Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Bremen vom 03.11.2022 - 2 K 51/22 = SIS 22 20 42
aufgehoben, soweit es den Kindergeldanspruch für das Kind S
für den Monat März 2022 betrifft.
Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision der
Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 03.11.2022
- 2 K 51/22 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der
Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.
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I. Streitig ist der Anspruch des
Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) auf Kindergeld
für seinen im Jahr 2002 geborenen Sohn (S) für die Monate
März, April und Mai 2022. Streitig ist insbesondere, ob S
für diese Monate als ausbildungsplatzsuchend im Sinne des
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes
(EStG) anzuerkennen ist und ob die von S bei der Bundeswehr
absolvierte Grundausbildung zu einer für den Anspruch
schädlichen abgeschlossenen Erstausbildung geführt hat
(§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).
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S schloss seine Schulausbildung im Sommer
2021 mit dem Abitur ab. Bereits zuvor hatte sich S bei der
Bundeswehr für einen Freiwilligen Wehrdienst gemäß
§ 58b des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten
(Soldatengesetz - SG - ) für den Einstellungstermin 01.10.2021
beworben. Dies teilte der Kläger der Beklagten und
Revisionsklägerin (Familienkasse) im Juni 2021 mit, beantragte
Kindergeld und ergänzte, dass sein Sohn einen Studienplatz
suche; die Tätigkeit bei der Bundeswehr diene der
Überbrückung. Im Juli 2021 präzisierte S dies
dahingehend, dass er sich während des Wehrdienstes zwischen
einer Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr mit Studium und einem
zivilen Studiengang entscheiden wolle. Hierauf setzte die
Familienkasse Kindergeld für ein Ausbildungsplatz suchendes
Kind fest. Im Oktober 2021 hob sie die Festsetzung ab November 2021
wieder auf.
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Mit Schreiben vom 07.10.2021 legte S der
Familienkasse zwecks Weiterzahlung des Kindergeldes eine Kopie
seines Einberufungsbescheids zum ....11.2021 vor. Ausweislich der
am 09.12.2021 bei der Familienkasse eingegangenen
„Bescheinigung über die Ausbildung einer Soldatin/eines
Soldaten bei der Bundeswehr“ fand die
Grundausbildung des S vom ....11.2021 bis zum ....02.2022
statt.
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Mit Bescheid vom 16.12.2021 setzte die
Familienkasse Kindergeld für S ab November 2021 fest. Dabei
berücksichtigte sie die Grundausbildung bis
einschließlich Februar 2022 als Ausbildung im Sinne von
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (A 15.2 Satz 3
Spiegelstrich 1 und Satz 4 der Dienstanweisungen zum Kindergeld
nach dem Einkommensteuergesetz 2021 und 2022, BStBl I 2021, 1599
und BStBl I 2022, 1010 = SIS 22 12 76).
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Am ....02.2022 endete die
Grundausbildung.
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Mit Bescheid vom 14.02.2022 hob die
Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für S
gemäß § 70 Abs. 2 EStG ab dem Monat März 2022
auf und gab zur Begründung an, dass nach ihren Unterlagen S im
Monat Februar 2022 „die sonstige Ausbildungsmaßnahme
...“ beenden werde.
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Mit Schriftsatz seiner
Prozessbevollmächtigten vom 08.03.2022 legte der Kläger
Einspruch ein.
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Ab März 2022 leistete S Dienst im
Mannschaftsdienstgrad. Die Tätigkeit hatte keinen
Ausbildungscharakter; S wurde nicht zum Offizier oder Unteroffizier
ausgebildet.
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Am 29.04.2022 ging bei der Familienkasse
die Ausbildungsbescheinigung vom 21.04.2022 ein, in der angegeben
war, S werde nach Beendigung seines Freiwilligen Wehrdienstes ein
ziviles Studium beginnen; er befinde sich in der
Bewerbungsphase.
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Mit Schreiben vom 05.05.2022 forderte die
Familienkasse den Kläger auf, bis zum 19.05.2022 Nachweise
dafür vorzulegen, seit wann sich S für ein ziviles
Studium bewerbe.
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Die sechsmonatige Probezeit des S bei der
Bundeswehr gemäß § 58b Abs. 1 Satz 2 SG endete am
....05.2022.
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Am 15.05.2022, dem ersten Tag der
Bewerbungsfrist, bewarb sich S für das am 01.10.2022
beginnende Wintersemester 2022/2023 ... für den Studiengang
... Für diesen Studiengang war eine Bewerbung nur zum
Wintersemester möglich.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 25.05.2022
wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers als
unbegründet zurück; dieser habe in den Monaten März
2022 bis Mai 2022 für S keinen Kindergeldanspruch.
