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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist die Mutter ihres 1988 geborenen Sohnes (S). S
nahm nach dem Abitur ein duales Hochschulstudium zum Bachelor im
Studiengang Steuerrecht auf, das am 29.2.2012 enden sollte.
Parallel dazu absolvierte er in einer Steuerberatungskanzlei eine
studienintegrierte praktische Ausbildung zum
Steuerfachangestellten, die er am 1.8.2008 begann und im Juni 2011
mit der Prüfung zum Steuerfachangestellten beendete. Im
März 2013 beendete S erfolgreich sein Bachelorstudium.
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Nach Beendigung seiner Ausbildung zum
Steuerfachangestellten arbeitete S ab 1.8.2011 mehr als 20 Stunden
pro Woche in einer anderen Steuerberatungskanzlei. Nach deren
Erklärungen vom 12.4.2012 und 12.6.2012 setzte S dort seine
Ausbildung durch eine studienbegleitende Betreuung fort. Ein
schriftlicher Vertrag über Inhalt und Umfang der
Tätigkeit bestand nicht. Die Entlohnung entsprach der eines
Steuerfachangestellten.
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Die Beklagte und Revisionsklägerin
(Familienkasse) hob die gegenüber der Klägerin erfolgte
Kindergeldfestsetzung für S mit Bescheid vom 16.2.2012 ab
1.1.2012 auf und forderte das für die Monate Januar und
Februar 2012 bereits ausbezahlte Kindergeld von der Klägerin
zurück. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit
Einspruchsentscheidung vom 31.7.2012 zurückgewiesen.
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Auf die dagegen gerichtete Klage hob das
Finanzgericht (FG) den Aufhebungsbescheid und die
Einspruchsentscheidung mit den in EFG 2014, 57 = SIS 14 02 33
veröffentlichten Gründen auf.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision
rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts. Zur
Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass S mit der
bestandenen Prüfung zum Steuerfachangestellten seine
Erstausbildung beendet habe. Die anschließend aufgenommene
Vollzeittätigkeit in einer Steuerberatungskanzlei sei daher
nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in
der im Streitzeitraum geltenden Fassung anspruchsschädlich
gewesen.
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Die Familienkasse beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 121 FGO).
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II. Die Revision der Familienkasse ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
FGO).
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1. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass
S im Streitzeitraum Januar 2012 bis August 2012 (Bekanntgabe der
Einspruchsentscheidung vom 31.7.2012) beim Kindergeldanspruch der
Klägerin nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
zu berücksichtigen ist, weil er das 18. Lebensjahr, aber noch
nicht das 25. Lebensjahr vollendet hatte und für einen Beruf
ausgebildet wurde.
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Die durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011
vom 1.11.2011 (BGBl I 2011, 2131, BStBl I 2011, 986 = SIS 11 36 17)
bewirkte Änderung des § 32 Abs. 4 Satz 2 ff. EStG
berührt den in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
verwendeten Begriff der Berufsausbildung nicht (s. hierzu auch die
Gesetzesbegründung in BRDrucks 54/11, S. 56, wonach eine
Einschränkung dieses Berufsausbildungsbegriffs nicht erfolgen
sollte). Das von S durchgeführte Studium bildet daher einen
Berücksichtigungstatbestand, unabhängig davon, ob es sich
um eine Erst- oder Zweitausbildung handelte (Senatsurteil vom
27.1.2011 III R 57/10, BFH/NV 2011, 1316 = SIS 11 23 23).
Anhaltspunkte dafür, dass S sich im Streitzeitraum Januar 2012
bis August 2012 nicht ernsthaft und nachhaltig auf sein Berufsziel
vorbereitet hatte (s. zu dieser Anforderung z.B. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.10.2012 VI R 102/10, BFH/NV 2013,
366 = SIS 13 04 15; vom 22.11.2012 V R 60/10, BFH/NV 2013, 531 =
SIS 13 06 96; Senatsurteil vom 22.12.2011 III R 67/10, BFH/NV 2012,
930 = SIS 12 13 01), wurden vom FG nicht festgestellt.
