Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 13.11.2017 1 K 115/17
aufgehoben.
Die Sache wird an das Niedersächsische
Finanzgericht zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Streitig ist der Kindergeldanspruch
für den Zeitraum Juli 2015 bis April 2017.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist die Mutter einer im Dezember 1993 geborenen
Tochter (T). T absolvierte im Anschluss an das Abitur eine
Ausbildung zur Bankkauffrau, die sie am 25.6.2015 abschloss. Unter
dem 16.9.2015 meldete sich T zu einem berufsbegleitenden Studium
zum Bankfachwirt beim Bankcolleg einer Genossenschaftsakademie an,
das sie am 1.11.2015 aufnahm. Das Studium ist in vier Semester
aufgeteilt. Es umfasst Studieninhalte aus den Bereichen
Bankwirtschaft, Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft,
Rechtsgrundlagen des Bankgeschäfts, Privatkundengeschäft
und Firmenkundengeschäft. Pro Semester sind 84 bis 105
Präsenzstunden an Samstagen, mehrere Webinare sowie zwei bis
vier Semesterprüfungen vorgesehen. Das Studium dient der
Vorbereitung auf die Abschlüsse „Bankfachwirt
BankColleg“ sowie „Bankfachwirt IHK“.
Voraussetzung für die Anmeldung ist eine abgeschlossene
Bankausbildung oder eine dreijährige Berufstätigkeit in
der Bank. Mit Schreiben vom 3.4.2017 bescheinigte die
Ausbildungseinrichtung, dass T an allen bis dahin angefallenen
Semesterprüfungen teilgenommen habe.
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Neben dem Studium arbeitete T vollzeitig
als Bankkauffrau bei einer Bank.
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Die Beklagte und Revisionsklägerin
(Familienkasse) lehnte den im August 2016 gestellten Antrag,
Kindergeld ab Juli 2015 festzusetzen, mit Bescheid vom 26.1.2017
mit der Begründung ab, eine Schulausbildung könne erst ab
einer regelmäßigen Unterrichtszeit von zehn
Wochenstunden anerkannt werden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg
(Einspruchsentscheidung vom 13.4.2017). Die Familienkasse vertrat
nun die Auffassung, es fehle an objektiven Beweisanzeichen
dafür, dass die Erstausbildung noch nicht mit der
Bankausbildung beendet worden sei. T habe sich nicht innerhalb
eines Monats nach Abschluss des vorausgegangenen
Ausbildungsabschnitts für das Studium beworben oder
gegenüber der Familienkasse eine entsprechende Absicht
mitgeteilt. Es lägen eine Zweitausbildung und eine
schädliche Erwerbstätigkeit vor.
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Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht
(FG) verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für T ab Juli
2015 festzusetzen.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision
rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen
Rechts.
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Die Familienkasse beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO). Denn der Senat kann aufgrund der
Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob T neben der von Juli
2015 bis Oktober 2015 vorliegenden Übergangszeit zwischen zwei
Ausbildungsabschnitten einer schädlichen Erwerbstätigkeit
nachgegangen ist. Er kann ferner nicht entscheiden, ob die im
berufsbegleitenden Studium zum Bankfachwirt an dem Bankcolleg der
Genossenschaftsakademie durchgeführten
Ausbildungsmaßnahmen noch als Teil einer einheitlichen
Erstausbildung zu qualifizieren sind.
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1. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, §
63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht Anspruch
auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das
25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf
ausgebildet wird. In den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 EStG wird nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m.
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Kind nach Abschluss einer
erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur
berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.
Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden
regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein
Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges
Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a
des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind insoweit unschädlich
(§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
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a) Hinsichtlich der Auslegung der in § 32
Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale erstmalige
Berufsausbildung und Erststudium hat der Senat entschieden, dass
das Erststudium nur einen Unterfall des Oberbegriffes erstmalige
Berufsausbildung darstellt (Senatsurteil vom 3.7.2014 III R 52/13,
BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 19 ff.) und
der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger
auszulegen ist als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG verwendete Tatbestandsmerkmal „Kind, das ... für
einen Beruf ausgebildet wird“ (Senatsurteil in BFHE 246,
427, BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 22 ff.). Die den
Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
begrenzenden Kriterien hat der Senat dabei vor allem in folgenden
Punkten gesehen: Es muss sich um einen öffentlich-rechtlich
geordneten Ausbildungsgang handeln (Senatsurteil in BFHE 246, 427,
BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 24). Dieser muss auf einen
Abschluss ausgerichtet sein, der in Form einer Prüfung erfolgt
(Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39,
Rz 24). Durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme muss das
Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse
erwerben, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen, wodurch
insbesondere eine Abgrenzung gegenüber dem Besuch einer
allgemein bildenden Schule erfolgen soll (Senatsurteil in BFHE 246,
427, BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 24). Liegen mehrere
Ausbildungsabschnitte vor, können diese dann eine einheitliche
Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so
aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des
ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind
angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden
Abschluss erreicht werden kann (Senatsurteil in BFHE 246, 427,
BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 27). In einem solchen Fall
muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das
Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche
Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet
hat (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 30). Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen
Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen
Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob
die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang
(z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander
stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt
werden (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 30). An einer Ausbildungseinheit fehlt es dagegen, wenn
die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine
berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem
Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit
aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis
zum nächstmöglichen Beginn des weiteren
Ausbildungsabschnitts dient (Senatsurteil vom 4.2.2016 III R 14/15,
BFHE 253, 145, BStBl II 2016, 615 = SIS 16 11 15, Rz 15).
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b) Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind
für Fälle, in denen die einheitliche Erstausbildung mit
daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer
berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung
(Zweitausbildung) abzugrenzen ist, fortzuentwickeln und zu
präzisieren.
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Danach kann es an einer einheitlichen
Erstausbildung auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des
ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten
Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben
in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten
Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit
in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses
aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren
Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg
in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache
darstellen, ist dabei anhand einer Gesamtwürdigung der
Verhältnisse zu entscheiden, für die vor allem die
nachfolgenden Kriterien von Bedeutung sind.
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aa) Für die Aufnahme einer
Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind
längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein
zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen
befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer
regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen
Wochenarbeitszeit eingeht. Ist das
Beschäftigungsverhältnis dagegen bis zum Beginn des
nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder
überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die
20-Stunden-Grenze allenfalls geringfügig, kann dies für
eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen, die noch
Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist. Für eine im
Vordergrund stehende Berufsausbildung kommt es auch darauf an, in
welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und
die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen. Da die Summe aus
Arbeits- und Ausbildungszeit nicht selten über 40
Wochenstunden liegen wird, kann allein eine regelmäßige
Wochenarbeitszeit von über 20 Stunden noch nicht den Ausschlag
geben. Führt das Kind etwa neben einer 22 Wochenstunden
umfassenden Arbeitstätigkeit ein Vollzeitstudium an der
Universität durch, kann auch weiter der Ausbildungscharakter
im Vordergrund stehen (s. hierzu etwa Urteil des Bundesfinanzhofs
vom 3.9.2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166 = SIS 15 25 92).
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bb) Weiter ist von Bedeutung, ob das Kind mit
der nach Erlangung des ersten Abschlusses aufgenommenen
Berufstätigkeit bereits die durch den Abschluss erlangte
Qualifikation nutzt, um eine durch diese eröffnete
Berufstätigkeit auszuüben. Wird z.B. ein Geselle oder
Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf
übernommen oder nimmt ein Bachelor eine durch diesen Abschluss
eröffnete Stelle an, kann dies Indiz dafür sein, dass die
Berufstätigkeit in den Vordergrund getreten ist. Denn ein
solcher Sachverhalt spricht dafür, dass die weiteren
Ausbildungsmaßnahmen nur der beruflichen Weiterbildung oder
Höherqualifizierung in einem bereits aufgenommenen und
ausgeübten Beruf dienen. Nimmt das Kind dagegen eine
Berufstätigkeit auf, die ihm auch ohne den erlangten Abschluss
eröffnet wäre (z.B. Aushilfstätigkeit in der
Gastronomie oder im Handel) oder handelt es sich bei der
Erwerbstätigkeit typischerweise um keine dauerhafte
Berufstätigkeit (z.B. bei einem Bachelor, der während des
nachfolgenden Masterstudiums mit 19 Stunden als wissenschaftliche
Hilfskraft tätig ist und daneben drei Nachhilfestunden pro
Woche gibt), kann das für eine im Vordergrund stehende
Berufsausbildung sprechen.