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Hierauf erhob der Kläger
Klage.
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Während des Klageverfahrens legte der
Kläger mit Schriftsatz vom 06.09.2022 eine nicht datierte
Stellungnahme des S vor. Hiernach hatte sich S im März 2022
... für einen ganz konkreten Studiengang an einer bestimmten
Universität entschieden.
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Nach Vorlage der
Immatrikulationsbescheinigung setzte die Familienkasse mit Bescheid
vom 24.10.2022 für S Kindergeld ab Oktober 2022 fest.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage
für die Monate März bis Mai 2022 statt; weitere Monate
waren nicht streitgegenständlich. Das Urteil ist in juris =
SIS 22 20 42 veröffentlicht.
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Hiergegen wendet sich die Familienkasse mit
der Revision.
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Die Familienkasse beantragt,
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das Urteil des FG Bremen vom 03.11.2022 - 2
K 51/22 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet, soweit
sie den Monat März 2022 betrifft. Entgegen der Ansicht des FG
liegen für diesen Monat die Voraussetzungen für einen
Kindergeldanspruch gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Buchst. c EStG nicht vor. Im Übrigen ist die Revision der
Familienkasse unbegründet und daher zurückzuweisen
(§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Für
die Monate April und Mai 2022 hat das FG zutreffend entschieden,
dass S als Kind, das mangels Ausbildungsplatzes eine
Berufsausbildung nicht beginnen oder fortsetzen kann, zu
berücksichtigen ist und dass die Grundausbildung nicht im
Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG zu einer
abgeschlossenen Erstausbildung des S geführt hat und somit
seine Tätigkeit als Soldat dem Kindergeldanspruch nicht
entgegenstand.
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1. Ein Kindergeldanspruch für ein
volljähriges Kind, das noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet
hat, kann gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1, Satz 2, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG unter
anderem dann bestehen, wenn es eine Berufsausbildung mangels
Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
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a) An einem Ausbildungsplatz mangelt es, wenn
ein solcher in dem Zeitpunkt, in dem sich das Kind zu einer
Ausbildung entschlossen hat, nicht zur Verfügung steht oder
bereits zugesagt wurde, aber aus schul-, studien- oder
betriebsorganisatorischen Gründen in dem fraglichen Monat noch
nicht angetreten werden kann (Senatsurteil vom 07.04.2011 - III R
50/10, BFH/NV 2011, 1329 = SIS 11 23 33, Rz 13; Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15.07.2003 - VIII R 77/00, BFHE 203,
98, BStBl II 2003, 845 = SIS 03 45 50, unter II.2., m.w.N.). Dabei
wird das Berufsziel von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes
bestimmt; ihnen kommt bei der Gestaltung der Ausbildung ein weiter
Entscheidungsspielraum zu (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 09.06.1999 - VI
R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701 = SIS 99 18 09, unter
1.c, unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91,
BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, 187 = SIS 99 04 06).
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Dagegen liegt es nicht an einem Mangel der
Verfügbarkeit eines Ausbildungsplatzes, dass das Kind seine
Berufsausbildung nicht beginnen kann, solange es zum Beispiel die
notwendigen Voraussetzungen für die Ausbildung nicht
erfüllt (Senatsurteil vom 31.08.2021 - III R 41/19, BFHE 274,
149, BStBl II 2022, 465 = SIS 22 01 50, Rz 20 f., m.w.N.).
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b) Des Weiteren muss das Kind
ausbildungswillig sein, sich somit ernsthaft um einen
Ausbildungsplatz bemühen (ständige Rechtsprechung,
BFH-Urteile vom 15.07.2003 - VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473 = SIS 04 11 02; vom 26.11.2009 - III R 84/07, BFH/NV 2010, 853 = SIS 10 11 81; BFH-Beschlüsse vom 21.07.2005 - III S 19/04 (PKH),
BFH/NV 2005, 2207 = SIS 05 48 36 und vom 24.01.2008 - III B 33/07,
BFH/NV 2008, 786 = SIS 08 17 47). Kann eine Ausbildung nur zu
bestimmten Zeitpunkten begonnen werden, muss sich das Kind, damit
es als ausbildungswillig angesehen werden kann, für den
nächstmöglichen Ausbildungsbeginn bewerben (Senatsurteil
vom 26.11.2009 - III R 84/07, BFH/NV 2010, 853 = SIS 10 11 81,
unter II.1.a).
