Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.6.2015 6 K 1216/15 = SIS 15 17 78 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu
tragen.
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Vater der im Jahr 1991 geborenen Tochter (J). J
schloss im Januar 2014 im Anschluss an das Abitur eine Ausbildung
zur Kauffrau im Gesundheitswesen erfolgreich ab. Anschließend
arbeitete sie als Angestellte bei der Klinik M. Zunächst
bewarb sich J nach dem Vorbringen des Klägers im Mai 2014 zum
Wintersemester 2014/2015 an der Hochschule K, da sie eine
Tätigkeit im mittleren Management im Gesundheitswesen
anstrebte. Nachdem ihr Arbeitgeber ihr anbot, ein
berufsbegleitendes Studium an der Verwaltungsakademie (VWA) zu
absolvieren, bewarb sie sich dort zum nächstmöglichen
Studienbeginn. Im September 2014 begann J berufsbegleitend ein
Studium an der VWA mit der Fachrichtung „Betriebswirt
(VWA)“. Sie reduzierte die Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden.
Für diesen Studiengang waren eine kaufmännische
Berufsausbildung und eine einjährige Berufstätigkeit
Voraussetzung. Obwohl J die Voraussetzung für die
einjährige Berufszeit noch nicht erfüllte, wurde sie
zunächst ausnahmsweise vorläufig immatrikuliert.
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Mit Bescheid vom 26.11.2014 hob die
Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die
Kindergeldfestsetzung für J ab Juli 2014 auf. Sie vertrat die
Auffassung, dass J mit der Abschlussprüfung im
Gesundheitswesen eine abgeschlossene Ausbildung i.S. des § 32
Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) habe.
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Der Einspruch des Klägers blieb
erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 2.2.2015). Das Finanzgericht
(FG) wies die Klage mit seinem in EFG 2015, 1537 = SIS 15 17 78
veröffentlichten Urteil ab.
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Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Er macht unter Hinweis auf das Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15.4.2015 V R 27/14 (BFHE 249, 500 = SIS 15 16 02) geltend, dass mehraktige Ausbildungsmaßnahmen dann
als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren seien,
wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt seien,
dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses
fortgesetzt werden solle und das - von den Eltern und dem Kind -
bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden
Abschluss erreicht werden könne. Zur Erreichung des
Berufsziels der Tochter im Management-Gesundheitswesen sei ein
Studium erforderlich gewesen.
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Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG Rheinland-Pfalz vom 25.6.2015 6 K 1216/15 und den Bescheid der
Familienkasse vom 26.11.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 2.2.2015 aufzuheben.
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Die Familienkasse beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 121 FGO).
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Das FG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein
Kindergeldanspruch für den Zeitraum ab Juli 2014 zusteht.
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1. Gemäß § 62 Abs. 1, §
63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG besteht Anspruch auf Kindergeld u.a. für Kinder, die das
18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und
für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer
erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind
in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur
berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht
(§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis
zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher
Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein
geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der
§§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind
unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
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2. Die Berücksichtigung der Tochter des
Klägers ist ab Juli 2014 ausgeschlossen, weil J eine
erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hatte und während
ihrer nachfolgenden (Zweit-)Ausbildung mehr als 20 Stunden in der
Woche arbeitete (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).
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a) Für die Frage, ob bereits der erste
(objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem
öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch
der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen
Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem
öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der
Erstausbildung sein kann, ist nach nunmehr ständiger
Rechtsprechung darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als
integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs
darstellt (BFH-Urteile vom 3.7.2014 III R 52/13, BFHE 246, 427,
BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 25; in BFHE 249, 500 = SIS 15 16 02, Rz 20; vom 16.6.2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378 = SIS 15 20 76, Rz 26; vom 3.9.2015 VI R 9/15,
BFHE 251, 10 = SIS 15 25 92, Rz 16).
Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte
in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte,
derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem
zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist
auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen
erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes
Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten
erlangten Abschluss beendet hat (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl
II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 30).
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b) Das FG hat nach diesen Grundsätzen im
Ergebnis zu Recht eine einheitliche Ausbildung verneint und damit
das Studium an der VWA nicht mehr als Erstausbildung i.S. des
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG angesehen.
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aa) Ob das Studium zum Betriebswirt (VWA) als
fachliche Ergänzung oder Vertiefung einer kaufmännischen
Ausbildung im Gesundheitswesen angesehen werden kann, kann
dahinstehen.
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bb) Die kaufmännische Ausbildung und das
Studium stellen im vorliegenden Fall nicht notwendig eine
Ausbildungseinheit dar, weil sich erst nach einer
Berufstätigkeit der zweite Ausbildungsabschnitt
anschließen kann. Das Studium an der VWA setzt eine
berufspraktische Erfahrung von in der Regel nicht unter einem Jahr
voraus. Es stellt sich damit als ein die berufliche Erfahrung
berücksichtigender Weiterbildungsstudiengang (Zweitausbildung)
dar. Die vor dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts
erforderliche Berufstätigkeit führt somit zu einem
Einschnitt (Zäsur), der den notwendigen engen Zusammenhang
entfallen lässt. Das Gleiche gilt, wenn das Kind eine weitere
Ausbildung erst nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit
beginnt, die nicht der zeitlichen Überbrückung dient,
weil es mit der weiterführenden Ausbildung früher
hätte beginnen können. Wird somit eine
Berufstätigkeit zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten
aufgenommen, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung
bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, können die
einzelnen Ausbildungsabschnitte regelmäßig nicht mehr
integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung sein.
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c) Dass vorliegend von der grundsätzlich
geforderten einjährigen Berufstätigkeit eine Ausnahme
gemacht wurde, ändert hieran nichts. Entscheidend ist - worauf
das FG zu Recht abstellt -, ob die beiden von der Tochter
gewählten Ausbildungen objektiv eine einheitliche Ausbildung
darstellen.
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d) Darüber hinaus war im Streitfall
aufgrund objektiver Beweisanzeichen nicht erkennbar, dass J nach
Abschluss ihrer kaufmännischen Ausbildung zur Kauffrau im
Gesundheitswesen im Januar 2014 noch eine weiterführende
Ausbildung als Teil einer Erstausbildung anstrebte. Nach den
Feststellungen des FG-Urteils bewarb sie sich erst im Mai 2014
während ihrer Berufstätigkeit um ein weiterführendes
Studium.
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3. Das Ergebnis - die Annahme einer
Zweitausbildung - steht aufgrund eines nicht vergleichbaren
Sachverhalts auch nicht in Widerspruch zum Urteil des BFH in BFHE
249, 500 = SIS 15 16 02.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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