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2. Zutreffend ist das FG auch davon
ausgegangen, dass nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG eine
Erwerbstätigkeit nicht nur dann schädlich sein kann, wenn
das zu berücksichtigende Kind neben einer erstmaligen
Berufsausbildung zusätzlich (kumulativ) ein Erststudium
abgeschlossen hat.
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a) Das FG legte insoweit noch den im Zeitpunkt
der Entscheidung geltenden Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2
EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 zugrunde, wonach
ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung
und eines Erststudiums in den Fällen des § 32 Abs.
4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt wird, wenn es keiner
Erwerbstätigkeit nachgeht. Das FG hat den Begriff
„und“ implizit so interpretiert, dass es sich
hierbei um alternative und nicht um kumulative Voraussetzungen
handelt. Anderenfalls hätte sich die vom FG behandelte
Abgrenzungsfrage, ob mit dem Abschluss der Ausbildung zum
Steuerfachangestellten eine neben dem Studium ausgeübte
Erwerbstätigkeit kindergeldschädlich ist, nicht
gestellt.
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b) Der Senat hat indes die mittlerweile
eingetretene Rechtsänderung zu berücksichtigen (s. hierzu
Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 78,
m.w.N.) und bereits § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des Art. 2
Nr. 13 des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur
Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26.6.2013 (BGBl I 2013,
1809, BStBl I 2013, 802, Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz -
AmtshilfeRLUmsG - ) anzuwenden. Danach wird ein Kind nach Abschluss
einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums
in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur
berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.
Die Regelung trat rückwirkend zum 1.1.2012 in Kraft (Art. 31
Abs. 2 AmtshilfeRLUmsG).
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c) Offen bleiben kann, ob die durch das
AmtshilfeRLUmsG bewirkte Änderung des § 32 Abs. 4 Satz 2
EStG eine unzulässige Rückwirkung im Sinne der neueren
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (Beschluss
vom 17.12.2013 1 BvL 5/08, BGBl I 2014, 255 = SIS 14 07 79)
enthält. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, müsste
der dann geltende § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des
Steuervereinfachungsgesetzes 2011 in dem Sinne ausgelegt werden,
wie es das FG getan hat.
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aa) Das BVerfG entscheidet in diesen
Fällen allein über die Verfassungsmäßigkeit
der Rückwirkung, nicht über die verbindliche Auslegung
des einfachen Rechts, das der Gesetzgeber rückwirkend
ändern wollte. Hält das BVerfG die Rückwirkung
für verfassungswidrig, ist es weiterhin der
Fachgerichtsbarkeit aufgegeben, den Inhalt der alten Rechtslage
durch Auslegung zu klären. Dabei kann sich auch ergeben, dass
die Norm gerade so zu verstehen ist, wie es der Gesetzgeber
nachträglich festgestellt wissen wollte (s. im Einzelnen
BVerfG-Beschluss in BGBl I 2014, 255, unter B.II.2.b cc (1)
(b)).
