Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 10.06.2021 - 6 K 2136/16 =
SIS 22 03 65 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Rheinland-Pfalz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob ein entgeltlicher Verzicht auf einen vertraglichen Anspruch auf
Lieferung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ebenfalls der
Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) unterliegt.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GbR, schloss am 18.03.2011 mit der …
GmbH & Co. KG (KG) einen Vertrag über die Lieferung von 70 %
der von der Klägerin erzeugten Lebensmittel (Feldsalat,
Rucola, Bundzwiebeln, Wildkräuter, Pflücksalat). Die
Klägerin ging eine Lieferverpflichtung und die KG eine
Abnahmeverpflichtung ein. Eine Kündigung war nach § 8 des
Vertrags erstmals zum 31.12.2015 möglich. Die auf dem Vertrag
beruhenden Lieferungen der Klägerin an die KG erfolgten
gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in der im
Streitjahr (2013) geltenden Fassung zum Durchschnittssatz von 10,7
%.
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3
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Zu diesem Vertrag bestätigten am
30.06.2013 die Klägerin und die KG schriftlich einen zum
31.05.2013 mündlich abgeschlossenen Aufhebungsvertrag. Die KG
zahlte danach „zum Ausgleich der aufgrund der vorzeitigen
Vertragsauflösung entstehenden
Einbußen“ eine
„Abstandszahlung“ an die Klägerin
in Höhe von 121.770 EUR (110.000 EUR + 10,7 % Umsatzsteuer,
also unter Anwendung des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
UStG).
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Der Beklagte und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) besteuerte nach Durchführung einer
Außenprüfung im Umsatzsteuerbescheid für das Jahr
2013 vom 07.06.2016 unter anderem den Verzicht mit dem
Regelsteuersatz. Die Umsatzsteuer wurde aus dem Bruttobetrag
herausgerechnet. Der Einspruch blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es nahm an, der Verzicht der Klägerin auf die Rechte aus dem
Liefervertrag beziehungsweise (bzw.) die Zustimmung zur vorzeitigen
Vertragsauflösung sei zwar steuerbar, aber ein unter § 24
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG fallender Umsatz. Das Urteil des FG ist
unter anderem unter https://www.landesrecht.rlp.de
abrufbar.
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6
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Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
mit der es die Verletzung materiellen Rechts (§ 24 Abs. 1 Satz
1 Nr. 3 UStG) rügt. Es trägt vor, der Verzicht bzw. die
Zustimmung sei keine landwirtschaftliche Dienstleistung.
Außerdem falle für die Leistung der Klägerin keine
Vorsteuer in der von § 24 UStG typisierten Höhe
an.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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9
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Sie verteidigt die angefochtene
Vorentscheidung und macht geltend, dass der Verzicht auf einen
Umsatz wie der Umsatz, auf den verzichtet wird (Lieferung
landwirtschaftlicher Erzeugnisse), zu besteuern sei. Die Behauptung
des FA, dass für den Verzicht keine Vorsteuerbelastung
eingetreten sei, sei eine unbelegte Schlussfolgerung, der nicht
gefolgt werden könne.
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Beide Beteiligten haben auf mündliche
Verhandlung verzichtet.
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zwar zutreffend
angenommen, dass der Verzicht steuerbar ist. Allerdings fällt
die Leistung der Klägerin nicht unter § 24 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 UStG. Zu dem der Klägerin bei Nichtanwendung des §
24 Abs. 1 Satz 4 UStG möglicherweise zustehenden
Vorsteuerabzug sind vom FG weitere Feststellungen zu treffen.
