1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gemeinde, errichtete
eine Sport- und Freizeithalle, die im November 1994 fertig gestellt
wurde. Die Vorsteuer aus Baumaßnahmen, der Anschaffung von
Sport- und Fitnessgeräten sowie geringwertiger
Wirtschaftsgüter betrug ... DM. Im Erdgeschoss befanden sich
eine Turnhalle, ein Fitnessraum, ein Aufbewahrungsraum für
z.B. Sportgeräte, ein Vereinszimmer und das Hausmeisterzimmer.
Im Obergeschoss waren Umkleide- und Waschräume untergebracht.
In einem weiteren Raum waren Stühle und Bodenbeläge
für andere als Sportveranstaltungen untergestellt. Zur Halle
hin befand sich eine Galerie, die mit Sitzmöglichkeiten
ausgestattet werden konnte. Die Sporthalle wurde während der
Schulzeit überwiegend dreimal wöchentlich für den
Sportunterricht der örtlichen Schulen genutzt. Die Halle wurde
auch von mehreren Sportvereinen und einzelnen Personen und
Personengruppen genutzt. Es fanden auch Skat- und
Tischtennisturniere statt. Das Vereinszimmer verfügte
über eine kleine Küche und wurde für Familienfeiern
und Vereinsfeste vermietet. Die Nutzung der Sporthalle wurde von
Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung koordiniert, die auch die
Reinigung übernahmen. Mit Beschluss vom 14.11.1994 legte der
Verwaltungsausschuss der Klägerin die „Mietpreise“
für die Sporthalle, aufgegliedert nach Vereinszimmer,
Kraftsportraum und Sporthalle, fest. Die Mietpreise enthielten
keine zusätzlich ausgewiesene Umsatzsteuer. Nach dem Beschluss
war mit dem jeweiligen Sportverein eine gesonderte Vereinbarung
abzuschließen.
|
|
|
2
|
Bis zum Ende des Streitjahres 1994
vereinnahmte die Klägerin Leistungsentgelte in Höhe von
... DM, wobei Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen wurde. Die
Klägerin gab weder für das Jahr 1994 noch für die
Folgejahre Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Erstmals im August 2001
reichte die Klägerin die Umsatzsteuererklärung 1994
für einen Betrieb gewerblicher Art ein, in der sie
entgeltliche Umsätze zu 15 % in Höhe von ... DM und
Entnahmen in Höhe von ... DM und Umsätze zu 7 % in
Höhe von ... DM erklärte und Vorsteuern in Höhe von
... DM geltend machte. Die Steuererklärung für 1994
umfasste als Betrieb gewerblicher Art Bauhof, Sporthalle mit
Fitnessraum sowie Schul- und Sozialküche. Mit Schreiben vom
4.9.2001 teilte die Klägerin mit, dass ihre Jahresumsätze
aus Sporthalle und Fitnessraum für 1995 ... DM, für 1996
... DM, für 1997 ... DM, für 1998 ... DM und für
1999 ... DM betrugen. Die Umsatzsteuererklärungen für die
Jahre ab 1995 reichte sie in den Jahren 2001 und 2002 ein. In den
Rechnungen des Streitjahres und der Folgejahre wurde keine
Umsatzsteuer ausgewiesen.
|
|
|
3
|
Im Anschluss an eine
Außenprüfung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) die Umsatzsteuer für das Streitjahr
mit Bescheid vom 8.9.2003 auf ... DM (... EUR) fest und erkannte
dabei die Umsätze von ... DM und die Vorsteuerbeträge in
Höhe von ... DM aus der Vermietung und Errichtung der
Sporthalle nicht an. Einspruch und Klage hatten keinen
Erfolg.
|
|
|
4
|
Das Finanzgericht (FG) vertrat die
Auffassung, dass die Klägerin mit der Freizeit- und Sporthalle
keinen Betrieb gewerblicher Art unterhalten habe. Die Nutzung der
Halle zur Durchführung des Sportunterrichts sei hoheitlich
erfolgt. Dies gelte auch für die Überlassung der Halle an
die Gemeinde T für den Sportunterricht der dortigen
Grundschule. Auch die Überlassung an andere Nutzer sei
nichtunternehmerisch erfolgt. Diese Tätigkeit habe sich nicht
aus ihrer Gesamtbetätigung herausgehoben und sei im Hinblick
auf die Verflechtungen mit dem Hoheitsbereich nicht hinreichend
deutlich abgrenzbar. Die Klägerin sei auch nicht zu privaten
Anbietern in Wettbewerb getreten. Es fehle bereits nach
Leistungsangebot und Preisniveau an einer Konkurrenzsituation. Die
Klägerin könne den Nutzern des in der Halle
untergebrachten Fitnessraums keine Annehmlichkeiten wie z.B.