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bb) Nach Auffassung des Senats ist auch die
ursprüngliche Formulierung („und“ statt
„oder“) nicht als eine Aufzählung
verschiedener Tatbestandsvoraussetzungen zu verstehen. Zwar sollte
bei der sprachlichen Fassung von Gesetzestexten das Wort
„und“ immer dann verwendet werden, wenn in einer
Rechtsvorschrift verschiedene Tatbestandsvoraussetzungen oder
Rechtsfolgen kumulativ festgelegt werden sollen (s. Rz 90 des
Handbuchs der Rechtsförmlichkeiten, Bundesanzeiger Nr. 160a
vom 22.10.2008). Die Gesetzeshistorie spricht jedoch dafür,
dass dies im vorliegenden Fall nicht dem Willen des Gesetzgebers
entsprach. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum
Steuervereinfachungsgesetz 2011 (BRDrucks 54/11, S. 6) verwendete
noch den Ausdruck „oder“. Auch in der
Gesetzesbegründung wurde ausgeführt, dass zukünftig
eine Erwerbstätigkeit nur noch bis zum Abschluss der ersten
Berufsausbildung oder eines Erststudiums eines Kindes außer
Betracht bleiben soll (BRDrucks 54/11, S. 55 f.). Der
Finanzausschuss des Bundestags empfahl hingegen, den Ausdruck
„oder“ durch das Wort „und“
zu ersetzen (BTDrucks 17/6105, S. 12), um die Formulierung an
§ 12 Nr. 5 EStG anzupassen (BTDrucks 17/6146, S. 14). Dem
folgte der Bundestag (BRDrucks 360/11, S. 5). In der Folge wies der
Finanzausschuss des Bundesrates darauf hin, dass der verwendeten
Formulierung im Rahmen des § 12 Nr. 5 EStG eine andere
Bedeutung zukomme als im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
Er führte zudem aus, dass eine kumulative Voraussetzung
(Berufsausbildung und Erststudium) weder gewollt noch sinnvoll sei
und deshalb zum ursprünglichen Wortlaut zurückzukehren
sei (BRDrucks 360/1/11, S. 5). Dieser Anregung ist der Gesetzgeber
zwar im weiteren Gesetzgebungsverfahren nach Durchführung des
Vermittlungsverfahrens nicht gefolgt. Da jedoch nicht ersichtlich
ist, dass mit dem Änderungsbegehren des Finanzausschusses des
Bundestages eine über die bloße redaktionelle Anpassung
an § 12 Nr. 5 EStG hinausgehende inhaltliche Änderung des
Gesetzentwurfs bezweckt wurde, und sich ein derartiges Anliegen
auch aus dem Vermittlungsverfahren (BTDrucks 17/7025, BRDrucks
568/11) nicht ergibt, geht der Senat davon aus, dass die
Rückkehr zum ursprünglichen Wortlaut entweder nur wegen
eines redaktionellen Versehens im Vermittlungsverfahren
unterblieben ist oder der Begriff „und“ nur zur
Kennzeichnung eines Fallbeispiels (Erststudium als Unterfall der
Erstausbildung) Verwendung finden sollte. Entsprechend wäre
auch die ursprüngliche Gesetzesfassung trotz der Verwendung
des Wortes „und“ nicht im Sinne von kumulativen,
sondern von alternativen Voraussetzungen zu lesen gewesen (ebenso
Bering/Friedenberger NWB 2012, 278, 282, die die Formulierung im
Sinne von „sowohl ... als auch“ interpretieren;
Felix, NJW 2012, 22, 24 f., wonach eine andere Auslegung ihrerseits
verfassungsrechtliche Probleme aufwürfe).
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3. Zu Recht ist das FG weiter davon
ausgegangen, dass ein Kind, das ein duales Studium durchführt,
seine Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG noch
nicht mit der erfolgreichen Absolvierung der studienintegrierten
praktischen Ausbildung im Lehrberuf (hier zum
Steuerfachangestellten) beendet, sondern die Erstausbildung bis zum
Abschluss des parallel zum Studium durchgeführten
Bachelorstudiums fortdauert. Dies beruht auf folgenden
Erwägungen:
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a) § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist dahin
auszulegen, dass der Begriff des Erststudiums nur einen Unterfall
des Oberbegriffes der erstmaligen Berufsausbildung darstellt.
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Der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
lässt zwar sowohl die Interpretation zu, dass durch den
Begriff der erstmaligen Berufsausbildung nur Ausbildungsgänge
erfasst werden, die kein Studium an einer Hochschule beinhalten,
als auch die Interpretation, dass die erstmalige Berufsausbildung
den Oberbegriff bildet und das Erststudium nur einen Unterfall der
erstmaligen Berufsausbildung darstellt. Der normale Sprachgebrauch
spricht jedoch eher für die zweite Auslegungsvariante, da
danach üblicherweise - wie im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz
1 Nr. 2 Buchst. a EStG - auch ein Studium als Berufsausbildung
anzusehen ist.