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1. Das FG geht in revisionsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise davon aus, dass der vertraglich vereinbarte
Verzicht der Klägerin bzw. ihre Zustimmung zur vorzeitigen
Vertragsauflösung gegen
„Abstandszahlung“ steuerbar ist (vgl.
zum Verzicht allgemein Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
22.05.2019 - XI R 20/17, BFH/NV 2019, 1256 = SIS 19 13 81, Rz 21
f.; vom 30.06.2022 - V R 36/20, BFHE 277, 508 = SIS 22 19 42, Rz 25
ff.; zur Steuerbarkeit bei vorzeitiger Vertragsbeendigung gegen
Entgelt s. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union -
EuGH - Meo - Serviços de Comunicações e
Multimédia vom 22.11.2018 - C-295/17, EU:C:2018:942 =
SIS 18 18 95; Vodafone Portugal
vom 11.06.2020 - C-43/19, EU:C:2020:465 = SIS 20 06 87). Dies wird von keinem
Beteiligten angegriffen und bedarf keiner weiteren
Erörterung.
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2. Allerdings fällt der Verzicht, anders
als das FG meint, nicht unter § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG.
Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
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a) Für die im Rahmen eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze wird
gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG die Steuer
vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:
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„1.
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für die Lieferungen von
forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen
Sägewerkserzeugnisse, auf 5,5 Prozent,
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2.
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für die Lieferungen der in der Anlage 2
nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke
sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die
Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten
Umsätze, und für sonstige Leistungen, soweit in der
Anlage 2 nicht aufgeführte Getränke abgegeben werden, auf
19 Prozent,
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3.
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für die übrigen Umsätze im
Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 auf 10,7 Prozent der
Bemessungsgrundlage.“ „Die
Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1
bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf 5,5 Prozent, in
den übrigen Fällen des Satzes 1 auf 10,7 Prozent der
Bemessungsgrundlage für diese Umsätze
festgesetzt.“ (§ 24 Abs. 1 Satz 3 UStG).
„Ein weiterer Vorsteuerabzug
entfällt.“ (§ 24 Abs. 1 Satz 4
UStG).
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b) Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf
den Art. 295 ff. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL).
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aa) Nach Art. 296 Abs. 1 MwStSystRL
können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger,
bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung auf
Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die
Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den
Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen
gezahlt wird, eine Pauschalregelung nach diesem Kapitel anwenden.
Bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger sowie diejenigen
landwirtschaftlichen Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen
Mehrwertsteuerregelung keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten
mit sich bringt, können von der Pauschalregelung ausgenommen
werden (Art. 296 Abs. 2 MwStSystRL). Nimmt ein Pauschallandwirt
einen Pauschalausgleich in Anspruch, hat er in Bezug auf die dieser
Pauschalregelung unterliegenden Tätigkeiten kein Recht auf
Vorsteuerabzug (Art. 302 MwStSystRL).
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bb) Die Pauschalausgleich-Prozentsätze
werden nach Art. 300 MwStSystRL unter anderem auf den Preis ohne
Mehrwertsteuer der folgenden Gegenstände und Dienstleistungen
angewandt:
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„1.
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landwirtschaftliche Erzeugnisse, die die
Pauschallandwirte an andere Steuerpflichtige als jene geliefert
haben, die in dem Mitgliedstaat, in dem diese Erzeugnisse geliefert
werden, diese Pauschalregelung in Anspruch nehmen; …
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3.
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landwirtschaftliche Dienstleistungen, die die
Pauschallandwirte an andere Steuerpflichtige als jene erbracht
haben, die in dem Mitgliedstaat, in dem diese Dienstleistungen
erbracht werden, diese Pauschalregelung in Anspruch
nehmen.“
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18
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cc) Nach Art. 295 MwStSystRL gelten
diesbezüglich folgende Begriffsbestimmungen:
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1.
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„landwirtschaftlicher
Erzeuger“ ist ein Steuerpflichtiger, der seine
Tätigkeit im Rahmen eines land-, forst- oder
fischwirtschaftlichen Betriebs ausübt;
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2.
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„land-, forst- oder
fischwirtschaftlicher Betrieb“ ist ein
Betrieb, der in den einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen der in
Anhang VII genannten Erzeugertätigkeiten als solcher gilt;
…
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4.