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aa) Um einer missbräuchlichen
Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, muss sich die
Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare ernsthafte
Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Die
bloße Behauptung, das Kind sei ausbildungswillig und
bemühe sich um einen Ausbildungsplatz, genügt nicht (vgl.
z.B. Senatsurteile vom 31.08.2021 - III R 41/19, BFHE 274, 149,
BStBl II 2022, 465 = SIS 22 01 50, Rz 28 und vom 26.11.2009 - III R
84/07, BFH/NV 2010, 853 = SIS 10 11 81, unter II.1.b; BFH-Urteil
vom 26.08.2014 - XI R 14/12, BFH/NV 2015, 322 = SIS 15 01 26, Rz
21).
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bb) Die Nachweise für die
Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein ernsthaftes
Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der
Kindergeldberechtigte beizubringen; über 18 Jahre alte Kinder
haben mitzuwirken (§ 68 Abs. 1 Satz 2 EStG; Senatsurteil vom
31.08.2021 - III R 41/19, BFHE 274, 149, BStBl II 2022, 465 = SIS 22 01 50, Rz 26; Senatsbeschluss vom 21.07.2005 - III S 19/04
(PKH), BFH/NV 2005, 2207 = SIS 05 48 36, unter II.2.).
Gegebenenfalls ist das Kind anzuhören (Senatsurteil vom
17.07.2008 - III R 109/07, BFH/NV 2009, 391 = SIS 09 06 04, unter
II.1.d). Es liegt auch im Einflussbereich des
Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der
Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil vom
22.09.2011 - III R 35/08, BFH/NV 2012, 232 = SIS 12 00 48, Rz
13).
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c) Das FG hat die Entscheidung, ob sich das
Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, unter
Berücksichtigung von entsprechenden objektivierbaren
Beweisanzeichen nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des
Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen. Zwar ist die
finanzrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur
eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze und
allgemeine Erfahrungssätze überprüfbar. Das FG hat
jedoch im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine
Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier
Weise gewonnen hat. Die aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu
gewinnende Würdigung des FG ist nur dann ausreichend und
für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn
sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen
Würdigung zutreffender Kriterien beruht, deren
nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von
den festgestellten Tatsachen getragen werden. Fehlt es an einer
tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der
tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare
Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und
Umständen, so liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze
vor (Senatsurteil vom 14.04.2021 - III R 50/20, BFHE 273, 385,
BStBl II 2021, 866 = SIS 21 14 48, Rz 15, m.w.N.), der als Fehler
der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge beanstandet werden
kann (z.B. BFH-Urteile vom 26.06.2014 - VI R 51/13, BFHE 246, 326,
BStBl II 2015, 9 = SIS 14 27 71, Rz 21, m.w.N. und vom 19.05.2009 -
VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974 = SIS 09 36 20, unter II.3. a cc,
b).
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2. Unter Berücksichtigung dieses
Prüfungsmaßstabs entspricht die Vorentscheidung nicht
dem Bundesrecht, soweit sie den Monat März 2022 betrifft.
Revisionsrechtlich ist zu beanstanden, dass das FG allein aufgrund
der erst im Klageverfahren vorgelegten undatierten schriftlichen
Einlassung des S, sein Studienentschluss sei im März 2022
gefallen, S für den Monat März als
ausbildungsplatzsuchendes Kind berücksichtigt hat, obwohl es
hierfür keine objektiven Beweisanzeichen gab.
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a) Für März 2022 liegen keine
objektiven Anhaltspunkte dafür vor, dass S seinen Entschluss
tatsächlich schon in diesem Monat gefasst hat.
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aa) Aus der Mitteilung vom Juli 2021, wonach S
sich während des Wehrdienstes zwischen einer Offizierslaufbahn
bei der Bundeswehr mit Studium und einem zivilen Studiengang
entscheiden wolle, lässt sich die Ausbildungswilligkeit des S
für das später aufgenommene Studium nicht ableiten. Das
Schreiben beinhaltete letztlich lediglich die Ankündigung,
eine endgültige Entscheidung für oder gegen ein ziviles
Studium in den kommenden Monaten treffen zu wollen. Zunächst
hat S jedoch gerade kein ziviles Studium, sondern die
Grundausbildung bei der Bundeswehr begonnen, verbunden mit der
Möglichkeit, sich dort gegebenenfalls weiter ausbilden zu
lassen oder dort zu studieren.