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cc) Darüber hinaus ist in die
Gesamtbetrachtung einzubeziehen, inwieweit die
Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer
Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt
durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist
und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren
Erscheinungsbild „neben der Ausbildung“
durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von
regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich
dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für
eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Gleiches gilt, wenn das
Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden
arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte
Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von
mehr als 20 Wochenstunden kommt. Arbeitet das Kind dagegen
annähernd vollzeitig und werden die Ausbildungsmaßnahmen
nur am Abend und am Wochenende durchgeführt, deutet dies
darauf hin, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur
„neben der Berufstätigkeit“
durchgeführt werden. Schließlich kann auch von Bedeutung
sein, ob und inwieweit die Berufstätigkeit und die
Ausbildungsmaßnahmen über den zeitlichen Aspekt hinaus
auch inhaltlich aufeinander abgestimmt sind.
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c) Diese Fortentwicklung und Präzisierung
des Erstausbildungsbegriffes widerspricht nicht der Begründung
zum Entwurf des Steuervereinfachungsgesetzes 2011. Danach besteht
nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines
Erststudiums die widerlegbare Vermutung, dass das Kind in der Lage
ist, sich selbst zu unterhalten, und damit nicht mehr zu
berücksichtigen sei. Die Vermutung gilt durch den Nachweis als
widerlegt, dass das Kind sich in einer weiteren Berufsausbildung
befindet und tatsächlich keiner (schädlichen)
Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft
überwiegend in Anspruch nimmt (BTDrucks 17/5125, S. 41).
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber zwar ausgeführt, dass
auch Ausbildungsgänge (z.B. Abendschulen, Fernstudium), die
neben einer (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit durchgeführt
werden, begünstigt werden sollen. Dies sollte aber nach der
Gesetzesbegründung nur für Fälle gelten, in denen
eine vorhergehende Berufsausbildung noch nicht durchgeführt
worden ist. Aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes, welche sich aus
der Begründung ergeben und auch in § 32 Abs. 4 Sätze
2 und 3 EStG ihren Niederschlag gefunden haben, wird erkennbar,
dass ein weiterer Ausbildungsabschnitt nach Abschluss einer
vorhergehenden Berufsausbildung nur dann Teil einer einheitlichen
Erstausbildung sein soll, wenn er im Verhältnis zur
Erwerbstätigkeit nicht zur „Nebensache“
wird.
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d) Soweit sich aus der Rechtsprechung des
Senats in seinen Urteilen in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 =
SIS 14 28 39 und vom 8.9.2016 III R 27/15 (BFHE 255, 202, BStBl II
2017, 278 = SIS 16 26 00) etwas anderes ergibt, wird hieran nicht
weiter festgehalten. Der VI. Senat hat mitgeteilt, dass er einer
Abweichung von seinem Urteil in BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166 =
SIS 15 25 92 zustimmt.
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2. Das mit der Revision angegriffene Urteil
entspricht nicht diesen fortentwickelten Rechtsgrundsätzen.
Das Urteil ist daher aufzuheben.
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a) Das FG hat zutreffend entschieden, dass T
sich in den Monaten Juli 2015 bis Oktober 2015 in einer
Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b
EStG befand. Denn die Vier-Monats-Frist des § 32 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 Buchst. b EStG ist nicht taggenau zu berechnen, sondern
umfasst vier volle Kalendermonate (Senatsurteil vom 23.2.2006 III R
82/03, BFHE 212, 476, BStBl II 2008, 702 = SIS 06 22 79, Rz 13,
m.w.N.). Das ab 1.11.2015 durchgeführte Studium zur
Bankfachwirtin erfüllt die Voraussetzungen einer
Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG.