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„landwirtschaftliche
Erzeugnisse“ sind die Gegenstände, die im
Rahmen der in Anhang VII aufgeführten Tätigkeiten von den
land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben der einzelnen
Mitgliedstaaten erzeugt werden;
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5.
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„landwirtschaftliche
Dienstleistungen“ sind Dienstleistungen, die
von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner
Arbeitskräfte oder der normalen Ausrüstung seines land-,
forst- oder fischwirtschaftlichen Betriebs erbracht werden und die
normalerweise zur landwirtschaftlichen Erzeugung beitragen, und
zwar insbesondere die in Anhang VIII aufgeführten
Dienstleistungen;
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(2)
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Den in Anhang VII aufgeführten
Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Erzeugung gleichgestellt
sind die Verarbeitungstätigkeiten, die ein Landwirt bei im
Wesentlichen aus seiner landwirtschaftlichen Produktion stammenden
Erzeugnissen mit Mitteln ausübt, die normalerweise in land-,
forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.
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19
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Anhang VII Nr. 1 MwStSystRL lautet
auszugsweise wie folgt:
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„1.
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Anbau:
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a)
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Ackerbau im Allgemeinen, einschließlich
Weinbau;
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b)
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Obstbau (einschließlich Olivenanbau) und
Gemüse-, Blumen- und Zierpflanzengartenbau, auch unter Glas;
…“
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20
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c) § 24 UStG ist im Lichte der Art. 295
ff. MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen (vgl. BFH-Urteile vom
21.01.2015 - XI R 13/13, BFHE 248, 462, BStBl II 2015, 730 = SIS 15 05 87, Rz 17 ff.; vom 26.05.2021 - V R 11/18, BFHE 274, 163, BStBl
II 2022, 149 = SIS 21 19 61, Rz 20; vom 22.03.2023 - XI R 14/21,
BStBl II 2023, 945 = SIS 23 14 07, Rz 20). Das
Vereinfachungserfordernis muss mit dem Ziel eines Ausgleichs der
Mehrwertsteuer-Vorbelastung für die Landwirte in Einklang
gebracht werden (EuGH-Urteil Dyrektor Izby Skarbowej w L. (Verlust
des Status eines Pauschallandwirts) vom 24.03.2022 - C-697/20,
EU:C:2022:210 = SIS 22 04 98, Rz
35).
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21
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d) Höchstrichterlich offen geblieben ist
bisher, ob Verzichtsleistungen eines Landwirts im Falle ihrer
Steuerbarkeit der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen (vgl.
BFH-Urteil vom 22.08.2019 - V R 47/17, BFHE 266, 407, BStBl II
2023, 274 = SIS 19 17 25, Rz 25). Diese Frage beantwortet der
erkennende Senat dahin gehend, dass der entgeltliche Verzicht auf
ein Lieferrecht durch Zustimmung des Land- oder Forstwirts zur
vorzeitigen Auflösung des Liefervertrags nicht unter die
Durchschnittssatzbesteuerung fällt.
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22
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Das FG konnte bei seinem Urteil noch nicht
berücksichtigen, dass eine Leistung (hier: die Lieferung
landwirtschaftlicher Erzeugnisse) und eine darauf bezogene
Verzichtsleistung (hier: der Verzicht auf das Recht zur Lieferung
landwirtschaftlicher Erzeugnisse) als „actus
contrarius“ nicht immer gleich zu behandeln
sind (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2022 - V R 36/20, BFHE 277, 508 =
SIS 22 19 42, Rz 34 ff.).