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bb) Die undatierte Stellungnahme des S, wonach
er sich zu einem zivilen Studium im März 2022 entschlossen
habe, wurde nicht im März 2022, sondern erst im Klageverfahren
vorgelegt und ist nicht ausreichend. Wie ausgeführt,
genügt die bloße Behauptung - und letztlich ist die
schriftliche Stellungnahme nichts anderes - des
Kindergeldberechtigten oder des Kindes, es sei ab einem bestimmten
Monat ausbildungswillig gewesen, nicht, wenn sich die
Bemühungen nicht objektiviert haben.
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b) Die Entscheidung des FG ist in Bezug auf
den Monat März auch nicht aus anderen Gründen richtig
(§ 126 Abs. 4 FGO). Es kommt kein anderer
Berücksichtigungstatbestand in Betracht. Insbesondere ist der
Freiwillige Wehrdienst nicht in den Katalog der
Berücksichtigungstatbestände nach § 32 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 EStG aufgenommen worden; dies ist verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden (Senatsurteil vom 03.07.2014 - III R 53/13, BFHE
246, 437, BStBl II 2015, 282 = SIS 14 29 71, Rz 17).
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3. Zu Recht hat das FG hingegen für die
Monate April und Mai 2022 einen Kindergeldanspruch bejaht.
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a) Zutreffend ist das FG für diese Monate
von einer Ausbildungsbereitschaft des S ausgegangen. Denn am
29.04.2022 ging bei der Familienkasse die Ausbildungsbescheinigung
der Bundeswehr vom 21.04.2022 ein, in der angegeben war, S werde
nach Beendigung seines Freiwilligen Wehrdienstes ein ziviles
Studium beginnen; er befinde sich dafür in der
Bewerbungsphase. Damit hat sich die Ausbildungsbereitschaft des S
im April 2022 durch belegbare Bemühungen um einen
Ausbildungsplatz objektiviert. Die Ernsthaftigkeit der
Bemühungen wird durch den weiteren Verlauf bestätigt.
Denn am 15.05.2022 bewarb sich S nach den Feststellungen des FG um
einen Studienplatz ab dem Wintersemester 2022. Dies war der
nächstmögliche Zeitpunkt ab der durch objektive
Umstände belegten Entschlussfassung für ein ziviles
Studium. Im April 2022 war ein Studienbeginn zum Sommersemester,
das regelmäßig Anfang April beginnt, nicht mehr
möglich. S war somit auch nicht durch seine Verpflichtung zum
Freiwilligen Wehrdienst an einer früheren Aufnahme des
Studiums gehindert.
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b) Einer Berücksichtigung des S als Kind
im Sinne des Kindergeldrechts in den Monaten April und Mai 2022
steht seine Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden
(vgl. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) als Soldat bei der Bundeswehr
in der Zeit zwischen der Beendigung der Grundausbildung und dem
Beginn des Studiums nicht entgegen, denn die Grundausbildung ist
keine abgeschlossene Erstausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4
Satz 2 EStG.
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aa) Ein Kind, das die Voraussetzungen des
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfüllt, weil es
zwischen 18 und 25 Jahren alt ist und eine Berufsausbildung mangels
Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, wird
gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nach Abschluss einer
erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur
berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht
(s. dazu auch den Satz 3). Vor Abschluss einer Erstausbildung wird
ein volljähriges Kind (seit dem Veranlagungszeitraum 2012)
hingegen grundsätzlich unabhängig vom Umfang seiner
Erwerbstätigkeit berücksichtigt, sofern ein
Berücksichtigungstatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
EStG vorliegt. Der Umfang der Erwerbstätigkeit kann allenfalls
die Ernsthaftigkeit der Ausbildungsplatzsuche beeinflussen. Die
frühere Rechtsprechung, wonach die Ausübung einer
Vollzeittätigkeit der Berücksichtigung als Ausbildung
suchendes Kind grundsätzlich entgegenstand, hat der BFH
aufgegeben (Senatsurteile vom 17.06.2010 - III R 34/09, BFHE 230,
61, BStBl II 2010, 982 = SIS 10 22 78, Rz 10 ff., mit Anm. Siegers,
EFG 2010, 1708 und vom 27.09.2012 - III R 70/11, BFHE 239, 116,
BStBl II 2013, 544 = SIS 12 30 59, Rz 29, zum neben der
Ausbildungssuche ausgeübten gesetzlichen Pflichtdienst).