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b) Das FG hat jedoch zum einen keine
Feststellungen dazu getroffen, ob T bereits während der
Übergangszeit einer Erwerbstätigkeit nachging, welche die
20-Stunden-Grenze des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG
überschritt. Vielmehr ergibt sich aus dem Tatbestand nur, dass
T „neben dem Studium“ in Vollzeit als
Bankkauffrau bei der Bank arbeitete. Zu einer Erwerbstätigkeit
in der Übergangszeit hat sich das FG nicht
geäußert.
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c) Zum anderen hat das FG nicht hinreichend
geprüft, ob T mit ihrem entweder erst ab November 2015 oder
ggf. bereits früher eingegangenen
Vollzeitarbeitsverhältnis als Bankkauffrau bereits in den von
ihr angestrebten Beruf eintrat und das parallel dazu angestrebte
oder betriebene Studium zur Bankfachwirtin Bankcolleg nicht mehr
als Teil einer einheitlichen Erstausbildung, sondern nur noch als
berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme
durchführte.
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat
kann auf der Grundlage der vom FG bisher getroffenen Feststellungen
nicht entscheiden, ob die von T aufgenommene Arbeitstätigkeit
als Bankkauffrau der Annahme einer Ausbildungseinheit zwischen der
Ausbildung zur Bankkauffrau und dem Studium zur Bankfachwirtin
Bankcolleg entgegensteht.
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a) Nach Maßgabe der vorgenannten
Rechtsgrundsätze wird das FG im zweiten Rechtsgang
insbesondere zu prüfen haben, ob das
Ausbildungsverhältnis eher dem
Beschäftigungsverhältnis untergeordnet war oder umgekehrt
das Beschäftigungsverhältnis dem
Ausbildungsverhältnis. Dabei bestünden keine Bedenken
dagegen, die sich danach ergebende Bewertung, ob die Erstausbildung
bereits mit der Ausbildung zur Bankkauffrau abgeschlossen wurde,
auch auf die vor Beginn des Studiums zur Bankfachwirtin liegende
Übergangszeit zu erstrecken, sofern nicht besondere
Umstände ersichtlich werden, die eine abweichende Beurteilung
der Übergangszeit und des zweiten Ausbildungsabschnitts
rechtfertigen.
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b) Im Übrigen teilt der Senat in
Übereinstimmung mit dem FG nicht die Rechtsansicht der
Familienkasse, dass eine Verbindung von zwei Ausbildungsabschnitten
zu einer einheitlichen Erstausbildung bereits dann abgelehnt werden
kann, wenn die Absichtserklärung zur Fortführung der
Erstausbildung nicht spätestens im Folgemonat nach Abschluss
des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts vorgelegt wird. Entgegen
der aus der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem
Einkommensteuergesetz 2018 V 6.1 Abs. 1 Satz 8 abgeleiteten
Verwaltungsauffassung genügt es, wenn die
Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt
vollständig und glaubhaft dargelegt sind. Zwar kann der
Zeitpunkt, wann der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet
worden ist, ein Indiz für oder gegen die Glaubhaftigkeit des
Vortrages sein, ebenso, dass ein Sachverhalt nicht oder falsch
dargestellt wurde, weil die Rechtslage unzutreffend beurteilt
worden war. Dies führt aber nicht dazu, dass der Anspruch auf
die Leistung entfällt. Entscheidend ist nicht, was
erklärt wurde, sondern die tatsächliche Lage, denn es
handelt sich hier nicht um eine rechtsgestaltende Erklärung,
sondern um eine im Wege der Glaubhaftmachung zu würdigende
Tatsachenbekundung. Der Zeitpunkt des Eingangs einer entsprechenden
Absichtserklärung bei der Familienkasse mag Bedeutung haben
für die Frage, ob die Familienkasse im Falle des Fehlens
anderer objektiver Beweisanzeichen verpflichtet ist, aktuell und
fortlaufend Kindergeld zu gewähren. Soweit die Familienkasse
z.B. im Einspruchsverfahren und nachfolgend das FG aber einen in
der Vergangenheit liegenden Anspruchszeitraum zu beurteilen haben,
lässt der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 Abs. 1 und 2 der
Abgabenordnung, § 76 Abs. 1 und 4 FGO) keinen Raum dafür,
erst nach Ablauf des Anspruchszeitraums entstandene oder bekannt
gewordene Beweisanzeichen unberücksichtigt zu lassen.