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Diese Auslegung wird auch durch die
Gesetzesmaterialien gestützt. So führte der Gesetzgeber
aus, nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines
Erststudiums bestehe die widerlegbare Vermutung, dass das Kind in
der Lage sei, sich selbst zu unterhalten, und dass diese Vermutung
durch den Nachweis als widerlegt gelte, dass das Kind sich in
„einer weiteren Berufsausbildung“ befinde und
tatsächlich keiner weiteren (schädlichen)
Erwerbstätigkeit nachgehe (BRDrucks 54/11, S. 55 f.). Insoweit
verwendet der Gesetzgeber den Begriff der weiteren Berufsausbildung
als Oberbegriff für ein weiteres Studium und eine weitere
andere Art der Berufsausbildung. Entsprechendes gilt, soweit der
Gesetzgeber ausführt, dass ein Studium dann ein erstmaliges
Studium darstelle, wenn es sich um eine
„Erstausbildung“ handele (BRDrucks 54/11, S. 55
f.).
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b) Der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
verwendete Berufsausbildungsbegriff ist enger auszulegen als das in
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete
Tatbestandsmerkmal „Kind, das ... für einen Beruf
ausgebildet wird“.
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Der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
gibt auf die Frage, ob der Begriff der Berufsausbildung - wie im
Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG - dahin
auszulegen ist, dass darunter jede allgemein berufsqualifizierende
Maßnahme zu fassen ist, oder ein engeres Verständnis
erfordert, allenfalls insoweit eine Antwort, als der Begriff
„erstmaligen“ darauf hindeutet, dass die
Berufsausbildung auf einen Abschluss ausgerichtet sein muss.
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Auch die Gesetzesmaterialien sprechen
dafür, dass der Gesetzgeber für den in § 32 Abs. 4
Satz 2 EStG verwendeten Begriff der Berufsausbildung einen
eingeschränkteren Anwendungsbereich vorsehen wollte als
für den in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
geregelten Berücksichtigungstatbestand. Danach soll der in
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendete Begriff der
Berufsausbildung enger gefasst sein und sicherstellen, dass nicht
bereits jede allgemein berufsqualifizierende Maßnahme zum
Verbrauch der Erstausbildung führt (BRDrucks 54/11, S. 55 f.).
Voraussetzung soll danach zum einen sein, dass das Kind durch die
berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen
Fähigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines
Berufs befähigen, weshalb insbesondere der Besuch einer
allgemein bildenden Schule keine erstmalige Berufsausbildung
vermitteln soll. Zum anderen muss der Beruf nach der
Gesetzesbegründung durch eine Ausbildung im Rahmen eines
öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt
werden und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung
abgeschlossen werden, weshalb beispielsweise ein bloßer
Computerkurs nicht für eine Erstausbildung ausreichen soll
(BRDrucks 54/11, S. 55 f.). Ziel dieser beiden Einschränkungen
ist es, die berücksichtigungsschädliche Wirkung des
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu begrenzen.
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c) Für die Frage, ob bereits der erste
(objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem
öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch
der Erstausbildung führen soll oder ob bei einer mehraktigen
Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem
öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der
Erstausbildung sein kann, ist darauf abzustellen, ob sich der erste
Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen
Ausbildungsgangs darstellt.
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aa) Wortlaut und Gesetzesmaterialien lassen
nicht erkennen, ob bereits der erste (objektiv)
berufsqualifizierende Abschluss zum Verbrauch der Erstausbildung
führen soll. So kann die Formulierung „Eine
Berufsausbildung liegt demnach vor, wenn der Steuerpflichtige durch
eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen
fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur
Aufnahme eines Berufs befähigen“ (BRDrucks 54/11, S.
55 f.) sowohl dahin interpretiert werden, dass das Kind
befähigt sein müsse, irgendeinen Beruf aufzunehmen, als
auch dahin, dass es befähigt sein müsse, einen von ihm
angestrebten Beruf aufzunehmen.
