.
Hieraus ergibt sich denklogisch, dass derartige Beiträge in
einer Zuwendungsbestätigung nicht als „Zuwendung i.S.
des § 10b EStG“ bescheinigt werden
dürfen. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus dem
Umstand, dass § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG unmittelbar nur
für Einkommensteuersubjekte gilt, nichts anderes, da diese
Regelung durch § 50 Abs. 1 EStDV in Bezug genommen wird und
die Vorschriften über die Ausstellung von
Zuwendungsbestätigungen gerade für steuerbegünstigte
Körperschaften wie den Kläger gelten.
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Zum anderen zeigt § 10b Abs. 4 Satz 2
EStG, dass der Gesetzgeber das mindestens grob fahrlässige
Ausstellen einer unrichtigen Zuwendungsbestätigung durch eine
Haftungsfolge sanktioniert.
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5. Die Sache ist entscheidungsreif.
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Der Kläger fördert - was auch das FG
im Ausgangspunkt nicht anders sieht - durch den Betrieb des
Laienorchesters kulturelle Betätigungen, die in erster Linie
der Freizeitgestaltung dienen. Denn die tatsächliche
Geschäftsführung des Klägers wird ausweislich der
vorgelegten und vom FG in Bezug genommenen - und damit i.S. des
§ 118 Abs. 2 FGO festgestellten - Unterlagen durch das
Unterhalten von Laien-Blasorchestern, die gemeinsamen Proben der
Mitglieder sowie die Auftritte der Blasorchester bei Konzerten und
Marschmusiken geprägt. Damit erfüllt der Kläger die
Voraussetzungen des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG, so dass
Mitgliedsbeiträge nicht als Sonderausgaben abziehbar sind.
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Hierfür kommt es nach den
Rechtsausführungen unter 3. nicht darauf an, ob der
Kläger zusätzlich auch noch andere Zwecke fördert,
so dass es für die Entscheidung über die Klage und die
Revision unerheblich ist, ob bzw. in welchem Umfang derartige
Zweckverfolgungen beim Kläger überhaupt feststellbar
sind. Damit steht der begehrte Feststellungsausspruch dem
Kläger nicht zu, weil der von ihm beanstandete Hinweis des FA
in den Freistellungsbescheiden für die Jahre 2014 bis 2016 und
2017 bis 2019 zutreffend ist; die Feststellungsklage ist
abzuweisen.
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6. Der Senat entscheidet mit
Einverständnis des Klägers und des FA - auf das (hier
nicht erklärte) Einverständnis des beigetretenen BMF soll
es nicht ankommen (BFH-Urteile vom 06.10.2005 - V R 64/00, BFHE
212, 132, BStBl II 2006, 212 = SIS 06 02 15, unter II.5.,
und vom 11.11.2010 - VI R 17/09, BFHE
232, 40, BStBl II 2011, 969 = SIS 11 01 54, Rz 11) - ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2,
§ 121 Satz 1 FGO).
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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