Trainerbetreuung oder Saunabenutzung bieten. Es liege daher reine
Vermögensverwaltung vor. Die Klägerin könne im
Übrigen auch nicht belegen, dass sie bereits bei Errichtung
der Halle beabsichtigt habe, diese zur Ausführung
steuerpflichtiger Umsätze zu verwenden, zumal die Entgelte
ohne Umsatzsteuer berechnet worden seien und sie erst nach mehreren
Jahren Umsatzsteuererklärungen abgegeben habe.
|
|
|
5
|
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie sei mit dem
Betrieb der Freizeit- und Sporthalle unternehmerisch tätig
geworden. Ob sich diese Tätigkeit aus ihrer
Gesamtbetätigung herausgehoben habe, sei bei
richtlinienkonformer Auslegung unerheblich. Die Vermietung an
wechselnde Mieter sei keine Vermögensverwaltung. Da es sich um
die Vermietung einer Sportstätte gehandelt habe, sei ihre
Tätigkeit auch nicht steuerfrei gewesen. Da sie auf
zivilrechtlicher Grundlage tätig geworden sei, komme es auf
die Frage einer Wettbewerbsgefährdung für die
Begründung ihrer Unternehmerstellung nicht an. Selbst wenn auf
ein Wettbewerbsverhältnis abzustellen wäre, müsse
dieses unabhängig von den Verhältnissen auf dem
jeweiligen lokalen Markt beurteilt werden. Da die unternehmerische
Betätigung ein objektiver Sachverhalt sei, sei ein
unterlassener Umsatzsteuerausweis oder die verspätete Abgabe
von Umsatzsteuererklärungen unerheblich. Sie sei auch
berechtigt gewesen, die Halle in vollem Umfang ihrem Unternehmen
zuzuordnen. Im Übrigen liege auch ein Verfahrensfehler
vor.
|
|
|
6
|
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 8.9.2003 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.6.2006 zu ändern und
die Betätigung der Klägerin in der Sport- und
Freizeithalle als Betrieb gewerblicher Art und den damit in
Zusammenhang stehenden Vorsteuerabzug anzuerkennen.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
Es liege kein Betrieb gewerblicher Art vor.
Das Urteil des FG sei bereits deshalb zutreffend, da die
Klägerin die Halle bei ihrer Errichtung nicht ihrem
Unternehmen zugeordnet habe. Die Klägerin habe
„zeitnah“ keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben.
Die Klägerin habe ihre Zuordnungsentscheidung, die sie auch
negativ als Nichtzuordnung ausüben könne, nicht
dokumentiert. Die Überlassung an andere Gemeinden sei
unentgeltlich erfolgt. Das „teilweise fehlende
Vorsteuerabzugsrecht bei gemischt wirtschaftlicher bzw.
nichtwirtschaftlicher Verwendung einheitlicher Gegenstände
anstelle der Frage der Zuordnung“ könne zu einem
Vorsteuerausschluss analog § 15 Abs. 2 des
Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) führen.
|
|
|
9
|
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an
das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen dem Urteil des FG war die
Klägerin mit dem Betrieb der Sport- und Freizeithalle als
Unternehmer tätig und erbrachte dabei umsatzsteuerpflichtige
Leistungen.
|
|
|
10
|
1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der
Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert
ausgewiesene Steuer für Leistungen, die von einem anderen
Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind,
als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach
§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der
Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese
Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten
Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach der Steuerpflichtige
(Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für
Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die
im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für
Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen
Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm
geschuldeten Steuer abzuziehen.