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23
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aa) Fällt ein bestimmter Umsatz unter
eine im Unionsrecht vorgesehene Steuerbefreiung, so ist die
vertragliche Auflösung des diesem Umsatz zugrunde liegenden
Vertragsverhältnisses gegen Abfindung ebenfalls als unter
diese Befreiung fallend anzusehen (EuGH-Urteil Lubbock Fine vom
15.12.1993 - C-63/92, EU:C:1993:929 = SIS 94 09 23, Rz 9). Die Steuerfreiheit des Ausgangsumsatzes des
Vermieters führt zur Steuerfreiheit des entsprechenden
Umsatzes des Mieters, weil eine Aufspaltung ein und desselben
Mietvertrags nicht möglich ist (EuGH-Urteil Lubbock Fine vom
15.12.1993 - C-63/92, EU:C:1993:929 = SIS 94 09 23, Rz 12; s.a. BFH-Urteil vom 15.04.2015 - V R 46/13,
BFHE 250, 253, BStBl II 2015, 947 = SIS 15 18 88, Rz 50). Ist
hingegen der Ausgangsumsatz des Vermieters aufgrund einer wirksamen
Option (§ 9 UStG) steuerpflichtig, erfasst der Verzicht auf
die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze auch die Abfindung
für die Aufgabe von Rechten aus dem Mietvertrag (vgl.
BFH-Urteil vom 22.05.2019 - XI R 20/17, BFH/NV 2019, 1256 = SIS 19 13 81, Rz 27, m.w.N.).
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24
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bb) Charakteristisch für die
umsatzsteuerrechtliche Gleichbehandlung des Verzichts auf einen
Umsatz („actus contrarius“) mit dem
Umsatz ist danach, dass die jeweilige Leistung (als erster Umsatz)
und der darauf bezogene Verzicht (als zweiter, gegenläufiger
Umsatz) jeweils im Rahmen desselben Zweipersonenverhältnisses
zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger erfolgen.
Dabei zahlt zum Beispiel der ursprünglich Leistende im Rahmen
eines zweiten Umsatzes, damit er die Dispositionsbefugnis über
einen Gegenstand oder ein Recht wiedererlangt (vgl. BFH-Urteil vom
30.06.2022 - V R 36/20, BFHE 277, 508 = SIS 22 19 42, Rz 39). Wie
der Streitfall zeigt, kann aber auch der Abnehmer eine Zahlung
leisten, um sich von seiner Abnahmeverpflichtung zu befreien.
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cc) Die Notwendigkeit der Gleichbehandlung
besteht jedoch nicht, wenn entweder die Einräumung des Rechts
nicht steuerbar war (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2022 - V R 36/20,
BFHE 277, 508 = SIS 22 19 42, Rz 40, in einem
Dreipersonenverhältnis) oder die im Verzicht liegende Leistung
nicht dem Zweck der Steuerbefreiung dient (vgl. BFH-Urteil vom
30.06.2022 - V R 36/20, BFHE 277, 508 = SIS 22 19 42, Rz 34
f.).
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26
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dd) Ausgehend davon ist - entgegen der
Auffassung des FG - auch im Streitfall keine Gleichbehandlung
geboten; denn § 24 UStG ist eine Vereinfachungsregelung, die
seit den Urteilen Harbs (EuGH-Urteil vom 15.07.2004 - C-321/02,
EU:C:2004:447 = SIS 04 28 53;
BFH-Urteil vom 25.11.2004 - V R 8/01, BFHE 208, 73, BStBl II 2005,
896 = SIS 05 13 47) und Stadt Sundern (EuGH-Urteil vom 26.05.2005 -
C-43/04, EU:C:2005:324 = SIS 05 30 11; BFH-Urteil vom 22.09.2005 - V R 28/03, BFHE 211, 566,
BStBl II 2006, 280 = SIS 05 49 02) eng auszulegen ist (z.B.
BFH-Urteile vom 24.01.2013 - V R 34/11, BFHE 239, 552, BStBl II
2013, 460 = SIS 13 11 19, zur Entsorgung; vom 28.05.2013 - XI R
32/11, BFHE 243, 419, BStBl II 2014, 411 = SIS 14 04 58, zu
ökologischen Ausgleichsmaßnahmen; vom 10.09.2014 - XI R
33/13, BFHE 247, 360, BStBl II 2015, 720 = SIS 15 00 04, zur
Pferdepension; vom 08.02.2018 - V R 55/16, BFHE 261, 181, BStBl II
2021, 538 = SIS 18 07 92, zu Ackerstatusrechten; vom 12.11.2020 - V
R 22/19, BFHE 271, 279, BStBl II 2021, 544 = SIS 21 05 52, zu
Vieheinheiten).