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c) Ferner teilt der Senat auch nicht die
Rechtsansicht der Familienkasse, dass die Ausbildung am Bankcolleg
der Genossenschaftsakademie schon deshalb kein Teil einer
einheitlichen Erstausbildung sein kann, weil es sich dabei - was
das FG bislang auch noch nicht festgestellt hat - nicht um einen
öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handele.
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Zwar trifft es zu, dass der Gesetzgeber
für den in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Begriff
der Berufsausbildung einen engeren Anwendungsbereich vorsehen
wollte als für den in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG geregelten Berücksichtigungstatbestand (Senatsurteil in
BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 24). Denn der
enger gefasste Begriff der Berufsausbildung in § 32 Abs. 4
Satz 2 EStG sollte sicherstellen, dass nicht bereits jede allgemein
berufsqualifizierende Maßnahme zum Verbrauch der
Erstausbildung führt (BRDrucks 54/11, S. 55 f.).
Berufsausbildung setzt danach zum einen voraus, dass das Kind durch
die berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen
Fähigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines
Berufs befähigen, weshalb insbesondere der Besuch einer
allgemein bildenden Schule keine erstmalige Berufsausbildung
vermitteln soll. Zum anderen muss der Beruf nach der
Gesetzesbegründung durch eine Ausbildung im Rahmen eines
öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt
werden und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung
abgeschlossen werden, weshalb beispielsweise ein bloßer
Computerkurs nicht für eine Erstausbildung ausreichen soll
(BRDrucks 54/11, S. 55 f.). Ziel dieser beiden Einschränkungen
ist es jedoch nur, die berücksichtigungsschädliche
Wirkung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu begrenzen (Senatsurteil
in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 24).
Deshalb kann aus diesem Erfordernis nicht der Schluss gezogen
werden, dass sämtliche Teilmaßnahmen einer einheitlichen
Erstausbildung jeweils für sich genommen
öffentlich-rechtlich geordnet sein müssen. Einer
einheitlichen Erstausbildung steht deshalb nicht entgegen, dass
diese neben öffentlich-rechtlich geordneten
Ausbildungsmaßnahmen auch nicht öffentlich-rechtlich
geordnete Ausbildungsmaßnahmen umfasst.
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d) Schließlich kann sich der Senat auch
nicht der Auffassung der Familienkasse anschließen, dass
bereits jede von der Prüfungsordnung des zweiten
Ausbildungsabschnitts als Prüfungsvoraussetzung geforderte
Berufstätigkeit den notwendigen Zusammenhang zwischen den
Ausbildungsabschnitten entfallen lässt. Eine solche
Prüfungsvoraussetzung kann möglicherweise auch durch eine
ohne besondere Qualifikationsanforderungen vor oder während
des ersten Ausbildungsabschnitts durchgeführte Tätigkeit
erfüllt werden. Ebenso ist denkbar, dass einer solchen
Prüfungsvoraussetzung durch eine zwar während des zweiten
Ausbildungsabschnitts durchgeführte, aber weniger als 20
Wochenstunden umfassende Arbeitstätigkeit genügt werden
kann. Besteht in solchen Fällen ein enger sachlicher und
zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten, hielte
es der Senat nicht für gerechtfertigt, allein aus einer
solchen Prüfungsvoraussetzung eine Zäsur abzuleiten,
obwohl die Arbeitstätigkeit die Ausbildung nicht unterbricht
und die zweite Ausbildungsphase durch die Ausbildung und nicht
durch die Arbeitstätigkeit geprägt wird.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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