|
|
|
11
|
Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften
zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein
Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie
77/388/EWG) und damit für seine nachhaltigen Tätigkeiten
zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt,
die steuerpflichtig oder nach § 15 Abs. 3 UStG steuerfrei sind
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9.12.2010 V R 17/10, BFHE
232, 243, BFH/NV 2011, 717 = SIS 11 06 15, unter II.1.b; vom
13.1.2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BFH/NV 2011, 721 = SIS 11 06 14, unter II.1.b, und vom 27.1.2011 V R 38/09, BFHE 232, 278,
BFH/NV 2011, 727 = SIS 11 06 16, unter II.2.b; vom 3.3.2011 V R
23/10, BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30, unter
II.1.a, m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union - EuGH - ).
|
|
|
12
|
2. Die Klägerin war im Streitfall beim
Betrieb der Halle entgegen dem FG-Urteil als Unternehmer tätig
und im Grundsatz zum Vorsteuerabzug berechtigt. Das Urteil des FG
war daher aufzuheben.
|
|
|
13
|
a) Juristische Personen des öffentlichen
Rechts sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer
Betriebe gewerblicher Art unternehmerisch und damit wirtschaftlich
tätig. Bei diesen Betrieben handelt es sich nach § 1 Abs.
1 Nr. 6 i.V.m. § 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG)
um alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen
Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen und die sich
innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person
wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und
eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht
erforderlich (§ 4 Abs. 1 KStG). Betriebe, die überwiegend
der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen
(Hoheitsbetriebe), gehören nach § 4 Abs. 5 KStG nicht
hierzu. Diese Vorschriften sind unter Berücksichtigung von
Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG richtlinienkonform
auszulegen. Danach gelten Staaten, Länder, Gemeinden und
sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als
Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder
Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen
Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen
Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren,
Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie jedoch
solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen,
gelten sie hierfür als Steuerpflichtige, sofern eine
Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren
Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
|
|
|
14
|
Danach ist eine juristische Person des
öffentlichen Rechts bei richtlinienkonformer Auslegung von
§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG entsprechend Art.
4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG Unternehmer, wenn sie eine
wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur
Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche
Tätigkeit) ausübt, die sich innerhalb ihrer
Gesamtbetätigung heraushebt. Handelt sie dabei auf
privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es auf weitere
Voraussetzungen nicht an. Erfolgt ihre Tätigkeit auf
öffentlich-rechtlicher Grundlage, z.B. durch Verwaltungsakt,
ist sie demgegenüber nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als
Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen
führen würde (BFH-Urteile vom 15.4.2010 V R 10/09, BFHE
229, 416, BFH/NV 2010, 1574 = SIS 10 18 69, unter II.B.2. bis 5.,
m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung, und in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011,
1261 = SIS 11 18 30, unter II.2.a aa).
|
|
|
15
|
Diese Auslegung verstößt entgegen
Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer (UStG, § 2 Rz 189)
nicht deswegen gegen den Wortlaut des § 2 Abs. 3 UStG, weil
dieser „ohne Einschränkung auf den gesamten § 4
KStG“ verweist; auch verliert § 2 Abs. 3 UStG bei
umsatzsteuerrechtlicher Auslegung der in dieser Vorschrift
angeordneten Verweisung nicht seinen Sinn. Denn zum einen
überschreitet die umsatzsteuerrechtliche Auslegung des §
4 KStG im Rahmen der Verweisung in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG
insbesondere im Hinblick auf den Begriff der
„wirtschaftlichen Tätigkeit“ (§ 4 Abs.
1 Satz 1 KStG) nicht die bei der Auslegung dieser Vorschriften zu
beachtende Wortlautgrenze. Zum anderen führt erst die
Anwendung von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5
KStG dazu, dass umsatzsteuerrechtlich die hoheitlichen und damit
die auf öffentlich-rechtlicher Grundlage ausgeübten
Tätigkeiten der juristischen Personen des öffentlichen
Rechts nicht als unternehmerisch anzusehen sind, sofern es
hierdurch zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen
kommt. Ohne § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 KStG
wären demgegenüber alle nachhaltig und gegen Entgelt und
somit auch die auf hoheitlicher Grundlage ausgeübten
Tätigkeiten steuerbar - sowie bei Fehlen besonderer
Befreiungstatbestände - steuerpflichtig.
|
|
|
16
|
b) Im Streitfall war die Klägerin beim
Betrieb der Sport- und Freizeithalle als Unternehmer
tätig.