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(1) Der von Art. 295 ff. MwStSystRL bezweckte
Ausgleich der Belastung der von einem Landwirt bezogenen
Eingangsleistungen mit Umsatzsteuer wird nach der Systematik des
Pauschalierungsverfahrens erst dann gewährt, wenn er
landwirtschaftliche Erzeugnisse liefert oder landwirtschaftliche
Dienstleistungen erbringt (vgl. BFH-Urteile vom 19.11.2009 - V R
16/08, BFHE 227, 275, BStBl II 2010, 319 = SIS 09 39 24, unter
II.3.b; vom 13.01.2011 - V R 65/09, BFHE 233, 72, BStBl II 2011,
465 = SIS 11 09 29, Rz 18). Andere Umsätze, die der
Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs
tätigt, unterliegen dem Regelsteuersatz (vgl. EuGH-Urteil
Slaby vom 15.09.2011 - C-180/10 und C-181/10, EU:C:2011:589 =
SIS 11 30 49, Rz 48; BFH-Urteile
vom 13.11.2013 - XI R 2/11, BFHE 243, 462, BStBl II 2014, 543 = SIS 14 00 07, Rz 24, m.w.N.; vom 10.09.2014 - XI R 33/13, BFHE 247,
360, BStBl II 2015, 720 = SIS 15 00 04, Rz 20; zu
Hilfsumsätzen vgl. BFH-Urteil vom 30.03.2011 - XI R 19/10,
BFHE 233, 353, BStBl II 2011, 772 = SIS 11 23 92, Rz 22).
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28
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(2) Der Verzicht auf ein Lieferrecht ist weder
eine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne des § 24
UStG, Art. 295 MwStSystRL, da sie nicht zu einer
landwirtschaftlichen Erzeugung der KG beiträgt, noch werden
durch den Verzicht landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne des
§ 24 UStG, Art. 295 MwStSystRL geliefert, da hierfür
keine Gegenstände im Rahmen der in Anhang VII
aufgeführten Tätigkeiten vom landwirtschaftlichen Betrieb
des Landwirts erzeugt werden.
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29
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ee) Darüber hinaus berücksichtigt
nur diese Auslegung hinreichend, dass mit den
Durchschnittssätzen die Vorsteuer für die bezogenen
Eingangsleistungen auf Basis von makroökonomischen Daten
pauschaliert wird (§ 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStG, Art. 298
MwStSystRL). Die Anwendung des § 24 UStG setzt daher voraus,
dass es sich um eine Leistung handelt, bei der typisierend davon
auszugehen ist, dass ihre Erbringung zu einer entsprechenden
Mehrwertsteuer-Vorbelastung führt oder zumindest führen
kann (vgl. BFH-Urteile vom 24.08.2017 - V R 8/17, BFH/NV 2018, 65 =
SIS 17 21 91, Rz 11; vom 06.09.2018 - V R 55/17, BFH/NV 2019, 125 =
SIS 18 19 30, Rz 16; vom 22.03.2023 - XI R 14/21, BStBl II 2023,
945 = SIS 23 14 07, Rz 21 ff.).