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(1) § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nach
ständiger Rechtsprechung enger auszulegen als § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Kind, das „für einen Beruf
ausgebildet wird“; vgl. etwa Senatsurteile vom
11.12.2018 - III R 26/18, BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765 = SIS 18 22 85, Rz 14 und vom 03.07.2014 - III R 52/13, BFHE 246, 427,
BStBl II 2015, 152 = SIS 14 28 39, Rz 22 ff.; BFH-Urteil vom
15.04.2015 - V R 27/14, BFHE 249, 500, BStBl II 2016, 163 = SIS 15 16 02, Rz 18 ff.). Da es im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
auf das angestrebte Berufsziel des Kindes ankommt, ist der
Tatbestand „Abschluss einer erstmaligen
Berufsausbildung“ nicht zwingend mit dem
ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss erfüllt;
dies gilt insbesondere für mehraktige Ausbildungen (vgl.
BFH-Urteil vom 15.04.2015 - V R 27/14, BFHE 249, 500, BStBl II
2016, 163 = SIS 15 16 02, Rz 19).
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(2) Die den Erstausbildungsbegriff des §
32 Abs. 4 Satz 2 EStG begrenzenden Kriterien hat der Senat vor
allem in folgenden Punkten gesehen (vgl. Senatsurteil vom
12.10.2023 - III R 10/22, BFHE 282, 368, BStBl II 2024, 267 = SIS 24 01 30, Rz 18 ff., m.w.N.): Es muss sich um einen
öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln.
Dieser muss auf einen Abschluss ausgerichtet sein, der in Form
einer Prüfung erfolgt. Durch die berufliche
Ausbildungsmaßnahme muss das Kind die notwendigen fachlichen
Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die zur Aufnahme eines
Berufs befähigen, wodurch insbesondere eine Abgrenzung
gegenüber dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule erfolgen
soll. Liegen mehrere Ausbildungsabschnitte vor, können diese
dann eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich
und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung
nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und
das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den
weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (Senatsurteile
vom 03.07.2014 - III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 =
SIS 14 28 39, Rz 27 und vom 23.10.2019 - III R 14/18, BFHE 266,
526, BStBl II 2020, 785 = SIS 20 02 14, Rz 15, m.w.N.).
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(3) Bei Berufssoldaten ist die
Berufsausbildung mit der Bekanntgabe des Bestehens der jeweiligen
Laufbahnprüfung abgeschlossen (Senatsentscheidungen vom
23.06.2015 - III R 37/14, BFHE 250, 377, BStBl II 2016, 55 = SIS 15 21 49 und vom 09.03.2016 - III B 146/15, BFH/NV 2016, 918 = SIS 16 09 87; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG, Rz 124; zur
Annahme eines Ausbildungsverhältnisses bei einer Verpflichtung
als Soldat auf Zeit s. z.B. auch Senatsurteil vom 16.09.2015 - III
R 6/15, BFHE 251, 31, BStBl II 2016, 281 = SIS 15 25 90, Rz 10 ff.;
BFH-Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 19/02, BFHE 203, 417, BStBl II
2007, 247 = SIS 03 52 08, unter II.1.b). Die Grundausbildung bei
der Bundeswehr führt im Allgemeinen hingegen schon deshalb
nicht zu einer abgeschlossenen Erstausbildung, weil sie nicht mit
einer Laufbahnprüfung endet.
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bb) Im Streitfall führte die
Grundausbildung des S bei der Bundeswehr hiernach nicht zu einer
abgeschlossenen Erstausbildung.
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cc) Auf die Frage, ob in Anlehnung an § 9
Abs. 6 Satz 2 EStG auch im Fall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
die Erstausbildung eine Mindestdauer von 12 Monaten haben muss,
kommt es im Streitfall nicht an, weshalb der Senat über diese
Frage nicht entscheiden muss (so FG Niedersachsen, Urteil vom
30.01.2024 - 8 K 134/23, juris = SIS 24 05 33, beim BFH
anhängig unter III R 7/24; FG Nürnberg, Urteil vom
09.01.2023 - 3 K 782/22, juris = SIS 23 04 35, beim BFH
anhängig unter III R 12/24; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
14.08.2023 - 4 K 1946/21, EFG 2024, 1834 = SIS 24 13 30, beim BFH
anhängig unter III R 14/24; a.A. FG Münster, Urteil vom
06.06.2024 - 13 K 1080/23 Kg, juris = SIS 24 11 94, beim BFH
anhängig unter III R 22/24).
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c) Die weiteren Voraussetzungen für den
Kindergeldanspruch des Klägers für S für die Monate
April und Mai 2022 lagen nach den Feststellungen des FG im
Streitfall vor. Der Senat sieht insoweit von weiteren
Ausführungen ab.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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