|
|
|
17
|
aa) Die Klägerin übte durch die
Überlassung der Halle gegen Entgelt eine wirtschaftliche
Tätigkeit i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4
Abs. 1 KStG und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG aus. Die
Klägerin war über mehrere Jahre gegen Entgelt und damit
nachhaltig tätig. Ob sie dabei in der Absicht handelte, Gewinn
zu erzielen, ist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG
i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG unerheblich. Ebenso kommt es
entgegen dem FG-Urteil weder darauf an, ob die Klägerin ihre
Entgelte mit oder ohne Umsatzsteuer kalkulierte noch, ob sie sich
selbst als Unternehmer ansah und fristgerechte
Umsatzsteuererklärungen abgab.
|
|
|
18
|
bb) Die Tätigkeit der Klägerin bei
der entgeltlichen Überlassung der Sport- und Freizeithalle hob
sich auch aus ihrer Gesamttätigkeit wirtschaftlich i.S. von
§ 4 Abs. 1 Satz 1 KStG heraus, wie der Senat zur Vermietung
einer kommunalen Mehrzweckhalle, die im Übrigen auch für
hoheitliche Schulzwecke genutzt wird, bereits ausdrücklich
entschieden hat (BFH-Urteil vom 28.11.1991 V R 95/86, BFHE 167,
207, BStBl II 1992, 569 = SIS 92 11 38, unter B.I.1.). Bestimmten
Gewinn- oder Umsatzgrenzen, wie sie in Abschn. 6 der
Körperschaftsteuer-Richtlinien vorgesehen sind, kommt
demgegenüber keine eigenständige Bedeutung zu, da sie
weder mit dem Erfordernis der Gleichmäßigkeit der
Besteuerung noch mit dem notwendigen Ausschluss von
Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu privaten Unternehmen
vereinbar sind (BFH-Urteil in BFHE 229, 416, BFH/NV 2010, 1574 =
SIS 10 18 69, unter II.B.2.e, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung).
|
|
|
19
|
cc) Im Streitfall hat das FG - ausgehend von
seiner Rechtsauffassung - keine Feststellungen getroffen, aus denen
sich ergibt, ob die Klägerin die Nutzung der Freizeit- und
Sporthalle an die Nutzer auf privat- oder auf
öffentlich-rechtlicher Grundlage gegen Entgelt überlassen
hat. Nach den Verhältnissen im Streitfall kann dies indes
offen bleiben.
|
|
|
20
|
(1) Erfolgte die Nutzungsüberlassung auf
privatrechtlicher Grundlage, ist die Klägerin als Unternehmer
tätig, ohne dass es auf weitere Voraussetzungen, wie z.B. ein
Wettbewerbsverhältnis zu anderen Unternehmen, ankommt (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 229, 416, BFH/NV 2010, 1574 = SIS 10 18 69,
unter II.B.4., und in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30, Leitsatz 2).
|
|
|
21
|
(2) Hat die Klägerin die Halle oder Teile
des Hallengebäudes auf öffentlich-rechtlicher Grundlage
überlassen, ist sie gleichfalls Unternehmer, da sie insoweit
im Wettbewerb zu privaten Konkurrenten tätig war (vgl. hierzu
BFH-Urteile in BFHE 229, 416, BFH/NV 2010, 1574 = SIS 10 18 69,
unter II.B.5.b und c, und in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30, Leitsatz 2).
