Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 22.12.2017 4 K 3336/17
Kg wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
1
|
I. Streitig ist, ob der Besuch einer
Missionsschule eine Berufsausbildung darstellt.
|
|
|
2
|
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) beantragte im August 2017
für ihren Sohn J Kindergeld ab November 2017.
|
|
|
3
|
J besuchte ab November 2017 für
insgesamt zehn Monate die X-Missionsschule, eine kirchliche
Internatsschule in A. Die Schule ist eine Einrichtung der
Freikirche und hat den Status einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts.
|
|
|
4
|
Die Beklagte und Revisionsbeklagte (die
Familienkasse) lehnte den Antrag ab. Die Voraussetzungen des §
32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den Bezug von
Kindergeld für ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet
habe, seien nicht erfüllt. J habe sich insbesondere nicht in
einer Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Buchst. a EStG befunden. Die Ausbildung an der X-Missionsschule sei
keine Ausbildung i.S. dieser Vorschrift.
|
|
|
5
|
Im Einspruchsverfahren legte die
Klägerin eine Schulbescheinigung sowie die Publikation
„...“ vor, auf deren Inhalt Bezug genommen
wird.
|
|
|
6
|
Die Familienkasse wies den Einspruch
zurück. Im anschließenden Klageverfahren machte die
Klägerin geltend, ihr Sohn strebe eine berufliche
Tätigkeit im sozialen, theologischen oder gesundheitlichen
Bereich an. Durch den Besuch der Schule würden auf einen Beruf
in diesem Bereich vorbereitende Kenntnisse und Erfahrungen
vermittelt. Die religiöse Ausrichtung oder die Formung der
Persönlichkeit der Studierenden stehe hingegen nicht im
Vordergrund.
|
|
|
7
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Es vertrat die Ansicht, dass der Schulbesuch nicht der Vorbereitung
auf einen konkret angestrebten Beruf diene. Unter
Berücksichtigung der Lernziele und des Studienplans stehe die
Persönlichkeits- und Charakterbildung i.S. des Leitbilds der
Schule im Vordergrund. Nach den vorgelegten Unterlagen sowie den
Angaben auf der schuleigenen Homepage zielten die vermittelten
Inhalte darauf ab, die Studierenden zu aktiven und wertvollen
Mitgliedern der Gemeinde auszubilden. So umfassten die
Unterrichtsbereiche „D“, „E“,
„F“ und „G“ insgesamt 380
Unterrichtsstunden. Dies entspreche über 70 % der im
Studienplan vorgesehenen Gesamtstundenzahl. Weiterhin führte
das FG aus, dass diese Unterrichtsbereiche in keinem Bezug zu einer
von J angestrebten beruflichen Tätigkeit stünden.
|
|
|
8
|
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den
Begriff der „Ausbildung für einen Beruf“ i.S. des
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht zutreffend
ausgelegt. Dem Kind und den Eltern werde bei der Berufsausbildung
ein weiter Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Gestaltung der
Ausbildung gewährt. Dem Kind sei es daher auch zu gestatten,
Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen
Bildungsgangs zu ergreifen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
9.6.1999 VI R 24/99, BFH/NV 2000, 27 = SIS 00 50 22). Es komme
entgegen der Auffassung des FG auch nicht darauf an, ob der
Schulbesuch der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf
diene.
|
|
|
9
|
Die X-Missionsschule lege großen Wert
auf konkrete Lernziele, die sich in verschiedenen
Unterrichtsbereichen an den vier Stufen des
Jüngerschaftspfades orientieren. Das Hauptziel sei, den
Studierenden zu helfen, sich für ein Leben in der Nachfolge
Jesu zu entscheiden. Zudem sollen auch Fähigkeiten im Bereich
der Gesundheitsförderung und -prävention vermittelt
werden. Des Weiteren lerne man, wie man christliche Gruppen
anleite. Das gelernte Wissen werde auch praktisch umgesetzt, z.B.
durch Missionseinsätze, Sozialprojekte und
Gottesdienstgestaltungen. Die Studierenden werden somit auf eine
Tätigkeit in der kirchlichen Erwachsenenbildung vorbereitet.