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bb) Die systematische Stellung des § 32
Abs. 4 Satz 2 EStG und der Sinn und Zweck der Norm sprechen indes
dafür, mehraktige Ausbildungsmaßnahmen dann als Teil
einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie
zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die
Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden
soll und das angestrebte Berufsziel erst über den
weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (in diesem
Sinne auch Seiler in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 32 Rz
17).
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Die Funktion des steuerlichen
Familienleistungsausgleichs besteht primär darin, einen
Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums eines Kindes
einschließlich der Bedarfe für Betreuung, Erziehung oder
Ausbildung eines Kindes steuerlich freizustellen (§ 31 Satz 1
EStG). Bei Kindern in Ausbildung dient der Freibetrag für
Betreuung und Erziehung oder Ausbildung der Abdeckung des
allgemeinen Ausbildungsbedarfs (Jachmann, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rz A 91), zu dem
nach der Rechtsprechung des BFH auch der Ausbildungsunterhalt i.S.
von § 1610 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zählt
(Urteil vom 17.12.2009 VI R 63/08, BFHE 227, 487, BStBl II 2010,
341 = SIS 10 02 66). Die steuerliche Berücksichtigung solcher
Belastungen ist dabei nicht vollständig in das Ermessen des
Gesetzgebers gestellt. Denn die Eltern können sich ihnen nicht
beliebig entziehen, sondern sind im Gegenteil schon nach dem
Unterhaltsrecht des BGB weitgehend dazu verpflichtet, ihren Kindern
zumindest „eine“ Berufsausbildung zu finanzieren
(s. hierzu BFH-Urteil in BFHE 227, 487, BStBl II 2010, 341 = SIS 10 02 66).
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Unter Berücksichtigung dieser
verfassungsrechtlichen Funktion des steuerlichen
Familienleistungsausgleichs hat die Rechtsprechung bereits bei der
Auslegung des Berufsausbildungsbegriffes des § 32 Abs. 4 Satz
1 Nr. 2 Buchst. a EStG auch das durch die Eltern und das Kind
definierte Berufsziel miteinbezogen. So ist in ständiger
Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass sich in Berufsausbildung
befindet, wer „sein Berufsziel“ noch nicht
erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet
(z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 366 = SIS 13 04 15, und in BFH/NV
2013, 531 = SIS 13 06 96; Senatsurteil in BFH/NV 2012, 930 = SIS 12 13 01). Unter Berufsausbildung wird deshalb die Erlangung der
für die Ausübung des „angestrebten“
Berufs geeigneten Grundlagen verstanden (z.B. BFH-Urteile vom
16.4.2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523 = SIS 02 84 87, Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Offizier; vom
26.8.2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26 = SIS 10 39 54, betr.
Traineetätigkeit). Der BFH erkennt damit zum einen an, dass
den Eltern und dem Kind von Verfassungs wegen ein weiter
Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung der Ausbildung zukommt
(BFH-Urteil vom 9.6.1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999,
701 = SIS 99 18 09). Zum anderen verweist er hinsichtlich dieses
Auslegungsergebnisses auf den Sinn und Zweck des seit dem 1.1.1996
geltenden steuerrechtlichen Kindergelds, wonach das Existenzminimum
eines Kindes von der Besteuerung auszunehmen ist, weil durch den
kindbedingten Aufwand die steuerliche Leistungsfähigkeit der
Eltern gemindert wird (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999,
701 = SIS 99 18 09, unter Verweis auf den BVerfG-Beschluss vom
29.5.1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60,
BStBl II 1990, 653 = SIS 90 14 01).
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Dieser systematische Zusammenhang spricht
dafür, dass auch im Rahmen der durch § 32 Abs. 4 Satz 2
EStG erfolgten Abgrenzung - zwischen der steuerlich zu
berücksichtigenden Unterhaltsverantwortung der Eltern für
„eine“ Ausbildung des Kindes und der
Verantwortung des Kindes für die eigene Unterhaltssicherung -
bei mehraktigen Ausbildungen das von den Eltern und dem Kind
bestimmte Berufsziel nicht außer Betracht gelassen werden
darf. Ist daher aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass
das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche
Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet
hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil
der Erstausbildung zu qualifizieren sein. Abzustellen ist dabei
darauf, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative
Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es
vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen
sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe
fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen
Zusammenhang durchgeführt werden.