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30
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Für den Verzicht auf ein vertragliches
Lieferrecht trifft dies nicht zu; denn die Ausrüstung des
landwirtschaftlichen Betriebs wird für einen solchen Verzicht
nicht benötigt (vgl. ähnlich Stadie, UStG, 3. Aufl.,
§ 24 Rz 26). Die Vorsteuer auf Eingangsleistungen ist bei ihm
typischerweise niedriger als bei einem landwirtschaftlichen Umsatz
(Lieferung oder Dienstleistung), weil die mit der
landwirtschaftlichen Tätigkeit im direkten und unmittelbaren
Zusammenhang stehenden, mit Vorsteuer belasteten Eingangsleistungen
(zum Beispiel Maschinen, Betriebsstoffe, Saatgut, Dünge- und
Pflanzenschutzmittel) dafür typischerweise nicht benötigt
werden. Aufgrund des Verzichts auf das Lieferrecht muss die
Klägerin vielmehr entweder keine Lebensmittel mehr erzeugen
oder sie kann die gleichwohl erzeugten Lebensmittel im Rahmen des
§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG (mit pauschaler
Vorsteuerentlastung für die Erzeugung) an Dritte liefern. Eine
einmalige pauschale Vorsteuerentlastung trotz Nichterzeugung von
Lebensmitteln wäre ebenso system- und zweckwidrig wie eine
doppelte pauschale Vorsteuerentlastung trotz nur einmaliger
Erzeugung von Lebensmitteln.
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31
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ff) Hinzu kommt, dass die unter § 24 Abs.
1 Satz 1 Nr. 3 UStG fallenden Umsätze der Klägerin die
tatsächlichen Lieferungen waren, Gegenstand des Verzichts aber
ein mehrjähriges Lieferrecht der Klägerin (mit
entsprechender Abnahmepflicht der KG) ist. Der Verzicht beendet
vorliegend keine Dauerleistung (vgl. dazu BFH-Beschluss vom
04.02.2008 - V B 170/06, BFH/NV 2008, 829 = SIS 08 17 86, unter
II.1., m.w.N.; BFH-Urteil vom 27.11.2019 - V R 25/18, BFHE 267,
184, BStBl II 2023, 596 = SIS 20 00 99, Rz 18, 23), wie dies zum
Beispiel beim Verzicht auf die Rechte aus einem Mietvertrag der
Fall ist. Es wurde auch keine unter § 24 UStG fallende
Leistungsbereitschaft der Klägerin beendet, die an sich
Gegenstand einer steuerbaren Leistung sein kann, auch wenn der
Empfänger sie nicht in Anspruch nimmt (vgl. EuGH-Urteil Air
France-KLM und Hop!-Brit Air vom 23.12.2015 - C-250/14 und
C-289/14, EU:C:2015:841 = SIS 16 02 97, Rz 28; s. zur Steuerbefreiung von Bereitschaftsdiensten
auch BFH-Urteil vom 02.08.2018 - V R 37/17, BFHE 263, 63 = SIS 18 19 21, Rz 17); denn nicht die Leistungsbereitschaft der
Klägerin, sondern ihre Lieferungen an die KG fielen unter
§ 24 UStG. Die Situation ist vielmehr mit dem Verzicht auf das
Recht auf Privatliquidation von Heilbehandlungen vergleichbar, das
selbst keine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung ist (BFH-Urteil vom
30.06.2022 - V R 36/20, BFHE 277, 508 = SIS 22 19 42, Rz 34).
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32
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gg) Diese Auslegung steht in Einklang mit der
bisherigen Rechtsprechung des BFH zu § 24 UStG. So hat der BFH
die Leistung eines Landwirts, der ein Grundstück als
ökologische Ausgleichsfläche zur Verfügung gestellt
und in diesem Rahmen auf eine landwirtschaftliche Nutzung (bis auf
eine Nutzung als Weide) verzichtet hat, als nicht unter § 24
UStG fallend angesehen, da sie nicht landwirtschaftlichen Zwecken
diene (vgl. BFH-Urteil vom 28.05.2013 - XI R 32/11, BFHE 243, 419,
BStBl II 2014, 411 = SIS 14 04 58, Rz 4, 18, 65 f.). Gleiches gilt
für die Verpflichtung, Land über mindestens fünf
Jahre von der Fruchtfolge auszunehmen und dessen schädliche
landwirtschaftliche Nutzung zu unterlassen (BFH-Urteil vom
08.02.2018 - V R 55/16, BFHE 261, 181, BStBl II 2021, 538 = SIS 18 07 92, Rz 25 und 27). Schließlich fallen die Übertragung
von Zahlungsansprüchen (vgl. BFH-Urteil vom 30.03.2011 - XI R
19/10, BFHE 233, 353, BStBl II 2011, 772 = SIS 11 23 92) sowie die
Überlassung von Vieheinheiten (vgl. BFH-Urteil vom 12.11.2020
- V R 22/19, BFHE 271, 279, BStBl II 2021, 544 = SIS 21 05 52, Rz
32 ff.) nicht unter § 24 UStG.