Die Ausbildung diene als Orientierungsjahr sowie als
Berufsvorbereitung für die Bereiche Theologie und
Gesundheitswesen. Eine inhaltliche Wertung der Ausbildung stehe der
Familienkasse nicht zu.
|
|
|
10
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG Münster vom 22.12.2017
4 K 3336/17 Kg aufzuheben und die Familienkasse unter Aufhebung
ihres Bescheids vom 4.9.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 5.10.2017 zu verpflichten, Kindergeld wie beantragt zu
gewähren.
|
|
|
11
|
Die Familienkasse beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Entscheidung des FG, J habe
sich während des Besuchs der X-Missionsschule nicht in einer
Berufsausbildung befunden, ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
|
|
|
13
|
1. Für ein volljähriges Kind besteht
nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG - unter weiteren, hier nicht
streitigen Voraussetzungen - Anspruch auf Kindergeld, wenn es
für einen Beruf ausgebildet wird.
|
|
|
14
|
a) In Berufsausbildung befindet sich, wer
„sein Berufsziel“ noch nicht erreicht hat, sich
aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 3.7.2014 III R 52/13, BFHE
246, 427, BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 29, m.w.N.). Dieser
Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse,
Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als
Grundlagen für die Ausübung des
„angestrebten“ Berufs geeignet sind
(ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 2.4.2009 III R
85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298 = SIS 09 22 49, Rz 9,
m.w.N.), und zwar unabhängig davon, ob die
Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder
Studienordnung vorgeschrieben sind (BFH-Urteile vom 18.3.2009 III R
26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296 = SIS 09 27 02; vom
9.6.1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701 = SIS 99 18 09; vom 10.5.2012 VI R 72/11, BFHE 237, 499, BStBl II 2012, 895 =
SIS 12 19 67, Rz 12).
|
|
|
15
|
b) Dieser weite Berufsausbildungsbegriff
bedeutet aber nicht, dass jedweder Erwerb von Fertigkeiten
jeglicher Art als Berufsausbildung anzusehen ist. Denn das
Tatbestandsmerkmal „für einen Beruf ausgebildet
wird“ i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG erfordert, dass der Erwerb der Kenntnisse
regelmäßig einen konkreten Bezug zu dem angestrebten
Beruf aufweisen muss.
|
|
|
16
|
aa) Dieser Bezug wird grundsätzlich
unterstellt, wenn ein Kind eine Ausbildung absolviert, die im
Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsgangs erlernt
wird. Entsprechendes gilt regelmäßig auch dann, wenn es
um das Erlernen oder um die Verbesserung von Fremdsprachen geht,
soweit die Vermittlung der Sprachkenntnisse mit anerkannten Formen
der Berufsausbildung verbunden oder von einem
theoretisch-systematischen Unterricht von einer gewissen
Mindestdauer begleitet wird. Der Umfang und die systematische
Vermittlung rechtfertigen den Schluss auf eine hinreichend
gründliche (Sprach-)Ausbildung (vgl. BFH-Urteil vom 19.2.2002
VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469 = SIS 02 08 23;
Senatsurteil vom 9.2.2012 III R 78/09, BFH/NV 2012, 940 = SIS 12 13 07).
|
|
|
17
|
bb) Der konkrete Bezug zu einem angestrebten
Beruf erlangt indessen in den Fällen, in denen der
Ausbildungscharakter der Maßnahmen zweifelhaft ist,
entscheidende Bedeutung (Senatsurteil vom 8.5.2014 III R 41/13,
BFHE 245, 237, BStBl II 2014, 717 = SIS 14 19 35). Entscheidend ist
der hinreichende inhaltliche Zusammenhang zu einem von dem Kind
angestrebten Beruf. Auf dieser Grundlage grenzen sich die zu
beurteilenden Maßnahmen von den kindergeldrechtlich nicht
förderungsfähigen Tätigkeiten zur Erlangung
allgemeiner Erfahrungswerte ab.
|
|
|
18
|
(1) Dies gilt beispielsweise für
Sprachaufenthalte im Ausland in Abgrenzung von längeren
Urlauben und sonstigen Auslandsaufenthalten, wenn der Unterricht
weniger als zehn Wochenstunden umfasst. Nur soweit der
Auslandsaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung
zwingend vorgeschrieben ist oder dazu dient, ein gutes Ergebnis in
einem für die Zulassung zum angestrebten Studium oder zu einer
anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest (z.B.