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cc) Nichts anderes ergibt sich aus der in
§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG vorgesehenen Einschränkung der
Vermutungsregel des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Danach ist eine
nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines
Erststudiums ausgeübte Erwerbstätigkeit
anspruchsunschädlich, wenn sie im Rahmen einer
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit mit bis zu
20 Stunden, einem Ausbildungsdienstverhältnis oder einem
geringfügigen Beschäftigungsverhältnis i.S. der
§§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch
ausgeübt wird.
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Hintergrund dieser Regelung ist die
Überlegung, dass eine Erwerbstätigkeit dann
schädlich sein soll, wenn sie Zeit und Arbeitskraft des Kindes
überwiegend in Anspruch nimmt (BRDrucks 54/11, S. 55 f.). Auch
in der Literatur (Bering/Friedenberger NWB 2012, 278, 281) wird
argumentiert, dass das Kind seiner Berufsausbildung nicht mehr
ernsthaft und hinreichend nachgehen könne, wenn es
regelmäßig in Vollzeit arbeite; ebenso sollten
Fälle der „Pro-forma-Immatrikulation“ eines
Vollzeitbeschäftigten aus dem steuerlichen
Berücksichtigungstatbestand ausgeschlossen werden. Jedoch
erfordert auch der insoweit zum Ausdruck kommende Aspekt der
Missbrauchsverhinderung nicht, dass die in § 32 Abs. 4 Satz 2
EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale der erstmaligen
Berufsausbildung und des Erststudiums immer bereits dann als
erfüllt angesehen werden müssen, wenn das Kind -
unabhängig vom angestrebten Berufsziel - irgendeinen
berufsqualifizierenden Abschluss erlangt hat. Denn die Vermeidung
eines solchen Missbrauchs findet bei konsequenter Anwendung der
BFH-Rechtsprechung bereits auf der vorgelagerten Ebene des
Berufsausbildungsbegriffes des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Buchst. a EStG statt. Wie bereits ausgeführt wurde, befindet
sich ein Kind nur dann in Berufsausbildung, wenn es sein Berufsziel
noch nicht erreicht hat, „sich aber ernsthaft und
nachhaltig darauf vorbereitet“ (z.B. BFH-Urteile in
BFH/NV 2013, 366 = SIS 13 04 15, und in BFH/NV 2013, 531 = SIS 13 06 96; Senatsurteil in BFH/NV 2012, 930 = SIS 12 13 01). Eine
strenge Prüfung der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der
Ausbildungsbemühungen auf der Ebene des § 32 Abs. 4 Satz
1 Nr. 2 Buchst. a EStG trägt zudem dazu bei, dass Missbrauch
nicht nur im Falle des Abschlusses einer objektiv
berufsqualifizierenden Erstausbildung, sondern in jedem von §
32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfassten Fall verhindert
werden kann. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass Kinder,
die im Rahmen einer mehraktigen Ausbildung einen ersten Abschluss
erlangt haben, häufig nur vorübergehend - insbesondere
während weniger lernintensiver Zeiträume wie den
Semesterferien - ihren Erwerbstätigkeitsumfang erhöhen
und deshalb ihre gesamte Ausbildung gleichwohl in üblichem
Zeitrahmen beenden werden können. Daher dürften in
solchen Fällen bereits im Rahmen der Prüfung des §
32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG keine Missbrauchsanzeichen
erkennbar werden.