|
|
|
22
|
(a) Nach dem EuGH-Urteil vom 16.9.2008
C-288/07, Isle of Wight Council (Slg. 2008, I-7203 = SIS 08 38 55
Rdnr. 76), das das FG bei seiner Entscheidung nicht
berücksichtigt hat, sind
„größere“ Wettbewerbsverzerrungen nur
dann zu verneinen, wenn „die Behandlung öffentlicher
Einrichtungen als Nichtsteuerpflichtige ... lediglich zu
unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen
würde“ (ebenso Seer/Klemke, BB 2010, 2015 ff., 2021
f.; Sterzinger, UR 2009, 37 ff., 41, und Wagner, UVR 2008, 335
ff.). Es ist daher für die Behandlung einer auf
öffentlich-rechtlicher Grundlage tätigen juristischen
Person des öffentlichen Rechts nicht erforderlich, dass
„erhebliche“ oder
„außergewöhnliche“
Wettbewerbsverzerrungen vorliegen (EuGH-Urteil Isle of Wight
Council in Slg. 2008, I-7203 Rdnr. 74). Weiter ist für die
Wettbewerbsbeurteilung nicht nur der gegenwärtige, sondern
auch der potentielle Wettbewerb zu berücksichtigen. Im
Übrigen kommt es für die Wettbewerbsbeurteilung nicht auf
die Verhältnisse auf dem jeweiligen „lokalen
Markt“ an. Denn die Frage der Wettbewerbsverzerrungen ist
„in Bezug auf die fragliche Tätigkeit als solche zu
beurteilen ..., ohne dass sich diese Beurteilung auf einen lokalen
Markt im Besonderen bezieht“ (EuGH-Urteil Isle of Wight
Council in Slg. 2008, I-7203 Rdnr. 53), so dass die Art der
Tätigkeit maßgeblich ist.
|
|
|
23
|
(b) Danach erfolgt die Überlassung von
Räumlichkeiten der Sport- und Freizeithalle gegen Entgelt
bereits nach der Art ihrer Tätigkeit im Wettbewerb zu privaten
Anbietern. Auf die Verhältnisse auf dem lokalen Markt im
Gebiet der Klägerin kommt es dabei nicht an. Ob private
Angebote auch Saunabenutzung und Trainerbetreuung
ermöglichten, ist dabei unerheblich. Im Übrigen ist nicht
davon auszugehen, dass eine Nichtbesteuerung zu lediglich
unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
|
|
|
24
|
dd) Im Streitfall war die Klägerin auch
bei der Überlassung von Räumlichkeiten der Sport- und
Freizeithalle an die Gemeinde T für deren Grundschule als
Unternehmer tätig.
|
|
|
25
|
Zwar hat der Senat zum UStG 1951 entschieden,
dass sog. Beistandsleistungen, die zwischen juristischen Personen
des öffentlichen Rechts auf öffentlich-rechtlicher oder
privatrechtlicher Grundlage gegen z.B. Aufwendungsersatz und damit
gegen Entgelt erbracht werden, nicht steuerbar seien, da es im
Rahmen des für alle Behörden verbindlichen Grundsatzes
der gegenseitigen Hilfeleistung liege, dass eine Behörde die
Aufgaben einer anderen Behörde übernehme, wenn sie ohne
Beeinträchtigung ihres eigenen Aufgabenkreises dazu in der
Lage sei und damit die Aufgaben der anderen Behörde auf deren
Ersuchen zu erleichtern trachte (BFH-Urteile vom 12.12.1968 V
213/65, BFHE 94, 558, BStBl II 1969, 280 = SIS 69 01 81; ebenso vom
1.4.1965 V 131/62 U, BFHE 82, 263, BStBl III 1965, 339 = SIS 65 01 93; vom 6.7.1967 V 76/64, BFHE 89, 164, BStBl III 1967, 582 = SIS 67 08 18, und vom 8.7.1971 V R 1/68, BFHE 103, 247, BStBl II 1972,
70 = SIS 72 00 43).
|
|
|
26
|
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung
(vgl. z.B. Oberfinanzdirektion Rostock vom 21.11.2002, UR 2003, 303
zu kommunaler Datenverarbeitung für den Hoheitsbereich des
Leistungsempfängers) ist es aber mit dem im Streitjahr
anzuwendenden § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1993 i.V.m. § 4 KStG
und der insoweit gebotenen Auslegung entsprechend Art. 4 Abs. 5 der
Richtlinie 77/388/EWG nicht zu vereinbaren, sog.