TOEFL oder IELTS) zu erlangen (BFH-Urteil vom 26.10.2012 VI R
102/10, BFH/NV 2013, 366 = SIS 13 04 15; Senatsurteile vom
15.3.2012 III R 82/10, BFH/NV 2012, 1588 = SIS 12 24 28, Rz 13; vom
22.2.2017 III R 3/16, BFH/NV 2017, 1304 = SIS 17 15 60), besteht
der konkrete Bezug zu einem angestrebten Beruf.
|
|
|
19
|
(2) Eine Abgrenzung nach Maßgabe des
konkreten Bezugs zu einem angestrebten Beruf ist insbesondere bei
der Vermittlung oder dem Ewerb von Fähigkeiten erforderlich,
die beispielsweise (auch) der Erlangung sozialer oder
religiöser Erfahrungen, der Persönlichkeits- und
Charakterbildung oder der Stärkung des
Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl dienen. In
diesen Fällen reicht es für die Annahme einer
Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG nicht aus, wenn die Maßnahmen einen gewissen zeitlichen
Mindestaufwand und eine ausreichende theoretische Systematisierung
aufweisen (a.A. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.2.2010 4 K
361/09, EFG 2010, 1050 = SIS 10 16 37), einen inhaltlich
hinreichenden Zusammenhang zu einem von dem Kind angestrebten Beruf
aber nicht erkennen lassen.
|
|
|
20
|
So werden Freiwilligendienste unabhängig
von ihrer Ausgestaltung nicht als Berufsausbildung angesehen, da
sie in der Regel nicht der Vorbereitung auf einen konkret
angestrebten Beruf, sondern der Erlangung sozialer Erfahrungen und
der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das
Gemeinwohl dienen (Senatsurteil vom 7.4.2011 III R 11/09, BFH/NV
2011, 1325 = SIS 11 23 31, Rz 11; Senatsbeschluss vom 18.6.2014 III
B 19/14, BFH/NV 2014, 1541 = SIS 14 24 45). Dementsprechend ist
eine abweichende Beurteilung nicht ausgeschlossen, wenn der
Freiwilligendienst, der von einer nicht von § 32 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 Buchst. d EStG erfassten Organisation angeboten wird, einen
so engen Bezug zu einem späteren Studium oder einer
betrieblichen Ausbildung hat, dass er als Bestandteil einer
Berufsausbildung angesehen werden kann (vgl. Senatsurteil in BFH/NV
2012, 940 = SIS 12 13 07, Rz 11).
|
|
|
21
|
c) Das FG hat die vorgenannten
Rechtsgrundsätze rechtsfehlerfrei angewendet. Die von ihm
gezogene Schlussfolgerung, dass ein konkreter Bezug zu einer vom
Sohn der Klägerin angestrebten beruflichen Tätigkeit
nicht festgestellt werden könne, ist revisionsrechtlich nicht
zu beanstanden.
|
|
|
22
|
aa) Die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen
den Maßnahmen und dem angestrebten Beruf besteht, ist eine
Frage der tatrichterlichen Würdigung des FG, die
revisionsrechtlich bindend ist (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit sie
verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht
durch Denkfehler oder durch die Verletzung von
Erfahrungssätzen beeinflusst ist (vgl. BFH-Urteil vom
26.1.2005 VI R 71/03, BFHE 208, 572, BStBl II 2005, 349 = SIS 05 16 32; Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 1541 = SIS 14 24 45). Davon ist
hier auszugehen.
|
|
|
23
|
bb) Das FG hat den Sachverhalt umfassend
ermittelt. Es hat die festgestellten Tatsachen in nachvollziehbarer
Weise vertretbar gewürdigt und auch keine wesentlichen
Umstände vernachlässigt. Es hat - entgegen der Ansicht
der Klägerin - die einzelnen vermittelten Lerninhalte nicht
inhaltlich bewertet, sondern lediglich unter Berücksichtigung
der Lernziele und des Studienplans der X-Missionsschule
festgestellt, dass diese in einem weit überwiegenden Umfang
der Persönlichkeits- und Charakterbildung i.S. des Leitbilds
dienten. Insoweit hat es den ebenfalls für eine spätere
Tätigkeit in einem sozialen, theologischen oder
gesundheitlichen Beruf vermittelten Kenntnissen, Fähigkeiten
und Erfahrungen keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.
Weiterhin hat es zu Recht darauf abgestellt, dass der Schulbesuch
keinen Abschluss vermittelt, der für eine spätere
Tätigkeit innerhalb der Freikirche qualifiziert. Die
Gesamtwürdigung des FG, dass der Schulbesuch nicht der
Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf diente, bindet
den Senat auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur
möglich ist (BFH-Urteil vom 14.7.2004 IX R 56/01, BFH/NV 2005,
37 = SIS 05 04 03).
|
|
|
24
|
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
|