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dd) Für eine Beschränkung des
Erstausbildungsbegriffes auf den ersten (objektiv)
berufsqualifizierenden Abschluss spricht schließlich auch
nicht, dass bei Kindern, die nach einem solchen Abschluss einer den
Umfang des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG überschreitenden
Erwerbstätigkeit nachgehen, die Freistellung des
Existenzminimums des Kindes im Rahmen der Besteuerung der
Einkünfte des Kindes stattfindet. Denn selbst bei Annahme
einer ganzjährigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen
Arbeitszeit von 21 Stunden ergäben sich unter Zugrundelegung
eines Stundensatzes von 7,50 EUR oder 8,50 EUR - wie er für
typische Aushilfstätigkeiten von in Ausbildung befindlichen
Kindern nicht unüblich ist - nach Berücksichtigung
üblicher Abzugsbeträge (insbesondere für
Werbungskosten) häufig unter dem Existenzminimum liegende
Einkünfte des Kindes (s. hierzu auch Felix, NJW 2012, 22, 27,
zum Fall einer studentischen Hilfskraft). Dies hätte zur
Folge, dass bei Anwendung der Verwaltungsauffassung eine effektive
steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes sowohl auf
der Ebene der Besteuerung der Eltern als auch auf der Ebene der
Besteuerung des Kindes fehlschlagen könnte.
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ee) Schließlich sieht sich der Senat bei
der Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten
Begriffe der erstmaligen beruflichen Ausbildung und des
Erststudiums auch nicht an eine ggf. hiervon abweichende Auslegung
dieser Begriffe im Rahmen des § 12 Nr. 5 EStG gebunden. Die
beiden Regelungen unterscheiden sich bereits insoweit, als sie die
steuerliche Anerkennung unterschiedlicher Gegenstände
betreffen. Während es im Rahmen des
Familienleistungsausgleichs primär um die steuerliche
Berücksichtigung des Existenzminimums des in Ausbildung
befindlichen Kindes einschließlich des Ausbildungsbedarfs
geht, regelt § 12 Nr. 5 EStG die steuerliche Anerkennung von
Aufwendungen für die Ausbildung. Entsprechend muss die
Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG den Anforderungen des
subjektiven Nettoprinzips genügen, während die
Rechtsprechung bei der Anwendung des § 12 Nr. 5 EStG die
folgerichtige Umsetzung des objektiven Nettoprinzips in den Blick
nimmt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 227, 487, BStBl II 2010, 341 = SIS 10 02 66). Entsprechend hat der BFH auch in seiner bisherigen
Rechtsprechung bereits die Unabhängigkeit der beiden
Regelungskomplexe betont (BFH-Urteil vom 27.5.2003 VI R 33/01, BFHE
202, 314, BStBl II 2004, 884 = SIS 03 29 58).
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4. Überträgt man diese
Rechtsgrundsätze auf den Streitfall, so ist das FG zu Recht
davon ausgegangen, dass die Erstausbildung des S mit der
bestandenen Prüfung zum Steuerfachangestellten noch nicht
beendet war.
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Nach den Feststellungen des FG bildete die
Ausbildung zum Steuerfachangestellten einen integrativen
Bestandteil einer von S angestrebten mehraktigen Ausbildung, die
auch den im Rahmen des Hochschulstudiums zu erlangenden
weitergehenden Abschluss zum Bachelor im Studiengang Steuerrecht
mitumfasste. Dass die beiden Abschlüsse in einem engen
sachlichen Zusammenhang standen, ergibt sich dabei bereits daraus,
dass sie sich inhaltlich schwerpunktmäßig auf denselben
Fachbereich, den Themenbereich Steuerrecht, bezogen und damit -
wenn auch ggf. auf unterschiedlichen Qualifikationsstufen - auf
dasselbe Berufsfeld vorbereiteten. Die Ausbildungsgänge
standen auch in einem engen zeitlichen Zusammenhang. Sie wurden
zunächst parallel zueinander verfolgt. Nach Beendigung der
Ausbildung zum Steuerfachangestellten wurde die Ausbildung zum
Bachelor ohne beachtliche Unterbrechung fortgeführt und
beendet. Da somit auch der weitergehende Bachelorabschluss noch als
Teil der Erstausbildung des S zu qualifizieren ist, hat das FG zu
Recht nicht darauf abgestellt, ob S im Streitzeitraum Januar 2012
bis August 2012 einer schädlichen Erwerbstätigkeit i.S.
des § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG nachgegangen ist.
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