Beistandsleistungen, die zwischen juristischen Personen des
öffentlichen Rechts erbracht werden, auch dann von der
Umsatzbesteuerung auszunehmen, wenn diese zwar auf
öffentlich-rechtlicher Grundlage, dabei jedoch im Wettbewerb
zu Leistungen Privater erbracht werden. Die unter der Geltung des
UStG 1951 entwickelten Grundsätze zum
„Beistand“ zwischen juristischen Personen des
öffentlichen Rechts sind auf das im Streitfall anzuwendende
UStG 1993 daher nicht zu übertragen. Danach ist im Streitfall
die entgeltliche Überlassung von Räumlichkeiten in einer
Sport- und Freizeithalle durch eine Gemeinde an eine Gemeinde
für deren Schulunterricht ebenso steuerbar wie eine
Leistungserbringung an private Rechtsträger.
|
|
|
27
|
c) Der Vorsteuerabzug setzt die durch
objektive Anhaltspunkte belegte Absicht der Verwendung für
steuerpflichtige Umsätze bei Leistungsbezug voraus (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 232, 243, BFH/NV 2011, 717 = SIS 11 06 15, unter
II.3.a, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH). Diese
Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Denn die
Klägerin beabsichtigte bereits bei der Errichtung der Sport-
und Freizeithalle, diese auch für entgeltliche Leistungen zu
verwenden, wie sich aus dem Beschluss des Verwaltungsausschusses
der Klägerin vom 14.11.1994 ergibt.
|
|
|
28
|
aa) Die entgeltliche Überlassung der
Räumlichkeiten der Sport- und Freizeithalle war
grundsätzlich steuerpflichtig; denn die Überlassung von
Sportanlagen ist nach der geänderten BFH-Rechtsprechung nicht
gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei
(BFH-Urteil vom 31.5.2001 V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001,
658 = SIS 01 11 12, Leitsatz).
|
|
|
29
|
Ob die Klägerin bei Errichtung der Sport-
und Freizeithalle aufgrund der früheren BFH-Rechtsprechung
davon ausging, dass ihre entgeltlichen Leistungen ganz oder
teilweise nicht steuerpflichtig seien, ist entgegen dem FG-Urteil
unerheblich. Denn die für den Vorsteuerabzug maßgebliche
Verwendungsabsicht bezieht sich darauf, dass der Unternehmer das
Erbringen entgeltlicher Leistungen beabsichtigt, die objektiv zum
Vorsteuerabzug berechtigen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob
der Unternehmer seine Leistung subjektiv in rechtlicher Hinsicht
zutreffend beurteilt. Dementsprechend kommt es für die Frage,
ob ein nach § 9 Abs. 2 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigender
steuerpflichtiger Umsatz oder ein nicht zum Vorsteuerabzug
berechtigender steuerfreier Umsatz vorliegt, auf die
„zutreffende umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des
tatsächlich verwirklichten Sachverhalts“ an
(BFH-Urteil vom 11.3.2009 XI R 71/07, BFHE 227, 200, BStBl II 2010,
209 = SIS 10 00 78, unter II.b) und vermögen rechtliche
Fehlvorstellungen über eine z.B. tatsächlich nicht
gegebene Steuerpflicht kein Recht auf Vorsteuerabzug zu
begründen. Geht der Unternehmer z.B. davon aus, dass nach der
maßgeblichen Rechtslage im Zeitpunkt des Leistungsbezugs
seine Leistung steuerpflichtig ist, während sie bei
zutreffender Beurteilung ohne Recht auf Vorsteuerabzug steuerfrei
ist, ist der Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
|
|
|
30
|
bb) Eine mögliche Steuerfreiheit
„für bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und
Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die
Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport
oder Körperertüchtigung ausüben“ nach Art.
13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG steht im
Streitfall dem Vorsteuerabzug der Klägerin nicht entgegen.
Denn diese Steuerbefreiung wird im nationalen Recht
gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG nur für
sportliche Veranstaltungen umgesetzt. Eine derartige Veranstaltung
liegt im Streitfall, bei dem sich die Klägerin nicht auf einen
Anwendungsvorrang des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der
Richtlinie 77/388/EWG beruft (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 9.8.2007
V R 27/04, BFHE 217, 314, BFH/NV 2007, 2213 = SIS 07 31 80, unter
II.3.a bb, und vom 11.10.2007 V R 69/06, BFHE 219, 287, BFH/NV
2008, 322 = SIS 08 05 57, unter II.2.b bb) nicht vor.