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33
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hh) Diese Beurteilung widerspricht auch nicht
dem EuGH-Urteil Shields & Sons Partnership vom 12.10.2017 -
C-262/16, EU:C:2017:756 = SIS 17 18 50 (s. dazu auch BFH-Urteile vom 06.09.2018 - V R 55/17,
BFH/NV 2019, 125 = SIS 18 19 30, Rz 17; vom 22.03.2023 - XI R
14/21, BStBl II 2023, 945 = SIS 23 14 07, Rz 25). Danach ist es
zwar unzulässig, einen landwirtschaftlichen Erzeuger, bei dem
festgestellt wird, dass er nach der Pauschalregelung erheblich mehr
erstattet bekommt als er nach den allgemeinen Vorschriften
erstattet bekäme, als Teil der „Gruppe
landwirtschaftlicher Erzeuger“ anzusehen, der
von der Pauschalregelung ausgeschlossen werden darf. Um einen
solchen Ausschluss geht es hier jedoch nicht. Nicht die
Klägerin als Landwirtin wird von der Pauschalregelung
ausgeschlossen, sondern eine bestimmte Tätigkeit der
Klägerin fällt (auch nach der Rechtsprechung des EuGH)
nicht unter die Pauschalregelung, obwohl die Klägerin
Pauschallandwirtin ist. Dies wirkt nicht personell
(gemäß Art. 296 MwStSystRL), sondern sachlich (wegen
Art. 300 Nr. 1 und 2 MwStSystRL). Auf die unter § 24 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 UStG fallenden Umsätze wendet die Klägerin
unstreitig die Pauschalregelung an.
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3. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG
nicht festgestellt hat, ob in Zusammenhang mit der regelbesteuerten
Verzichtsleistung der Klägerin abziehbare
Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen sind.
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a) Fällt die im Verzicht bestehende
Tätigkeit der Klägerin nicht unter § 24 Abs. 1 Satz
1 UStG, steht der Klägerin unter den Voraussetzungen des
§ 15 UStG insoweit der (gegebenenfalls anteilige)
Vorsteuerabzug zu (vgl. BFH-Urteile vom 13.11.2013 - XI R 2/11,
BFHE 243, 462, BStBl II 2014, 543 = SIS 14 00 07, Rz 34; vom
16.11.2016 - V R 1/15, BFHE 255, 354, BStBl II 2022, 777 = SIS 16 26 26, Rz 20 ff.). Mit ihrem Vortrag im Revisionsverfahren, die
Behauptung des FA, dass für den Verzicht keine
Vorsteuerbelastung eingetreten sei, sei eine unbelegte und
unzutreffende Schlussfolgerung, macht die Klägerin insoweit
hilfsweise geltend, dass für die Verzichtsleistung abziehbare
Vorsteuer angefallen ist.
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b) Ob tatsächlich für die
Verzichtsleistung bisher noch nicht berücksichtigte,
abziehbare Vorsteuerbeträge angefallen sind, hat das FG - auf
Basis seiner Rechtsauffassung konsequenterweise - nicht
festgestellt. Dies kann es im Rahmen der Zurückverweisung
nachholen.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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5. Der Senat entscheidet mit
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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