|
|
|
31
|
d) Beabsichtigt der Unternehmer eine von ihm
bezogene Leistung zugleich für seine wirtschaftliche und seine
nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, kann er den
Vorsteuerabzug grundsätzlich nur insoweit in Anspruch nehmen,
als die Aufwendungen hierfür seiner wirtschaftlichen
Tätigkeit zuzurechnen sind. Beabsichtigt der Unternehmer eine
teilweise Verwendung für eine nichtwirtschaftliche
Tätigkeit, ist er daher insoweit nicht zum Vorsteuerabzug
berechtigt (BFH-Urteile in BFHE 232, 243, BFH/NV 2011, 717 = SIS 11 06 15, unter II.1.d; in BFHE 232, 261, BFH/NV 2011, 721 = SIS 11 06 14, unter II.1., m.w.N. zu den EuGH-Urteilen vom 13.3.2008
C-437/06, Securenta, Slg. 2008, I-1597 = SIS 08 16 67, und vom
12.2.2009 C-515/07, VNLTO, Slg. 2009, I-839 = SIS 09 08 65, sowie
BFH-Urteil in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30,
unter II.1.c).
|
|
|
32
|
Der Sonderfall einer Privatentnahme i.S. von
Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, bei der
der Unternehmer den gemischt wirtschaftlich und privat verwendeten
Gegenstand voll dem Unternehmen zuordnen und dann aufgrund der
Unternehmenszuordnung in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug
berechtigt sein kann (BFH-Urteile in BFHE 232, 243, BFH/NV 2011,
717 = SIS 11 06 15, unter II.1.d; in BFHE 232, 261, BFH/NV 2011,
721 = SIS 11 06 14, unter II.1., m.w.N.), liegt nicht vor, wenn die
nichtwirtschaftliche Tätigkeit in der Verwendung für den
Hoheitsbereich einer juristischen Person des öffentlichen
Rechts besteht (BFH-Urteil in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261 =
SIS 11 18 30, unter II.1.c), die sich im Streitfall aus der
Verwendung für hoheitliche Schulzwecke der Klägerin
ergibt. Die Frage einer Unternehmenszuordnung und der
Rechtzeitigkeit einer derartigen Zuordnung (vgl. hierzu BFH-Urteil
vom 7.7.2011 V R 42/09, BFH/NV 2011, 1980 = SIS 11 31 06) stellt
sich daher im Streitfall nicht.
|
|
|
33
|
3. Die Sache ist nicht spruchreif, da die
Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht zum vollen, sondern
nur zum teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Im zweiten
Rechtsgang sind daher weitere Feststellungen zur
Vorsteueraufteilung zu treffen.
|
|
|
34
|
Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach
dem EuGH-Urteil Securenta in Slg. 2008, I-1597, Leitsatz 2 die
Festlegung der Methoden und Kriterien zur Aufteilung der
Vorsteuerbeträge zwischen wirtschaftlichen und
nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im Ermessen der
Mitgliedstaaten steht, die bei der Ausübung ihres Ermessens
Zweck und Systematik dieser Richtlinie berücksichtigen und
daher eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv
widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen jedem dieser
beiden Tätigkeitsbereiche tatsächlich zuzurechnen ist.
Art. 17 bis 19 der Richtlinie 77/388/EWG und damit auch § 15
Abs. 4 UStG enthalten hierzu keine unmittelbaren Regelungen (vgl.
EuGH-Urteil Securenta in Slg. 2008, I-1597 Rdnr. 33), so dass
insoweit eine Regelungslücke besteht. Diese ist in analoger
Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG zu schließen (BFH-Urteil
in BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261 = SIS 11 18 30, Leitsatz 4).
Dies hat nach dem bei der Errichtung der Halle geschätzten
Verhältnis der Nutzung für den Hoheitsbereich der
Klägerin und für wirtschaftliche Zwecke, die zum
Vorsteuerabzug berechtigen, zu erfolgen.
|
|
|
35
|
Schließlich wird auch zu prüfen
sein, ob einzelne von der Klägerin erbrachte Leistungen -
nicht als Überlassung einer Sportanlage, sondern - z.B. als
bloße Raumüberlassung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a
UStG steuerfrei waren und ob die Überlassung an die andere
Gemeinde gegen Entgelt erfolgte. Sollte die Halle der anderen
Gemeinde - entsprechend einer bereits bei Leistungsbezug
bestehenden Absicht - unentgeltlich zur Verfügung gestellt
worden sein, würde hierfür - auch unter
Berücksichtigung des im Streitjahr geltenden § 1 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. b UStG - keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug
bestehen.
|